Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

21.02.2001 · IWW-Abrufnummer 010282

Finanzgericht Köln: Urteil vom 28.06.2000 – 10 K 485/99

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln

Az.: 10 K 485/99

Gerichtsbescheid des Senats vom 28.06.2000

Tatbestand:

Streitig ist die Abzugsfähigkeit von Wohnrechtsnebenleistungen als Sonderausgaben (dauernde Last) gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG.

Die Kläger werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.

Die Klägerin ist Eigentümerin des von den Klägern bewohnten Zweifamilienhauses in ...., das ihr durch notariellen Vertrag vom 06.12.1974 im Wege vorweggenommener Erbfolge von ihrer Mutter übertragen wurde.

Nach Abschn. II dieses Vertrages erhielt die Mutter als Gegenleistung auf Lebenszeit ein Wohnrecht an bestimmten Räumen des Hauses und das Recht zur Mitbenutzung der üblichen Nebenräume, des Kellers und des Gartens. Des weiteren heißt es in dem Vertrag dazu: "Schuldrechtlich wird vereinbart, daß das Wohnrecht unentgeltlich eingeräumt wird." Der monatliche Wert des Wohnrechts wurde mit 150,- DM angegeben. Die Vertragsbeteiligten bewilligten die Eintragung dieses Wohnrechts im Grundbuch.

Außerdem verpflichtete sich die Klägerin, ihre Mutter zu pflegen, verpflegen und zu versorgen, wenn diese zur Führung eines eigenen Haushalts nicht mehr in der Lage sein sollte. Die Mutter war dabei nicht verpflichtet, sich an den gemeinsamen Haushaltskosten zu beteiligen.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Inhalt des Übertragungsvertrages wird auf die zu den Gerichtsakten gereichte Urkunde Bezug genommen.

Nach Angaben der Kläger in der Einkommensteuererklärung für 1992 hat die Wohnung der Mutter eine Wohnfläche von 36 qm.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger die Aufwendungen, die den das Wohnrecht umfassenden Hausanteil betreffen, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend.

Nachdem diese vom Beklagten nicht anerkannt wurden (Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 20.11.1997), begehrten sie im Einspruchsverfahren, von den Aufwendungen für Grundsteuer (...DM), Kanal- und Wassergebühren (... DM), Heizung (... DM), Versicherungen und Schornsteinfeger (... DM), insgesamt ... DM, 1/3 (= ... DM) als dauernde Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG bei den Sonderausgaben zu berücksichtigen.

Der Beklagte lehnte dies ab mit der Begründung, daß im Übergabevertrag vom 06.12.1974 eine Übernahme derartiger Kosten durch die Klägerin nicht vereinbart worden sei. Die Klägerin sei daher nicht verpflichtet, die anteiligen Kosten für die von, der Mutter genutzte Wohnung zu tragen. Würden solche Kosten ohne rechtliche Verpflichtung übernommen, handele es sich um freiwillige Zuwendungen gemäß § 12 Nr. 2 EStG, die den Kosten der Lebenshaltung zuzurechnen und steuerlich nicht abzugsfähig seien (Einspruchsentscheidung vom 30.12.1998).

Die hiergegen erhobene Klage begründen die Kläger im wesentlichen wie folgt:

Der Vertragstext enthalte zwar nicht die Regelung, daß die Mutter von sämtlichen Kosten befreit werde, die mit der Ausübung ihres Wohnrechts im Zusammenhang stehen. Zwischen den Beteiligten sei jedoch von vornherein vereinbart worden, daß die Mutter diese Kosten nicht zu tragen habe. Unter Abschn. II Nr. 1 des Übergabevertrages finde sich die Vereinbarung, wonach schuldrechtlich vereinbart werde, daß das Wohnrecht unentgeltlich eingeräumt werde. Diese Regelung bedeute für die Beteiligten nicht nur, daß die Begründung des Wohnrechts unentgeltlich erfolgen sollte, sondern auch und gerade, daß die Mutter auf Dauer von sämtlichen laufenden Kosten befreit werde.

Nach der neueren BFH-Rechtsprechung sei auch bei Vereinbarungen unter unterhaltsberechtigten Personen eine "ergänzende" Vertragsauslegung möglich und Nebenabreden müßten nicht zwingend beurkundet werden, wenn sie wirtschaftlich durchgeführt würden. Es werde insoweit auf das BFH-Urteil vom 14.11.1989 IX R 110/85 (BFHE 159, 442, BStBl II 1990, 462) verwiesen.

Die Kläger beantragen,

die anteiligen Grundstückskosten i.H.v. ... DM, die auf das Wohnrecht der Mutter entfallen, nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG als dauernde Last bei den Sonderausgaben zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Die Kläger haben im Klageverfahren eine eigene eidesstattliche Erklärung und eine solche der Mutter mit Datum vom 20.08.1999 vorgelegt, wonach die Mutter keinerlei Energiekosten oder andere zu ihrer unentgeltlich überlassenen Wohnung entstandenen Kosten oder Umlagen bezahlt hat.

Diese Erklärung wird ergänzt durch eine weitere eidesstattliche Erklärung der Kläger und der Mutter vom 09.09.1999, wonach alle Beteiligten "den Willen und die Absicht hatten, daß für die unentgeltlich überlassene Wohnung von Frau ... keine Energiekosten oder andere Kosten oder Umlagen von Frau ... zu zahlen wären."

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Die Kläger können die auf den wohnrechtsbelasteten Anteil des Hauses entfallenden Aufwendungen (Grundsteuer, Kanal- und Wassergebühren, Heizung, Versicherungen und Schornsteinfeger) weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben steuermindernd geltend machen.

Ein Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpachtung kommt nicht in Betracht, weil sie hinsichtlich der Wohnung der Mutter keine derartigen Einkünfte erzielen, da die Mutter die Wohnung aufgrund des vorbehaltenen unentgeltlichen Wohnrechts nutzt. Der Nutzungswert ist der Mutter als Nutzungsberechtigten zuzurechnen, weil sie insoweit eine gesicherte Rechtsposition hat (§ 21 Abs. 2 1. Alternative EStG; vgl. BFH-Urteil vom 12.07.1989 X R 11/84, BFHE 158, 22, BStBl II 1990, 13, mit weiteren Nachweisen).

Ein Abzug der geltend gemachten Aufwendungen als Sonderausgaben scheidet aus, weil die Voraussetzungen des hierfür einschlägigen § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG 1990 (EStG) sind nicht erfüllt sind.

Nach dieser Vorschrift sind als Sonderausgaben abziehbar die auf besonderen Verpflichtungen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Zu den dauernden Lasten, die in vollem Umfang abziehbar sind (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG), können die hier streitigen Kanal- und Wassergebühren und die Kosten für die Heizung und den Schornsteinfeger als zusätzliche Versorgungsleistungen gehören (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 18. Aufl. 1999, § 10 Tz 65 unter "Wohnrecht"). Ob dies auch für die Grundsteuer und die Hausversicherungen zutrifft, kann im Hinblick auf die insoweit gegebene Kostentragungspflicht des Grundstückseigentümers und die Frage, ob diese Aufwendungen dem Versorgungsbedürfnis der Mutter dienen, fraglich sein (vgl. BFH-Urteil vom 25.03.1992 X R 196/87, BFHE 167, 408, BStBl II 1992, 1012). Einer Entscheidung hierüber bedarf es im Streitfall aber nicht, da dem Sonderausgabenabzug der insgesamt geltend gemachten Aufwendungen entgegensteht, daß die Übernahme dieser Kosten durch die Klägerin nicht in der rechtlich gebotenen Weise klar und eindeutig vereinbart worden ist.

