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25.02.2005 · IWW-Abrufnummer 050550

Finanzgericht Niedersachsen: Beschluss vom 14.10.2004 – 6 V 655/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT

BESCHLUSS

vom 14.10.2004
Az.: 6 V 655/04

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die steuerliche Behandlung von Verlusten aus einer ausländischen Betriebsstätte.

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und vertreibt als Großhändlerin ... und Zubehör für den Betrieb von ... . Sie hat ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, welches sich jeweils vom 1. März eines Jahres bis zum 28./29. Februar des Folgejahres erstreckt.

Im Jahr 1996 gründete die Antragstellerin eine Zweigniederlassung in X/Belgien. Die Niederlassung wurde am 20. November 1996 in das belgische Handelsregister eingetragen. Für diese belgische Niederlassung wurde eine gesonderte Buchführung erstellt. In den Wirtschaftsjahren 1996/1997 sowie 1997/1998 erzielte die Antragstellerin aus der belgischen Betriebsstätte jeweils einen Verlust i.H.v. 86.816 DM bzw. 354.514 DM. Diese Verluste brachte die Antragstellerin gem. § 2a Abs. 3 EStG a.F. im Rahmen ihrer Gewinnermittlung zum Abzug. Mit Kaufvertrag vom 12.11.1998 veräußerte die Antragstellerin die belgische Betriebsstätte rückwirkend zum 31.08.1998. Aus dem laufenden Betrieb der belgischen Niederlassung erzielte die Antragstellerin in dem Wirtschaftsjahr 1998/99 einen Verlust i.H.v. 169.708 DM sowie einen Veräußerungsverlust i.H.v. 504.523 DM, mithin insgesamt einen Verlust i.H.v. 674.231 DM. Auch diesen Verlust brachte die Antragstellerin im Rahmen ihrer Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1998/1999 zum Abzug, so dass neben einer Körperschaftsteuerfestsetzung von 0 DM auch ein verbleibender Verlustvortrag festgestellt wurde. Nach Durchführung einer Außenprüfung im Jahr 2003 erließ der Antragsgegner mit Datum vom 18.03.2004 gem. § 164 Abs. 2 AO geänderte Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1999 ? 2001, geänderte Feststellungsbescheide gem. § 47 Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz zum 28.02.1999, 29.02.2000 und 28.02.2001 sowie geänderte Gewerbesteuermessbescheide 1999 und 2000. Bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer für das Jahr 1999 wurde der bis dahin von der Antragstellerin abgezogene "Betriebsstättenverlust Belgien" i.H.v. 674.231 DM dem zu versteuernden Einkommen wieder hinzugerechnet. Die Verlustfeststellungsbescheide wurden aufgehoben, da sich ein verbleibender Verlustvortrag nicht mehr ergab. Entsprechend wurden auch die Gewerbesteuermessbetragsfestsetzungen geändert.

Gegen diese Änderungsbescheide legte die Antragstellerin mit Datum vom 25.03.2004 Einspruch ein und beantragte mit Schreiben vom 21.04.2004 die Aussetzung der Vollziehung. Mit Bescheid vom 06.05.2004 wies der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mangels Begründung zurück. Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 10.05.2004 Einspruch ein und verwies auf ihre zwischenzeitlich eingereichte Einspruchsbegründung. Darin machte die Antragstellerin die Verfassungswidrigkeit der Aufhebung des § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 1999 geltend. Das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, welches die Regelung des § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG aufgehoben habe, sei am 24.03.1999 verkündet worden. Dieser Zeitpunkt habe erst nach Abschluss des Wirtschaftsjahres 1998/1999 der Klägerin am 28.02.1999 gelegen. Es handele sich daher um ein rückwirkendes Gesetz, welches dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 2 Grundgesetz (GG) widerspreche. Für die rückwirkende Aufhebung des § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG gebe es keine zwingenden Gründe des gemeinen Wohles, die eine solche Änderung rechtfertigten. Der Vertrauensschutz der Klägerin überwiege ein Änderungsinteresse des Gesetzgebers, da die Antragstellerin durch die Veräußerung der belgischen Niederlassung eine Disposition getroffen habe, als das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 noch nicht einmal in Planung gewesen sei. Die Antragstellerin habe die Gesetzesänderung daher bei ihrer Disposition nicht mehr berücksichtigen können. Darüber hinaus verstoße die Abschaffung des § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG gegen vorrangiges Gemeinschaftsrecht, da Verluste aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat nicht mehr abgezogen werden könnten.

