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01.02.2012

Finanzgericht Baden-Württemberg: Beschluss vom 22.08.2011 – 1 K 559/11

1. Es liegt kein Reihengeschäft nach § 3 Abs. 6 S. 6 UStG vor, wenn es an dem Nachweis der Liefereigenschaft des Zwischenabnehmers fehlt.

2. Wird die Identität des Abnehmers einer innergemeinschaftlichen Lieferung bewusst verschleiert, liegt keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vor.


Beschluss

In dem Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe

hat der 1. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg durch Richter am Finanzgericht … als Vorsitzenden … Richter am Finanzgericht … am 22. August 2011 beschlossen:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für einen Rechtsstreit, in dem sie sich gegen die Festsetzung von Umsatzsteuer auf innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 6a des Umsatzsteuergesetzes – UStG –) wendet, deren Abnehmer ihr Gesellschafter-Geschäftsführer gegenüber der Finanzverwaltung absichtlich verschleiert hat.

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Unternehmensgegenstand seit Ende der neunziger Jahre des ausgegangenen Jahrhunderts im Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen bestand. Alleiniger Gesellschafter der in X ansässigen und dort über ein Betriebsgelände zum Abstellen der gehandelten Gebrauchtwagen verfügenden Antragstellerin war spätestens seit April 2000 der im Jahre 1940 geborene portugiesische Staatsangehörige A, der zugleich auch allein die Geschäfte der Antragstellerin führte. Herr A war Anfang der sechziger Jahre des ausgegangenen Jahrhunderts nach Deutschland eingewandert, wo er zunächst nichtselbständig als Arbeitnehmer und später – seit Ende der siebziger Jahre – als Betreiber von Diskotheken und danach von Videotheken, eines Videogroßhandels und schließlich seit Anfang der neunziger Jahre als Gebrauchtwagenhändler unternehmerisch tätig war. Seine Geschäfte betrieb Herr A dabei in der Rechtsform mehrerer GmbH's. Nachdem Herr A auf diese Weise zunächst Mitte der neunziger Jahre etwa 100 bis 150 Fahrzeuge jährlich umgesetzt hatte, steigerte sich der Umfang des Unternehmens bis zum Jahre 2001 auf weit über 500 Gebrauchtwagen im Jahr. Die Lieferung der zumeist in Deutschland erworbenen Gebrauchtwagen erfolgte dabei zum weit überwiegenden Teil an Abnehmer in Portugal und – in erheblich geringerem Umfang – an Abnehmer portugiesischer Nationalität in Frankreich und Spanien

In den Streitjahren (2002 und 2003) täuschte Herr A die Finanzbehörden bezüglich großer Teile der Fahrzeugverkäufe der Antragstellerin nach Portugal über die Identität der Abnehmer. Dazu traf das Landgericht G später im Zuge eines gegen ihn geführten Strafverfahrens (Az.: …) aufgrund von dessen eigenem Geständnis und dessen „umfassenden und detaillierten Angaben” (Urteilsumdruck, S. 15) in objektiver Hinsicht und in Bezug auf die Motive des Herrn A für seine Handlungen folgende Feststellungen (Urteilsumdruck, S. 7 ff., im Wortlaut; Ergänzungen in eckigen Klammern vom beschließenden Senat):

„[Die Täuschungen über die Identität der Erwerber nahm Herr A vor,] um diesen in Portugal die Umgehung der Erwerbsbesteuerung zu ermöglichen […]. Auf diese Weise wollte er sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Fahrzeughändlern verschaffen, um so beträchtliche Gewinne zu erzielen, was ihm auch gelang. […] Um den portugiesischen Käufern der Fahrzeuge die Umgehung der Erwerbsbesteuerung zu ermöglichen, installierte [Herr A] ein ausgeklügeltes System. Seine Vorgehensweise – auf welche [Herr A] durch seinen Geschäftspartner B gebracht wurde – war dadurch geprägt, dass die portugiesischen Abnehmer nicht (dauerhaft) aus den offiziellen Geschäftsunterlagen der [Antragstellerin] ersichtlich und damit kaum greifbar waren. Konkret agierte [Herr A] wie folgt:

In der Buchhaltung und der dazugehörigen Belegführung der [Antragstellerin] wurden Dokumente vorgehalten, die nicht den tatsächlichen Vertrags- und Lieferbeziehungen entsprachen. Dabei handelte es sich um Rechnungsdoppel, welche auf Anweisung des [Herrn A] durch seine Angestellten, hauptsächlich durch C, auf portugiesische Scheinerwerber ausgestellt wurden. Diese Rechnungen wiesen neben dem Kaufgegenstand, dem Kaufpreis sowie dem Scheinerwerber und dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer jeweils den Zusatz ‚steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung § 6a UStG’ auf. Durch die Verwendung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und dem [sic] Hinweis auf § 6a UStG sollte dokumentiert werden, dass der angebliche Käufer den Umsatz in Portugal der Erwerbsbesteuerung unterwerfen wird. Außerdem sollte der Eindruck erweckt werden, das jeweilige in der Buchhaltung befindliche Doppel entspreche den Nachweispflichten des § 6a Abs. 3 UStG in Verbindung mit § 17a Abs. 2 Nr. 1 [der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung – UStDV –]. Gemäß den in seiner Buchhaltung aufbewahrten Dokumenten erklärte [Herr A] auch in den Umsatzsteuerjahreserklärungen der [Antragstellerin] die entsprechenden Umsätze als innergemeinschaftliche Lieferungen im Sinne der §§ 4 Nr. 1 [Buchst.] b, 6a Abs. 1 UStG. Überdies benannte [Herr A] auch im Rahmen der verpflichtenden Meldungen an das Bundeszentralamt für Steuern [BZSt] über innergemeinschaftliche Warenlieferungen die in der Buchhaltung aufgeführten Scheinabnehmer als Vertragspartner der [Antragstellerin]. Durch die Meldung der Scheinabnehmer gegenüber dem [BZSt] sollten im Rahmen der Überwachung der korrekten Anwendung der umsatzsteuerlichen Regelungen im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft die tatsächlichen Abnehmer in Portugal verschleiert werden. Ein Risiko, dass bei Kontrollen in Portugal bei den von ihm benannten Scheinabnehmern die Falschangaben auffliegen könnten, weil diese keine entsprechenden innergemeinschaftlichen Erwerbe erklärt hatten, sah [Herr A] zunächst nicht. Entsprechende Datenabgleiche wurden vor dem Jahr 2004 von den portugiesischen Behörden nur sporadisch durchgeführt.

Die in den Scheinrechnungen aufgeführten angeblichen Erwerber waren zwar tatsächlich existierende Gebrauchtwagenhändler. Mit diesen machte die [Antragstellerin] in den [Streitjahren] aber keine Geschäfte. Im [Streit-] Jahr 2002 verwendete [Herr A] dabei ausschließlich die Firma des ‚B, …, Portugal’ (im Folgenden ‚B’) mit der portugiesischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer… als angeblichen Erwerber. Dies geschah im Einvernehmen mit dem Firmeninhaber B. Dabei erhielt B keine Gegenleistung dafür, dass er seinen Namen für die Scheinrechnungen zur Verfügung stellte. Im [Streit-] Jahr 2003 verwendete [Herr A] dann als angeblichen Abnehmer die Firma ‚M, Portugal’ (im Folgenden ‚M’) mit der portugiesischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer… [Herr A] sah sich hierzu veranlasst, weil das Unternehmen aus früheren Geschäften noch Schulden bei ihm bzw. seinen Gesellschaften hatte. Die Verantwortlichen von M wurden jedoch nicht eingeweiht. Der Firmeninhaber Jose Manuel M war bereits im Jahr 2001 verstorben[,] und der Betrieb wurde nicht fortgeführt. [Herr A] machte sich den Umstand zunutze, dass nach wie vor eine UmsatzsteuerIdentifikationsnummer der M existierte.

Die tatsächlichen Erwerber der Fahrzeuge waren generell portugiesische Händler, welche die Wagen in Portugal an private Endabnehmer weiterveräußerten. Die meisten Fahrzeuge nahmen dabei die Händler O mit Sitz in U, der Händler S mit Sitz in Ü sowie der Händler L mit Sitz in U, ab.

Da die Erwerbsbesteuerung in Portugal verhindert werden sollte, sollten die Vertragspartner der [Antragstellerin] wenn möglich nicht in Rechnungen, Frachtbriefen etc. erscheinen. Dies wurde folgendermaßen sichergestellt: Die tatsächlichen Erwerber teilten [Herrn A] vor der Lieferung der Fahrzeuge nach Portugal die Personalien ihrer privaten Endabnehmer mit, falls der Wagen in Portugal bereits weiterverkauft worden war. [Herr A] wies nun seine Angestellten an, Rechnungen der [Antragstellerin] auf die ihm mitgeteilten Daten der Endabnehmer auszustellen. Diese Rechnungen enthielten im Gegensatz zu den in der Buchhaltung bereits vorgehaltenen Scheinrechnungen nicht den Hinweis auf eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung, sondern den Zusatz ‚Diff.-Besteuerung nach § 25a UStG’. Die für die Lieferung mit einer Spedition erforderlichen CMR-Frachtbriefe wurden gleichermaßen auf die Daten der portugiesischen Endabnehmer ausgestellt. Die Rechnung und das CMR-Papier gingen dann per Spedition zusammen mit dem Fahrzeug an den wirklichen Vertragspartner der [Antragstellerin], den portugiesischen Händler. Dieser gab den Wagen an seinen privaten Endabnehmer samt der Rechnung der [Antragstellerin] weiter. Auf diese Weise erreichte das Fahrzeug – wie von vornherein zwischen [Herrn A] und seinen Geschäftspartnern geplant – den portugiesischen Endabnehmer, ohne dass der Vertragspartner der [Antragstellerin] in irgendeiner Form in Dokumenten als Glied der Verkaufskette erschien. Die portugiesischen Finanzbehörden hatten demzufolge keine Möglichkeiten, von der wahren Vertragsbeziehung Kenntnis zu erlangen. Für den tatsächlichen Erwerber – den portugiesischen Händler – bestand deshalb nur ein geringes Risiko, Steueransprüchen ausgesetzt zu werden.

In den Fällen, bei denen die Fahrzeuge vor Lieferbeginn durch die portugiesischen Händler noch nicht weiter verkauft worden waren, wurden ebenfalls – neben den Rechnungen mit den Scheinabnehmern – zweite Rechnungen durch die [Antragstellerin] erstellt, welche nach Portugal gingen. Als Adressat wiesen diese Rechnungen die tatsächlichen portugiesischen Erwerber auf. Die CMR-Fracht-briefe wurden in diesen Fällen ebenfalls auf die tatsächlichen portugiesischen Abnehmer ausgestellt und auch so (vorerst) in den offiziellen Geschäftsunterlagen der [Antragstellerin] bereit gehalten. Nach dem Weiterverkauf der Wagen in Portugal war es dann häufig so, dass die portugiesischen Händler im Nachhinein ein CMR-Papier erstellten, welches als Empfänger die Daten ihres privaten Endabnehmers enthielt. Ein Doppel dieses Papiers bekam [Herr A]. Auf dessen Anweisung tauschte C in den offiziellen Geschäftsunterlagen das ursprüngliche Doppel des CMR-Frachtbriefes mit den Empfängerdaten des portugiesischen Händlers gegen das nachträglich erstellte CMR-Papier aus. So wurde ebenfalls verschleiert, wer die tatsächlichen Vertragspartner der [Antragstellerin] waren. Nicht geklärt werden konnte, ob in diesen Fällen dann noch nachträglich Rechnungen der [Antragstellerin] mit den Daten des portugiesischen Endabnehmers erstellt wurden und nach Portugal gingen.

Da bei Vertragsschluss [Herrn A] und seinen Geschäftspartnern klar war, dass in Portugal die innergemeinschaftlichen Erwerbe nicht erklärt werden und damit die Besteuerung umgangen werden sollte, konnte [Herr A] die Fahrzeuge zu einem Preis verkaufen, den er bei rechtmäßiger Vorgehensweise nicht hätte erzielen können. So verkaufte [Herr A] die Fahrzeuge regelmäßig (nahezu) zu dem Preis, den er beim Ankauf brutto gezahlt hatte. Der Gewinn des [Herrn A] pro verkauftem Fahrzeug ergab sich also aus der beim Ankauf gezahlten und als Vorsteuer geltend gemachten Umsatzsteuer abzüglich seiner Verwaltungskosten, wobei die Transportkosten nach Portugal von den Abnehmern übernommen wurden. Da in Portugal die Erwerbsbesteuerung umgangen wurde, war der Preis für die portugiesischen Händler gleichwohl attraktiv. Dadurch war es [Herrn A] möglich, die Fahrzeuge zeitnah und ohne Schwierigkeiten gewinnbringend weiterzuveräußern. Ferner konnte er auch die Gesamtzahl der umgesetzten Wagen steigern.

Da [Herr A] den Überblick über seine tatsächlichen Vertragsbeziehungen nicht verlieren wollte, war es erforderlich, separate Unterlagen zu führen. Deshalb führte die Angestellte C auf Anweisung des [Herrn A] – allerdings außerhalb der offiziellen Buchhaltung – handschriftliche Listen, in denen die tatsächlichen Erwerber vermerkt wurden. Die entsprechenden Informationen erhielt sie [von Herrn A].”

Wie das Landgericht G später ferner feststellte, wurde auf diese Weise durch insgesamt 407 Fahrzeuglieferungen mit auf den Scheinabnehmer B ausgestellten Rechnungen im Streitjahr 2002 ein Gesamtumsatz in Höhe von 7.720.391 EUR und durch insgesamt 720 Fahrzeuglieferungen mit auf den Scheinabnehmer M ausgestellten Rechnungen im Streitjahr 2003 ein Gesamtumsatz in Höhe von 11.169.460 EUR erzielt (Urteilsumdruck, S. 14). Infolge einer durch notariell beurkundeten Vertrag vom 20. Juni 2003 (Urkundenrolle Nr. … des Notars H in P) vorgenommenen Verschmelzung einer anderen GmbH auf die Antragstellerin war mit Wirkung seit dem 1. Januar 2003 die Ehefrau des Herrn A, Frau A, mit einem Geschäftsanteil von 2.450 EUR am Stammkapital der Antragstellerin von seither 29.500 EUR als Minderheitsgesellschafterin beteiligt. An der alleinigen Geschäftsführerstellung des Herrn A änderte sich dabei nichts.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2002 gab die Antragstellerin unter anderem an, Umsätze zum allgemeinen Steuersatz von 688.716 EUR und steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an Abnehmer mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer von 12.621.365 EUR getätigt zu haben. Das beklagte Finanzamt (der Beklagte) stimmte der Steueranmeldung zu und setzte die Umsatzsteuer 2002 am 26. August 2003 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf ./.1.833.722,87 EUR fest. Mit ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2003 machte die Antragstellerin zuletzt – am 14. Januar 2005 – geltend, unter anderem Umsätze zum allgemeinen Steuersatz von 1.526.422 EUR und steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an Abnehmer mit UmsatzsteuerIdentifikationsnummer von 12.965.649 EUR ausgeführt zu haben, woraus sich eine selbst berechnete Umsatzsteuer von ./. 1.960.575,88 EUR ergab. Zu einer abweichenden Steuerfestsetzung durch den Beklagten kam es insoweit zunächst nicht.

Im April 2005 erhielt die deutsche Finanzverwaltung durch ein Rechtshilfeersuchen der portugiesischen Steuerbehörden erstmals Hinweise auf den genannten, später vom Landgericht G festgestellten Sachverhalt. In der Folgezeit führte die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts (FA) Q (die Steuerfahndung) spätestens im Jahre 2007 unter anderem auch bei der Antragstellerin umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen im Zuge einer Steuerfahndungsprüfung durch. Nachdem die Steuerfahndung die gewonnenen Erkenntnisse am 17. Juni 2008 in einem Prüfungsbericht festgehalten hatte, änderte der Beklagte durch Bescheide vom 16. Juli 2008 die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre in der Weise zum Nachteil der Antragstellerin ab, dass die steuerfreien Umsätze aus innergemeinschaftlichen Lieferungen für 2002 um 8.667.342 EUR und für 2003 um 11.256.260 EUR vermindert und gleichzeitig die steuerpflichtigen Umsätze zum Regelsteuersatz entsprechend erhöht wurden. Die sich daraus ergebende festgesetzte Umsatzsteuer belief sich dadurch für 2002 auf ./. 446.948,15 EUR und für 2003 auf ./. 159.574,28 EUR.

Mit ihren am 22. Juli 2008 eingelegten Einsprüchen machte die Antragstellerin zunächst vor allem geltend, dass die objektiven gesetzlichen Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Streitfall vorgelegen hätten. Dies gelte ungeachtet dessen, dass sie die ihr obliegenden Nachweispflichten zur Identität der Fahrzeugabnehmer in Portugal nicht vollständig erfüllt habe, weil sämtliche in Rede stehenden Fahrzeuge unstreitig und zweifelsfrei physisch nach Portugal geliefert worden und dort bei anderen Unternehmern angekommen seien.

Während der laufenden Einspruchsverfahren ereignete sich Folgendes:

Zunächst wurde aufgrund eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts G … vom 1. August 2008 ein vorläufiger Insolvenzverwalter zur Überwachung der Antragstellerin bestellt. Diese Sicherungsmaßnahme wurde später am 18. Dezember 2008 aufgehoben, da sich eine die Kosten des Insolvenzverfahrens deckende Masse als bei der Antragstellerin nicht vorhanden erwies.

Sodann wurde Herr A durch Urteil des Landgerichts G vom 17. September 2008 –… (nicht veröffentlicht – n. v. –) wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen – betreffend die Umsatzsteuer der Antragstellerin der beiden Streitjahre – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass die Umsätze aus den Fahrzeugverkäufen der Antragstellerin nach Portugal nicht steuerfrei gewesen seien, weil die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht vorgelegen hätten. Zwar komme trotz Nichterfüllung der formalen Nachweispflichten ausnahmsweise eine Steuerbefreiung in Betracht, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststehe, dass der Tatbestand des § 6a Abs. 1 UStG erfüllt sei. Ein solcher Ausnahmefall liege aber dann nicht vor, wenn durch Manipulation der beleg- und buchmäßigen Nachweise planmäßig eine den innergemeinschaftlichen Wettbewerb verzerrende Steuerverkürzung im Mitgliedstaat des Abnehmers herbeigeführt werden solle und damit das dortige Steueraufkommen gravierend gefährdet werde. Denn darin liege ein gezielter Missbrauch gemeinschaftsrechtlicher Regeln, welcher – anders als bei steuerehrlichem Verhalten – auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) die Versagung der Steuerbefreiung rechtfertige.

Gegen diese strafrechtliche Verurteilung legte Herr A Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) ein (dortiges Az.: 1 StR 41/09). Parallel dazu betrieb die Antragstellerin vor dem Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dessen Folge der beschließende Senat mit Beschluss vom 11. März 2009 – 1 V 4305/08 (Steuer-Eildienst – StE – 2009, 325) von Gerichts wegen die Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide vom 16. Juli 2008 „bis zur Entscheidung in der Hauptsache” verfügte. Zur Begründung dieser Entscheidung verwies der beschließende Senat darauf, dass die vom Landgericht G als bestehend angenommene Rechtslage tatsächlich offen sei und die Nichterhebung von Umsatzsteuer auf eine innergemeinschaftliche Lieferung durch den Herkunftsstaat der Lieferung nicht als Gefährdung des Steueraufkommens angesehen werden könne. Auch halte der Senat es für zweifelhaft, ob der Umstand, dass die Antragstellerin ihren portugiesischen Abnehmern durch Ausstellen falscher Belege die Hinterziehung von Umsatzsteuer ermöglicht habe, der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen entgegengehalten werden könne.

Diese Rechtsbedenken des beschließenden Senats nahm der BGH in dem bei ihm anhängigen Revisionsverfahren zum Anlass, mit Beschluss vom 7. Juli 2009 – 1 StR 41/09 (Deutsches Steuerrecht – DStR – 2009, 1688, Umsatzsteuer-Rundschau – UR – 2009, 732) dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob Art. 28c Teil A Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage – (Richtlinie 77/388/EWG) in dem Sinne auszulegen ist, dass einer Lieferung von Gegenständen im Sinne dieser Vorschrift die Befreiung von der Umsatzsteuer zu versagen ist, wenn die Lieferung zwar tatsächlich ausgeführt worden ist, aber aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer entweder wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt, der darauf angelegt ist, Umsatzsteuer zu hinterziehen, oder Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Umsatzsteuer zu hinterziehen. Wenig später wies der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 29. Juli 2009 – XI B 24/09 (BFHE 226, 449, BFH/NV 2009, 1567) die Beschwerde des Beklagten gegen die die Aussetzung der Vollziehung gewährende Entscheidung des beschließenden Senats in StE 2009, 325 als unbegründet zurück, weil im Streitfall bei summarischer Prüfung erhebliche Gesichtspunkte für das Vorliegensteuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen sprächen und die höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfrage, ob die Vermeidung der Erwerbsbesteuerung durch den Abnehmer ein dem Lieferanten zuzurechnender Steuervorteil ist, der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müsse.

Unter dem 10. August 2009 änderte der Beklagte die einspruchsbehafteten Umsatzsteuerbescheide vom 16. Juli 2008 ab und nahm die in jenen Bescheiden vorgenommene Erhöhung der Umsätze zum Regelsteuersatz teilweise zurück. Dadurch verminderten sich die aufgrund der streitigen Fahrzeuglieferungen nach Portugal als steuerpflichtig behandelten Umsätze der Antragstellerin für 2002 von bislang 8.667.342 EUR auf 7.471.847 EUR und für 2003 von bislang 11.256.260 EUR auf 9.703.672 EUR; gleichzeitig verringerte sich die festgesetzte Umsatzsteuer für 2002 auf ./. 636.227,35 EUR und für 2003 auf ./. 407.988,36 EUR. Die Einspruchsverfahren wurden danach fortgesetzt. Mit Schriftsatz vom 8. April 2010 vertraten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin gegenüber dem Beklagten erstmals die Auffassung, dass bislang noch in keiner Weise geklärt sei, ob die Antragstellerin nicht in Portugal über eine Betriebsstätte verfügt habe, über die die Geschäfte abgewickelt worden seien, so dass aus diesem Grunde keine Beförderung der Liefergüter, sondern ihr Verbringen nach Portugal vorliege, was wiederum in Portugal andere Besteuerungsfolgen auslöse, als dies der Beklagte bislang angenommen habe.

Schließlich beschied der EuGH das Vorabentscheidungsersuchen des BGH durch Urteil vom 7. Dezember 2010 – Rs. C-285/09, R. (DStR 2010, 2572, UR 2011, 15). Dem Tenor dieser Entscheidung zufolge kann der Ausgangsmitgliedstaat der innergemeinschaftlichen Lieferung aufgrund der ihm nach dem ersten Satzteil von Art. 28c Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG zustehenden Befugnisse unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wenn also eine innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen tatsächlich stattgefunden hat, der Lieferer jedoch bei der Lieferung die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Umsatzsteuer zu hinterziehen, die Umsatzsteuerbefreiung für diesen Umsatz versagen.

Daraufhin forderte der Beklagte die Antragstellerin mit Schreiben vom 10. Dezember 2010 zur Rücknahme der Einsprüche auf. Als deren Prozessbevollmächtigte hierauf nicht reagierten, wies er die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2011 unter Berufung auf die Entscheidungsgründe des EuGH als unbegründet zurück. Dem Einwand, in Portugal sei für umsatzsteuerliche Zwecke eine Betriebsstätte der Antragstellerin unterhalten worden, begegnete der Beklagte mit dem Hinweis darauf, dass die Käufer der Fahrzeuge bereits vor deren Beförderung nach Portugal festgestanden hätten und der Transport der Fahrzeuge durch die Abnehmer übernommen worden sei, so dass aus diesem Grunde ein innergemeinschaftliches Verbringen in eine andere Betriebsstätte nicht angenommen werden könne.

Mit am 11. Februar 2011 eingegangenem Schriftsatz vom 8. Februar 2011 hat die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigten beim FG die ersatzlose Aufhebung der geänderten Umsatzsteuerbescheide vom 10. August 2009 beantragt. Zur Begründung hat sie anführen lassen, die „Klageerhebung” erfolge zunächst nur fristwahrend. Zugleich werde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten, des Rechtsanwalts I, beantragt. Daneben führt die Antragstellerin im Einzelnen Folgendes aus:

Die Rechtsprechung des EuGH in dessen Urteil R. in DStR 2010, 2572, UR 2011, 15 bewirke eine generelle Besteuerung des Lieferers in Form einer reinen Strafsteuer, die „wegen des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots von deutschen Gerichten nicht akzeptiert werden” könne. Dies ergebe sich augenfällig aus dem Schlussantrag des Generalanwalts Cruz Villalón vom 29. Juni 2010 in der Rs. C-285/09 (n. v., juris), dessen Ausführungen sie – die Antragstellerin – sich zu eigen mache. Diesem Schlussantrag sei der EuGH leider nicht gefolgt; stattdessen habe er „unter Außerachtlassung aller in der EU geltenden Rechtsgrundsätze – der Neutralität, der Territorialität und der Rechtssicherheit – […] wohl aus präventiven, strafrechtlichen Erwägungen, ein politisches Urteil gefällt, welches nicht nur das Verbrauchsteuersystem negier[e], sondern sogar noch mit ‚Strafcharakter’ ausgestalte[…]”.

Tatsächlich gehe der EuGH von einem Zirkelschluss und auch sonst von falschen Voraussetzungen aus: Zum einen habe sie – die Antragstellerin – die gefertigten Rechnungen an die Personen, mit denen tatsächlich keine Lieferverträge abgeschlossen worden waren, alsbald vernichtet und nur die Primanota als Buchungsbeleg erfasst, was aber wegen der Umsatzsteuerfreiheit der Lieferung steuerlich keine Auswirkung gezeitigt habe, so dass in umsatzsteuerlicher Hinsicht auch kein „Scheingeschäft” festgestellt werden könne. Zum anderen sei es nicht zutreffend anzunehmen, dass die tatsächlichen Abnehmer in Portugal Umsatzsteuer geschuldet hätten, weil der Steuerschuld in gleicher Höhe ein Anspruch auf Vorsteuer gegenübergestanden habe. Außerdem sei die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen mitnichten ein Steuervorteil, sondern notwendige Konsequenz aus den länderübergreifenden Liefergeschäften, weil das Empfängerland auf den Vorgang seinerseits Umsatzsteuer erheben werde. Schließlich sei es nicht Sache des EuGH, die Bedingungen für die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen unter Übergehung der Regelungskompetenz des nationalen Gesetzgebers rechtsfindend zu gestalten.

Ergänzend werde geltend gemacht, dass der bisher dargestellte Sachverhalt unvollständig sei. Sie – die Antragstellerin – habe nämlich in Portugal ein Domizil unterhalten, das als Betriebsstätte zu bewerten sei. Denn Herr A habe von einer seiner Tochter gehörenden Eigentumswohnung in U aus sämtliche Geschäftsaktivitäten seiner Unternehmen in Portugal getätigt. Dort habe Herr A Autoverkäufe angebahnt und Bargeldtransfers vorgenommen. Zudem sie die Anschrift dieser Wohnung von den portugiesischen Geschäftspartnern des Herrn A als ihre – der Antragstellerin – Geschäftsadresse und als Sitz ihres Geschäftslokals aufgefasst worden. Außerdem seien in der U Wohnung die Rechnungen und Geschäftsunterlagen aufbewahrt worden. Die Wohnung sei den Unternehmen des Herrn A von Seiten seiner Tochter unentgeltlich und uneingeschränkt überlassen worden. Da dies von den deutschen Gerichten bislang nicht gewürdigt worden sei, bestehe für sie auch keine Bindung an das EuGH-Urteil R. in DStR 2010, 2572, UR 2011, 15. Der Beschluss des BGH in DStR 2009, 1688, UR 2009, 732 habe dem EuGH „einen falschen und höchst tendenziösen Sachverhalt” unterbreitet. Es erscheine ihr – der Antragstellerin – „peinlich zu sehen, wie ein oberstes deutsches Gericht, getragen von dem unverkennbaren Wunsch, zu einer Bestrafung des [Herrn A] zu gelangen, sich in dieser Form äußer[e]”. Ebenso „unangenehm” berühre es sie zudem, dass „ein hochkarätig besetztes Gericht wie der EuGH dem nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet ha[be]”. Die entsprechenden Wertansätze für die innergemeinschaftlichen Verbringungen der Fahrzeuge in die Betriebsstätte seien vom Gericht noch zu ermitteln. Hieran könne sie – die Antragstellerin – allerdings in Ermangelung ausreichender Unterlagen nicht mitwirken. Dass die in Portugal belegene Betriebsstätte ohne Mitarbeiter, ohne Briefkopf, ohne Firmengelände und ohne Gewerbeanmeldung „extrem diskret” geführt worden sei, sei in Anbetracht der mit dem Handeln der Antragstellerin verbundenen Absicht, den portugiesischen Fiskus zu hintergehen, keineswegs verwunderlich.

Weiterhin sei zu beachten, dass § 6a Abs. 1 UStG die vom Beklagten angenommene Rechtsfolge dem Wortlaut nach nicht hergebe. Eine entsprechende gesetzliche Regelung, wie sie der EuGH als zulässig angesehen habe, müsse der nationale Gesetzgeber daher erst noch schaffen. Letzteres sei im Schrifttum bislang noch nicht hinreichend diskutiert und zuletzt auch vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in dessen Beschluss vom 16. Juni 2011 – 2 BvR 542/09 (bislang n. v., juris) übersehen worden. Da es sich um eine Strafsteuer handele – die zwingend gesetzlich zu verankern sei und durch die Rechtsprechung dem geschriebenen Recht nicht schlicht im Wege der Auslegung entnommen werden könne –, bestünden zudem erhebliche Zweifel an deren Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Vorgaben. Außerdem könne die Umsatzsteuer wegen ihres Verbrauchsteuercharakters systemimmanent nur einmal – und zwar nur auf der Ebene des Endverbrauchers – erhoben werden. Eine doppelte Erhebung – wie sie Folge der EuGH-Rechtsprechung sei – überschreite daher den Gestaltungsspielraum des deutschen Gesetzgebers, weshalb zwingend feststehe, dass dem EuGH nicht gefolgt werden dürfe. Es sei schließlich rein spekulativ anzunehmen, dass ihr – der Antragstellerin – Verhalten es Dritten (also den tatsächlichen Abnehmern in Portugal) ermöglicht habe, dort Umsatzsteuer zu hinterziehen. Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang die Steuer in Portugal tatsächlich nicht erhoben worden sei, habe der Beklagte bislang nämlich überhaupt noch nicht getroffen.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er ist der Auffassung, allein der reale Warentransport nach Portugal reiche nicht aus, um eine Lieferung als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung zu behandeln. Die Lieferungen der Fahrzeuge seien auch nicht einer Betriebsstätte in Portugal zuzurechnen, weil die Abnehmer bei Beginn der Beförderung – die von Deutschland aus erfolgt sei – bereits festgestanden hätten. Die Geschäfte der Antragstellerin seien vom inländischen Büro der Antragstellerin aus abgewickelt worden. Nur in Deutschland habe die Antragstellerin Mitarbeiter beschäftigt und nur dort die Fahrzeuge bis zum Verkauf auf dem Betriebsgelände bereitgehalten. Auch seien die Scheinrechnungen wie auch die Aufzeichnungen über die wirklichen Abnehmer in Deutschland erstellt worden. Dafür, dass die Antragstellerin in Portugal ein Gewerbe angemeldet habe, fänden sich keinerlei Erkenntnisse. Eine eventuell in Portugal stattgefundene Geschäftsanbahnung als solche verlagere den Ort der Lieferung der Autoverkäufe noch nicht dorthin.

Dem Senat haben die im Verwaltungsverfahren angelegten Akten des Beklagten vorgelegen. Wegen des in Bezug genommenen Umdrucks des Urteils des Landgerichts G vom 17. September 2008 –… wird auf Bl. 91 ff. der FG-Akte zu dem Verfahren 1 V 4305/08 verwiesen.

II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – i. V. m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung – ZPO –) nicht vorliegen. Damit erledigt sich auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts als Prozessbevollmächtigtem.

Die beabsichtigte Rechtsverteidigung der Antragstellerin bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO). Bereits bei überschlägiger Prüfung erweisen sich die angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen des Beklagten auch unter Berücksichtigung der Einwände der Antragstellerin ohne weiteres als rechtmäßig; sie sind daher erkennbar nicht geeignet, die Antragstellerin in ihren Rechten zu verletzen (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Unter Zugrundelegung der übereinstimmenden höchstrichterlichen Rechtsprechung des EuGH, des BVerfG, des BFH und des BGH besteht kein für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinreichender Zweifel daran, dass die streitbefangenen Fahrzeuglieferungen der Antragstellerin nach Portugal – wie vom Beklagten angenommen – in Deutschland umsatzsteuerpflichtig waren.

a) Die Umsätze waren in Deutschland steuerbar.

aa) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterlagen der Umsatzsteuer unter anderem auch die Lieferungen, die ein Unternehmer wie die Antragstellerin im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt hat. Lieferungen eines Unternehmers waren solche Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt hat, im eigenen Namen über einen Gegenstand – im Streitfall also: über das jeweils gelieferte Fahrzeug – zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht, § 3 Abs. 1 UStG).

bb) Der Ort der Lieferung richtete sich dabei gemäß § 3 Abs. 5a UStG zunächst nach § 3c UStG und – für den Fall, dass § 3c UStG nicht eingreifen würde – ergänzend nach § 3 Abs. 6 UStG (die in § 3 Abs. 5a UStG ebenfalls erwähnten Vorschriften der §§ 3e und 3f UStG sowie des § 3 Abs. 7 und Abs. 8 UStG waren im Streitfall offensichtlich nicht einschlägig).

Nach § 3c Abs. 1 Satz 1 UStG galt die Lieferung als dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des gelieferten Gegenstands geendet hatte; dies galt allerdings nach § 3c Abs. 2 UStG nur dann, wenn der Abnehmer kein Unternehmer war oder den Gegenstand nicht für sein Unternehmen erworben hatte oder nur steuerfreie Umsätze tätigte oder sonst zum Personenkreis des § 3c Abs. 2 Nr. 2 UStG gehörte. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG bestimmte ergänzend, dass in anderen Fällen die Lieferung dort als ausgeführt galt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten begann, wobei eine Versendung bereits mit der Übergabe des Gegenstands an den die Beförderung ausführenden selbständigen Beauftragten begann (§ 3 Abs. 6 Satz 4 UStG). Nach § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG war die Lieferung für den Fall, dass mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abgeschlossen hatten und der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt war, die Beförderung oder Versendung der Lieferung an denjenigen Abnehmer zuzuordnen, der zugleich Lieferer war, sofern dieser Abnehmer nicht nachwies, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hatte.

cc) Nach Maßgabe dieser Vorschriften – für sich betrachtet und vor Anwendung des § 4 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. § 6a Abs. 1 UStG (dazu sogleich unter II. 1. b.) – sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die streitigen Lieferungen der Antragstellerin an Abnehmer in Portugal ganz oder auch nur teilweise nicht als steuerbare Umsätze in Deutschland hätten behandelt und damit nicht der deutschen Umsatzbesteuerung hätten unterworfen werden können.

(1) § 3c Abs. 1 Satz 1 UStG, der den Ort der Lieferung nach Portugal verlagert hätte, war im Streitfall nicht anzuwenden, weil nach den Feststellungen der Steuerfahndung und des Landgerichts G, das sich insoweit auf die geständige Einlassung des Herrn A als des alleinigen Geschäftsführers der Antragstellerin stützen konnte, sämtliche der in Streit stehenden Fahrzeuge an in Portugal ansässige Unternehmer geliefert wurden, die die Fahrzeuge zum Weiterverkauf für ihr Unternehmen erworben hatten und auch nicht zum Personenkreis des § 3c Abs. 2 Nr. 2 UStG gehörten. Die im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (Az.: 1 V 4305/08) beiläufig geäußerte Behauptung der Antragstellerin, einzelne der Fahrzeuge seien tatsächlich an nichtkommerzielle Abnehmer und damit an Nichtunternehmer geliefert worden, steht im Widerspruch zu jenen Feststellungen, ist von der Antragstellerin trotz entsprechender Aufforderung des Beklagten in keiner Weise belegt worden, stellt sich somit als völlig unsubstantiiert und bloß „ins Blaue hinein” vorgebracht dar und ist daher von der Antragstellerin im hier zu entscheidenden Hauptsacheverfahren zu Recht nicht mehr aufrechterhalten worden.

(2) War sonach für die Bestimmung des Orts der Lieferung allein § 3 Abs. 6 UStG zu beachten, so lag dieser Ort – mit der Folge der Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG – ohne hinreichenden Zweifel im (deutschen) Inland.

Dabei war dem Einwand der Antragstellerin, sie habe in Portugal in der U Eigentumswohnung der Tochter ihres Geschäftsführers A eine Betriebsstätte unterhalten, der die streitigen Umsätze sämtlich zuzurechnen seien, nicht weiter nachzugehen. Denn zum einen stehen auch diese – erst im April 2010 erstmals geäußerten – Behauptungen im Widerspruch zur vorangegangenen geständigen Einlassung des Geschäftsführers im Strafverfahren. Vor allem aber kommt es auf ihren Wahrheitsgehalt – jedenfalls für umsatzsteuerliche Belange – nicht an, weil für die Steuerbarkeit allein die Frage nach dem Lieferungsort und nicht die Frage nach dem Ort der Geschäftsanbahnung entscheidend war. Dieser Ort der Lieferung aber bestimmte sich gemäß § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG danach, wo die Beförderung – und damit die körperliche Fortbewegung der Fahrzeuge, § 3 Abs. 6 Satz 2 UStG – oder die Versendung – und damit die Übergabe der Fahrzeuge an den selbständigen Spediteur, § 3 Abs. 6 Satz 4 UStG – begonnen hat. Er lag daher für jede Lieferung am Betriebssitz der Antragstellerin in X und damit nicht in Portugal, sondern in Deutschland. Dies galt auch für den Fall, dass bei einzelnen Fahrzeugverkäufen eine Warenbewegung unmittelbar an den privaten Endabnehmer in Portugal und damit ein Reihengeschäft im Sinne des § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG stattgefunden haben sollte, weil es jedenfalls an dem in dieser Rechtsnorm vorgeschriebenen Nachweis der Lieferereigenschaft des Zwischenabnehmers – also des Geschäftspartners der Antragstellerin – gefehlt hat. Auch um eine Verbringung im Sinne des § 3 Abs. 1a UStG handelte es sich bei den hier streitigen Umsätzen offenkundig nicht, weil die Verlagerung des Standorts der Fahrzeuge von Deutschland nach Portugal stets in Erfüllung der bereits eingegangenen kaufvertraglichen Lieferverpflichtung und in keinem Falle zu dem Zweck erfolgte, dass die Fahrzeuge der Antragstellerin dort weiterhin zu ihrer eigenen Verfügung stehen sollten.

b) Die somit sämtlich steuerbaren Umsätze waren auch in Deutschland steuerpflichtig. Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinreichende Zweifel hieran bestehen nicht. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergibt sich die in Anspruch genommene Steuerfreiheit im Inland nicht aus § 4 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. § 6a Abs. 1 UStG.

aa) Nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG waren von den steuerbaren Umsätzen die innergemeinschaftlichen Lieferungen im Sinne des § 6a UStG steuerfrei. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG (der auf das innergemeinschaftliche Verbringen eines Gegenstands gerichtete Tatbestand des § 6a Abs. 2 UStG war im Streitfall, wie vorstehend unter II. 1. a. cc. (2). dargelegt, nicht einschlägig) lag eine innergemeinschaftliche Lieferung vor, wenn bei einer Lieferung nebeneinander mehrere Voraussetzungen erfüllt waren. Zu diesen Voraussetzungen zählten zunächst zum einen die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) und zum zweiten der Umstand, dass der Abnehmer entweder ein Unternehmer war, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hatte oder andere – hier nicht einschlägige – persönliche Eigenschaften aufweisen musste (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG). Außerdem musste als dritte Voraussetzung (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG) der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterlegen haben.

bb) Die steuerbaren Lieferungen der Antragstellerin haben zwar nach den Feststellungen der Steuerfahndung und nach ihrer eigenen, vom Beklagten nicht bestrittenen Einlassung die beiden erstgenannten Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit im Inland erfüllt. Nicht gegeben war im Streitfall indessen die dritte Voraussetzung, da der Erwerb bei den tatsächlich die Fahrzeugen ankaufenden portugiesischen Geschäftspartnern der Antragstellerin – jedenfalls bei der im Streitfall vorzunehmenden richtlinienkonformen Auslegung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG – nicht „beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung” unterlegen hat.

(1) Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach „befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt”. Die Vorschrift ist Teil einer Übergangsregelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, die in Abschn. XVIa (Art. 28a ff.) der Richtlinie 77/388/EWG niedergelegt ist und deren Ziel darin besteht, die Steuereinnahmen auf denjenigen Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt.

(2) Wie der EuGH mit Urteil R. in DStR 2010, 2572, UR 2011, 15 (unter Rdnr. 55) entschieden hat, kann dann, wenn eine innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen tatsächlich stattgefunden hat, der Lieferer jedoch bei der Lieferung die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Umsatzsteuer zu hinterziehen, der Ausgangsmitgliedstaat der innergemeinschaftlichen Lieferung aufgrund der ihm nach dem ersten Satzteil von Art. 28c Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG zustehenden Befugnisse die Mehrwertsteuerbefreiung für diesen Umsatz versagen. Darüber hinaus muss der Ausgangsmitgliedstaat in bestimmten Fällen grundsätzlich dem Lieferer der Gegenstände die Befreiung verweigern und ihn verpflichten, die Steuer nachzuentrichten, um zu vermeiden, dass der fragliche Umsatz jeglicher Besteuerung entgeht; dies gilt namentlich dann, wenn „ernsthafte Gründe zu der Annahme bestehen, dass der mit der fraglichen Lieferung zusammenhängende innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsland – trotz gegenseitiger Amtshilfe und Zusammenarbeit zwischen den Finanzbehörden der betroffenen Mitgliedstaaten – der Zahlung der Mehrwertsteuer entgehen könnte” (EuGH-Urteil R. in DStR 2010, 2572, UR 2011, 15, unter Rdnr. 52).

Diese Auslegung des Einleitungssatzes des Art. 28c Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG hat der EuGH im Einzelnen damit begründet, dass die Vorlage von Scheinrechnungen oder die Übermittlung unrichtiger Angaben sowie sonstige Manipulationen in diesem Zusammenhang die genaue Erhebung der Steuer verhindern und demzufolge das ordnungsgemäße Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in Frage stellen können. Derartige Handlungen wiegen nach Auffassung des EuGH umso schwerer, wenn sie im Rahmen der Übergangsregelung für die Besteuerung innergemeinschaftlicher Umsätze begangen werden, die auf Beweisen beruht, die von den Steuerpflichtigen zu erbringen sind. Der Verweigerung der Befreiung in Fällen, in denen eine nach dem nationalen Recht vorgesehene Verpflichtung zur Angabe des Empfängers der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht eingehalten wurde, misst der EuGH dabei eine „abschreckende Wirkung” zu, die die Durchsetzung dieser Verpflichtung gewährleisten und Steuerhinterziehungen oder -umgehungen verhüten soll (EuGH-Urteil R. in DStR 2010, 2572, UR 2011, 15, unter Rdnr. 48 und 50).

(3) Dies vorausgeschickt, entspricht der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Umsatzsteuerrechts allein eine Gesetzesanwendung, den hier streitigen Lieferungen der Antragstellerin die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung unter Hinweis darauf zu versagen, dass der Erwerb im Erwerbsmitgliedstaat Portugal nicht im Sinne des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterlegen hat.

Die in Rede stehenden Fahrzeuglieferungen erfolgten nach den im Strafverfahren gegen den alleinigen Geschäftsführer der Antragstellerin getroffenen Feststellungen des Landgerichts G unter bewusster Verschleierung der Identität der tatsächlichen Abnehmer. An dieser Verschleierung hat die durch den Geschäftsführer A handelnde Antragstellerin maßgeblich und eigenverantwortlich mitgewirkt. Dabei hat sie zunächst die Rechnungen über die gelieferten Fahrzeuge doppelt ausgestellt, und zwar sowohl auf ihre eigentlichen Vertragspartner als auch auf die beiden Unternehmen B (in 2002) und M (in 2003), die jedoch mit dem Erwerb der Gebrauchtwagen nichts zu tun hatten und daher – entgegen der Darstellung der Antragstellerin – insoweit durchaus die Stellung von „Scheinabnehmern” hatten. Sodann hat sie lediglich die Rechnungen an die Scheinabnehmer in ihre Buch- und Belegführung übernommen, so dass auch nur diese Rechnungen von den deutschen Finanzbehörden im Zuge einer Überprüfung der Liefersachverhalte (etwa in Form einer Außenprüfung) hätten aufgefunden und steuerlich gewürdigt werden können. Weitergehende Ermittlungsmöglichkeiten der deutschen Finanzbehörden zu den Lieferbeziehungen hat die Antragstellerin ferner dadurch vereitelt, dass sie daneben auch die Lieferscheine und die Frachtbriefe nicht auf die eigentlichen Abnehmer, sondern auf dritte Personen ausgestellt hat. Abschließend hat die Antragstellerin der deutschen Steuerverwaltung im Rahmen ihrer Zusammenfassenden Meldungen (§ 18a UStG) anstelle der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der tatsächlichen Abnehmer jene der Scheinabnehmer mitgeteilt und damit verhindert, dass das BZSt seinerseits dem portugiesischen Fiskus im Auskunftsaustausch die Identität der tatsächlichen Erwerber in Portugal offenbaren konnte. Dadurch hat die Antragstellerin diesen tatsächlichen Abnehmern bewusst und gewollt die Gelegenheit verschafft, der portugiesischen Erwerbsbesteuerung zu entgehen.

Dies alles hat die Antragstellerin nicht bestritten; dass ihr Geschäftsführer mit seinem – der Antragstellerin zurechnenden – Handeln die Absicht verfolgt habe, „den portugiesischen Fiskus zu hintergehen”, hat sie vielmehr mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 6. Juni 2011 unumwunden selbst eingeräumt. Damit hat die Antragstellerin – ohne dass daran hinreichende Zweifel bestünden – es nicht nur den wahren Erwerbern durch Verschleierung ihrer Identität ermöglicht, in Portugal die Umsatzsteuer auf den Erwerb der Fahrzeuge zu hinterziehen. Sie hat dem Beklagten darüber hinaus zudem ernsthafte Gründe zu der Annahme gegeben, dass der mit den Fahrzeuglieferungen zusammenhängende innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsland Portugal der Zahlung der Umsatzsteuer entgehen könnte, ohne dass dies – wegen der Verwendung unzutreffender Umsatzsteuer-Identifikationsnummern – durch die Möglichkeit gegenseitiger Amtshilfe und Zusammenarbeit zwischen den deutschen und den portugiesischen Finanzbehörden hätte unterbunden werden können. In diesem Falle aber war der Antragstellerin – wie sich aus dem EuGH-Urteil R. in DStR 2010, 2572, UR 2011, 15 (unter Rdnr. 52) ergibt – zwingend („muss”) die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. § 6a Abs. 1 UStG zu versagen, da nur so effektiv vermieden werden konnte, dass der fragliche Umsatz im Ergebnis jeglicher Besteuerung entging. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin setzte die Versagung der Steuerbefreiung dabei keineswegs die vorangehende Feststellung des Beklagten voraus, dass – was die Antragstellerin bestreitet – der Endverbrauch in Portugal der Umsatzsteuer auch tatsächlich nicht unterworfen worden ist.

(4) Die sonach vorzunehmende richtlinienkonforme Auslegung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG entspricht der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des BGH (BGHBeschlüsse vom 20. November 2008 – 1 StR 354/08, BGHSt 53, 45, UR 2009, 192, vom 19. Februar 2009 – 1 StR 633/08, UR 2009, 726, Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht – wistra – 2009, 238, und in DStR 2009, 1688, UR 2009, 732). Ihr hat sich nunmehr auch der BFH angeschlossen; so sind nach dem BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 – V R 30/10 (DStR 2011, 1310, BFH/NV 2011, 1451, zur Veröffentlichung in BFHE bestimmt) innergemeinschaftliche Lieferungen entgegen § 6a UStG umsatzsteuerpflichtig, wenn der Unternehmer die Identität seines Abnehmers verschleiert, um diesem die Hinterziehung der geschuldeten Umsatzsteuer zu ermöglichen. Die noch im BFH-Beschluss in BFHE 226, 449, BFH/NV 2009, 1567 als „offen und ungeklärt” bezeichneten Rechtsfragen sind damit auch aus Sicht der Finanzgerichtsbarkeit höchstrichterlich entschieden (vgl. hierzu bereits Michel, Anmerkung in Der Betrieb – DB – 2009, 1855). Wie das BVerfG mit Beschluss vom 16. Juni 2011 – 2 BvR 542/09 (bislang n. v., juris) entschieden hat, ist dieses Normverständnis zudem mit nationalen verfassungsrechtlichen Vorgaben (insbesondere mit dem aus Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes – GG – folgenden Bestimmtheitsgebot) vereinbar, da die Auslegung sowohl dem möglichen Wortsinn als auch der verbindlichen Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG durch den EuGH entspricht und steuersystematische Gründe ihr nicht entgegenstehen.

cc) Die hiergegen erhobenen Einwände der Antragstellerin greifen bereits bei überschlägiger Prüfung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt durch.

(1) Zu Unrecht beruft sich die Antragstellerin zunächst darauf, dass der Rechtsprechung des EuGH in dessen Urteil R. in DStR 2010, 2572, UR 2011, 15 jedenfalls für den Streitfall und darüber hinaus auch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zu folgen sei. Dabei verkennt die Antragstellerin bereits, dass die Entscheidung des EuGH ungeachtet der daran von Teilen des Schrifttums geäußerten Kritik (vgl. Wulf/Alvermann, Der Betrieb – DB – 2011, 731, Bürger/Paul, Betriebs-Berater – BB – 2011, 540, Küffner/Streit, DStR 2011, 2575, und Korf, Internationales Steuerrecht – IStR – 2011, 30; zustimmend demgegenüber z. B. Sterzinger, UR 2011, 20) auf einer für alle Mitgliedstaaten und damit auch für deren Gerichte verbindlichen Auslegung des Art. 28c Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG beruht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 16. Juni 2011 – 2 BvR 542/09, bislang n. v., juris). Zu einer – von der Antragstellerin offenbar für erforderlich gehaltenen – erneuten Vorlage der Rechtsfrage an den EuGH sieht der Senat keinerlei Anlass und auch keine Berechtigung, da hinreichende Zweifel an der Auslegung dieser unionsrechtlichen Bestimmung insoweit nicht mehr bestehen (vgl. Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV –).

Dabei war auch in Rechnung zu stellen, dass das EuGH-Urteil R. in DStR 2010, 2572, UR 2011, 15 in der Besetzung als Große Kammer ergangen und den Schlussanträgen des Generalanwalts … vom 29. Juni 2010 (n. v., juris), auf die die Antragstellerin sich beruft, offenkundig bewusst nicht gefolgt ist. Mit der noch vom Generalanwalt hervorgehobenen Auffassung, die Besteuerung der in Rede stehenden Fahrzeuglieferungen in Deutschland widerspreche auch unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls den unionsrechtlichen Grundsätzen der Territorialität und der Neutralität der Umsatzsteuer, hat sich der EuGH auseinandergesetzt und sie unter Hinweis auf das der Richtlinie 77/388/EWG gleichfalls zu entnehmende – und hier höherrangige – Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ausdrücklich verworfen. Gleiches gilt für den von der Antragstellerin angeführten Grundsatz der Rechtssicherheit; ein Steuerpflichtiger, der sich vorsätzlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt und das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gefährdet, kann sich nämlich nicht mit Erfolg auf diese Grundsätze berufen (EuGH-Urteil R. in DStR 2010, 2572, UR 2011, 15, unter Rdnr. 54). Im Schrifttum ist zudem zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die EuGH-Entscheidung sich insoweit durchaus als konsequente Fortsetzung der bereits in den vorangegangenen EuGHUrteilen vom 12. Januar 2006 – C-354/03, C-355/03, C-484/03, Optigen u. a. (Slg 2006, I-483, DStR 2006, 133), vom 21. Februar 2006 – C-255/02, Halifax (Slg 2006, I-1609, DStR 2006, 420), vom 6. Juli 2006 – C-439/04, C-440/04, Kittel und Recolta-Recycling (Slg. 2006, I-6161, DStR 2006, 1274), vom 27. September 2007 – C-409/04, Teleos (Slg 2006, I-779, UR 2007, 774) und vom 27. September 2007 – C-146/05, Collée (Slg 2007, I-7861, DStR 2007, 1811) angelegten Rechtsprechung des Gerichtshofs erweist (vgl. Schenkewitz, BB 2011, 350, Bülte, DB 2011, 442, Hölzle, DStR 2011, 602, Matthes, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2011, 186, und Hundt-Eßwein, Umsatzsteuer-Berater – UStB – 2011, 52).

(2) Fernliegend ist der Einwand, die Vorabentscheidung des EuGH sei für den Streitfall unbeachtlich, weil der Gerichtshof bei ihrem Zustandekommen von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen sei.

Die bislang nicht belegten Behauptungen der Antragstellerin zur Existenz einer portugiesischen Betriebsstätte, von deren Niederlassung aus die fraglichen Fahrzeugverkäufe angebahnt worden seien, wären ersichtlich nicht geeignet gewesen, rechtliche Bedeutung für die Entscheidung des EuGH zu erlangen, da dieser Umstand – wie bereits dargelegt (vorstehend unter II. 1. a. cc. (2).) – an dem Ort der Lieferung und damit an der Steuerbarkeit in Deutschland nichts geändert hätte. Gleichfalls nicht haltbar ist der – bereits im Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH (vgl. EuGH-Urteil R. in DStR 2010, 2572, UR 2011, 15, unter Rdnr. 29) erhobene – Vorwurf, der BGH als das vorlegende Gericht habe „den Sachverhalt insofern falsch dargestellt, als es davon ausgegangen sei, dass die gebrauchten Fahrzeuge an Scheinunternehmen oder an ‚missing traders’ verkauft worden seien, obwohl es sich um tatsächlich getätigte Lieferungen an tatsächliche wirtschaftliche Abnehmer gehandelt habe und diese Lieferungen wirtschaftlich sinnvolle und den Marktverhältnissen entsprechende Umsätze gewesen seien”. Denn diese Darstellung trifft nicht zu; dass der BGH die t a t s ä c h l i c h e n Abnehmer der Antragstellerin in Portugal als „Scheinunternehmen” oder als „missing trader” eingestuft hätte, lässt sich dem BGH-Beschluss in DStR 2009, 1688, UR 2009, 732 an keiner Stelle entnehmen. Dort ist lediglich (unter II. 4.) in einer Nebenbemerkung – und ohne dass dies für das Vorabentscheidungsersuchen erheblich gewesen und später vom EuGH aufgegriffen worden wäre – die Möglichkeit erörtert worden, dass diese wirklichen Abnehmer ihrerseits einen Teil des tatsächlich gezahlten Kaufpreises durch die unberechtigte Geltendmachung der Vorsteuer aus einem Scheingeschäft mit einem „missing trader” zu Lasten des Staates, in den die Lieferung erfolgte, hätten erstattet erhalten und auf diese Weise einen Vorteil erzielen können.

(3) Gleichfalls unzutreffend ist die Erwägung der Antragstellerin, sie könne durch das Handeln ihres Geschäftsführers schon deswegen keinem ihrer Abnehmer in Portugal die Hinterziehung von Umsatzsteuer ermöglicht haben, weil der Erhebung der portugiesischen Umsatzsteuer auf den Erwerbsvorgang (entsprechend Art. 28a Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG) in gleicher Höhe ein Vorsteuerabzug (entsprechend Art. 17 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG) gegenübergestanden habe und eine Umsatzsteuerzahllast daher nicht entstanden sein könne. Dabei übersieht die Antragstellerin nämlich, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG von einer Vielzahl an Voraussetzungen abhängig war, zu denen neben dem Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung der Antragstellerin auch die Abgabe einer entsprechenden Steuererklärung über die Erwerbsbesteuerung (Art. 22 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG) gehörte. Daneben hat bereits der BGH in seinem Beschluss in DStR 2009, 1688, UR 2009, 732 (unter II. 4.) zu Recht darauf hingewiesen, dass die unlautere Verfahrensweise der Antragstellerin dem tatsächlichen Erwerber jedenfalls die Möglichkeit eröffnet hat, den Gegenstand seinerseits ohne den Ausweis von Umsatzsteuer weiterzuverkaufen, weil seine Einbindung in die Kette der Lieferanten gegenüber der portugiesischen Steueraufsicht zuvor verschleiert worden war. Zumindest hierin hätte eine von der Antragstellerin ermöglichte Hinterziehung von Umsatzsteuer gelegen.

(4) Der von der Antragstellerin gerügte Verstoß der Besteuerung gegen den Wortlaut der Norm als äußerster Auslegungsgrenze liegt – wie das BVerfG mittlerweile mit Beschluss vom 16. Juni 2011 – 2 BvR 542/09 (bislang n. v., juris) entschieden hat – nicht vor. Damit erübrigt sich auch der Einwand, die Umsetzung der Vorgaben des EuGHUrteils R. in DStR 2010, 2572, UR 2011, 15 erfordere eine gesonderte gesetzliche Regelung. Tatsächlich ist es nämlich gerade nicht Aufgabe des Gesetzgebers, sämtliche Details krimineller Denkweisen – wie etwa derjenigen des Streitfalls – vorherzusehen und in einer eigenen Norm niederzulegen (so – bezogen auf die strafrechtliche Würdigung – zutreffend Schenkewitz, BB 2011, 350, 356).

(5) Auch der Hinweis der Antragstellerin auf den Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer, der im Ergebnis nur den Konsum des Endverbrauchers belasten solle, verfängt nicht. Es entspricht vielmehr der gemeinschaftsrechtlichen Ausgestaltung als Allphasen-Nettosteuer mit Vorsteuerabzug, mit der Umsatzsteuer den auf jeder einzelnen Wirtschaftsstufe geschaffenen Mehrwert zu besteuern und damit grundsätzlich auch den von der Antragstellerin – der für den eigenen Erwerb der Gebrauchtwagen der Vorsteuerabzug zustand – erzielten Verkaufserlös der Besteuerung zu unterwerfen. Insofern erweist sich die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. § 6a Abs. 1 UStG als eigentlich systemfremde Ausnahme, die – gestützt auf Art. 28c Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG – allein aus deren Stellung als Übergangsregelung mit dem Ziel zu verstehen ist, die Steuereinnahmen auf denjenigen Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt. Gerade diese Besteuerung im Abnehmerstaat und damit das ordnungsgemäße Funktionieren des gemeinsamen Umsatzsteuersystems ist durch die hier in Streit stehende Verfahrensweise der Antragstellerin jedoch bewusst und gewollt nachhaltig in Frage gestellt worden. Dieser Umstand aber reicht für die Steuererhebung bei der Antragstellerin als der Lieferantin der Fahrzeuge aus (so ausdrücklich EuGH-Urteil R. in DStR 2010, 2572, UR 2011, 15, unter Rdnr. 52).

(6) Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Versagung der Steuerbefreiung komme der Festsetzung einer Strafsteuer gleich und führe bei gleichzeitig fortbestehender Steuerpflicht des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Portugal im Ergebnis zu einer Doppelbelastung des Umsatzes, sind die damit verbundenen Rechtsfragen nicht Gegenstand des hier anhängigen Klageverfahrens. Es bleibt der Antragstellerin unbenommen, gegenüber dem Beklagten den Nachweis zu erbringen, dass die tatsächlichen Abnehmer den jeweiligen innergemeinschaftlichen Erwerb in Portugal auch wirklich der Umsatzbesteuerung unterworfen haben. Alsdann wird in einem gesonderten Billigkeitsverfahren zu entscheiden sein, inwiefern daraus ein Rechtsanspruch der Antragstellerin auf den Erlass der hier streitigen Umsatzsteuerforderung erwächst (§§ 163, 227 der Abgabenordnung – AO –).

2. Für ihre gegenteilige Auffassung kann sich die Antragstellerin nicht mehr auf die Entscheidung des beschließenden Senats in StE 2009, 325 berufen. An seiner dort vertretenen Ansicht, dass die Nichterhebung von Umsatzsteuer auf eine innergemeinschaftliche Lieferung durch den Herkunftsstaat der Lieferung unter Umständen wie denjenigen des Streitfalls nicht als Gefährdung des Steueraufkommens angesehen werden könne, hält der Senat im Anschluss an die überzeugenden und für die Auslegung des Art. 28c Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG verbindlichen Erwägungen des EuGH in dessen Urteil R. in DStR 2010, 2572, UR 2011, 15, nicht mehr fest.

3. Einwendungen gegen die Höhe der vom Beklagten der Besteuerung unterworfenen Umsätze aus den Fahrzeuglieferungen nach Portugal hat die Antragstellerin nicht erhoben. Hinreichende Zweifel bestehen insoweit zudem nicht, da die den angefochtenen Steuerfestsetzungen zugrundegelegten Wertansätze für beide Streitjahre noch hinter den sich aus den Feststellungen des Landgerichts G ergebenden Umsätzen zurückbleiben.

4. Für die Entscheidung des Senats über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden Gerichtskosten nicht erhoben.

VorschriftenUStG § 6a, UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, UStG § 3 Abs. 5a, UStG § 3 Abs. 6, UStG § 3c, UStG § 4 Nr. 1b, FGO § 142 Abs. 1

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