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10.04.2007 · IWW-Abrufnummer 071223

Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 09.05.2006 – I-24 U 147/05

1. Kommt es bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung durch missverständlichen Vortrag des Rechtsanwalts zur Beiordnung des "falschen" Sozietätsmitglieds, so haben die Rechtsanwälte die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zu vertreten, wenn dem "richtigen" Sozius die Sache nicht rechtzeitig vorgelegt wird.



2. Zu den Pflichten des Rechtsanwalts bei höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärten Rechtsfragen (hier: unterschiedliche Behandlung von Renten im Anwarts- und Leistungsstadium - BGH NJW-RR 2005, 1452).



3. Vor Eintritt des Versorgungsfalls entsteht dem Mandanten noch kein bezifferbarer Rentenschaden; es ist vielmehr nur ein entsprechender Feststellungsausspruch möglich.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

I-24 U 147/05

Verkündet am 9. Mai 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2006 unter Mitwirkung seiner Richter Z., T. und S.

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24. August 2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der auf der Nichteinlegung einer fristgerechten Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf und dem Verstreichenlassen der Frist für das Wiedereinsetzungsgesuch in dem Verfahren II-4 UF 20/04 beruht.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 38.454,38 ¤.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die beklagten Rechtsanwälte wegen fehlerhafter Sachbehandlung anlässlich ihrer Vertretung in einem Ehescheidungsverfahren - in der Folgesache Versorgungsausgleich - in Anspruch.

Die am .....1951 geborene Klägerin und der am ...... 1949 geborene D. K. (nachfolgend Ehemann genannt) schlossen am 5. April 1974 die Ehe miteinander. Nach Trennung am 1. Juli 2001 wurde der Scheidungsantrag des Ehemannes am 6. August 2002 der Klägerin zugestellt. Die Ehe ist durch Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 4. August 2003, rechtskräftig seit diesem Tage, geschieden.

Im Scheidungstermin am 4. August 2003 schlossen die Eheleute einen Teilvergleich, in dem sie hinsichtlich des Versorgungsausgleichs bestimmten, dass die Ansprüche der Ehefrau aus der kirchlichen Zusatzversorgung beim Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt werden sollten. Das Amtsgericht trennte hierauf das Versorgungsausgleichsverfahren aus dem Verbund ab.

Die Parteien des Scheidungsverfahrens hatten in der Ehezeit (ohne die genannten Anrechte der Ehefrau aus der kirchlichen Zusatzversorgung) folgende Anwartschaften erworben:

Ehemann:

- BfA: 1.170,62 ¤

- Rheinische Zusatzversorgungskasse: 498,89 ¤ unverfallbare Anwartschaft monatlich

Ehefrau:

- BfA: 307,20 ¤ .

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2003 führte das Amtsgericht Krefeld den Versorgungsausgleich durch, indem es im Wege des Splittings 431,71 ¤ Rentenanwartschaften auf das Rentenkonto der Ehefrau übertrug sowie im Wege des Quasi-Splittings 76,74 ¤ Rentenanwartschaften auf dem Rentenkonto der Ehefrau begründete.

Dieser Beschluss wurde den Beklagten am 2. Januar 2004 zugestellt. Mit am 26. Januar 2004 bei dem Oberlandesgericht eingegangenem Antrag suchten die Beklagten für die Klägerin um Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss nach. Dem PKH-Antrag waren ein Rechtsmittelentwurf und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei beigefügt. In dem Beschwerdeentwurf wandte sich die Klägerin gegen die Behandlung der Zusatzversorgung des Ehemannes als auch im Leistungsstadium statisch. Die Antragschrift war von dem Zweitbeklagten unterzeichnet und auf Beiordnung des "Unterzeichneten" gerichtet. Als Sachbearbeiter war eingangs der Antragsschrift der Erstbeklagte ("RA H. sen.") vermerkt.

Mit Verfügung vom 16. Februar 2004 wies der Berichterstatter des 4. Familiensenats darauf hin, dass die genannte Anwartschaft nach Rechtsprechung und Kommentarliteratur als statisch zu behandeln sei. Nach Gegenvorstellung der Klägerin gegen diese Verfügung bewilligte der 4. Familiensenat ihr mit Beschluss vom 10. März 2004, zugestellt spätestens am 16. April 2004, uneingeschränkt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H..

