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05.11.2003 · IWW-Abrufnummer 032457

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 16.09.2003 – 1 K 160/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT

URTEIL

vom 16.09.2003

Az.: 1 K 160/02

Orientierungssatz: Vermögensteuer auf den 01.01.1989

Auch bei einem Vermögen von ca. 300.000,- DM, das 1992 nach Luxemburg transferiert wurde, kann nicht allein aufgrund dieses Umstands ein Hinterziehungsvorsatz unterstellt werden.
Rechtskräftig

Tatbestand

Streitig ist die Frage, ob die Kläger Vermögensteuer hinterzogen bzw. leichtfertig verkürzt haben.

Die Kläger sind verheiratet. Der 1925 geborene Ehemann besuchte bis zum Jahre 1942 die Mittelschule. Nach dem Krieg nahm er eine Tätigkeit als Arbeiter an und war zuletzt als technischer Angestellter in der Arbeitsvorbereitung bei der Firma ... tätig. Berufliche Qualifizierungsmaßnahmen etwa in Form eines Meisterlehrgangs hat der Kläger nicht besucht. Im streitbefangenen Zeitraum war der Kläger Rentner. Die Ehefrau war zeitlebens Hausfrau.

Die Klägerin war zum Stichtag 01.01.1989 Inhaberin eines Erbbaurechts, für das der Beklagte einen Einheitswert in Höhe von 23.600,- DM festgestellt hat. Zum 01.01.1989 verfügten die Kläger über ein Kapitalvermögen auf verschiedenen Konten bei der Stadtsparkasse ... sowie der Volksbank ... von 264.184,- DM. Außerdem unterhielten sie bei der Stadtsparkasse ... ein Wertpapierdepot. Der Kurswert der darin befindlichen Aktien betrug 48.678,- DM. Im Jahre 1992 machten die Kläger eine Erbschaft. Das hinzuerworbene Vermögen legten sie in Luxemburg an.

Die Kläger erstellten ihre Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1978-1985 selbst. Die Einkommensteuererklärungen 1986-1988 wurden von dem Steuerberater B aus ... gefertigt. In allen Erklärungen wurden die Einkünfte aus Kapitalvermögen mit einem sehr geringen Betrag unterhalb des Freibetrages angegeben (1987: 147,- DM, 1988: 259,- DM). Vermögensteuererklärungen haben die Kläger zunächst nicht abgegeben.

Im Jahre 1998 erklärten die Kläger gegenüber dem Beklagten ihr Vermögen für die Stichtage ab 01.01.1992 nach. Der Beklagte forderte daraufhin die Kläger zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung auch für den Stichtag 01.01.1989 auf. Die Angaben dieser Erklärung wertete der Beklagte in dem Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1989 vom 16. Dezember 1998 aus. Der Einspruch gegen diesen Bescheid, mit dem die Kläger den Eintritt der Festsetzungsverjährung rügten, blieb ohne Erfolg.

Im Klageverfahren vertreten die Kläger die Auffassung, dass Vermögensteuer für die Jahre 1989 und 1990 nicht mehr habe festgesetzt werden dürfen, weil insoweit Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Es würde im Streitfall auch nicht die auf 10 Jahre verlängerte Festsetzungsfrist zur Anwendung kommen, weil die Kläger nicht vorsätzlich Vermögensteuer hinterzogen hätten. Den Klägern sei nicht bekannt gewesen, dass sie wegen der Höhe ihres Vermögens hätten Vermögensteuer zahlen müssen. Nach ihrer Vorstellung sei die Vermögensteuer nur etwas für Bürger mit erheblichen Vermögenswerten. Dass bei Zusammenveranlagung schon ab einem Vermögen von 140.000,- DM Vermögensteuer anfiel, sei ihnen nicht bewusst gewesen. Als einfache Menschen hätten sie keinerlei Detailkenntnisse im Bereich des Steuerrechts gehabt. Dass die Kläger vorsatzlos gewesen seien, zeige sich auch daran, dass das steuerliche Ermittlungsverfahren ausschließlich auf eine Mitteilung der Kläger selbst an das Finanzamt zurückgehe. Aufgrund eines Hinweises ihrer Tochter im Jahre 1998 hätten sie sich sofort an den Prozessbevollmächtigten gewandt und ihr Vermögen nacherklärt.

Aus dem Vermögenstransfer nach Luxemburg im Jahre 1992 lasse sich nichts anderes herleiten. Zum einen sei diese Geldanlage ausschließlich aufgrund einer Bankenempfehlung erfolgt. Zum anderen könne aus Vorgängen des Jahres 1992 kein Rückschluss auf die Verhältnisse des 01.01.1989 gezogen werden. Selbst wenn den Klägern der Vorwurf der Hinterziehung von Einkommensteuern zu machen sei, so ergebe sich daraus noch nichts für die Vermögensteuer.

Der Beklagte habe darüber hinaus auch keine leichtfertige Steuerverkürzung nachgewiesen.

Die Kläger beantragen,

den Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1989 vom 16. Dezember 1998 mit Wirkung für die Jahre 1989 und 1990 sowie die Einspruchsentscheidung vom 15. April 2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Kläger vorsätzlich Vermögensteuer hinterzogen hätten. Die Erstellung der Einkommensteuererklärungen bis 1985 durch die Kläger selbst zeige, dass diese in steuerlichen Dingen keinesfalls unbewandert gewesen seien. Wenn die Kläger ihre Kapitaleinkünfte für die Jahre 1986-1988 ihrem Steuerberater in der tatsächlichen Höhe offengelegt hätten, wäre dem Steuerberater die Vermögensteuerpflicht aufgrund seines beruflichen Wissens klar gewesen. Den Klägern sei auch der Vordruck über die Nacherklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen für die Kalenderjahre 1986 und 1987 und von Kapitalvermögen zugesandt worden, wodurch sie Kenntnis von der Vermögensteuerpflicht erlangt haben müssten. Die Vorgehensweise der Kläger zeige, dass sie Finanzamt und Steuerberater bewusst über ihre Vermögensverhältnisse im Unklaren gelassen hätten.

Entscheidungsgründe

Die Klage gegen den Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1989 ist für das Jahr 1989 begründet. Für 1990 bleibt die Klage ohne Erfolg.

I. Für das Jahr 1989 steht dem Erlass eines Vermögensteuerbescheides der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen. Da die Kläger zunächst keine Vermögensteuererklärung auf den Hauptveranlagungsstichtag 01.01.1989 eingereicht haben, begann die Festsetzungsfrist gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des dritten auf das Jahr der Entstehung der Vermögensteuer folgenden Kalender zu laufen, d.h. mit Ablauf des 31.12.1992. Die Festsetzungsfrist endete mit Ablauf des 31.12.1996 bzw., wenn man die fünfjährige Festsetzungsfrist wegen leichtfertiger Steuerverkürzung des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO unterstellt, mit Ablauf des 31.12.1997. Der Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1989 ist erst am 16. Dezember 1998 und damit nach Ablauf dieser Fristen ergangen.

Die Festsetzungsfrist verlängerte sich im Streitfall nicht gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf 10 Jahre, denn es liegt keine Steuerhinterziehung vor. Steuern hinterzieht nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt. Die Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung setzt Vorsatz, d.h. Wissen und Wollen der Tathandlung, voraus. Der Täter einer Steuerhinterziehung muss seine steuerliche Verpflichtung und den konkreten Steueranspruch des Staates kennen (Klein, Kommentar zur AO, § 370 Rn. 91).

Im Streitfall kann der Senat nicht feststellen, dass die Kläger vorsätzlich gehandelt haben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger das Bestehen der Vermögensteueransprüche gekannt haben, sind im Streitfall nicht ersichtlich. Die Kläger sind niemals aufgefordert worden, eine Vermögensteuererklärung abzugeben; von daher sind sie von Seiten des Beklagten nicht auf die Existenz der Vermögensteuer aufmerksam gemacht worden. Der Vordruck über die Nacherklärung von Kapitalvermögen gibt keinerlei Hinweise darauf, ab welcher Höhe des Kapitalvermögens die Vermögensteuerpflicht einsetzt. Dass die Kläger unrichtige Angaben zur Höhe ihrer Kapitaleinkünfte in ihren Einkommensteuererklärungen gemacht haben, mag Vorsatz bezüglich der Hinterziehung der Einkommensteuer begründen, besagt aber nichts für die Vermögensteuer.

Der Hinweis des Beklagten, dass bei Offenbarung des Vermögens gegenüber dem Steuerberater dieser die Kläger zweifellos auf die Vermögensteuerpflicht hingewiesen hätte, führt ebenfalls nicht weiter. Ein vorsätzliches Handeln wäre darin nur zu sehen, wenn das Unterlassen bewusst im Hinblick auf die Vermögensteuer erfolgt wäre. Das hat der Beklagte aber nur behauptet und nicht nachgewiesen.

Ebenfalls unerheblich für die Beurteilung des Falles ist das Verhalten der Kläger in Bezug auf das in Luxemburg angelegte Geld. Es kann dahinstehen, ob die Kläger für die Stichtage ab 01.01.1993 bedingt vorsätzlich gehandelt haben, weil sie nach der Erbschaft über erheblich mehr Kapitalvermögen verfügten als ein durchschnittlicher Bürger und sich ihnen aufdrängen musste, wenn sie die Vermögensteuer als Steuer für ?Reiche? angesehen hatten, dass sie nunmehr selbst ?reich? waren. Denn für die vorangehenden Stichtage besagt dieses nichts, weil sie damals noch über erheblich weniger Vermögen verfügten.

Schließlich können aus dem beruflichen Werdegang der Kläger keinerlei Schlussfolgerungen auf ein vorsätzliches Handeln abgeleitet werden. Weder Ehemann noch Ehefrau haben beruflich mit Steuern zu tun gehabt. Beide sind auch keine Akademiker, bei denen gewisse steuerliche Grundkenntnisse eher zu vermuten wären.

Die Nichterweislichkeit des Vorsatzes in Bezug auf eine Vermögensteuerhinterziehung geht zu Lasten des Beklagten, der die Feststellungslast für steuerbegründende Tatbestandsmerkmale trägt.

II. Für das Jahr 1990 war zum Zeitpunkt des Ergehens des Vermögensteuerbescheides auf den 01.01.1989 am 16. Dezember 1998 noch nicht Festsetzungsverjährung eingetreten. Gem. § 170 Abs. 4 AO wird im Falle einer Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 AO der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben. Begann, wie oben ausgeführt, die Festsetzungsfrist für das Jahr 1989 am 01.01.1993 zu laufen, so verschob sich der Beginn der Festsetzungsfrist für das Jahr 1990 auf den 01.01.1994. Die Festsetzungsfrist endete mit Ablauf des 31.12.1998, weil die Kläger leichtfertig Steuern verkürzt haben. Leichtfertig i.S.d. § 378 AO handelt in Bezug auf einen Verkürzungserfolg, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist (Klein, Kommentar zur AO, § 378 Rn. 12). Im Streitfall ergibt sich das leichtfertige Verhalten der Kläger aus den unrichtigen Angaben über die Höhe ihrer Einkünfte aus Kapitalvermögen in der Einkommensteuererklärung. Die Kläger waren nach ihren persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten durchaus in der Lage zu erkennen, was für Angaben sie in ihrer Einkommensteuererklärung zu machen hatten, was sich daraus ergibt, dass sie für viele Jahre auf die Mithilfe eines Steuerberaters bei der Erstellung der Erklärung verzichtet haben. Dass sie verpflichtet waren, die Erklärung wahrheitsgemäß auszufüllen, ist auch für einen einfachen Bürger ohne weitere steuerlichen Kenntnisse offensichtlich. Wenn die Kläger ihre Pflicht aus § 90 Abs. 1 Satz 2 AO zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Offenlegung der für die Besteuerung erheblichen Tatsachen grob verletzt haben, musste ihnen klar sein, dass dieses zu einer unzutreffenden Besteuerung führt. Auch wenn sie nicht geahnt haben, dass aufgrund ihres Verhaltens die Finanzbehörde nicht in der Lage war, eine Vermögensteuerpflicht der Kläger zu erkennen und Vermögensteuer festzusetzen, so müssen sie sich diese Folge aufgrund ihres leichtfertigen Vorverhaltens zurechnen lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Vorschriften§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO § 169 Abs. 2 Satz 2 AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO § 170 Abs. 4 AO § 378 AO § 90 Abs. 1 Satz 2 AO

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