Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

17.01.2012

Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Beschluss vom 03.11.2011 – 5 TaBV 50/11

Der Konzernbetriebsrat ist nicht zuständig für Betriebe, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BetrVG nicht erfüllen.


Tenor:

1)Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Solingen vom 14.04.2011

- 1 BV 14/10 - abgeändert:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

2)Die Rechtsbeschwerde wird für den Konzernbetriebsrat

zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der antragstellende Konzernbetriebsrat auch für Unternehmen der sich im Konzern der Antragsgegnerin befindlichen Betriebe zuständig ist, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erfüllen.

Der Antragsteller ist der für den Konzern der Antragsgegnerin gebildete Konzernbetriebsrat. Zum Konzern der Antragsgegnerin gehören als 100 %-ige Tochtergesellschaften unter anderem die O. GmbH und die f., die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung je zwei Arbeitnehmer, jedenfalls weniger als fünf Arbeitnehmer beschäftigten.

Nachdem es in der Vergangenheit bereits zu Meinungsverschiedenheiten über die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats gekommen war, lud der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats die Personalchefin der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 02.08.2010 zu einer Sitzung des Konzernbetriebsrats ein. Das Schreiben hatte folgenden Wortlaut:

Sehr geehrte Frau N.,

hiermit laden wir Sie zur nächsten Sitzung des Konzernbetriebsrats der SWS-GmbH ein. Wir bitten Sie, das Gremium zu folgenden Themen zu unterrichten:

?Strategische Neuausrichtung des SWS-GmbH (Prüfauftrag an BET)

?Vorstellung der Prüfergebnisse von ConEnergie bzgl. der Netzgesellschaft

?Aufgaben, Struktur und personelle Ausstattung der "F. Neu"

Zur Vorbereitung auf die gemeinsame Sitzung bitten wir Sie, dem Konzernbetriebsrat die Ihnen vorliegenden Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Als Vorlauf zur Verteilung und Vorbereitung halten wir eine Woche für ausreichend.

Bezogen auf die Netzgesellschaft und die "F. Neu" erklären wir uns nach § 58 BetrVG für zuständig.

Die Personalchefin der Antragsgegnerin antwortete mit Schreiben vom 05.08.2010 und wies darauf hin, dass nach Auffassung der Antragsgegnerin eine Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats für die O. GmbH und die f. nicht gegeben wäre.

Mit seinem am 28.10.2010 beim Arbeitsgericht Solingen anhängig gemachten Antrag hat der Konzernbetriebsrat seine Zuständigkeit auch für die O. GmbH und die f. geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, der Konzernbetriebsrat sei gemäß §§ 58, 50 BetrVG auch für Betriebe zuständig, die mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 1 BetrVG nicht betriebsratsfähig wären. Dies folge aus der Absicht des Gesetzgebers, anlässlich der Gesetzesnovellierung im Jahre 2001 Arbeitnehmer in Betrieben mit Betriebsrat und solche in Betrieben ohne Betriebsrat gleichzubehandeln.

Auf eine fehlende Legitimation des Konzernbetriebsrats durch die Arbeitnehmer könne sich die Antragsgegnerin nicht berufen. Eine solche Legitimation habe der Gesetzgeber, wie die Erstreckung der Konzernbetriebsratszuständigkeit auf betriebsratslose Betriebe in § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG belege, nicht für erforderlich gehalten.

Der Konzernbetriebsrat hat beantragt,

festzustellen, dass sich die Zuständigkeit des Beteiligten zu 1. gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auch auf die f. GmbH Solingen und die SWS O. GmbH erstreckt.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin ist der Rechtsauffassung des Konzernbetriebsrats entgegengetreten und hat ihrerseits gemeint, dass eine Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats nur für betriebsratsfähige Betriebe in Betracht käme. Bei der Einbeziehung von nicht betriebsratsfähigen Betrieben in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats würde ein Legitimationsdefizit entstehen. Zudem zeige § 4 Abs. 2 BetrVG, dass nur unter ganz engen Voraussetzungen eine Betriebsratszuständigkeit für Betriebe begründet werden könnte, die keine ausreichende Arbeitnehmerzahl aufwiesen. Da im Übrigen auch die Gesetzesbegründung keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine umfassende Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats enthalte, bliebe festzuhalten, dass das Betriebsverfassungsgesetz eine abschließende und endgültige Regelung der Betriebsratsfähigkeit enthalte. Aus dieser wiederum folge, dass ein nicht betriebsratsfähiger Betrieb grundsätzlich außerhalb der Betriebsverfassung stünde.