Erst mit Schriftsatz vom 11. Juni 2004, eingegangen bei dem Oberlandesgericht am 14. Juni 2004, suchte die Klägerin sodann um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Rechtsmittelfrist nach und legte zugleich Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 22. Dezember 2003 ein. Mit Beschluss vom 1. Juli 2004 wies der 4. Familiensenat die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist und der Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zurück und verwarf zugleich die Beschwerde gegen den Beschluss vom 22. Dezember 2003 als unzulässig. Dieser Beschluss ist rechtskräftig geworden.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr sei aufgrund der verspäteten Antragstellung ein Schaden entstanden, der bereits jetzt in Geld auszugleichen sei. Sie errechnet einen Betrag von 37.931,22 ¤, den sie zum Ausgleich des zu gering berechneten Versorgungsausgleichs in die Rentenkasse einzahlen müsse. Überdies verlangt sie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten (50 % der Verfahrensgebühr) in Höhe von 534,76 ¤.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie einen Betrag von 38.454,38 ¤ nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins aus 37.931,22 ¤ seit dem 15. Dezember 2004 sowie aus 534,76 ¤ seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.

Durch die angefochtene Entscheidung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten der Sache verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter und beantragt nun hilfsweise,

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihr den Schaden zu ersetzen, der auf der Nichteinhaltung einer fristgerechten Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf und dem Verstreichenlassen der Frist für das Wiedereinsetzungsgesuch in dem Verfahren II-4 UF 20/04 beruhe.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sehen weiterhin keinen aktuell auszugleichenden und zu beziffernden Schaden. Überdies verweisen sie die Klägerin auf das Verfahren nach § 10 a VAHRG. Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat nur hinsichtlich des erstmals im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrags Erfolg:

Die Beklagten (soziierte Rechtsanwälte) haben den mit der Klägerin (Mandantin) geschlossenen Rechtsanwaltsdienstvertrag (§§ 611, 675 BGB) schlecht erfüllt und haften ihr als Gesamtschuldner für den entstandenen Schaden aus § 280 Abs. 1 BGB. Nach Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses vom 10. März 2004 des 4. Senats für Familiensachen (4 UF 20/04) haben die Beklagten die Frist zur Beantragung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung einer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Krefeld vom 22. Dezember 2003 versäumt. Der Klägerin ist hierdurch ein Schaden entstanden, der auch nicht durch Einleitung eines Verfahrens nach § 10 a VAHRG behoben werden kann. Da der Versorgungsfall derzeit noch nicht eingetreten ist, kann die Klägerin allerdings nur Feststellung der Ersatzpflicht beanspruchen.

Im Einzelnen:

1.

Der Rechtsanwalt ist kraft des Anwaltsvertrags verpflichtet, die Interessen seines Mandanten in den Grenzen des erteilten Mandats nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen. Er muss sein Verhalten so einrichten, dass er Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, vermeidet. Er hat, wenn mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, diejenige zu treffen, welche die sicherste und gefahrloseste ist, und, wenn mehrere Wege möglich sind, den erstrebten Erfolg zu erreichen, denjenigen zu wählen, auf dem dieser am sichersten erreichbar ist. Gibt die rechtliche Beurteilung zu ernstlich begründeten Zweifeln Anlass, so muss er auch in Betracht ziehen, dass sich die zur Entscheidung berufene Stelle der seinem Auftraggeber ungünstigeren Beurteilung der Rechtslage anschließt. Im Prozess ist er verpflichtet, den Versuch zu unternehmen, das Gericht davon zu überzeugen, dass und warum seine Auffassung richtig ist (vgl. BGH NJW-RR 2005, 494 m. w. Nachw.). Welche konkreten Pflichten aus diesen allgemeinen Grundsätzen abzuleiten sind, richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des Falles.

Unter Anlegung dieses Maßstabs war die Vertretung der Klägerin durch die Beklagten zu 1. und 2., für deren Pflichtverletzung der Beklagte zu 3. als Gesamtschuldner mit einzustehen hat, im Beschwerdeverfahren des Vorprozesses (II-4 UF 20/04 OLG Düsseldorf) defizitär. Denn sie haben nicht dafür Sorge getragen, dass nach Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses vom 10. März 2004 innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 ZPO um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Rechtsmittelfrist gegen die amtsgerichtliche Versorgungsausgleichsentscheidung nachgesucht worden ist.

Es kann insoweit hier dahingestellt bleiben, ob die in jenem Prozesskostenhilfebeschluss vorgenommene und vom Antrag abweichende Beiordnung des Beklagten zu 1. (statt - wie beantragt - des Beklagten zu 2.) das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen hat oder ob infolge dieser Abweichung das Hindernis im Sinne des § 233 ZPO zur Einlegung des Hauptrechtsmittels durch den Beschluss vom 10. März 2004 noch nicht behoben war. Denn zum einen hatte der Beklagte zu 2. selbst pflichtwidrig eine Ursache für diese abweichende Beiordnung gesetzt, indem er in der Antragsschrift vom 20. Januar 2004 zwar die Beiordnung "des Unterzeichneten" beantragte, zugleich aber - bei unleserlicher Unterschrift - im Eingang jener Antragschrift ausdrücklich den Beklagten zu 1. als Sachbearbeiter bezeichnete. Der Beklagte zu 2. hätte aus diesem Grunde damit rechnen müssen, dass der 4. Familiensenat, wie auch tatsächlich geschehen, die Antragschrift als Antrag auf Beiordnung des Beklagten zu 1. verstehen würde. Ebenso hätte er damit rechnen müssen, dass der Familiensenat auch nach Aufdeckung dieser Diskrepanz das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren als durch den Beschluss vom 10. März 2004 abgeschlossen betrachten werde. Genau dies ist auch im Verwerfungsbeschluss des 4. Familiensenats vom 1. Juli 2004 so geschehen. Die Beklagten waren aus diesen Gründen ungeachtet jener Diskrepanz, verpflichtet, den für die Klägerin sichersten Weg zu wählen und innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses vom 10. März 2004 um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist nachzusuchen.

Ungeachtet des Dezernatswechsels vom Beklagten zu 1. auf den Beklagten zu 2. war der Beklagte zu 1., der ausweislich seines Empfangsbekenntnisses den Beschluss vom 10. März 2004 entgegengenommen hat, im Außenverhältnis zur Klägerin als Angehöriger der beauftragten Sozietät dazu verpflichtet, die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist - entsprechend der von den Beklagten behaupteten Praxisorganisation - im Fristenkalender des zuständigen Sachbearbeiters eintragen zu lassen und ihn über den Fristablauf in Kenntnis zu setzen. Wollte er so nicht verfahren, hätte er das Empfangsbekenntnis nicht unterzeichnen dürfen, sondern dem Beklagten zu 2. zur Unterschrift vorlegen müssen. All dies ist unstreitig nicht geschehen.

Im übrigen hätten die Beklagten, die Richtigkeit ihrer Wertung unterstellt, gegen den Verwerfungsbeschluss vom 1. Juli 2004 Rechtsbeschwerde nach §§ 621 e Abs. 3, 522 Abs. 1 S. 4 ZPO einlegen lassen müssen. Auch dies ist nicht geschehen.

2.

Die Beklagten haben die Verletzung ihrer Pflichten aus dem Anwaltsvertrag auch zu vertreten. Zu einer Entlastung, deren Darlegung nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB den Beklagten obläge, ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Der Klägerin ist infolge der Pflichtverletzung auch ein Schaden entstanden:

Es ist davon auszugehen, dass der Klägerin bei rechtzeitiger Antragstellung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Rechtsmittelfrist gegen den Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 22. Dezember 2003 gewährt worden wäre. Auf das gleichzeitig eingelegte Hauptrechtsmittel wären jener Beschluss abgeändert und der Versorgungsausgleich unter anderer Bewertung der Anwartschaften des Ehemannes der Klägerin aus der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst durchgeführt worden. Zwar obliegt es der Klägerin, den Ursachenzusammenhang zwischen dem Mangel der anwaltlichen Beratung und dem eingetretenen Schaden darzulegen und zu beweisen. Ihre Darlegungslast ist allerdings dadurch gemindert, dass die Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität der richterlichen Beurteilung des Regressrichters nach § 287 ZPO unterliegt (vgl. BGH NJW 2000, 1572 und NJW 2004, 2817).

