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26.02.2004 · IWW-Abrufnummer 040502

Prozessrecht aktiv 03/2004

Verhalten des Verteidigers, insbesondere in der Hauptverhandlung





FrageAntwort
1. Wann kann das Beweisverwertungsverbot geltend gemacht werden?Das
Beweisverwertungsverbot kann schon im Ermittlungsverfahren zulässig geltend gemacht
werden. Der Verteidiger muss damit also nicht bis zur Hauptverhandlung warten.
Hinweis: Der
Verteidiger sollte das Beweisverwertungsverbot so früh wie möglich geltend machen. Das
hat nämlich den Vorteil, dass das Verfahren gegen den Mandanten möglicherweise nicht weitergeführt,
sondern wegen fehlenden hinreichenden Tatverdachts eingestellt wird (OLG München StV 00, 352). Auch
dürfen vorläufige Maßnahmen dann gegebenenfalls nicht aufrechterhalten werden (LG Koblenz DAR 02, 326
[für vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis]).
2. Zu welchem Einlassungsverhalten in der Hauptverhandlung ist dem Mandanten
zu raten?
Der Mandant wird sich grundsätzlich nicht zur Sache einlassen.
3. Besteht das Widerspruchserfordernis nur, wenn Fehler bei der Vernehmung des
Mandanten geltend gemacht werden sollen oder auch in sonstigen Fällen?
Den in der
Rechtsprechung bislang entschiedenen Fällen lagen meist Vernehmungsfehler zu Grunde. Der BGH hat aber
einen Widerspruch auch als erforderlich angesehen, wenn die Verwertung von Zufallserkenntnissen aus
einer in einem anderen Verfahren angeordneten Telefonüberwachung beanstandet werden soll
(BGH StV 01, 546). Entsprechendes gilt, wenn der Angeklagte die Verwertung der Aussage eines
verdeckten Ermittlers, dessen Einsatz ohne einen Anfangsverdacht i.S. des § 110a StPO erfolgt ist,
als unzulässig ansieht und die Verwertung der Erkenntnisse des Ermittlers verhindern will (BGH bei
Becker, NStZ-RR 01, 260).
Praxishinweis: Es ist deshalb dringend zu raten, in allen
Fällen, in denen nach Ansicht des Verteidigers ein Beweisverwertungsverbot besteht, gegen die
Verwertung des Beweises in der Hauptverhandlung Widerspruch zu erheben. Denn der BGH wird - trotz
der in der Literatur gegen seine "Widerspruchslösung" vorgetragenen Kritik - diese ausdehnen.
Nicht
erforderlich ist ein Widerspruch nach der amtsgerichtlichen Rechtsprechung, wenn es um die
Verwertung der bei einer rechtswidrigen Durchsuchung gewonnenen Erkenntnisse geht (AG Braunschweig
StV 01, 393), da der auf der Verletzung des Art. 13 GG beruhende Verstoß nicht heilbar ist. Die
Rechtsprechung des BVerfG geht in diesen Fällen allerdings dahin, dass nicht zwingend eine nicht
heilbare Verletzung vorliege, sondern eine Interessenabwägung vorzunehmen sei (BVerfG StV 02, 113;
zu Beweisverwertungsverboten bei rechtswidrigen Durchsuchungen s. Burhoff, Handbuch für das
strafrechtliche Ermittlungsverfahren, a.a.O., Rn. 556). Deshalb sollte auch in diesen Fällen (
vorsorglich) widersprochen werden.
4. Wie ist das Beweisverwertungsverbot in der Hauptverhandlung geltend zu
machen?
Der Verteidiger muss in der Hauptverhandlung Widerspruch gegen die
Verwertung der Angaben erheben, die der Mandant bei einer Vernehmung ohne vorherige Belehrung gemacht
hat (st. Rspr. seit BGHSt 38, 214; zur so genannten "Widerspruchslösung" des BGH eingehend Burhoff,
Handbuch der strafrechtlichen Hauptverhandlung, a.a.O., Rn. 1166a ).
5. Wann muss der Widerspruch erhoben werden? Der
Verteidiger muss den Widerspruch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der
Beweiserhebung
geltend machen, und zwar spätestens im Rahmen einer Erklärung nach § 257 StPO (st.
Rspr. seit BGHSt 38, 214; zuletzt BGHSt 42, 86, 90; eingehend Leipold, StraFo 01, 300).

Praxishinweis:
Der Widerspruch darf nicht erst im Plädoyer erhoben werden (BayObLG NJW 97, 404).
Das ist zu spät.
6. Muss der Verteidiger auch (noch einmal) widersprechen, wenn er
bereits im Ermittlungsverfahren gegenüber der Staatsanwaltschaft den Widerspruch
erklärt hat?
Ja, auf jeden Fall. Der Widerspruch gegenüber der Staatsanwaltschaft
reicht nicht aus (BGH NStZ 97, 502). Das muss der Verteidiger aus anwaltlicher Vorsorge auch tun,
wenn er mit der Literatur der Auffassung sein sollte, dass ein einmal erklärter Widerspruch bis zur
Rücknahme fortwirkt (Burhoff, Handbuch der strafrechtlichen Hauptverhandlung, a.a.O., Rn. 1166e).

Praxishinweis: Der Verteidiger sollte seinen Widerspruch vorsorglich auch wiederholen,
wenn er ihn zwar bereits in der Hauptverhandlung erhoben hat, diese dann aber ausgesetzt worden ist
(s. aber OLG Stuttgart StV 01, 388). Nach h.M. in der Rechtsprechung kann der Verteidiger einen
versäumten oder verspäteten Widerspruch später nämlich nicht mehr nachholen, und zwar auch nicht
nach Zurückverweisung der Sache in einer neuen Hauptverhandlung (BayObLG NJW 97, 404; Burhoff,
Handbuch der strafrechtlichen Hauptverhandlung, a.a.O., Rn. 1166g m.w.N. auch zur Ansicht in der
Literatur).
7. Wogegen muss sich der Widerspruch richten? Der
Widerspruch muss sich gegen jede Beweiserhebung richten, durch die die unverwertbaren Angaben des
Mandanten in das Verfahren eingeführt werden sollen. Das können sein:
  • die Vernehmung des Vernehmungsbeamten, und zwar jedes Vernehmungsbeamten, wenn der
    Mandant von mehreren vernommen worden sein sollte (BGH StV 04, 57),

  • die Verlesung eines Vernehmungsprotokolls oder

  • der Vorhalt des unverwertbaren Beweismittels aus einem Vernehmungsprotokoll.
8. Wie muss der Verteidiger vorgehen, wenn das Gericht trotz
Widerspruchs die Beweiserhebung durchführen will?
Der Verteidiger muss diese
Maßnahme nach § 238 Abs. 2 StPO beanstanden und somit einen Gerichtsbeschluss herbeiführen.
Das gilt auch für die Verhandlung beim Einzelrichter.
Wichtig: Dieser Beschluss ist
unbedingt erforderlich, wenn die Beweiserhebung später mit der Revision oder der Rechtsbeschwerde
als unzulässig gerügt werden soll (§ 338 Nr. 8 StPO).
9. Wie kann das Gericht feststellen, ob ordnungsgemäß belehrt wurde? Bei der Frage handelt es sich um eine prozessuale Frage. Für diese gilt also nicht das
Strengbeweisverfahren, sondern der Freibeweis. Das heißt: Zur Beantwortung der Frage kann das
Gericht alle Erkenntnisquellen ausschöpfen.
10. Muss der Widerspruch in das Protokoll aufgenommen werden? Ja.
Der Widerspruch ist wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung und muss daher in das Protokoll
aufgenommen werden (BayObLG NJW 97, 404).
11. Welches Verhalten empfiehlt sich, wenn sich erst in der
Hauptverhandlung herausstellt
, dass nicht oder nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist?

Der Verteidiger sollte dann auf jeden Fall um eine kurzfristige Unterbrechung der Hauptverhandlung
bitten, um die Umstände der Vernehmung abzuklären. Danach ist dann zu entscheiden, ob der Mandant sich
weiter zur Sache einlässt oder jetzt schweigt und ob Widerspruch gegen die Verwertung seiner Angaben
erhoben werden soll.



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