Mit Einspruchsbescheid vom 17.06.2004 wies der Antragsgegner den Einspruch gegen die Ablehnung der Anträge auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide nicht bestünden. Nach der Aufhebung des § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 seien die von der Antragstellerin geltend gemachten Verluste aus der ausländischen Betriebsstätte nicht mehr abzugsfähig. Die Änderungsbescheide vom 18.03.2004 seien daher zu Recht ergangen. Bei der Aufhebung des § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG handele es sich nicht um eine unzulässige Rückwirkung. Der Gesetzentwurf der Bundestagsfraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 sei dem Bundestag am 09.11.1998 zugeleitet worden. Zudem sei bereits im Herbst 1998 in den Medien vielfach über das Steuersenkungsprogramm sowie mit den damit verbundenen Gegenfinanzierungsmaßnahmen, dem Streichen von Steuervergünstigungen, berichtet worden. Bei Abschluss des Verkaufs der belgischen Betriebsstätte am 12. November 1998 habe die Antragstellerin daher mit einer Gesetzesverschärfung durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 rechnen müssen. Sie könne sich auch nicht auf ein Vertrauen in die bestehende Rechtslage berufen, da sie ein abweichendes Wirtschaftsjahr gewählt habe und bereits aus diesem Grund immer habe damit rechnen müssen, dass kurzfristige Steuerrechtsänderung zum 1. Januar auf Ergebnisse des noch nicht abgeschlossenen Wirtschaftsjahres zurückwirken könnten. Zudem habe die Antragstellerin noch bis zum Ende des Jahre 1998 die Möglichkeit gehabt, ihr abweichendes Wirtschaftsjahr ohne Zustimmung des Antragsgegners auf das Kalenderjahr umzustellen. Hierdurch hätte die Antragstellerin die Möglichkeit gehabt, die ausländischen Betriebsstättenverluste noch im Veranlagungszeitraum 1998 gem. § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG a.F. abzuziehen. Eine Aussetzung der Vollziehung komme auch nicht insoweit in Betracht, als die Antragstellerin geltend mache, dass die Beschränkung des Verlustabzuges aus ausländischen Betriebsstätten einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 ff. des EG-Vertrages geltend mache. Zwar werde die Aufhebung des § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG in der Literatur als europa-rechtlich problematisch angesehen. Auch habe der 1. Senat des BFH (Beschluss vom 13.November 2002, I R 13/02, BStBl II 2003, S. 795 ff.) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) u.a. die Frage vorgelegt, ob es Art. 43 und Art. 56 des EG-Vertrages widerspreche, wenn einer in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person, die hier Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erziele, in Deutschland Verluste aus Vermietung und Verpachtung, die in einem anderen Mitgliedsstaat entstünden, bei der Einkommensermittlung nicht abziehen könne. Dies rechtfertige im vorliegenden Fall jedoch keine Aussetzung der Vollziehung. Ebenfalls mit Schreiben vom 17. Juni 2004 erklärte der Antragsgegner jedoch das Ruhen der Einspruchsverfahren im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des 1. Senates des BFH.