Auf Grund der im Zeitpunkt der Entscheidung bereits bekannten Daten über die Rentensteigerungen hätte der 4. Familiensenat bei Durchführung des Hauptrechtsmittels, entsprechend dem Begehren der Klägerin in ihrem Prozesskostenhilfegesuch vom 20. Januar 2004, den Versorgungsausgleich unter Ansatz eines Zuschlags von 65 % gemäß Anmerkung 2. zu Tabelle 1 der Barwertverordnung bei Bewertung der Zusatzversorgung des Ehemannes neu errechnen müssen. Denn die Versorgungsanrechte des Ehemannes bei der Rheinischen Zusatzversorgungskasse sind im Anwartschaftsstadium als statisch, im Leistungsstadium jedoch als voll dynamisch zu beurteilen. Der Bundesgerichtshof hat dies inzwischen für die entsprechenden Regelungen der VBL nach der Neufassung der Satzung zum 1. Januar 2002, der Zusatzversorgungskasse der Bayerischen Gemeinden und Bahnversicherungsanstalt, der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg und der Zusatzversorgungskasse Thüringen beim Kommunalen Versorgungsverband Thüringen entschieden (vgl. BGH FamRZ 2004, 1474 ff., FamRZ 2004, 1706, FamRZ 2004, 1959, FamRZ 2005, 878, NJW-RR 2005, 1452).

Die Satzung der Rheinischen Zusatzversorgungskasse vom 29. Oktober 2002 übernimmt das Punktemodell des § 18 Betriebs AVG und entspricht in den für die Berechnung der Anwartschaft maßgeblichen Normen - §§ 34 ff. - den Bestimmungen der Zusatzversorgungskasse Thüringen, die der Bundesgerichtshof ausdrücklich als im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium voll dynamisch beurteilt hat (BGH NJW-RR 2005, 1452 f.). Im Leistungsstadium wird die Betriebsrente der Rheinischen ZVK nach § 37 der Satzung um 1 % jährlich erhöht. Dies weicht nur geringfügig von der durchschnittlichen Steigerungsrate in den Jahren 1995 bis 2004 der Beamtenpensionen (1,424 %) und der gesetzlichen Rentenversicherung (1,059 %) ab. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, solche Anrechte als voll dynamisch zu beurteilen, deren durchschnittlicher Zuwachs nicht mehr als 1 % hinter der Dynamik der gesetzlichen Renten bzw. beamtenrechtlichen Anrechte zurückbleibt; aus diesem Grunde hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 7. Juli 2004 die Anwartschaften aus der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes des Bundes und der Länder auch mit Recht als im Leistungsstadium voll dynamisch bewertet (BGH FamRZ 2004, 1474 ff.). Die Erwägungen jener Entscheidung geltend uneingeschränkt auch hier.

Dieser Einschätzung, der 4. Familiensenat hätte bei Durchführung des Hauptrechtsmittels die Zusatzversorgung des Ehemannes als im Leistungsstadium voll dynamisch behandelt, steht der Vermerk des Berichterstatters des Familiensenats vom 16. Februar 2004 nicht entgegen. Zwar hat der Berichterstatter auf die frühere Rechtsprechung und Kommentarliteratur verwiesen, wonach die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes insgesamt als statisch zu beurteilen sei. Der Familiensenat hat sich diesem Hinweis aber nicht angeschlossen, sondern mit Beschluss vom 10. März 2004 Prozesskostenhilfe bewilligt und damit zugleich die Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels bejaht. Dies begründet die Einschätzung, der 4. Familiensenat hätte entweder sogleich nach fristgemäßem Wiedereinsetzungsantrag nebst Einlegung einer Beschwerde gegen die Versorgungsausgleichsentscheidung des Amtsgerichts selbst zutreffend in der Sache entschieden und den Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung des Zuschlags von 65 % aus Anmerkung 2. zu Tabelle 1 der Barwertverordnung berechnet oder aber der Senat hätte die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Juli 2004 abgewartet und sodann entsprechend entschieden.