Die steuerrechtliche Anerkennung eines Übergabevertrages ist unter nahen Angehörigen nur insoweit möglich, als die gegenseitigen Rechte und Pflichten im Übergabevertrag klar und eindeutig vereinbart worden sind. Daß diese Vereinbarung - abgesehen von späteren Änderungen - im Übergabevertrag zu erfolgen hat, ist vom X. Senat des Bundesfinanzhofs in mehreren Entscheidungen ausdrücklich festgestellt worden (vgl. Urteile vom 25.08.1999 X R 38/95, BStBl II 2000, 21, und vom 16.03.1999 X R 87/95, BFH/NV 2000, 12, jeweils mit weiteren Nachweisen; Beschluß vom 01.04.1998 X B 198/97, BFH/NV 1998, 1467). Der erkennende Senat schließt sich dieser Ansicht an, da mündliche Nebenabreden im Zusammenhang mit notariell beurkundeten Rechtsgeschäften zwischen nahen Angehörigen, wie im Streitfall, dem steuerlichen Grundsatz der Klarheit der Rechtsgestaltung in aller Regel nicht gerecht werden, insbesondere aber auch, weil eine Vermutung dafür besteht, daß die Vertragschließenden mit dem notariellen Vertrag ihre beiderseitigen Rechte und Pflichten umfassend und abschließend haben regeln wollen (vgl. BFH-Urteil vom 24.11.1993 X R 123/90, BFH/NV 1994, 704). Es ist im Streitfall kein Grund ersichtlich und auch von den Klägern nicht vorgetragen worden, warum die streitigen Wohnrechtsnebenleistungen nicht in den notariellen Vertrag aufgenommen wurden, sondern nach dem Vorbringen der Kläger in Form einer mündlichen Nebenabrede von vornherein vereinbart worden sein sollen.

Der Senat folgt damit nicht der Ansicht der Kläger, die unter Berufung auf das BFH-Urteil IX R 110/85 (a.a.O.) Nebenabreden für nicht beurkundungsbedürftig halten, wenn sie wirschaftlich durchgeführt werden, und die eine ergänzende Vertragsauslegung hinsichtlich der Vereinbarung über die unentgeltliche Einräumung des Wohnrechts im Sinne einer Einbeziehung der hier streitigen Wohnrechtsnebenkosten als zulässig erachten.

In dem vorgenannten Urteil hat der Bundesfinanzhof unter Hinweis auf die "neuere" BFH-Rechtsprechung ausgeführt, daß auch bei Vereinbarungen unter unterhaltsberechtigten Personen eine - ergänzende - Vertragsauslegung möglich ist und Nebenabreden nicht zwingend beurkundet sein müssen, wenn sie wirtschaftlich durchgeführt werden. Er hat dabei auf sein Urteil vom 10.08.1988 IX R 220/84 (BFHE 154, 503, BStBl II 1989, 137) verwiesen, wonach auch außerhalb schriftlicher Vereinbarungen liegende Umstände einkommensteuerrechtlich bedeutsam sein können. Hierbei ging es um die Anerkennung eines Darlehensvertrages unter nahen Angehörigen, bei dem keine Vereinbarung über die Laufzeit des Darlehens getroffen worden war. Bei dem weiterhin zitierten BFH-Urteil vom 14.02.1984 VIII R 41/82 (BFHE 141, 121, BStBl II 184, 550) handelt es sich um die steuerliche Anerkennung einer im Rahmen einer notariell beurkundeten Abtretung von Gesellschaftanteilen nicht mitbeurkundeten Nebenabrede über den Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung. Bei dem des weiteren in der von den Klägern angeführten BFH-Entscheidung zitierten BFH-Urteil vom 30.07.1985 VIII R 71/81 (BFHE 144, 376, BStBl II 1986, 327) geht es um die ergänzende Vertragsauslegung eines Grundstücksübertragungsvertrages unter Nießbrauchsvorbehalt hinsichtlich der Dauer des Nießbrauchs. Der Bundesfinanzhof hat dazu ausgeführt, daß es in Fällen vorweggenommener Erbfolge jedenfalls dann regelmäßig dem Willen der Vertragspartner entspreche, dem Veräußerer die Nutzungen des Grundstücks auf Lebenszeit zu erhalten, wenn der Veräußerer im Zeitpunkt der Grundstücksübertragung nicht mehr im erwerbsfähigen Alter stehe.