Nachdem die Antragsgegnerin den Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung zurückgewiesen hatte, hat die Antragstellerin beim Finanzgericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Im Anschluss an ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren beruft sie sich weiter darauf, dass sich bei rückwirkend geänderten Steuergesetzen, die hinsichtlich der Entstehung der Steuer zur Tatbestandsverwirklichung an Handlungen anknüpften, keine anderen Rechtsfolgen ergeben dürften, als bei jenen Gesetzen, welche zum Zeitpunkt der Vornahme der Handlung gültig gewesen seien. Die Antragstellerin habe mit dem Verkauf der belgischen Betriebsstätte eine Disposition vorgenommen, die bei Erlass des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 bereits abgeschlossen gewesen sei. Sowohl der Veräußerungsverlust als auch der laufende Verlust aus der Betriebsstätte seien in den Jahresabschluss 1998/1999 zum 28.02.1999 eingeflossen. Bei Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes am 24.03.1999 habe die Antragstellerin hierauf nicht mehr reagieren können. Der Antragsgegner könne sich auch nicht auf den sog. "Ankündigungseffekt" berufen, da die vorliegend betroffene Norm in der Berichterstattung in den Medien nicht angeführt worden sei. Letztlich bestehe keine Verpflichtung des Steuerpflichtigen, sich im Einzelnen über den Inhalt geplanter Gesetzesänderungen zu informieren. Darüber hinaus verstoße die nach der Gesetzesänderung gültige Fassung des § 2a EStG gegen vorrangiges Gemeinschaftsrecht. Danach sei es nicht zulässig, wenn eine unbeschränkt steuerpflichtige Person, die im Inland steuerpflichtige Einkünfte erziele, Verluste, die in anderen EU-Mitgliedsstaaten entstanden seien, bei der Einkommensermittlung nicht abziehen könne.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer für 1999, 2000 und 2001, über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 KStG zum 28.02.1999, 29.02.2000 und 28.02.2001, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1999 und 31.12.2000 sowie über die Gewerbesteuermessbeträge 1999 und 2000 jeweils vom 18.03.2004 auszusetzen bzw. die Vollziehung aufzuheben, soweit die Bescheide bereits vollzogen seien.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verweist der Antragsgegner auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren.

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ? BFH ? vom 10. Februar 1984 III B 40/98, BStBl II 1984, S. 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO).

An der Rechtmäßigkeit der mit Einspruch angegriffenen Bescheide bestehen ernstliche Zweifel. Nach der im Aussetzungsverfahren allein möglichen summarischen Prüfung hat der Antragsgegner nach Auffassung des Senats zu Unrecht die Verluste aus der ausländischen Betriebsstätte dem Gewinn der Antragstellerin für das Wirtschaftsjahr 1998/1999 wieder hinzugerechnet.

Die Hinzurechnung durch den Antragsgegner erfolgte aufgrund der Regelung des § 2 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG. Nach dieser Vorschrift dürfen negative ausländische Einkünfte aus einer gewerblichen Betriebsstätte nur mit ausländischen Einkünften der jeweils selben Art aus dem selben Staat ausgeglichen werden; sie dürfen nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Bis zum Veranlagungszeitraum 1998 eröffnete § 2a Abs. 3 S.1 und 2 EStG als Ausnahme zu Abs. 1 dieser Vorschrift für Verluste aus einer ausländischen gewerblichen Betriebsstätte die Möglichkeit, auf Antrag die Verluste bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abzuziehen, soweit die Einkünfte aus der im Ausland belegenen Betriebsstätte nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der Einkommensteuer befreit waren. Diese Ausnahmeregelung des § 2a Abs. 3 S. 1 u. 2 EStG wurde mit Wirkung zum 01.01.1999 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 aufgehoben.

Dabei kann dahinstehen, ob die von der Antragstellerin vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken zur Zulässigkeit der Aufhebung des § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ergangenen Bescheide zu rechtfertigen vermögen.

Jedenfalls erscheint ernstlich zweifelhaft, ob die Regelung des § 2a Abs.1 S. 1 Nr. 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (Art. 43 S. 1 und 2, Art. 56 EG-Vertrag).

Die Antragstellerin erzielte im Rahmen ihrer belgischen Betriebsstätte gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 EStG. Die Verluste aus der belgischen Betriebsstätte gehören zu den Unternehmensgewinnen i.S. der Art. 3 Abs. 2 und 7 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiet der Steuern von Einkommen und Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grunderwerbsteuer vom 11. April 1967 i.d.F. des Zusatzabkommens vom 5. November 2002 (Bundesgesetzblatt 2003 II S. 1616) ? (DBA?Belgien) -. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin aus ihrer belgischen Betriebsstätte Verluste erzielt hat. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung umfasst der abkommensrechtliche Ausdruck "Gewinne" sowohl positive wie negative Einkünfte (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 A, Rdn. 159 m.w.N.). Als Einkünfte aus einer belgischen Betriebsstätte sind diese gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Belgien in der Bundesrepublik Deutschland steuerfrei. Sie gehen daher insoweit nicht in die Einkommensteuerbemessungsgrundlage zum Ausgleich steuerpflichtiger Einkünfte ein.