Aber selbst dann, wenn der 4. Familiensenat dem Hinweis des Berichterstatters vom 16. Februar 2004 entsprechend das (beabsichtigte) Rechtsmittel zurückgewiesen hätte, wäre das Rechtsmittel gleichwohl im Ergebnis erfolgreich gewesen. Denn in diesem Falle hätte der 4. Familiensenat wegen der Abweichung von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (so dem Beschluss des OLG Zweibrücken vom 9. Oktober 2003, FamRZ 2004, 380) die Rechtsbeschwerde zugelassen, über die der Bundesgerichtshof sodann entsprechend seiner Entscheidung vom 7. Juli 2004 entschieden hätte. Dabei spielen Mutmaßungen der Beklagten zu der Zulassungspraxis dieses Familiensenats keine Rolle. Entscheidend ist vor allem, wie das damals befasste Gericht aus der Sicht des erkennenden Senats als das Regressgericht hätte nach Recht und Gesetz verfahren müssen (vgl. BGH NJW 2001, 146).

4.

Der Versorgungsausgleich wäre bei zutreffender Entscheidung sodann wie folgt zu berechnen gewesen:

A.

Anwartschaften des Ehemannes:

1. Gesetzliche Rentenversicherung BfA 1.170,62 ¤.

2. Rheinische Zusatzversorgungskasse Köln:

Monatsrente 498,89 ¤ x 12 = Jahresrente 5.986,68 ¤ x Barwertfaktor 5,4 x Zuschlag 1,65 (gemäß Tabelle 1 der Barwertverordnung) = 53.341,32 ¤ Barwert x 0,0001835894 Umrechnungsfaktor = 9,7929 Entgeltpunkte x 25,86 ¤ aktueller Rentenwert bei Ehezeitende = 253,24 ¤.

Dies ergibt folgende Übersicht:

Splittingfähig 1.170,62 ¤

Quasi-Splitting nach § 1 Abs. 3 VAHRG 253,24 ¤

Anwartschaften des Ehemannes insgesamt 1.423,86 ¤.

B.

Anwartschaften der Klägerin:

Gesetzliche Rentenversicherung 307,20 ¤.

Die nach § 1587 a Abs. 1 BGB zu berechnende Ausgleichspflicht des Ehemannes zugunsten der Klägerin beliefe sich mithin auf insgesamt:

(1.423,86 ¤ - 307,20 ¤) : 2 = 558,33 ¤.

Hiervon sind im Wege des Splittings 431,71 ¤ und im Wege des analogen Quasi-Splittings 126,62 ¤ auszugleichen. Auf die zutreffende Berechnung der Antragsschrift der Klägerin vom 20. Januar 2004 wird verwiesen (Bl. 64 f. des Beiheftes VA). Dies übersteigt die in der Entscheidung des Amtsgerichts Krefeld vom 22. Dezember 2003 errechnete Ausgleichspflicht des Ehemannes deutlich.

5.

a)

Infolge der zu gering bemessenen Begründung von Rentenanwartschaften im Wege des analogen Quasi-Splittings ist der Klägerin bereits jetzt ein Schaden entstanden. Zwar werden sich fühlbare Auswirkungen für sie erst ergeben, sobald der Versorgungsfall eintritt. Der zur Feststellung eines Schadens notwendige Gesamtvermögensvergleich zeigt aber, dass sie ohne das schadensstiftende Ereignis aus eigenem Recht eine bessere Vermögensposition innehätte als es jetzt der Fall ist, da ihr dann gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung eine höhere Rentenanwartschaft zustünde (vgl. BGH FamRZ 1998 S. 89 ff.).

b)

Trotzdem steht der Klägerin - mit der Folge der Abweisung ihres Hauptantrags - vor Eintritt des Versorgungsfalls kein Zahlungsanspruch gegen die Beklagten zu. Denn die Klägerin kann von den Beklagten nach §§ 280 Abs. 1, 249 BGB nur verlangen, so gestellt zu werden, als hätten die Beklagten ihren Anwaltspflichten ordnungsgemäß genügt. In diesem Falle hätte die Klägerin aber lediglich höhere Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erlangt, aber keinen Barbetrag.

c)

Aber auch soweit man den Hauptantrag der Berufung dahin verstehen wollte, die Beklagten müssten der Klägerin oder der Deutschen Rentenversicherung Bund (früher: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) den Geldbetrag zahlen, der erforderlich ist, um entsprechend obiger Berechnung weitere Rentenanwartschaften zu begründen, ist diesem Antrag der Erfolg zu versagen. Denn die Vorschriften des 6. Buches des SGB kennen eine solche Begründung von Anwartschaften nicht. In § 187 Abs. 1 SGB VI werden die Fälle, in denen im Rahmen des Versorgungsausgleichs Beiträge gezahlt werden können, abschließend aufgeführt. Danach können aufgrund einer Entscheidung des Familiengerichts oder aufgrund einer vom Familiengericht genehmigten Vereinbarung Rentenanwartschaften durch Beitragszahlung begründet werden (§ 187 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Es ist jedoch nicht vorgesehen, Beiträge, die aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes geschuldet wären, mit der rentenrechtlichen Wirkung einzuzahlen, wie sie Beitragszahlungen nach § 187 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI zukommt (vgl. im Einzelnen: BGH FamRZ 1998 S. 89 ff. a.E.).