Mit Beschluss vom 14.04.2011 hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Solingen - 1 BV 14/10 - dem Antrag des Konzernbetriebsrats entsprochen. In den Gründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ein Feststellungsinteresse an der vom Konzernbetriebsrat begehrten Feststellung bejaht. Das Arbeitsgericht hat weiter ausgeführt, sowohl aus dem Wortlaut wie auch aus der Entstehungsgeschichte folge, dass die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats nicht von dem Erreichen des Schwellenwerts des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG abhinge.

Die Antragsgegnerin hat gegen den ihr am 16.05.2011 zugestellten Beschluss mit einem am 16.06.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese - nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 01.08.2011 - mit einem am 28.07.2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Antragsgegnerin wiederholt ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und meint, dass ein Feststellungsinteresse nicht gegeben sei, weil es vorliegend nur um die Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage gehe. In der Sache selbst bekräftigt die Antragsgegnerin ihre Rechtsauffassung, dass gerade die Gesetzesbegründung gegen die Meinung des Konzernbetriebsrats spräche, weil dort nur von einer "Erleichterung" der Bildung von Betriebsräten gesprochen wurde. Im Übrigen, so die Antragsgegnerin weiter, dürften dem Konzernbetriebsrat nicht mehr Rechte zustehen als einem Betriebsrat; sei dieser aber gar nicht wählbar, könne auch keine Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats angenommen werden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1.den Beschluss des Arbeitsgerichts Solingen vom

14.04.2011 abzuändern und

2.den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Konzernbetriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den arbeitsgerichtlichen Beschluss und wiederholt ebenfalls im Wesentlichen seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

1.Die Beschwerde ist zulässig.

Sie sind an sich statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG), sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2 Satz 1, 89 Abs. 2, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2.Auch in der Sache selbst war das Rechtsmittel erfolgreich.

Der arbeitsgerichtliche Beschluss war auf die Beschwerde der Antragsgegnerin abzuändern und der Antrag des Konzernbetriebsrats zurückzuweisen, weil sich seine Zuständigkeit nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer nicht auf die betriebsratsunfähigen Betriebe der O. GmbH und der f. erstrecken.

2.1In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts geht auch die Beschwerdekammer von einer Zulässigkeit des Antrags des Konzernbetriebsrats aus, weil ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen ist.

2.1.1Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ein besonderes rechtliches Interesse daran erforderlich, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Für eine nur auf die Vergangenheit gerichtete Feststellung, aus der sich keinerlei Rechtsfolgen für die Zukunft mehr ergeben, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig nicht. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, einem Beteiligten zu bescheinigen, dass er im Recht war, oder eine die Verfahrensbeteiligten interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu klären. Allerdings kann ein in der Vergangenheit liegender Streitfall Anlass sein, das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts für die Zukunft feststellen zu lassen. Der Inhalt oder der Umfang von Beteiligungsrechten können im Beschlussverfahren losgelöst von einem konkreten Ausgangsfall geklärt werden, wenn die Maßnahme, für die ein Beteiligungsrecht in Anspruch genommen wird, häufiger im Betrieb auftritt und sich auch künftig jederzeit wiederholen kann (BAG 09.11.2010 - 7 ABR 76/09 - AP Nr. 103 zu § 256 ZPO 1977; BAG 15.04.2008 - 1 ABR 14/07 - AP Nr. 54 zu § 95 BetrVG 1972).

2.1.2Hiernach ist von einem Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO auszugehen.

