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17.07.2002 · IWW-Abrufnummer 020836

Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 27.09.2001 – 8 U 181/00

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

8 U 181/00

Verkündet am 27. September 2001

pp.

In dem Rechtstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B den Richter am Oberlandesgericht B und die Richterin am Oberlandesgericht S

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 28. September 2000 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte begab, sich im August 1996 zur Vornahme einer Lebertransplantation in die chirurgische Klinik des V der H zu B. Aufgrund einer Wahlleistungsvereinbarung wurde er von dem Direktor der Klinik, dem Kläger, persönlich behandelt. Dieser stellte dem Patienten für die Vornahme der Lebertransplantation am 18. April 1997 30.142,86 DM in Rechnung. Dabei bewertete er die Explantation der Spenderleber mit "18.000 Punkten gemäß Bundesärztekammer" zum 3,5-fachen Satz mit 7.182 DM; für die Entfernung des erkrankten Organs des Patienten setzte er 20.000 Punkte (7.980 DM) und für die Implantation der Spenderleber 22.000 Punkte (8.778 DM) - jeweils zum 3,5-fachen Satz - an. Die übrigen Leistungen berechnete er nach den Ziffern der Gebührenordnung für Ärzte. Die private Krankenversicherung des Beklagten akzeptierte für die Lebertransplantation nur 2.244,38 DM (3,5-facher Satz des Betrages nach Ziffer 3184 der GOÄ abzüglich 25% gem. § 6 a GOÄ) und erstattete dem Beklagten auf die Rechnung vom 18, April 1997 insgesamt 14.432,24 DM, die sie unmittelbar an den Kläger leistete. Weitere Zahlungen erfolgten nicht.

Der Kläger begehrt den Restbetrag von 15.710,62 DM. Er hat geltend gemacht, die nach der GOÄ für eine Lebertransplantation vorgesehene Vergütung umfasse nicht alle im Rahmen einer Lebertransplantation anfallenden Leistungen, wie die gefäßchirurgische Maßnahmen und die Explantation der Spenderleber, und sei - da sie aus einer Zeit stamme, als die Lebertransplantation noch chirurgisches Neuland gewesen sei - angesichts der heutigen Operationsverfahren unangemessen niedrig. Bereits im Dezember 1991 habe die Bundesärztekammer deswegen den Vorschlag gemacht, eine Lebertransplantation anhand einer Bewertung in der von dem Kläger vorgenommenen Weise zu berechnen. Diese Stellungnahme der Bundesärztekammer habe immer noch Gültigkeit, da der die chirurgischen Leistungen betreffende Teil (Abschnitt L) der GOÄ im Rahmen der Novellierung der Verordnung vom 1. Januar 1996 keine Änderung erfahren habe.

Das Landgericht hat den Beklagten gemäß dem Antrag des Klägers durch Versäumnisurteil vom 3. Dezember 1998 zur Zahlung von 15.710,62 DM nebst 4% Zinsen seit dem 9. Oktober 1998 verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte fristgerecht Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat sodann beantragt,

das Versäumnisurteil vom 3. Dezember 1998 aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat beantragt,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, da die privatärztlichen Leistungen zwingend nach der geltenden Gebührenordnung abzurechnen seien, könne für eine Lebertransplantation nur der hierfür derzeit geltenden Satz nach Ziffer 3184 unter Berücksichtigung einer Erhöhung nach § 5 GOÄ in Rechnung gestellt werden. Des weiteren hat der Beklagte sich darauf berufen, daß das Honorar mangels einer gemäß den zwingenden Grundsätzen des § 12 GOÄ erstellten Rechnung nicht fällig sei.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens das Versäumnisurteil vom 3. Dezember 1998 aufrechterhalten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Beklagten. Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend, für die vom Landgericht vorgenommene Prüfung der Üblichkeit und Angemessenheit der Vergütung sei bei einer durch Verordnung festgelegten Honorierung kein Raum.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung das Versäumnisurteil vom 3. Dezember 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des Landgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat eine Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit eingeholt; wegen des Ergebnisses dieser Auskunft wird auf das Schreiben des Ministeriums vom 9. Juli 2001 (Bl. 233 GA) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten gemäß §§ 611, 612 BGB ein Anspruch auf Zahlung eines restlichen Honorars in Höhe von 15.710,62 DM zu.

1.

Die Vergütung für ärztliche Leistungen richtet sich nach den Gebührentatbeständen der GOÄ als verbindlicher Abrechnungsgrundlage (§ 1 Abs. 1 GOÄ); eine anderweitige und analoge Berechnung anhand gleichwertiger Leistungen nach § 6 Abs. 2 GOÄ kommt im Grundsatz nur dann in Betracht, wenn die Gebührentatbestände eine Lücke aufweisen, weil es sich um eine ärztliche Verrichtung handelt, die nicht in das Gebührenverzeichnis aufgenommen worden ist.

2.

Dies ist hinsichtlich der bei dem Beklagten vorgenommenen Behandlung zwar nicht der Fall; die Lebertransplantation ist unter Abschnitt L Ziffer 3184 GOÄ ausdrücklich aufgeführt und dort mit einem Honorargrundbetrag von 855 DM bewertet. Gleichwohl liegt hinsichtlich der Vergütung für ärztliche Leistungen bei der Durchführung einer Lebertransplantation eine Verordnungslücke vor:

a)

Regelungslücken sind nicht nur dann anzunehmen, wenn der Gesetz- oder Verordnungsgeber eine Frage bewußt offengelassen hat, um sie der Entscheidung der Rechtsprechung und Lehre zu überlassen, oder wenn er sie unbewußt unbeantwortet gelassen hat, also eine planwidrige Unvollständigkeit festzustellen ist. Eine - ausfüllungsbedürftige - Lücke ist vielmehr auch dann zu bejahen, wenn das Recht zwar formell eine Regelung enthält, diese aber wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse so wenig sachgerecht ist, daß der Regelungscharakter verloren gegangen ist.

b)

Dies ist hinsichtlich des Gebührentatbestandes 3184 der Fall; die Höhe der Gebühren für eine Lebertransplantation ist unangemessen niedrig:

Die Bewertung des Honorars wurde im Zuge der Dritten Verordnung zur Änderung der GOÄ im Jahr 1988 vorgenommen und ist trotz des erheblichen medizinischen Fortschritts in den darauffolgenden Jahren unverändert geblieben, obwohl die Weiterentwicklung der medizinischen Wissenschaft gemäß den Ausführungen des in erster Instanz bestellten Sachverständigen Dr. K eine grundlegende Verbesserung des Transplantationsverfahrens und damit eine wesentliche Ausweitung der hierzu zu erbringenden ärztlichen Leistungen zu Folge hatte. Dies hat dazu geführt, daß die bisherige Bewertung des Honorars für eine Lebertransplantation nicht nur von der Vertretung der Ärzteschaft, der Bundesärztekammer, sondern auch von dem Verordnungsgeber selbst seit längerem als ungenügend angesehen wird: Das Bundesministeriums für Gesundheit hat auf die Anfrage des Senats vom 26. Juni 2001 - ob anläßlich der Novellierung der GOÄ im Jahre 1996 eine Erhöhung der Vergütung für eine Lebertransplantation in Erwägung gezogen worden sei - mitgeteilt, daß dem Verordnungsgeber die Auffassung der Bundesärztekammer, das bisherige Honorar sei unzureichend, bekannt gewesen sei und das Ministerium bereits im Jahre 1996 eine Gesamtnovellierung der GOÄ in zwei Teilschritten beabsichtigt, die Überarbeitung der operativen Leistungen mit Blick auf ihren Umfang dabei aber für einen zweiten Novellierungsschritt vorgesehen gehabt habe. Wie das Ministerium abschließend zum Ausdruck gebracht hat, erachtet der Verordnungsgeber für diese - "aus verschiedenen Gründen noch ausstehende" - abschließende Novellierung mit Blick auf den Aufwand bei einer Lebertransplantation eine "deutliche" Erhöhung der Vergütung der diesbezüglichen ärztlichen Leistungen für notwendig.

3.

Da das in Ziff. 3184 GOÄ festgelegte Honorar nicht - mehr - sachgerecht ist, die "Taxe" im Sinne des §§ 612 BGB also nicht mehr die angemessene Vergütung - auf die der Arzt Anspruch hat - darstellt, muß diese Lücke mit Hilfe einer Anwendung des § 6 Abs. 2 GOÄ dadurch ausgefüllt werden, daß das angemessene Honorar durch eine analoge Berechnung anhand gleichwertiger Leistungen bestimmt wird:

Der Sachverständige Dr. K hat in dem von ihm erstinstanzlich erstatteten Gutachten die wesentlichen ärztlichen Verrichtungen, die zur Durchführung einer Lebertransplantation erforderlich sind, aufgeführt, ihnen die entsprechend bewerteten Gebührentatbestände der GOÄ gegenübergestellt und ist überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, daß die von der Bundesärztekammer vorgenommene Punktbewertung der ärztlichen Leistungen, an der sich die Berechnung des Klägers orientiert, angemessen ist.

4.

Die Vergütungsforderung ist auch fällig. Dem Beklagten ist zuzugeben, daß die Rechnung vom 18. April 1997 entgegen der Vorschrift des § 12 Abs. 4 GOÄ keine Hinweise dazu enthält, worauf die von der Bundesärztekammer empfohlene Punktbewertung fußt. Auf eine sich hieraus ergebende mangelnde Nachvollziehbarkeit der Liquidation kann der Beklagte sich allerdings nach Erstattung des Gutachtens durch den erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen nicht mehr berufen. Dr. K hat den Aufwand für die Durchführung der Lebertransplantation im einzelnen dargestellt, so daß der Beklagte nunmehr in die Lage versetzt wurde, die Vornahme der in die Berechnung eingeflossenen Behandlungsschritte zu prüfen und zu der analogen Berechnung Stellung zu nehmen.

5.

Der Zinsanspruch des Klägers ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gerechtfertigt.

B.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Beschwer des Beklagten liegt unter 60.000 DM.

Die Revision war gemäß § 546 ZPO zuzulassen; die Frage der Angemessenheit der in der GOÄ festgelegten Vergütungssätze für ein Transplantationsverfahren ist von allgemeiner Bedeutung und bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden.

RechtsgebieteGOÄ, BGB, ZPOVorschriftenGOÄ § 5 GOÄ § 6 Abs. 2 GOÄ § 12 GOÄ § 12 Abs. 4 BGB § 611 BGB § 612 ZPO § 97 Abs. 1 ZPO § 708 Nr. 10 ZPO § 711 ZPO § 546 Verfahrensgang: LG Düsseldorf 3 O 351/98 vom 28.09.2000

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