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27.11.2003 · IWW-Abrufnummer 032672

Landgericht Saarbrücken: Urteil vom 07.10.2003 – 1 O 450/01

1. Ein Architektenvertrag ist ein Verbrauchervertrag im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Lit. c EuGVVO, so dass der Verbraucher gemäß Art. 16 Abs. 2 EuGVVO nur vor dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gericht verklagt werden kann.



2. Bei Verbrauchersachen i.S.d. Art. 15 ff EuGVVO ist die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 bis 4 EuGVVO in der Regel ausgeschlossen.

LG Saarbrücken, Urteil vom 07.10.2003 - 1 O 450/01


In dem Rechtsstreit ....

wegen Architektenhonorar

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken
auf die mündliche Verhandlung vom 16.09.2003
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Lasotta als Einzelrichter

für R e c h t erkannt

I. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

TATBESTAND

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung von Architektenhonorar in Anspruch.

Der Kläger ist Architekt und betreibt sein Büro in W. Die Beklagten wohnen in Frankreich.
Der Beklagte unterhält in der ####straße in #### S eine Betriebsstätte für zwei Einzelhandelsfirmen.

In einem Vorprozess der Parteien wurde durch Urteil vom 25.05.2000 des LG Saarbrücken, Aktenzeichen 9 O 439/99, festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Architektenvertrag über die Erstellung eines Terrassenhauses mit 3 Wohneinheiten und Garagen in A, Frankreich, bestand, der die Grundlagenermittlung, Vorplanung, Entwurfsplanung, Genehmigungsplanung, Ausführungsplanung, Vorbereitung und Mitwirkung bei der Vergabe sowie die Objektüberwachung umfasste.
Im Verlaufe des sich hieran anschließenden Berufungsverfahrens schlossen die Parteien außergerichtlich unter dem 11.05./08.06.2000 einen Architektenvertrag nebst Zusatzvereinbarung. Mit Schreiben vom 06.07.2000 erklärten die Beklagten diesen Vertrag ?für ungültig" und fochten ihn höchst vorsorglich an.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Saarländischen Oberlandesgericht am 29.03.2001 erklärten die Parteien den Rechtsstreit einvernehmlich in der Hauptsache für erledigt.
Mit Schreiben vom 24.11.2000 hatte der Kläger den Beklagten sein Honorar in Höhe von 156.174,12 DM in Rechnung gestellt und unter Berücksichtigung bereits geleisteter Zahlungen in Höhe von 78.948,--DM das Resthonorar - die vorliegende Klageforderung mit 77.226,12 DM beziffert.

Der Kläger trägt vor:
Das Landgericht Saarbrücken sei vorliegend zuständig.
Soweit eine wirksame Zustellung des Mahnbescheides und der Klagebegründung unter der Anschrift ####straße in S nicht angenommen werden könne, sei deren Wirksamkeit jedenfalls infolge Heilung gemäß § 187 ZPO anzunehmen, nachdem die Beklagten den Mahnbescheid und die Anspruchsbegründung tatsächlich auch erhalten hätten.

Das Landgericht Saarbrücken sei auch international und örtlich zuständig, da in dem Architektenvertrag vom Mai/Juni 2000 eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung getroffen worden sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 77.226,12 DM (39.485,09 ?) nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz nach DÜG seit dem 01.01.2001 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klagen als unzulässig abzuweisen.

Sie tragen vor, das Landgericht Saarbrücken sei international nicht zuständig, vielmehr die Gerichte in Frankreich berufen. Eine Heilung nach § 187 ZPO sei vorliegend nicht möglich, eine Gerichtsstandsvereinbarung, wäre der Architektenvertrag noch wirksam, nach Art. 15 EuGVÜ unwirksam.
Der Kläger habe nicht nur Planungsarbeiten, sondern auch die Objektüberwachung, mindestens jedoch die Bauoberleitung ausgeführt. Infolge der Anfechtung des Architektenvertrages durch die Beklagten sei dieser unwirksam.
Eine Schlussrechnung liege den Beklagten nicht vor, weshalb die Forderung nach Grund und Höhe bestritten werde.

Unter dem 30.08.2001 beantragten die Prozessbevollmächtigten des Klägers den Erlass jeweils eines Mahnbescheides über den Betrag von 77.226,12 DM gegenüber den Beklagten, die am 13.09.2001 von dem AG S erlassen wurden. Die Mahnbescheide wurden unter der Anschrift "####straße S" am 25.09.2001 in den Hausbriefkasten eingelegt. Mit Schreiben vom 04.10.2001 legten die Beklagten jeweils Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein unter Hinweis darauf, dass die Zustellung nicht an eine ladungsfähige Anschrift erfolgt sei, und der Mahnbescheid sie über einen bestehenden Nachsendeauftrag erreicht habe. Mit Verfügung des Gerichts vom 14.12.2001 wurde die Anspruchsbegründung des Klägers an die angegebene Anschrift "####straße ##, S' den Beklagten übersandt und dort am 22.12.2001 in den Hausbriefkasten niedergelegt. Mit Verfügung des Gerichts vom 19.09.2002 wurde die Anspruchsbegründung den Beklagten an ihrem Wohnsitz in Frankreich veranlasst und diese der Beklagten am 24.12.2002 und dem Beklagten am 09.01.2003 zugestellt.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen der Parteien Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist als unzulässig abzuweisen.

I.
Das Landgericht Saarbrücken ist international nicht zuständig, da vorliegend nach Art. 16 Abs. 2 EuGVVO die Klage vor den französischen Gerichten zu erheben ist.

1.
Die EuGVVO ist vorliegend anwendbar.
Die Verordnung gilt in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ab dem 01.03.2002 unmittelbar, ohne dass es hierfür einer Umsetzung in das nationale Recht bedarf (vgl. Thomas/Putzo, 24. Auflage, Vorbem vor Art. 1 EuGVVO, Rdnr. l).
Nach Art. 66 Abs. 1 EuGVVO gilt die Verordnung für alle Klagen, die nach Inkrafttreten der VO erhoben worden sind, was vorliegend anzunehmen ist, da die Klage gegenüber den Beklagten erst durch wirksame Zustellung am 24.12.2002 (gegenüber der beklagten Ehefrau) bzw. 09.01.2003 (gegenüber dem Beklagten) zugestellt worden ist.

Ein anderes Ergebnis rechtfertigt sich aufgrund des vom Kläger vorgeschalteten Mahnverfahrens.

a.
Soweit in dem Mahnverfahren die gegenüber den Beklagten am 13.09.2001 erlassenen Mahnbescheide des Amtsgerichts S am 25.09.2001 unter der Adresse ####straße ## in #### S niedergelegt wurden, ist hierin keine wirksame Zustellung in Form der Ersatzzustellung durch Niederlegung gemäß § 182 ZPO a.F. zu sehen. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Beklagten wohnten sie zu diesem Zeitpunkt bereits in Frankreich, führte lediglich der beklagte Ehemann unter der Anschrift ####straße ## in S eine Betriebsstätte. In diesem Fall scheidet eine Ersatzzustellung durch Niederlegung aus (Thomas/Putzo, 22. Auflage, § 182 Rdnr. 2). Im Übrigen kann nach § 183 ZPO a.F. in einer Betriebsstätte nur zugestellt werden, wenn in der Person als Gewerbetreibender zugestellt werden soll, nicht wenn er persönlicher Zustellungsadressat ist (Thomas/Putzo a.a.O., § 183 Rdnr. 2), wie hier der Fall.
Infolgedessen ist die Zustellung vorliegend grundsätzlich unwirksam.

b.
Eine Heilung dieser unwirksamen Zustellung aufgrund tatsächlichen Zugangs der Mahnbescheide bei den Beklagten nach § 187 ZPO a.F. ist nicht eingetreten.
Eine Heilung im internationalen Rechtsverkehr ist nicht möglich, wenn in beiden Staaten wie hier das Haager Zustellungsabkommen Geltung hat. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH NJW 1993, 598; auch Thomas/Putzo, § 187 Rdnr. l; Münchener Kommentar, § 187, Rdnr. 8) sieht dieses Abkommen, insbesondere auch dessen Art. 15, eine Heilung von Zustellungsmängeln nicht vor. Damit ist die Frage der Heilung aufgrund Zugangs zu verneinen; sie ist bei der Exklusivität des Abkommens in allen Vertragsstaaten unabhängig vom innerstaatlichen Recht zu beantworten (BGH a.a.O.).

c.
Eine wirksame Zustellung der Mahnbescheide ist daher nicht gegeben. Eine Zustellung der Klagebegründung an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist nicht erfolgt, so dass die Frage, ob eine Zustellung an diesen - im Hinblick auf die zwischen den Parteien streitige Frage des Umfanges der ihm erteilten Vollmacht - keiner weiteren Klärung bedarf.

Eine wirksame Klageerhebung ist mithin vorliegend erst durch die Zustellung der Klagebegründung an beide Beklagten in Frankreich Ende 2002 bzw. Anfang 2003 anzunehmen, so dass das nach dem 01.03.2002 geltende Recht - die EuGVVO - zur Anwendung kommt.

2.
Der sachliche, räumliche und persönliche Anwendungsbereich ist vorliegend eröffnet (vgl. Thomas/Putzo Vorbem Art. 1 Rdnr. 5).
Des Weiteren besteht auch ein grenzüberschreitender Bezug, nachdem der Kläger in Deutschland wohnt und seinen Geschäftssitz hat, die Beklagten demgegenüber in Frankreich wohnhaft sind und das im Zusammenhang mit der geltend gemachten Architektenhonorarforderung stehende Bauvorhaben in Frankreich gelegen ist.

3.
Nach Art. 16 Abs. 2 EuGVVO ist das Landgericht Saarbrücken nicht zuständig.

Nach dieser Vorschrift kann der Vertragspartner gegen den Verbraucher nur vor den Gerichten des Mitgliedsstaates klagen, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.
Nach der Neufassung der EuGVVO handelt es sich bei dem Architektenvertrag um einen Verbrauchervertrag im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit.c EuGVVO. Die Beklagten sind Verbraucher im Sinne von Art. 15 Abs. 1 S. 1 EuGVVO, da der Kläger Ansprüche aus dem abgeschlossenen Architektenvertrag geltend macht, und die Beklagten unstreitig diesen Architektenvertrag als Privatpersonen abgeschlossen haben und der Vertrag nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnen ist.

Die weitere Voraussetzung nach Art. 15 Abs. 1 lit. c ist ebenfalls gegeben, da der Kläger seine Architektenleistung - eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Sinne der Vorschrift - hinsichtlich des Wohnhauses der Beklagten auch in Frankreich ausgeübt hat.

Dabei ist der Kläger auch nicht nur planerisch tätig geworden. Er hat zwar zunächst vorgetragen, lediglich Planungsarbeiten ausgeführt zu haben. Dem Vortrag der Beklagten, wonach er darüber hinaus auch die Bauleitung, mindestens jedoch - auch unter Verweisung auf den zwischen den Parteien geführten Vorprozess (LG Saarbrücken, Aktenzeichen 9 O 439/99; Saarl. OLG Aktenzeichen 8 U 500/00-93-) die Bauoberleitung auszuführen hatte, ist der Kläger nicht mehr entgegen getreten.

Bei dem Architektenvertrag handelt es sich daher um einen Verbrauchervertrag (vgl. auch Locher/Koeble/Frik, 8. Auflage, HOAI, Einl. Rdnr. 215).

4.
Soweit sich der Kläger zur Begründung der internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Saarbrücken auf die in dem Architektenvertrag getroffene Gerichtsstandsvereinbarung beruft, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis.
Eine derartige Vereinbarung ist jedenfalls nach Art. 23 Abs. 5 EuGVVO in vorliegendem Fall unwirksam.
Nach Art. 25 Abs. 5 EuGVVO sind Gerichtsstandsvereinbarungen unwirksam, wenn ein Verstoß gegen Art. 13, 17 oder 21 EuGVVO gegeben ist.
Nach Art. 17 Ziffer 3 EuGVVO kann zwar die Zuständigkeit der Gerichte des gemeinsamen Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaates vereinbart werden.
Voraussetzung ist jedoch, dass die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Mitgliedsstaat haben. Nach dem Vortrag des Klägers waren die Beklagten jedoch im Zeitpunkt des Abschlusses des Architektenvertrages bereits in Frankreich wohnhaft.

Die Anwendung der Ziffer 3 scheitert anderenfalls, dass die Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch in Deutschland gewohnt haben, an § 38 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der gemäß Nr. 3 letzter Halbsatz anzuwenden ist (vgl. Thomas/Putzo, Art. 17 Rdnr. 4). Nach § 38 Abs. 3 Nr. 2 ZPO kann eine Gerichtsstandsvereinbarung nur zulässigerweise geschlossen werden, wenn sie ausdrücklich und schriftlich für den Fall geschlossen wird, dass die in Anspruch zu nehmende Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort aus dem Geltungsbereich des Gesetzes verlegt oder ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist. Dass die Parteien eine derartige Vereinbarung getroffen hätten ist weder aus dem Architektenvertrag vom 11.05./08.06.2000 (Blatt 23 ff dA) ersichtlich, noch vom Kläger vorgetragen.

5.
Eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt auch nicht aus Art. 5 EuGVVO. Ob die Voraussetzungen des besonderen Gerichtsstandes des Art. 5 EuGVVO vorliegend gegeben sind und die Zuständigkeit des Landgerichts Saarbrücken zu begründen vermag, kann dahin gestellt bleiben. Denn bei Verbrauchersachen im Sinne der Art. 15 ff EuGVVO ist die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 bis 4 EuGVVO in der Regel ausgeschlossen (Thomas/Putzo Vorbemerkung zu Art. 15 bis 17, Rdnr. 1).
Art. 15 bis 17 EuGVVO enthalten für den Verbraucher Schutzbestimmungen, die grundsätzlich zwingend und abschließend sind. Art. 16 Abs. 2 EuGVVO enthält eine ausschließliche Zuständigkeitsbestimmung hinsichtlich der Gerichte, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat (Thomas/Putzo, Art. 16 Rdnr. 6). Diese ausschließliche Zuständigkeitsregelung geht derjenigen des Art. 5 Ziff. 1-4 EuGVVO vor.

Da somit die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Saarbrücken nicht gegeben ist, war die Klage als unzulässig abzuweisen.

II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

RechtsgebietEuGVVOVorschriftenEuGVVO Art. 5, 15 ff, Art. 23 Abs. 5, Art. 25 Abs. 5

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