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16.03.2004 · IWW-Abrufnummer 040700

Bundesgerichtshof: Urteil vom 13.11.2003 – I ZR 187/01

a) Einer Verwertungsgesellschaft steht weder nach § 54g Abs. 2, § 54h Abs. 1 UrhG noch nach § 242 BGB ein Anspruch zu, gegen den Willen des Geschäftsinhabers die Geschäftsräume eines Kopierladens zu betreten und die bereitgehaltenen Fotokopiergeräte zu erfassen oder zu kontrollieren.



b) Der Anspruch nach § 809 BGB ist auf die Besichtigung konkreter Sachen oder Sachgesamtheiten gerichtet und begründet kein Durchsuchungsrecht an Geschäftsräumen des Schuldners.



c) Bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit einer Auskunft nach § 54g Abs. 2, § 54h Abs. 1 UrhG, kann die Verwertungsgesellschaft in entsprechender Anwendung des § 54g Abs. 1 Satz 3, § 26 Abs. 6 UrhG verlangen, daß nach Wahl des Auskunftspflichtigen ihm oder einem von ihr zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer Einsicht in die Geschäftsbücher oder sonstigen Urkunden gewährt wird.


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

I ZR 187/01

Verkündet am:
13. November 2003

Kontrollbesuch

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Starck, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juni 2001 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, die Verwertungsgesellschaft WORT, nimmt die urheberrechtlichen Befugnisse der ihr angeschlossenen Wortautoren und ihrer Verleger wahr.

Die Beklagte betreibt in ihrem Geschäftslokal Geräte für die Fertigung von Fotokopien, die sie gegen Entgelt herstellt.

Am 25. Oktober 1999 verwehrte die Beklagte einem Außendienstmitarbeiter der Klägerin bei einem Kontrollbesuch die Erfassung der bereitgehaltenen Kopiergeräte.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben darauf angewiesen, die Kopiergeräte nach Anzahl und Typ zu erfassen, die ein Betreiber zur Fertigung von Kopien gegen Entgelt bereithalte. Die an sie zu zahlende Abgabe richte sich nach Gerätezahl und -typ.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Mitarbeiter der Klägerin oder für die Klägerin tätige Beauftragte daran zu hindern, in den Geschäftsräumen der Beklagten die Anzahl und Typenbezeichnung der von der Beklagten für die Herstellung von Vervielfältigungen gegen Entgelt bereitgehaltenen Fotokopiergeräte zu erfassen und zu kontrollieren.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie steht auf dem Standpunkt, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet zu sein, die von der Klägerin begehrten Erfassungs- und Kontrollmaßnahmen in ihren Geschäftsräumen zu dulden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen.

Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch auf Duldung der beabsichtigten Kontrollbesuche verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Beklagte sei zwar zur Zahlung einer Vergütung nach § 54a Abs. 2 UrhG verpflichtet. Sie sei Betreiberin einer Einrichtung, in der Geräte für die Herstellung von Ablichtungen entgeltlich bereitgehalten würden. Davon sei selbst dann auszugehen, wenn die Beklagte, wie sie geltend gemacht habe, ihren Kunden die Kopien liefere und nicht nur gegen Bezahlung die Herstellung von Kopien ermögliche. Die Beklagte sei von ihrer Vergütungspflicht auch nicht bereits durch Zahlung ihrer über den Kaufpreis finanzierten Geräteabgabe frei geworden. Dementsprechend sei die Beklagte nach § 54g Abs. 2 UrhG zur Erteilung derjenigen Auskünfte verpflichtet, die für die Bemessung der geschuldeten Betreibervergütung erforderlich seien. Dazu gehörten die Zahl und Bezeichnung der eingesetzten Kopiergeräte. Die Klägerin berechne die Betreibervergütung zulässigerweise nach der Zahl der Geräte und gestaffelt nach Geschwindigkeitsklassen. Der Auskunftsanspruch beinhalte jedoch keine Duldung der beabsichtigten Kontrollbesuche. Auch als Nebenpflicht lasse sich ein derartiger Anspruch nicht aus § 54g Abs. 2 UrhG ableiten. Ein von dem Auskunftsanspruch unabhängiger Duldungsanspruch bestehe ebenfalls nicht. Er folge nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, weil die Klägerin nicht versucht habe, den von der Beklagten bislang nicht erfüllten Auskunftsanspruch gerichtlich durchzusetzen, sondern sich ausschließlich auf die Durchführung von Kontrollbesuchen konzentriert habe.

Die Pflicht zur Duldung von Kontrollbesuchen ergebe sich schließlich auch nicht aus § 54g Abs. 3 UrhG. Auch wenn durch den in dieser Vorschrift vorgesehenen doppelten Vergütungssatz ein Ausgleich für erhöhte Verwaltungskosten geschaffen werden sollte, die durch die Unterhaltung eines möglicherweise aufwendigen Kontrollapparats von Verwertungsgesellschaften entstünden, rechtfertige dies nicht die Annahme, die Klägerin sei zur Durchführung von Kontrollbesuchen unabhängig von einer Durchsetzung des Auskunftsanspruchs berechtigt.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Revisionsangriffe haben keinen Erfolg. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Duldung der Erfassung und Kontrolle von bereitgehaltenen Fotokopiergeräten der Beklagten zu.

1. Die Klägerin kann keinen Anspruch auf Duldung der von ihr beabsichtigten Erfassungs- und Kontrollmaßnahmen aus § 54g Abs. 2 und Abs. 3 UrhG herleiten.

Nach § 54g Abs. 2, § 54h Abs. 1 UrhG kann zur Vorbereitung eines Vergütungsanspruchs von dem Betreiber eines Geräts in einer Einrichtung i.S. von § 54a Abs. 2 Satz 1 UrhG die für die Bemessung der Vergütung erforderliche Auskunft verlangt werden. Zum Inhalt der zu erteilenden Auskunft gehören Angaben über Anzahl, Art und Typ der in den Einrichtungen aufgestellten Geräte, deren Standort sowie die Gesamtzahl der angefertigten Kopien (vgl. BGHZ 135, 1, 7 - Betreibervergütung, m.w.N.).

Eine Pflicht zur Duldung der beantragten Maßnahmen ist dem Auskunftsanspruch nach § 54g Abs. 2 UrhG dagegen nicht zu entnehmen. Diese folgt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht mittelbar aus der Vorschrift des § 54g Abs. 3 UrhG, wonach derjenige, der seiner Auskunftspflicht nicht, nur unvollständig oder sonst unrichtig nachkommt, auf Zahlung der doppelten Vergütung in Anspruch genommen werden kann. Die Pflicht zur Zahlung des doppelten Vergütungssatzes ist durch die aufgrund des Gesetzes zur Stärkung des Schutzes geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie vom 7. März 1990 (BGBl. I 422) eingeführte Vorschrift des § 54 Abs. 5 Satz 3 UrhG gesetzlich geregelt worden und durch das Gesetz zur Änderung des Patentgebührengesetzes und anderer Gesetze vom 25. Juli 1994 (BGBl. I 1739) nunmehr in § 54g Abs. 3 UrhG enthalten. Durch den Anspruch auf das doppelte Entgelt sollen die erhöhten Verwaltungskosten ausgeglichen werden, die der Verwertungsgesellschaft entstehen, wenn sie wegen unwilliger oder säumiger Schuldner einen aufwendigen Kontrollapparat unterhalten muß (vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Produktpiraterie, BT-Drucks. 11/7544, S. 35).

Die Existenz eines Kontrollapparats der Verwertungsgesellschaften, den der Gesetzgeber bei der gesetzlichen Regelung des doppelten Vergütungssatzes voraussetzte, läßt jedoch keinen Rückschluß darauf zu, daß den Verwertungsgesellschaften über allgemeine Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen hinaus, die im Streitfall geltend gemachten Erfassungs- und Kontrollbefugnisse zustehen, gegen den Willen des Geschäftsinhabers dessen Geschäftsräume auf Anzahl und Typenbezeichnung der Kopiergeräte zu überprüfen.

2. Einen Anspruch auf Duldung der von ihr beanspruchten Erfassungs- und Kontrollmaßnahmen kann die Klägerin auch nicht als Nebenpflicht zu dem gesetzlichen Zahlungsanspruch nach § 54a Abs. 2, § 54d UrhG aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB ableiten. Sie kann sich die notwendigen Informationen aufgrund der ihr zustehenden gesetzlich geregelten Ansprüche und deren Vollstreckung verschaffen. Eines Rückgriffs auf die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB zur Statuierung weiterer Pflichten der Beklagten in dem im Streitfall geltend gemachten Umfang bedarf es dagegen nicht.

a) Nach § 54g Abs. 2, § 54h Abs. 1 UrhG steht der Klägerin ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zu. Bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erteilten Auskunft, kann die Verwertungsgesellschaft in entsprechender Anwendung des § 54g Abs. 1 Satz 3 UrhG nach § 26 Abs. 6 UrhG verlangen, daß nach Wahl des Auskunftspflichtigen ihm oder einem von ihr zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer Einsicht in die Geschäftsbücher oder sonstigen Urkunden so weit gewährt wird, wie dies zur Feststellung der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Auskunft erforderlich ist. Der Auskunftsanspruch nach § 54g UrhG soll den Urhebern die Verwirklichung der Vergütungsansprüche nach §§ 54, 54a UrhG ermöglichen. Während der Auskunftsanspruch nach § 54g Abs. 1 UrhG die Erhebung der Gerätevergütung nach § 54 Abs. 1, § 54a Abs. 1 UrhG sichern soll, dient der Auskunftsanspruch nach § 54g Abs. 2 UrhG der Geltendmachung der Betreibervergütung nach § 54a Abs. 2 UrhG. Die Interessenlage des Gläubigers eines Auskunftsanspruchs nach § 54g Abs. 2 UrhG ist derjenigen des Auskunftsberechtigten nach § 54g Abs. 1 UrhG vergleichbar. Unterschiede zwischen den Vergütungsansprüchen und den ihrer Durchsetzung dienenden Auskunftsansprüchen, die nur bei dem Anspruch nach § 54g Abs. 1 UrhG die Begründung der Rechte nach § 26 Abs. 6 UrhG rechtfertigen, nicht aber bei der Auskunftsverpflichtung nach § 54g Abs. 2 UrhG, bestehen nicht.

b) Schließlich kann die Klägerin die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung von der Beklagten beanspruchen, wenn Grund zu der Annahme besteht, der Verpflichtete habe die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt (§ 259 Abs. 2 BGB).

3. Ohne Erfolg beruft sich die Revision zur Begründung eines Duldungsanspruchs der Klägerin auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zulassung sogenannter Testkäufe.

Mit der Eröffnung eines Geschäfts für den allgemeinen Publikumsverkehr bringt der Inhaber des Hausrechts zum Ausdruck, daß er an jeden Kunden Waren verkaufen oder Dienstleistungen erbringen will. Er gestattet damit grundsätzlich und ohne Prüfung im Einzelfall allen Kunden den Zutritt zu den Geschäftsräumen, die sich im Rahmen üblichen Käuferverhaltens benehmen. Danach ist der Anbieter von Waren oder Dienstleistungen verpflichtet, Testkäufe oder die testweise Inanspruchnahme von Dienstleistungen zu dulden, sofern die den Test durchführenden Personen sich wie normale Nachfrager verhalten. Üblichem Käuferverhalten einer Testperson kann der Kaufmann nicht entgegentreten (vgl. BGH, Urt. v. 18.5.1966 - Ib ZR 60/64, GRUR 1966, 564, 565 = WRP 1966, 312 - Hausverbot I; Urt. v. 13.7.1979 - I ZR 138/77, GRUR 1979, 859, 860 = WRP 1979, 784 - Hausverbot II; Urt. v. 26.6.1981 - I ZR 71/79, GRUR 1981, 827, 828 = WRP 1981, 636 - Vertragswidriger Testkauf). Die Erfassung und Kontrolle von Kopiergeräten entspricht jedoch nicht üblichem Kundenverhalten in einem Kopierladen. Die Beklagte braucht sie daher auch nicht hinzunehmen.

4. Die Klägerin kann die Duldung der begehrten Erfassungs- und Kontrollmaßnahmen auch nicht aus dem Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB herleiten.

a) Nach der Vorschrift des § 809 BGB kann derjenige, der gegen den Besitzer einer Sache einen Anspruch in Ansehung der Sache hat oder sich Gewißheit verschaffen will, ob ihm ein solcher Anspruch zusteht, wenn die Besichtigung der Sache aus diesem Grunde für ihn von Interesse ist, verlangen, daß der Besitzer ihm die Sache zur Besichtigung vorlegt oder die Besichtigung gestattet. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß der Anspruch auch dem Urheber oder dem aus dem Urheberrecht Berechtigten zustehen kann (vgl. BGHZ 150, 377, 382 - Faxkarte). Soweit die urheberrechtlichen Ansprüche durch eine Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden (§ 54h Abs. 1 UrhG), kann diese die Rechte aus § 809 BGB geltend machen.

b) Der Anspruch ist jedoch auf die Besichtigung einer Sache oder einer Gesamtheit konkreter Sachen gerichtet (vgl. BGHZ 93, 191, 199 - Druckbalken; 150, 377, 382 - Faxkarte). Aus § 809 BGB läßt sich kein Nachforschungs- und Durchsuchungsanspruch ableiten, in dem Geschäftsbereich des Schuldners allgemeine Besichtigungs- und Kontrollrechte auszuüben. Denn der durch die Vorschrift begründete Anspruch setzt voraus, daß der Beklagte Besitzer der zu besichtigenden Sache ist (vgl. Staudinger/Marburger, BGB, 2002, § 809 Rdn. 12; MünchKomm.BGB/Hüffer, 4. Aufl., § 809 Rdn. 7 und 16; Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 809 Rdn. 7). Der Anspruch zielt daher nicht auf Ermittlungs- und Kontrollmaßnahmen, mit denen der Kläger erst ermitteln will, ob der Beklagte im Besitz derjenigen Sache ist, in Ansehung deren er einen Anspruch hat oder sich Gewißheit hierüber verschaffen will. Ein derartiges umfassendes Ausforschungsrecht gibt die Vorschrift des § 809 BGB nicht her. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Beklagte in den Geschäftsräumen unstreitig Kopiergeräte zur Fertigung von Ablichtungen betreibt. Über deren Anzahl und Typ kann sich die Klägerin durch ihre Ansprüche auf Auskunftserteilung, Einsicht in die Geschäftsbücher und gegebenenfalls Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (vgl. Abschnitt II 2 a und b), nicht aber aufgrund einer Durchsuchung der Geschäftsräume der Beklagten Gewißheit verschaffen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

RechtsgebieteUrhG, BGBVorschriftenUrhG § 26 Abs. 6 UrhG § 54g Abs. 1 Satz 3 UrhG § 54g Abs. 2 UrhG § 54g Abs. 3 BGB § 809

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