Die Klägerin ist deswegen auf das hilfsweise erhobene Feststellungsbegehren beschränkt.

6.

Unzutreffend ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung allerdings davon ausgegangen, die Klägerin könne im Wege des Abänderungsverfahrens nach § 10 a VAHRG den bereits eingetretenen Schaden beheben. Denn jedenfalls derzeit ist die Wesentlichkeitsgrenze, die in § 10 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, S. 2 VAHRG mit mindestens 10 % des Wertes der durch die abzuändernde Entscheidung insgesamt übertragenen oder begründeten Anrechte gezogen ist, nicht erreicht. Das Amtsgericht Krefeld hat in seiner Versorgungsausgleichsentscheidung vom 22. Dezember 2003 Anwartschaften zugunsten der Klägerin übertragen und begründet wie folgt (in Entgeltpunkten = EP):

Splitting 16,6941 EP

Quasi-Splitting 2,9675 EP

Entgeltpunkte insgesamt 19,6616 EP.

Die oben errechnete Übertragung und Begründung von Anrechten in Höhe von insgesamt 558,33 ¤ bei einem Rentenwert von 25,86 ¤ zum Zeitpunkt des Ehezeitendes entspricht 21,5905 Entgeltpunkten.

Die Differenz der tatsächlich vom Amtsgericht übertragenen/begründeten Anwartschaften zu den Anwartschaften, die bei richtiger Berechnung übertragen oder begründet hätten werden müssen, beläuft sich auf:

21,5905 : 19,6616 = 109,81.

Diese Differenz von 9,81 % unterschreitet die Wesentlichkeitsgrenze für das Abänderungsverfahren. Bei Gegenüberstellung der Anwartschaftsbeträge errechnet sich nichts anderes: Der oben mit 558,33 ¤ errechnete Betrag übersteigt die vom Amtsgericht mit insgesamt 508,45 ¤ übertragenen und begründeten Anrechte um 9,81%.

Abzustellen ist für diese Vergleichsberechnung nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes - entgegen der von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung - nicht etwa nur auf die Anrechte der Zusatzversorgung, sondern auf die "insgesamt übertragenen oder begründeten Anrechte". Der Wert der Anrechte, die durch die frühere Entscheidung insgesamt übertragen oder begründet worden sind, ist mit dem Wert der Anrechte zu vergleichen, die nach der Neuberechnung dem Berechtigten insgesamt zu übertragen oder für ihn zu begründen sind (vgl. Palandt/Brudermüller, 65. Aufl., VAHRG § 10 a Rn. 14).

Die Alternative des § 10 a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VAHRG liegt ersichtlich nicht vor.

Ob durch spätere Entwicklungen die Wesentlichkeitsgrenze in Zukunft einmal überschritten sein wird, lässt sich derzeit nicht feststellen. Der Einwand der Beklagten aus § 254 BGB ist deswegen zur Zeit nicht begründet.

7.

Die Klägerin ist schließlich auch nicht auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu verweisen (vgl. OLG Celle FamRZ 1993, 1328). Zum einen liegen dessen Voraussetzungen nicht vor, da sämtliche Anrechte im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs ausgeglichen werden konnten und auch die sonstigen Tatbestandsalternativen des § 1587 f BGB ersichtlich nicht erfüllt sind. Zum anderen ist der Hinweis auf eine - wenn überhaupt - ohnehin erst in der Zukunft gegebene Möglichkeit der Schadensminderung kein schon derzeit nach § 254 BGB zu berücksichtigender Einwand.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.

RechtsgebieteBGB, VAHRG, ZPOVorschriftenBGB § 280 BGB § 675 BGB § 1587a Abs. 1 VAHRG § 10a ZPO § 233 ZPO § 234

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