Bei Anwendung des § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/ 2000/2002 für den Veranlagungszeitraum 1999 dürfte die Antragstellerin ihre negativen ausländischen Einkünfte aus einer gewerblichen Betriebsstätte in Belgien nur mit Einkünften der jeweils selben Art aus dem selben Staat ausgleichen. Ein Abzug nach § 10d EStG wäre nicht möglich.

Der 1. Senat des BFH (Beschluss vom 13. November 2002 I R 13/02, BStBl II 2003 S. 795 ff.) hält die Regelung des § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG, wonach ausländische negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens nicht abgesetzt werden können, für mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar. Er hat die Frage, ob es Art. 43 und Art. 56 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Amsterdam vom 02.10.1997, zuletzt geändert durch EU-Beitrittsakte 2003 vom 16.04.2003 (EG), widerspreche, wenn eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person, die hier Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erziele, in Deutschland Verluste aus Vermietung und Verpachtung, die in einem anderen Mitgliedsstaat entstehen, bei der Einkommensermittlung nicht abziehen könne, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (BFH-Beschluss vom 13.11.2002, a.a.O.). Der 1. Senat des BFH führt zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Eigennutzung des eigenen Hauses durch die Nichtberücksichtigung der negativen Einkünfte aus einem im Ausland gelegenen Haus gegenüber einer entsprechenden Nutzung im Inland benachteiligt werde. Dies verstoße gegen die in Art. 43 und Art. 56 EG garantierten Grundfreiheiten der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit. Nach diesen Regelungen dürfe eine europa-rechtlich geschützte grenzüberschreitende Betätigung grundsätzlich weder behindert noch wirtschaftlich weniger attraktiv gemacht werden (BFH-Beschluss vom 13.11.2002 a.a.O. m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Dies sei jedoch der Fall, wenn der Abzug von negativen Einkünften aus der Eigennutzung eines im Ausland belegenen Hauses aufgrund des Auslandsbezuges explizit verweigert werde. Für diese Ungleichbehandlung seien tragfähige Gründe nicht ersichtlich. Der Verweis auf die Überlegung, dass der Quellenstaat die Verluste in späteren Veranlagungszeiträumen durch einen Verlustvortrag berücksichtigen könne, lasse außer Acht, dass nicht gesichert sei, ob überhaupt verrechenbare Gewinne erzielt würden, und dass für den Steuerpflichtigen jedenfalls Zins- und Liquiditätsnachteile entstünden. Auch die mögliche Gefahr einer doppelten Verlustnutzung rechtfertige die Benachteiligung nicht. Ebenso sei der Gesichtspunkt der kohärenten Besteuerung nicht geeignet, die Schlechterstellung Gebietsfremder bei der Verlustrechnung zu legitimieren. Der Grundsatz der Kohärenz dürfe jedenfalls dann nicht zur Rechtfertigung der Verweigerung einer steuerlichen Vergünstigung gegenüber Gebietsfremden herangezogen werden, wenn die steuerliche Kohärenz auf der Grundlage eines mit einem anderen Mitgliedsstaat geflossenen bilateralen Abkommens gewährleistet werde (BFH-Beschluss vom 13.11.2002, a.a.O., S. 797 unter Verweis auf EuGH-Urteil vom 11. August 1995 R.C-80/94 "Wielockx", Sammlung 1995, I-2493, dort Rn. 24 f.). In diesen Fällen werde die steuerliche Kohärenz gerade nicht auf der Ebene der Einzelpersonen, sondern auf der Ebene der Gegenseitigkeit der in den Vertragsstaaten anwendbaren Vorschriften hergestellt. Die Vermeidung eines unerwünschten Verlustausgleiches ließe sich insgesamt nur dann legitimieren, wenn die betreffenden in- und ausländischen Sachverhalte gleichbehandelt würden, was angesichts der Regelung in § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht der Fall sei.

Die vom 1. Senat des BFH in seinem Beschluss vom 13. November 2002 dargelegten Gründe, denen sich der Senat anschließt, gelten für den Bereich der gewerblichen Einkünfte aus einer ausländischen Betriebsstätte entsprechend. Gemäß Art. 56 Abs. 1 EG sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedsstaaten verboten. Nach der Regelung des Art. 43 Satz 1 und 2 EG sind Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates verboten, was gleichfalls für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften gilt. Danach erscheint es nicht gerechtfertigt, dass Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte im Gegensatz zu Verlusten aus einer inländischen Betriebsstätte nicht abzugsfähig sind.

Es bestehen daher ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung des § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 mit dem Gemeinschaftsrecht, ohne dass in diesem Eilverfahren einer Vorabentscheidung des EuGH einzuholen wäre (BFH-Beschluss vom 30.12.1996 B 61/96, BStBl II 1997, S. 466, 468 m.w. N.).

Einer Aussetzung steht auch das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung, die das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegen könnte, nicht entgegen. Eine solche Abwägung mit öffentlichen Interessen findet bei Zweifeln an der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nicht statt (Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 69 FGO, Rdn. 99; BFH-Beschluss vom 24.03.1998 I B 100/97, BFHE 185, 467).

Die Vollziehung der mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs angefochtenen Bescheide war daher auszusetzen.

Die Aussetzung der Vollziehung erfolgt ohne Sicherheitsleistung. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung ist möglich, wenn die spätere Vollstreckung der Steuerforderung infolge der Aussetzung der Vollziehung gefährdet oder erschwert erscheint (Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO, Rdn. 155; Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 69 FGO, Rdn. 110). Allein der vom Antragsgegner vorgebrachte Umstand, dass es sich um eine hohe Steuerforderung handele, rechtfertigt vorliegend keine Bestimmung einer Sicherheitsleistung. Insbesondere hat der Antragsgegner nicht dargelegt, inwieweit allein aufgrund der Höhe der Steuernachforderung eine Gefährdung der Vollstreckung eintreten könnte. Bei der Antragstellerin handelt es sich um ein seit längerer Zeit existierendes Unternehmen, welches, soweit die Verluste aus der belgischen Betriebsstätte außer Acht gelassen werden, nachhaltig Gewinne erzielt hat. Vor diesem Hintergrund ist eine Gefährdung des Steueranspruchs nicht ersichtlich. Darüber hinaus sind die Erfolgsaussichten der Rechtsbehelfe der Antragstellerin zu berücksichtigen. Je größer die Erfolgsaussicht ist, desto geringer ist die Gefahr des Steuerausfalles. Damit entfällt das öffentliche Interesse an der Sicherheitsleistung, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (Seer, a.a.O., Rdn. 109; BFH-Beschluss vom 13.12.1999, III B 15/99, BFH/NV S. 827, 830). Unter Berücksichtigung des Vorlagebeschlusses des 1. Senates des BFH vom 13.11.2002 (I R 13/02, BStBl II 2003, 795 ff.) steht nach Auffassung des erkennenden Senates mit großer Wahrscheinlichkeit für die Antragstellerin ein günstiger Verfahrensausgang zu erwarten, so dass die Anordnung einer Sicherheitsleistung als unangemessen erscheint.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO zugelassen. In dem zitierten Vorlagebeschluss vom 13.11.2002 (a.a.O.) hat der 1. Senat des BFH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Regelung des § 2a Abs. 1 Nr. 4 EStG betreffend die Einkünfte aus der Nutzung eines im Ausland belegenen Hauses mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, nicht jedoch die Frage, ob § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 betreffend Verluste aus ausländischen Betriebsstätten mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei.

RechtsgebieteEinkomensteuer, EU-RechtVorschriften§§ 2a Abs.1 EStG a.d.F. StEntlG 99/00/02

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