Im Streitfall ist eine derartige ergänzende Vertragsauslegung im Sinne der Kläger nicht möglich. Weder aus dem erklärten Inhalt des Vertrages vom 06.12.1974 noch aus der Rechtsnatur des Wohnrechts ergibt sich eine Verpflichtung der Kläger zur Übernahme der streitigen Wohnrechtsnebenleistungen. Vereinbart wurde lediglich die Einräumung eines unentgeltlichen Wohnrechts. Hinsichtlich der Kostentragung befinden sich im Vertrag keine Ausführungen. Hätte man hierzu eine Vereinbarung treffen wollen (möglicherweise wurde hieran nicht gedacht), wäre dies mit aller Wahrscheinlichkeit in den Vertrag aufgenommen worden. Dies läßt sich daraus schließen, daß eine solche Regelung hinsichtlich der Kostentragung unter Abschnitt II Ziffer 2 des Vertrages getroffen wurde, wonach die Mutter sich nicht an den gemeinsamen Haushaltskosten zu beteiligen hat, wenn sie von der Klägerin gepflegt, verpflegt und versorgt werden muß. Auch der im Vertrag angegebene niedrige monatliche Wert des Wohnrechts von 150,- DM für eine 36 qm große Wohnung spricht gegen eine Einbeziehung der Wohnrechtsnebenleistungen. Ebenso ist die Einräumung eines unentgeltlichen Wohnrechts rechtlich nicht mit der Übernahme von Wohnrechtsnebenleistungen verbunden, wie sich aus § 1093 Abs. 1 i.V. mit §§ 1041 und 1047 BGB ergibt.

Hinsichtlich der steuerlichen Anerkennung nicht beurkundeter Nebenabreden ist fraglich, ob der VIII. und der IX. Senat des Bundesfinanzhofs diese in Abweichung von den oben zitierten Entscheidungen auch bei Versorgungszusagen wie im Streitfall anerkennen würden. Sollte dies der Fall sein, würde sich damit ein Widerspruch zu den vorstehend angeführten Entscheidungen des X. Senats ergeben, denen sich der erkennende Senat aus den oben dargelegten Gründen anschließt.

Nach alldem kann dahinstehen, ob, wie die Kläger behaupten, tatsächlich von vornherein, also zeitgleich mit dem Abschluß des notariellen Vertrages vom 06.12.1974, eine mündliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Mutter über die Tragung der hier streitigen Kosten getroffen wurde.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, daß dies auch nicht durch die von den Klägern eingereichten eidesstattlichen Versicherungen belegt wird. Denn danach hatten die Vertragsparteien zwar "den Willen und die Absicht" zur Kostentragung durch die Klägerin, daß sie aber auch eine entsprechende Vereinbarung hierüber getroffen haben, ergibt sich daraus nicht. Nach den obigen Ausführungen erübrigt sich aber insoweit eine Beweiserhebung, wie sie von den Klägern beantragt worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage, ob bei der Einräumung eines Wohnrechts im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge mündliche Nebenabreden über zusätzliche Versorgungsleistungen steuerlich anzuerkennen sind, berührt das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts, insbesondere auch im Hinblick auf die oben dargelegten, offensichtlich unterschiedlichen Rechtsauffassungen verschiedener Senate des Bundesfinanzhofs.

Der Senat hielt es für sachdienlich, vor allem auch im Hinblick auf die von den Klägern erbetene baldige Entscheidung und die durch die Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung eingetretene Verzögerung, im Streitfall nach § 90 a Abs. 1 FGO durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

RechtsgebieteEStG, BGB, FGOVorschriftenEStG § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG § 12 Nr. 2 BGB § 1093 Abs. 1 BGB § 1041 BGB § 1047 FGO § 135 Abs. 1 FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO § 90 a Abs. 1

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr