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26.02.2004 · IWW-Abrufnummer 040497

Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 02.12.2003 – 11 W 75/03

Ein Anerkenntnis ist im schriftlichen Vorverfahren auch noch dann als "sofortiges" anzusehen, wenn es innerhalb der Klageerwiderungsfrist abgegeben wird, sofern der Beklagte bis dahin keinen abweichenden Sachantrag gestellt hat.


Oberlandesgericht Karlsruhe
11. Zivilsenat
Beschluss

Geschäftsnummer:
11 W 75/03

02. Dezember 2003

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung
hier: Kostenentscheidung

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird die Kostenentscheidung des Landgerichts Karlsruhe im Anerkenntnis-Urteil vom 6. August 2003 - 2 O 222/03 wie folgt abgeändert:

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 3.500 Euro festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin suchte anlässlich der Aufgabe eines von ihr betriebenen Juweliergeschäfts ein Unternehmen, das den Restbestand der Waren veräußern sollte. Sie einigte sich mit dem Beklagten darüber, dass dieser die Waren veräußere und ihr ein Viertel des von ihr für jedes Stück aufgeführten Bruttoverkaufspreises zahle. Nachdem die Beklagte nur über einen Teil der ihr überlassenen Waren abgerechnet hatte, stellte die Klägerin ihr am 23. September 2002 Rechnung über ? 23.474,24 und machte geltend, es handele sich um ein Viertel des Bruttoverkaufspreises der verbleibenden Ware. Auf der entsprechenden Rechnung ist die Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen. Nach erfolgloser Mahnung beantragte sie Erlass eines Mahnbescheids. Die Beklagte legte Widerspruch ein. Nach der Anspruchsbegründung durch die Klägerin verfügte das Gericht die Vorbereitung des Haupttermins im schriftlichen Vorverfahren. Die Beklagte wurde aufgefordert, binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klageschrift anzuzeigen, ob sie der Klage entgegentrete und binnen einer Frist von weiteren zwei Wochen auf die Klage zu erwidern. Die Klage und die gerichtliche Verfügung wurden der Beklagten am 22. Mai 2003 zugestellt. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zeigten mit am 3. Juni 2003 eingegangenen Schriftsatz die Vertretung der Beklagten an und erklärten, diese werde der Klage entgegentreten. Am 17. Juni 2003 erkannte die Beklagte den Klageanspruch in Höhe von ? 22.289,25 mit der Maßgabe an, dass sie zur Zahlung der Klageforderung nur Zug um Zug gegen Übermittlung einer Rechnung verpflichtet sei, die die Umsatzsteuer in einer dem § 14 UStG genügenden Form ausweise. Im übrigen beantragte sie Klageabweisung. Hinsichtlich der Kosten beantragte sie, diese vollständig der Klägerin aufzuerlegen. Sie - die Beklagte - habe keinen Anlass zur Klage gegeben, weil die Klägerin ihr trotz Aufforderung keine ordnungsgemäße Rechnung gestellt habe. Die Klägerin ermäßigte ihre Forderung auf den anerkannten Betrag und übermittelte mit Schriftsatz vom 25. Juli 2003 eine Abschlussrechnung über diesen Betrag. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erkannte die Beklagte die ermäßigte Klageforderung im Hinblick auf die nun vorgelegte Rechnung an. Die Parteien stellten wechselseitig Kostenanträge.

Das Landgericht erlegte der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits entsprechend der Teilrücknahme auf. Im übrigen seien die Kosten von der Beklagten zu tragen. Diese habe die Klageforderung zwar sofort anerkannt, habe aber Anlass zur Klageerhebung gegeben. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargetan, dass sie das ihr zustehende Zurückbehaltungsrecht bereits vorgerichtlich gegenüber dem Zahlungsbegehren der Klägerin geltend gemacht habe. Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, die der Auffassung ist, die Kosten des Rechtsstreits seien in vollem Umfang der Klägerin aufzuerlegen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Nach § 93 ZPO fallen die Prozesskosten dem Kläger ungeachtet seines Obsiegens zur Last, wenn der Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt. Beide Voraussetzungen sind hier gegeben.

1. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Landgerichts, die Beklagte habe Anlass zur Klageerhebung gegeben.

Die Parteien waren dahin übereingekommen, dass die Beklagte das Entgelt für die von ihr veräußerte Ware selbst vereinnahmen dürfe, der Klägerin mitzuteilen habe, welche Ware verkauft wurde, und die Klägerin ihr aufgrund dieser Angaben eine Rechnung in Höhe von einem Viertel des Bruttoverkaufspreises stelle. Abweichend von den Regeln des Kommissionsgeschäfts sollte die Beklagte nicht den Kaufpreis an die Klägerin weiterleiten und auf eine Provision beschränkt sein. Vielmehr sollte das aus dem Verkauf erlöste Entgelt der Beklagten zustehen, die ihrerseits der Klägerin ein Viertel des Bruttoverkaufspreises als Entgelt für die überlassene Ware zu zahlen hatte. Die Parteien haben damit eine Vereinbarung getroffen, aus welcher sich für die Klägerin die Verpflichtung ergab, für die von ihr gelieferte Ware eine den Anforderungen des § 14 UStG genügende Rechnung zu stellen (vgl. BGH, Urt. v. 24.2.1988 - VIII ZR 64/87, BGHZ 103, 284, 286f.). Solange die Klägerin der Beklagten eine Rechnung, in der die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen war, vorenthielt, konnte die Beklagte ihre Zahlung nach § 273 BGB zurückhalten (OLG München, Beschl. v. 25.9.1987 - 7 W 2719/87, NJW 1988, 270). Die Rechnung der Klägerin vom 23. September 2002 war nicht vertragsgemäß. Die Klägerin hat das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 17. Juni 2003, sie habe sich gegenüber den Zahlungsaufforderungen der Klägerin von Anfang an darauf berufen, dass die Rechnungen nicht den Anforderungen des UStG genüge, und erklärt, sie sei zur Zahlung bereit, wenn sie eine ordnungsgemäße Rechnung erhalte, nicht bestritten. Ist daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO davon auszugehen, dass die Beklagte das ihr zustehende Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht hat, hatte die Klägerin keinen hinreichenden Grund für die Annahme, sie werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu ihrem Recht kommen.

2. Die Beklagte hat den klägerischen Anspruch auch "sofort" anerkannt. Das mit Schriftsatz vom 17. Juni 2003 erklärte Anerkenntnis der Beklagten ist ausreichend. Mit Rücksicht auf das ihr zustehende Zurückbehaltungsrecht genügte es, wenn die Beklagte ihre Zahlungsverpflichtung mit der Maßgabe anerkannte, sie zahle Zug um Zug gegen Übermittlung einer den Anforderungen des § 14 UStG genügenden Rechnung (Bork in Stein-Jonas, ZPO, 21. Auflage, § 93 Rdn. 4). Das Anerkenntnis der Beklagten ist auch als "sofortiges" anzusehen, obwohl es erst innerhalb der der Beklagten gemäß § 276 Abs. 1 Satz 2 gesetzten Klageerwiderungsfrist und nach Ablauf der ihr gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO gesetzten Notfrist erklärt wurde.

Für den Fall, dass das schriftliche Vorverfahren gemäß § 276 ZPO angeordnet wird, ist streitig, bis wann ein Anerkenntnis erklärt werden muss, um als "sofortiges" Anerkenntnis i.S. von § 93 ZPO zu gelten. Die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur nimmt an, das Anerkenntnis müsse innerhalb der zweiwöchigen Notfrist für die Verteidigungsanzeige erklärt werden (OLG Bremen, Beschl. v. 22.11.1982 - 3 W 11/82, JurBüro 1983, 625; OLG Hamburg, Beschl. v. 23.12.1987 - 3 W 122/87, WRP 1988, 315; OLG München, Beschl. v. 24.11.1988 - 5 W 3037/88, MDR 1989, 267; OLG Hamm, Beschl. v. 28.4.1989 - 20 W 23/89, VersR 1989, 1211; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.9.1991 - 25 W 68/91, NJW-RR 1993, 126; OLG Hamburg, Beschl. v. 15.4.1996 - 11 W 15/96, OLGReport Hamburg 1996, 204; OLG Celle, Beschl. v. 3.11.1997 - 5 W 48/97, NJW-RR 1998, 1370; OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.2.1998 - 11 WF 384/98, MDR 1998, 680; OLG Braunschweig, Beschl. v. 19.3.1998 - 1 WF 22/98, JurBüro 1999, 36; OLG Köln, Beschl. v. 22.9.1998 - 4 W 4/98, OLGReport Köln 1999, 130; OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.11.1999 - 11 W 27/99, OLGReport Stuttgart 2000, 84; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.2.2001 - 4 W 2/01, OLGReport Zweibrücken 2001, 394; OLG Köln, Beschl. v. 8.8.2001 - 11 W 19/01, OLGReport Köln 2002, 160; OLG Naumburg, Beschl. v. 24.8.2001 - 11 W 47/01, OLGReport Naumburg 2002, 239; OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.10.2002 - 9 WF 169/02, OLGReport Brandenburg 2003, 305; Herget in Zöller, ZPO, 24. Auflage, § 93 Rdn. 4; Steiner in Wieczorek, ZPO, 3. Auflage, § 83 Rdn. 9; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Auflage, § 93 Rdn. 9; Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 62. Auflage, § 93 Rdn. 102; Wolst in Musielak, ZPO, 3. Auflage, § 93 Rdn. 5; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 21. Auflage, § 93 Rdn. 5; Belz in MünchKomm-ZPO, 2. Auflage, § 93 Rdn. 13, Stichwort "Zeitpunkt"). Als "sofortiges" Anerkenntnis könne nur ein solches angesehen werden, das bei der ersten prozessualen Gelegenheit erklärt werde. Diese erste Gelegenheit biete sie sich bei Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens, wie § 307 Abs. 2 ZPO zeige, während der Notfrist gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Nach der Gegenansicht kann der Beklagte jedenfalls dann, wenn er zunächst innerhalb der Frist gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur seine Verteidigungsbereitschaft anzeigt, jedoch keinen Sachantrag stellt, noch innerhalb der anschließenden Frist zur Klagerwiderung "sofort" anerkennen (OLG Bamberg, Beschl. v. 15.3.1995 - 2 WF 12/95, NJW-RR 1996, 392; OLG Celle, Beschl. v. 17.12.1996 - 12 WF 272/96, FamRZ 1997, 1416; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.7.1997 - 4 W 4/97, MDR 1997, 971; OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.9.2000 - 17 WF 316/00, OLGReport Stuttgart 2001, 45; OLG Hamburg, Beschl. v. 2.11.2001 - 12 U 38/01, OLGReport Hamburg 2002, 351; OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.5.2002 - 3 W 1144/02, OLGReport Nürnberg 2003, 20.; Meiski, NJW 1993, 1904; Greger in Zöller, ZPO, 24. Auflage, § 276 Rdn. 13). Dem Beklagten müsse auch bei Anordnung eines schriftlichen Vorverfahrens eine angemessene Überlegungsfrist bleiben. Es stelle einen Wertungswiderspruch dar, ein Anerkenntnis in schriftlichen Vorverfahren nur bei Abgabe innerhalb der zweiwöchigen Frist nach § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO als "sofortiges" anzusehen, während bei Anordnung eines frühen ersten Termins ein solches Anerkenntnis selbst bei vorheriger Ankündigung eines Antrags auf Klageabweisung im Termin erklärt werden könne.

Der Senat schließt sich dieser Auffassung an und verweist zur Begründung insbesondere auf die überzeugenden Ausführungen von Meiski. Die Bemessung der Frist, die dem Beklagten zur Prüfung der klägerischen Forderung eingeräumt wird, kann nicht davon abhängen, welche Verfahrensart das Gericht wählt. Für diese Prüfung steht dem Beklagten die Klageerwiderungsfrist zu. Ein "sofortiges" Anerkenntnis ist im schriftlichen Vorverfahren daher auch noch dann anzunehmen, wenn es bis zum Ablauf der Klageerwiderungsfrist abgegeben wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Beklagte bereits zuvor - etwa mit der Verteidigungsanzeige - Klageabweisung beantragt hat (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.11.2002 - 2 WF 205/01, OLGReport Karlsruhe, 2003, 198); denn damit gibt er zu erkennen, dass er sich in der Lage sieht, sich bereits vor Ablauf der Klageerwiderungsfrist inhaltlich zur Berechtigung der Klageforderung zu äußern. Zwar hat die Beklagte hier mit Schriftsatz vom 3. Juni 2003 erklärt, sie werde der Klage entgegentreten. Diese Äußerung ist jedoch nicht als Sachantrag anzusehen, sondern steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verteidigungsanzeige. Die teilweise in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, mit der Verteidigungsanzeige bringe der Beklagte das Gegenteil eines Anerkenntnisses zum Ausdruck, nämlich ein Bestreiten der klägerischen Forderung (OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.11.1999 - 11 W 27/99, OLGReport Stuttgart 2000, 84, OLG Naumburg, Beschl. v. 24.8.2001 - 11 W 47/01, OLGReport Naumburg 2002, 239, 240) ist nicht überzeugend. Gerade die in § 276 Abs. 1 angelegte Staffelung der Fristen - zunächst zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft, anschließend zur Klageerwiderung - spricht für ein anderes Verständnis der Verteidigungsanzeige: Sie hat lediglich die Funktion, ein ansonsten nach § 331 Abs. 3 ZPO drohendes Versäumnisurteil zu verhindern.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert war nach dem Betrag der angefallenen Kosten zu bestimmen, soweit er nach der angefochtenen Entscheidung auf die Beklagte entfallen sollte.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen, weil der Senat mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte abweicht und die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.

RechtsgebieteUStG, ZPOVorschriftenUStG § 14 ZPO § 93 ZPO § 138 Abs. 3 ZPO § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO § 331 Abs. 3

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