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16.04.2004 · IWW-Abrufnummer 041019

Oberlandesgericht Hamburg: Beschluss vom 10.03.2004 – 11 W 4/03

Der Architekt kann sich auf die Nichtigkeit einer unterhalb der Mindestsätze der HOAI getroffenen mündlichen Honorarvereinbarung nach Treu und Glauben nur dann nicht berufen, wenn eine Mehrzahlung für den Bauherrn "schlechthin untragbar" ist.


Der Kläger begehrt mit seiner nach §§ 12 Abs. 2, 567, 569 ZPO zulässigen Beschwerde Prozesskostenhilfe für die Verfolgung seines Antrages in der geänderten Fassung vom 4. April 2002. Insoweit ist die Beschwerde begründet; denn die Klage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO.

1. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass die zwischen den Parteien unstreitig nur mündliche getroffene Honorarvereinbarung wegen Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis des § 4 Abs. 2 HOAI i.V.m. § 125 BGB nichtig ist.

Der Senat mag der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht in der Annahme zu folgen, dass es dem Kläger unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) versagt sei, sich auf die Formnichtigkeit der Honorarvereinbarung und die in § 4 Abs. 4 HOAI getroffene Regelung zu berufen, nach der im Falle des Fehlens einer schriftlich getroffenen Honorarvereinbarung die jeweiligen Mindestsätze als vereinbart gelten. Das Gegenteil ist der Fall.

a) Nach den bereits vom Landgericht zitierten Stimmen in Literatur und Rechtsprechung (BGHZ 136, 1 = NJW 1997, 2329, fortgeführt in BGH NJW-RR 2000, 1333; OLG Hamm, NJW-RR 1990, 522: Werner / Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl. 2002, Rz 721; Korbion /Mantscheff/Vygen, HOAI. 6. Aufl. 2004, Rz 22 m.w.N.), denen der Senat folgt, verhält sich der Architekt widersprüchlich, wenn er einerseits mit seinem Bauherrn ein Honorar vereinbart, das die Mindestsätze der HOAI in unzulässiger Weise unterschreitet, andererseits später jedoch nach den Mindestsätzen abrechnen will. Diesem widersprüchlichen Verhalten des Architekten steht ein Geltendmachen der Mindestsätze nur unter dem Gesichtspunkt unzulässiger Rechtsausübung jedoch nur entgegen, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut, wenn er darauf vertrauen durfte und wenn er sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann. Mit Recht weisen Korbion/MantscheffVygen a.a.O. darauf hin, dass der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung mit Rücksicht auf den klaren Wortlaut von § HOAI und den mit dieser Vorschrift verfolgten Zweck (frühe und eindeutige Festlegung des Honorars und Schutz beider Vertragsparteien) nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen zulässig sei. Ein solcher Fall sei nicht schon dann anzunehmen, wenn die Folgen für die betroffene Vertragspartei (hier: die Beklagte) nur hat sei. Vielmehr müsse gefordert werden, dass die Folgen schlechthin untragbar seien (vgl. in diesem Sinne auch Palandt/Heinrichs, 62. Aufl. 2003, Rdnr. 16 zu § 125 BGB m.w.N.).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kann nicht von dem Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles ausgegangen werden. Zweifelhaft ist bereits, ob die Beklagte in dem erforderlichen Maße auf den Bestand der ursprünglichen Vereinbarung vertrauen durfte und ob sie darauf tatsächlich vertraut hat. Immerhin hat der Kläger bereits in seinem Schreiben vom 01.0.1987 (Anl. B 1) im Zusammenhang mit dem hier nicht streitgegenständlichen Honorar für die Planung des Verwaltungsgebäudes auf das Erfordernis einer etwaigen Honoraranpassung bei steigenden Baukosten hingewiesen. Darauf hat er in seinem Schreiben vom 29.05.1990 (Anl. B 2), das Grundlage für die mündliche Auftragserteilung war, mit der Formulierung "Auf der Basis der bisherigen Honorarvereinbarung" Bezug genommen. Wie die spätere Entwicklung zeigt, hat die Beklagte derartige Honoraranpassungen auch mehrfach akzeptiert. Damit war ihr bewusst, dass es bei steigenden Baukosten keine feste und abschließend verhandelte Summe geben konnte. Der Anstieg der ursprünglich veranschlagten Baukosten von 2,7 Mio DM auf ca. 7 Mio DM war erheblich. Die mehrfachen Honoraranpassungen konnten die Beklagte daher nicht wirklich überraschen.

Das gilt auch angesichts der Tatsache, dass der Kläger sich in seinen Rechnungen (Anl. B 8.1 - B 8.9) mehrfach auf das "Gesamthonorar" in Höhe von 180.000,-- bzw. DM 185.000,-- als Bemessungsgrundlage für die von ihm geforderten Abschlagszahlungen bezog. Denn in dem Zeitraum, in dem jene Rechnungen erstellt wurden (Juni 1990 bis Oktober 1993), stand die Höhe der anrechenbaren Kosten noch keineswegs fest. Dem gemäß leistete die Beklagte mit der Zahlung von 268.004,02 DM freiwillig einen Betrag, der die Summe von 230.600,-- DM erheblich überschritt. Dass die Beklagte auch später noch mit weiteren Forderungen des Klägers rechnete, zeigt u.a. ihre Reaktion auf die "erste Schlussrechnung" des Klägers vom 07.12.1996 (Anl. B 6). Insoweit wird auf das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 20. Mai 1997 (Anl. K 9) verwiesen, in dem die Beklagte die Fälligkeit der Honorarrechnung vom 0.12.1996 unter Hinweis auf die fehlende Kostenermittlung nach DIN 26 bestreiten ließ.

Unter den gegebenen Umständen kann die Beklagte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, bei ihr handele es sich - im Gegensatz zu den Parteien der BGH-Entscheidung vom 22.05.1997 - nicht um einen "Immobilienprofi", der die Usancen der HOAI und die Eigenheiten des öffentlichen Preisbindungsrechts sehr genau kannte, gleichwohl von dem Regelwerk der HOAI abwich. Denn abgesehen davon, dass die Beklagte im Geschäfts- und Rechtsverkehr durchaus erfahren war, sind - unabhängig von dem jeweiligen Vertragstypus - die Mindest- und Höchstsätze der HOAI für die Höhe der Vergütung immer dann maßgeblich, wenn die vertraglich vereinbarte Leistung in den Leistungsbildern der HOAI beschrieben ist (BGH NJW-RR 2000, 1333). Das war hier der Fall.

Ungeachtet der vorstehend genannten Gesichtspunkte zur Vertrauensbildung bei der Beklagten kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte sich in schützenswerter Weise darauf eingerichtet hat, dass es bei den ursprünglich ins Auge gefassten Honorarsummen unterhalb der Mindestsätze der HOAI bleiben würde. Die reine Einstellung des Pauschalhonorars in die Finanzierung des Auftraggebers reicht nicht aus, um eine Bindung an das Pauschalhonorar zu begründen (vgl. Werner/Pastor, a.a.O. m.w.N.). Auch ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte sich nur mit Rücksicht auf die günstige, weil die Mindestsätze der HOAI unterschreitenden Honorarvereinbarung, zur Durchführung des gesamten Bauprojektes entschlossen hätte. Die in diesem Zusammenhang von dem Landgericht erwähnte Tatsache, dass der Kläger den Auftrag nur deshalb erhielt, weil er versicherte, bei seiner Beauftragung könne der übliche Generalunternehmerzuschlag von 15 % gespart werden, rechtfertigen nicht die Annahme, die Beklagte habe sich in schützenswerter Weise auf die mit dem Kläger mündlich getroffene Honorarvereinbarung eingerichtet.

2. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung steht der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen. Denn die zweijährige Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a.F. begann gemäß §§ 198, 201 BGB a.F. Ende 1996 zu laufen und wurde mit Einleitung des Mahnverfahrens am 28. Dezember 1998, also vor Ablauf der Frist, unterbrochen (§ 693 Abs. 2 ZPO). Entgegen der Ansicht der Beklagten kann für den Beginn der Verjährungsfrist nicht auf den Zeitpunkt der Abnahme des Architektenwerkes des Beklagten (Mai 1994) abgestellt werden. Denn gemäß § 198 BGB a.F. setzt der Verjährungsbeginn Fälligkeit voraus (BGHZ 53; 55; 341; 113, 193). Sie trag frühestens mit Übersendung der ersten Schlussrechnung vom 0.12.1996 (Anl. B 6), möglicherweise auch erst mit Übersendung der zweiten Schlussrechnung vom 1.12.1996 (Anl. K 5 = B 7) ein (§ 8 HOAI).

Den von dem Kläger in den Jahren 1990 bis1993 erstellten Rechnungen kann nicht etwa die Wirkung einer Schlussrechnung beigemessen werden. Denn sie wurden ausdrücklich von dem Kläger als Abschlagsrechnungen bezeichnet. Hinzu kommt, dass zum Zeitpunkt der letzten Abschlagsrechnung vom 26.10.1993 (Anl. 8.9) der Vergütungsanspruch des Klägers in seiner vollen Höhe noch nicht fällig i.S.v. § 8 Abs. 1 HOAI war. Es fehlte an der Fertigstellung des Werkes.

3. Die Entscheidung darüber, ob der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, bleibt dem Landgericht überlassen.

RechtsgebieteBGB, HOAIVorschriftenBGB §§ 125, 242; HOAI § 4 Abs. 2, 4

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