Es ist zwar richtig, dass die Beteiligten vorrangig über die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats im Rahmen des § 58 Abs. 1 BetrVG gestritten haben, als es um die Aufforderung des Konzernbetriebsrats vom 02.08.2010 ging, Informationen über die genannten Firmen im Rahmen der Konzernbetriebsratssitzung zu erteilen. Dieser Sachverhalt ist in der Tat abgeschlossen. Die Meinungsverschiedenheiten der Beteiligten über die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats dauern indessen, wie die Korrespondenz vor und nach dem 02.08.2010 belegt, an, so dass davon auszugehen ist, dass auch weiterhin unterschiedliche Auffassungen über die grundsätzliche Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats für die oben genannten Unternehmen besteht. Deshalb kann gerade nicht ausgeschlossen werden, dass auch in Zukunft vor den Arbeitsgerichten auszutragende Konflikte entstehen. Dann aber besteht nicht nur ein erhebliches rechtliches Interesse zur Klärung der damit zusammenhängenden Rechtsfrage; es erweist sich darüber hinaus auch als prozessökonomisch, die streitige Rechtsfrage mit Wirkung für die Zukunft durch das Arbeitsgericht entscheiden zu lassen.

2.2Der Feststellungsantrag des Konzernbetriebsrats ist allerdings unbegründet. Die von ihm für sich reklamierte Zuständigkeit auch für die beiden betriebsratsunfähigen Betriebe der O. GmbH und der f. besteht nicht, weil sie in den §§ 58 Abs. 1, 50 Abs. 1 BetrVG gerade nicht vorgesehen ist. Dies folgt aus einer umfassenden Auslegung der genannten beiden Normen.

2.2.1Bei der Auslegung von Gesetzen ist zunächst vom Gesetzeswortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Gesetzeswortlaut nicht unmissverständlich ist, ist der wirkliche Wille des Gesetzgebers mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den gesetzlichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen des Gesetzgebers liefert und nur so Sinn und Zweck der Gesetzesnorm ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, gegebenenfalls auch die praktische Gesetzesübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Gesetzesauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 17.05.2011 - 9 AZR 197/10 - BB 2011, 1395 m. w. N.).

2.2.2Danach finden sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats auch auf betriebsratsunfähige Betriebe erstrecken könnte.

2.2.2.1Schon der Wortlaut der streitbefangenen Normen ist nicht eindeutig. Sowohl § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG wie auch § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sprechen davon, dass sich die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats "insoweit auch auf Betriebe ohne Betriebsrat" erstreckt. Diese Formulierung lässt letztlich offen, ob damit nur Betriebe gemeint sind, die ohne Betriebsrat geblieben sind, weil sich die betroffenen Arbeitnehmer gegen eine Betriebsratswahl entschieden haben oder ob auch Betriebe gemeint sind, die betriebsratsunfähig sind, weil sie den Schwellenwert des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erreichen.

2.2.2.2Der Gesamtzusammenhang, in dem die §§ 50 und 58 BetrVG stehen, spricht indessen schon für die von der Antragsgegnerin vertretene Rechtsauffassung.

Die Antragsgegnerin verweist in diesem Zusammenhang zutreffend auf § 4 Abs. 2 BetrVG, der eine Regelung für betriebsratsunfähige Betriebe enthält. Nach der zuletzt genannten Norm sind Betriebe, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erfüllen, dem Hauptbetrieb zuzuordnen. Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der betriebsratsunfähige Betrieb (nur) dann in den Genuss der Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes kommen soll, wenn er einem Hauptbetrieb zuzuordnen ist. Fehlt es an einem solchen Hauptbetrieb, ist unstreitig die Wahl eines Betriebsrats unzulässig.

Unterstrichen wird dieses Ergebnis noch durch die Regelung des § 17 Abs. 1 BetrVG. Dieser bestimmt, dass auch der Konzernbetriebsrat, sofern er besteht, bei Untätigbleiben des bisherigen Betriebsrats oder des Gesamtbetriebsrats grundsätzlich in der Lage ist, für einen bisher betriebsratslosen Betrieb einen Wahlvorstand zu bestellen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17 Abs. 1 BetrVG erstreckt sich dieses Recht aber nur auf Betriebe, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllen.

In Ansehung dieser Gesetzessystematik erscheint es dann aber gerechtfertigt und nahezu zwingend, den Rückschluss zu ziehen, dass § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG i. V. m. § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht die so genannten Kleinstbetriebe erfasst (so auch die absolut herrschende Meinung in der Literatur, vgl. etwa: Fitting/Bearb., 25. Aufl., § 58 Rdn. 29 und § 50 Rdn. 29; ErfK/Bearb. 11. Aufl., § 58 Rdn. 2 und § 50 Rdn. 2; Richardi/Annus, 12. Aufl., § 58 Rdn. 22 und § 50 Rdn. 51; GK-BetrVG/Bearb., 9. Aufl., § 58 Rdn. 37; a. A. Däubler/Trittin, 11. Aufl., § 58 Rdn. 14).

2.2.2.3Hinzu kommt in diesem Zusammenhang, dass es bei einer Bejahung der vom Konzernbetriebsrat vertretenen Rechtsauffassung in der Tat zu einem Legitimationsdefizit kommen würde, da es - unstreitig - an einer irgendwie gearteten Beteiligung der betroffenen Arbeitnehmer an der Wahl des Konzernbetriebsrats fehlt. Diese wird auch nicht durch etwa bestehende Betriebsräte oder Gesamtbetriebsräte weitervermittelt, da es diese angesichts der Arbeitnehmerzahl in der O. GmbH und der f. ja gerade nicht gibt.

Der Konzernbetriebsrat kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, dass es auch in einem betriebsratslosen aber betriebsratsfähigen Betrieb an einer Legitimation durch die betroffenen Arbeitnehmer fehlt. Im Unterschied zu der hier zu entscheidenden Fallkonstellation haben die Arbeitnehmer in einem betriebsratsfähigen Betrieb durch die Nichtwahl immerhin entschieden, für sich selbst keinen Betriebsrat in Anspruch nehmen zu wollen. Für diesen Fall hat es der Gesetzgeber aber dann offensichtlich für geraten angesehen, eine andere Interessenvertretung für zuständig zu erklären, nämlich den Gesamt- oder den Konzernbetriebsrat. Für einen betriebsratsunfähigen Betrieb können diese Überlegungen aber gerade nicht herangezogen werden.

2.2.2.4Auch die Entstehungsgeschichte spricht mehr für die von der Antragsgegnerin vertretene Rechtsauffassung. Das Arbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang aus der Gesetzesbegründung zitiert und dabei herausgestellt, dass die dortigen Nummern 36 und 41 (Bundestagsdrucksache 14/5741, Seite 42 f.) umfassend und pauschal von "betriebsratslosen Betrieben" sprechen, was in der Tat für eine Einbeziehung auch der betriebsratsunfähigen Betriebe hindeuten könnte. Andererseits muss aber beachtet werden, dass der Gesetzgeber mit Blick auf § 17 BetrVG und dessen Novellierung davon spricht, die Bildung von Betriebsräten "zu erleichtern". Im Rückschluss kann hieraus abgeleitet werden, dass "nur" eine Erleichterung, nicht aber eine Erstreckung von Mitbestimmungsrechten und Zuständigkeiten auf betriebsratsunfähige Betriebe gemeint war, wo ja eine Etablierung von Betriebsräten von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist.

2.2.2.5Das bisher gefundene Auslegungsergebnis führt auch zu vernünftigen und sachgerechten Lösungen.

Würde man, wie vom Konzernbetriebsrat gewünscht, seine Zuständigkeiten auch auf betriebsratsunfähige Betriebe erweitern, führte dies im Ergebnis in der Tat zu einer Erweiterung der Mitbestimmungsrechte in der O. GmbH und f.. Bei einer angenommenen Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats verbliebe es zwar auch weiterhin dabei, dass der Konzernbetriebsrat damit keine Rechte eines örtlichen Betriebsrats übernehmen könnte und dürfte. Nicht zu bestreiten ist allerdings, dass angesichts einer - unterstellten - übergreifenden Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats eine mindestens mittelbare Interessenvertretung etabliert würde, für die es angesichts der Schwellenwertregelung in § 1 Abs. 1 BetrVG keine rechtliche Basis gibt. Hieraus wiederum folgt, dass auch der Gesetzgeber offensichtlich zwischen betriebsratsfähigen und betriebsratsunfähigen Betrieben unterscheiden und sie gerade nicht gleichbehandeln wollte. Die Kleinstbetriebe müssen demnach, von der Ausnahmeregelung in § 4 Abs. 2 BetrVG abgesehen, außerhalb der Betriebsverfassung angesiedelt bleiben.

Die erkennende Kammer hat die Rechtsbeschwerde für den Antragsteller zugelassen, weil sie das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bejaht hat, § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr