Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

29.08.2006 · IWW-Abrufnummer 062296

Amtsgericht Nürnberg: Urteil vom 30.03.2006 – 20 C 9688/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Amtsgericht Nürnberg 20 C 9688/05
Verkündet am 30.3.2006

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Schadenersatz

erläßt das Amtsgericht Nürnberg durch Richter XXX aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.2.2006 folgendes

ENDURTEIL

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 993,75 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.5.2005 zu bezahlen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluß:

Der Streitwert wird festgesetzt auf 993,75 EUR.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Ersatzfähigkeit restlicher Mietwagenkosten wegen eines Unfall vom 31.3.2005.

In der Zeit vom 4 .4. bis 7.4.2005 mietete der Kläger bei der Firma XXX ein Ersatzfahrzeug an. Dies erfolgte zu dem von der Firma XXX allein verwendeten Tarif. Dafür wurde ihm ein Gesamtpreis von 1.127,52 EUR in Rechnung gestellt. Im übrigen wird auf die Schadensaufstellung (BI. 4 d.A.) Bezug genommen. Auf diesen Betrag zahlte die Beklagte lediglich 87,00 EUR.

Der Kläger trägt vor, dass ihm der. eingeklagte Betrag auch trotz der jüngsten Rechtsprechung des BGG zustehe. Ihm könne nicht zur Last fallen, dass die in der Werkstatt für die Reparatur vorgesehene Stoßstange erst beim Auspacken als beschädigt erkannt worden sei, so dass sich die Reparatur hingezogen habe.

Der Kläger beantragt:

Die Beklagte hat an den Kläger 993,75 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basisdiskontsatz seit 30.5.2005 zu bezahlen.

Die Beklagte. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass der vorgelegten Rechnung keine entsprechende Mietvereinbarung zugrunde liege. Auch sei die Mietwagenrechnung noch nicht vollständig bezahlt worden, so dass lediglich ein Freistellungsanspruch bestehe. Die Beklagte ist im übrigen der Meinung, der Kläger habe ausgehend von der jüngsten Rechtsprechung des BGH nicht ausreichend zur Erforderlichkeit der Anmietung vorgetragen, so dass seine Klage bereits unschlüssig sei. Insbesondere. fehlten Ausführungen zur betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit und zur Zugänglichkeit etwaig anderer Tarife. Desweiteren sei die Eigenersparnis mit 15 % anzusetzen und Zustell- und Abholkosten nicht ersatzfähig. Schließlich habe der Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, weil er dafür hätte Sorge tragen müssen, dass sein Fahrzeug innerhalb eines einzigen Tages vollständig hätte repariert werden können. So sei die vom Kläger eingeschaltete Werkstatt auch verpflichtet gewesen, die von ihr verwendeten Ersatzteile auf ihre Schadlosigkeit hin zu überprüfen.

Im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Gläubiger wegen Beschädigung einer Sache statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dazu zählen im vorliegenden Fall die Mietwagenkosten in voller Höhe.

a) Nach ständiger Rechtsprechung sind im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nur die Aufwendungen zur Herstellung erforderlich, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (vgl. z.B. BGH, NJW 2005, 52 f.; NJW 1996, 1958). Das Gebot zur wirtschaftlich vernünftigen Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte; denn das Grundanliegen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (vgl. z.B. BGH, NJW2005, 1108). Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, das heißt Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH, NJW 2006, 361). Folglich braucht sich der Geschädigte auch bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges nur auf den ihm in seiner Lage ohne weiteres offen stehenden Markt zu begeben (BGH, NJW 1996, 1958) .

Dementsprechend entspricht es der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass der Geschädigte ein Fahrzeug grundsätzlich nach dem Unfallersatztarif anmieten darf (BGH, NJW 1996, 1959; NJW 2005, 53). Nur dann, wenn für den Geschädigten ohne weiteres erkennbar ist, dass das von ihm ausgewählte Unternehmen Mietwagensätze verlangt, die außerhalb des üblichen liegen, darf er einen Mietvertrag zu solchen Bedingungen nicht auf Kosten des Schädigers abschließen. Denn die Marktgepflogenheiten der Vermieterbranche dürfen im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigten nicht zu Lasten des Letzteren gehen (BGH, NJW 1996, 1959). Insbesondere ist der Geschädigte - wie hier der Kläger - bei einer Anmietzeit von weniger als einer Woche nicht zu einer Marktforschung verpflichtet (vgl. BGH, a. a. 0.).

b) An dieser Rechtsprechung hält das erkennende Gericht trotz der jüngsten Rechtsprechung des BGH (z.B. NJW 2005, 51 ff.; 135 ff.; 1041 ff.; 1933 ff.) fest. Denn diese kann weder aus dogmatischen noch aus praktischen Gründen überzeugen.

Dies gilt einerseits für die Frage der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit. Wenn der BGH nach der der ständigen Rechtsprechung entsprechenden Definition der Erforderlichkeit sofort im Anschluss daran ausführt, dass der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten ist, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen und der Geschädigte allein durch die Anmietung zum Unfallersatztarif nicht gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung verstößt, werden die in § 249 Abs. 2 Satz 1 angesiedelte Erforderlichkeit und der in § 254 BGB niedergelegte Grundsatz der Schadensminderungspflicht erkennbar vermischt. Auch passen diese Ausführungen nicht zur ? wie bereits ausgeführten - ständigen Rechtsprechung, dass bei der Prüfung der Erforderlichkeit lediglich eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist. Denn für den Geschädigten ist im Zeitpunkt der Anmietung eine Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung der ihm angebotenen Tarife schlechterdings unmöglich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Geschädigte regelmäßig nicht über das Sonderwissen verfügt, auf das Juristen aufgrund der zahlreichen Mietwagenprozesse zurückgreifen können, sondern vielmehr davon ausgeht, beim Unfallersatztarif handele es sich um einen maßgeschneiderten Tarif im Falle eines Unfalls.

Im übrigen gibt der BGH in seiner Entscheidung vom 19.4.2005 zu erkennen, dass er an seiner früheren Rechtsauffassung deswegen nicht festhält, weil im Jahr 1996 den unfallgeschädigten Verkehrsteilnehmern von Mietwagenunternehmen allein der Unfallersatztarif angeboten wurde, dies jedoch heutzutage nicht mehr so sei. Im Gegensatz zur Auffassung des BGH haben sich die Marktgepflogenheiten der Mietwagenunternehmer im Großraum XXX nicht geändert; einerseits ist dem Gericht aus eigenen Nachforschungen bekannt, dass einem Geschädigten, sobald er das Wort "Unfall" lediglich in den Mund nimmt, ausschließlich der Unfallersatztarif angeboten wird. Dies wird auch bestätigt durch das klägerseits vorgelegte Schreiben der XXX Autovermietung vom 15.12.2004, das betätigt, dass selbst die großen Autovermieter in einer Unallersatzangelegenheit den Unfallersatztarif berechnen. Andererseits belegt gerade die von der Beklagten vorgelegte Vermietpreisübersicht für Nürnberg aus dem Jahr 2005, dass sich die damaligen Marktgepflogenheiten gerade nicht geändert haben.

Damit steht auch fest, dass dem Kläger andere Tarife nicht zugänglich waren. Insbesondere wurde dem Kläger lediglich der von der Firma XXX einzig verwendete Tarif angeboten. Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass auch nach den Entscheidungen des BGH nicht allein darauf abzustellen ist, ob irgend ein günstigerer Tarif überhaupt existiert, sondern auch darauf, dass der Kläger in seinem konkreten Schadensfall ein Fahrzeug zu diesem Tarif hätte anmieten können. Hier macht demgegenüber die Beklagte selbst umfangreiche Ausführungen dazu, dass zumindest im streitgegenständlichen Zeitraum im Hinblick auf ein einheitliches Preisgestaltungsverfahren der Mietwagenunternehmer für einen Unfallgeschädigten kaum die Möglichkeit bestand, einen günstigeren Tarif zu erhalten (vgl. OLG Nürnberg, Az. 2 U 2242/04) .

2. Der Anspruch des Klägers richtet sich auch auf Zahlung der Mietwagenkosten und nicht lediglich auf Freistellung gegenüber der Firma XXX. Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Beschädigte bei Beschädigung einer Sache statt der Herstellung in Natur (das heißt Reparatur durch den Schädiger) den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Geschädigte kann damit die für die Herstellung erforderlichen Kosten verlangen, ohne nachweisen zu müssen, daß er sie tatsächlich für die Wiederherstellung der Sache verwendet bzw. verwendet hat, mithin. auch dann, wenn er tatsächlich noch keine Reparaturrechnung bezahlt hat oder auch keine Reparatur vornehmen läßt (Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Auflage, § 249 Rn. 6) . Zum Herstellungsaufwand im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zählen auch die Kosten für die Miete einer Ersatzsache während der Reparaturzeit (BGH, NJW 1996, 1958).

3. Nicht behelflich ist weiter der Einwand der Beklagten, der vorgelegten Mietwagenrechnung liege keine entsprechende Vereinbarung zugrunde. Denn ausweislich des vorgelegten Vertragsformulars kam eine solche Vereinbarung zustande.

4. Desweiteren ist ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen nur in Höhe von 3 % vorzunehmen (vgl. OLG Nürnberg, MDR 2000, 1245). Auch kann der Kläger die Kosten für das Zustellen und Abholen des Mietfahrzeugs ersetzt verlangen; denn der Kläger war gemäß § 249 BGB so zu stellen wie vor dem Unfallereignis. Dementsprechend hatte er einen Anspruch, dass ihm das Mietfahrzeug auf die geschehene Art und Weise zur Verfügung gestellt. bzw. abgeholt wurde.

5. Darüber hinaus ist dem Kläger keine Verletzung seiner ihn treffenden Schadensminderungspflicht vorzuwerfen. Immerhin hatte er sein Fahrzeug in eine Werkstatt verbracht, die eine Stoßstange vorrätig hatte. Dass beim Auspacken Beschädigungen an eben dieser Stoßstange festgestellt wurden, kann dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen.
Würde man dem Beklagtenvortrag folgen, müßte sich ein Geschädigter nämlich bei Ablieferung seines Fahrzeugs in der Werkstatt davon überzeugen, dass alle vorrätigen Teile auch unbeschädigt sind. Im übrigen bleibt festzuhalten, dass die vom Kläger beauftragte Reparaturwerkstatt nicht dessen Erfüllungsgehilfe war (vgl. Palandt-Heinrichs a.a.O., § 254 Rn. 56). Ebenso unbehelflich ist der Hinweis auf § 377 HGB, der lediglich eine Rügepflicht der Werkstatt gegenüber dem Verkäufer der Stoßstange normiert; dass gegen diese Rügepflicht überhaupt verstoßen wurde, wurde beklagtenseits jedoch nicht einmal vorgetragen, schließlich muß nicht jedes Einzelstück untersucht werden.

II.

Kosten: § 91 ZPO.

III.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Vorschriften§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr