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28.10.2003 · IWW-Abrufnummer 032354

Landgericht Koblenz: Urteil vom 22.11.2000 – 3 HU 73/00

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


In dem Rechtsstreit

...

hat die 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Kloos für Recht erkannt:

1. Die einstweilige Verfügung vom 22. Mai 2000 wird in vollem Umfang aufrecht erhalten.

2. Die Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, dem eine Vielzahl von Heilpraktikern angehören. Die Verfügungsbeklagte bezeichnet sich als Gesundheitspraktikerin.

Im ?Ahrtaler Wochenspiegel?, einem Anzeigenblatt, vom 19. April 2000, war unter der Überschrift ?Balsam für Körper und Seele? ein Beitrag erschienen, der die Tätigkeit der Verfügungsbeklagten wie folgt beschreibt:

?.....Inhaberin ... ist Gesundheitspraktikerin. Als Reiki-Meisterin (Reiki bedeutet ?universelle Lebensenergie?) versteht sie ihr Handwerk. Auch in Lebens- und Gesundheitsberatung, Klangschalentherapie, verschiedenen Massagen, Bachblüten-Therapie und Aromatherapie ist sie bewandert. Mit Muse, Feingefühl und Erfahrung lässt die Gesundheitspraktikerin ihre Klienten in tiefe Ruhe und Entspannung sinken.
Reiki: Körper, Geist und Seele beleben und erfrischen, sind nur ein Teil dessen, was Reiki vermag. Wie so viele natürliche Heilverfahren, kommt auch dieses aus dem fernen Osten. Richtig angewandt werden beim Menschen innere Blockaden gelöst, der Körper gereinigt, - von Gift befreit. Gelöstheit und Reaktivierung der natürlichen Selbstheilungskräfte bringen ein besseres Lebensgefühl. Durch Hand auflegen, beginnt der oft träge Fluss der Körpersäfte mit neuer Energie zu fließen. ?Die Behandlung führt zu einer Steigerung der körperlichen und nervlichen Belastbarkeit, außerdem wirkt sie ausgleichend und heilend?, versichert die Expertin.?

Die Verfügungsklägerin sieht darin einen Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb, da die Verfügungsbeklagte in der beschriebenen Weise heilkundliche Tätigkeiten ausübe, die nach dem Gesetz Ärzten und Heilpraktikern vorbehalten seien.

Die Verfügungsklägerin erwirkte am 22. Mai 2000 gegen die Verfügungsbeklagte im Beschlusswege die folgende einstweilige Verfügung:

I. Der Antragsgegnerin wird untersagt,

a) berufs- oder gewerbsmäßig die Durchführung von Verfahren und/oder Behandlungen zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden anzubieten,
insbesondere wenn dies geschieht wie in dem Werbebeitrag in der Zeitung ?Ahrentaler Wochenspiegel? vom 19.04.2000 auf Seite 14 mit dem Anbieten der Durchführung der ?Bach-Blütentherapie?, Aromatherapie?, ?Reiki-Methode? und wie auf dem an den Antragsteller mit Datum 11.05.2000 versandten Briefbogen der Antragsgegnerin mit den Angaben ?Fußreflexzonenmassage? und ?Reiki?;

und/oder

b) derartige Verfahren und/oder Behandlungen durchzuführen,

es sei denn, die Antragsgegnerin ist ärztlich bestallt oder im Besitz einer Erlaubnis für die Ausübung der Heilkunde gemäß § 1 Heilpraktikergesetz.

Gegen dies form- und fristgerecht vollzogene einstweilige Verfügung hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt, soweit die Reiki-Methode betroffen ist.

Die Verfügungsklägerin trägt vor: Die mit Handauflegung verbundene und von der Verfügungsbeklagten praktizierte Reiki-Methode stelle eine Heilbehandlung da, die von Personen, die weder als Ärzte noch als Heilpraktiker zugelassen seien, nicht ausgeführt werden dürfe. Das Vorgehen der Verfügungsbeklagten werde als ?Heilverfahren? bezeichnet, das ?zu einer Steigerung der körperlichen und nervlichen Belastbarkeit führt und außerdem ausgleichend und heilend wirkt.? Die Bedeutung von Termini aus dem heilkundlichen Bereich sowie die Bezeichnung der Geschäftsräume als ?Praxis? ließen keinen anderen Schluss zu, als dass die Reiki-Methode auf Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden und Körperschäden ausgerichtet sei. Die Verfügungsbeklagte könne sich nicht damit verteidigen, dass der beanstandete Artikel im ?Ahrtaler Wochenspiegel? vom 19. April 2000 ein redaktioneller Beitrag sei, den sie sich nicht zurechnen lassen müsse.

Die Verfügungsklägerin stellt den Antrag,

die einstweilige Verfügung vom 22. Mai 2000 aufrecht zu erhalten, soweit gegen sie Widerspruch eingelegt worden ist.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben, soweit der Verfügungsbeklagten untersagt worden ist,

a) berufs- oder gewerbsmäßig die Durchführung von Verfahren und/oder Behandlungen zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden anzubieten, insbesondere wenn dies geschieht wie in dem Werbebeitrag in der Zeitung ?Ahrtaler Wochenspiegel? vom 19. April 2000 auf Seite 14 mit dem Anbieten der Durchführung der ?Reiki-Methode? und ?die auf dem an den Antragsteller mit Datum vom 11. Mai 2000 versandten Briefbogen der Antragsgegnerin mit der Ausgabe ?Reiki?;

b) die ?Reiki-Methode? bzw. ?Reiki? durchzuführen, es sei denn, die Antragsgegnerin ist ärztlich bestallt oder im Besitz einer Erlaubnis für die Heilkunde gemäß § 1 Heilpraktikergesetz.

Die Verfügungsbeklagte trägt vor: Für den von der Verfügungsklägerin beanstandeten Zeitungsartikel trage sie keine Verantwortung, da es sich um einen redaktionellen Beitrag handele. Soweit darin geäußert werde, ?die Behandlung führe zu einer Steigerung der körperlichen und nervlichen Belastbarkeit, außerdem wirke sie ausgleichend und heilend?, beruhe dies nicht auf von der Verfügungsbeklagten gegebenen Informationen. Offenbar habe die Redakteurin, die vor dem Erscheinen des Zeitungsbeitrages die Verfügungsbeklagte aufgesucht habe, den o. g. Satz aus dabei zur Verfügung gestellten Lehrbüchern entnommen.
Sie betreibe als Reiki-Meisterin keine heilkundliche Tätigkeit, da sie ihre Tätigkeit bei Anwendung der Reiki-Methode nicht mit einem individualisierenden Bezug zu einer Krankheit, einem Leiden oder einem Körperschaden einer Person ausübe. Bei ?Reiki? handele es sich um eine gerade im nicht-heilkundlichen Bereich angewandte Selbsterfahrungsmethode, die nicht nur zur Linderung möglicher Beschwerden anwendbar sei. Sie wende diese Methode weder als Heilverfahren an, noch schreibe sie dieser Dritten gegenüber eine heilende Wirkung zu. Ihre Tätigkeit diene nicht der Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden. Ihre Tätigkeit solle lediglich das bei ihren Klienten vorhandene Wohlbefinden noch steigern. Ihr gehe es um reine Entspannung sowie Selbsterfahrung und Persönlichkeitsbildung ihrer Kunden; diese sollen durch ihr Tätigwerden vitalisiert, nicht re-vitalisiert werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des mündlich vorgetragenen Inhalts der vorbereitenden Schriftsätze wird auf die Prozessakte, insbesondere die überrechten Urkunden und die im Sitzungsprotokoll getroffenen Feststellungen, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die einstweilige Verfügung ist in vollem Umfang ? d. h. auch soweit die Verfügungsbeklagte sie angreift ? aufrecht zu erhalten.

Die von der Verfügungsbeklagten an Dritten angewandte Reiki-Methode verstößt gegen § 1 HPG, da sie eine heilkundliche Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 2 HPG ausübt, deren Ausübung nur Ärzten und Heilpraktikern vorbehalten ist. Damit liegt gleichzeitig ein Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) vor.

I.
1. Die Verfügungsklägerin ist klagebefugt im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, da sie als rechtsfähiger Verband zur Förderung der gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder, die waren oder gewerblichen Leistungen gleicher Art oder verwandter Art auf dem selben Markt vertreiben ? der Verfügungsklägerin gehören eine Vielzahl von Heilpraktikern als korporative Mitglieder dadurch an, dass zwei Berufsverbände der Heilpraktiker bei der Verfügungsklägerin Mitglieder sind ? mit hinreichender personeller, sachlicher und finanzieller Ausstattung ihre satzungsgemäßen Aufgaben bei der Verfolgung wesentlich beeinträchtigender Wettbewerbsverstöße wahrnimmt.

2. Die von der Verfügungsbeklagten angewandte Reiki-Methode verstößt gegen §§ 1 HPG, 1 UWG, so dass die Verfügungsklägerin von der Verfügungsbeklagten gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG Unterlassung in dem noch streitigen Umfang, wie er sich aus der einstweiligen Verfügung vom 22. Mai 2000 ergibt, verlangen kann.

Ausübung durch nicht als Arzt approbierte Personen ist gemäß § 1 Abs. 2 HPG jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. Solche Tätigkeiten bedürfen nach § 1 Abs. 1 HPG der Erlaubnis, die die Verfügungsbeklagte unstreitig nicht besitzt.

Zu den Fällen erlaubnispflichtiger Tätigkeiten gehören u. a. auch:

- Tätigkeiten, die für sich gesehen noch nicht Ausübung von Heilkunde bedeuten, jedoch Gesundheitsgefährdungen dadurch zur Folge haben können, dass rechtzeitiges Erkennen von ernsthaften Krankheiten dadurch verzögert wird (vergl. Bundesverwaltungsgericht Arztrecht 1995/48);

- Tätigkeiten, die lediglich nach dem subjektiven Empfinden des Patienten als Heilkunde aufgefasst werden (Wunderheiler, Geistheilung, Handauflegen, Befreiung von ?Erdstrahlen? (sog. Eindruckstheorie; BGH NJW 1978/599; Kurtenbach in Deutsches Bundesrecht I. K 11 Seite 7).

Die Tätigkeit der Verfügungsbeklagten bei Anwendung der Reiki-Methode ist mindestens den letztgenannten Tätigkeiten zuzuordnen.
Dabei kann es dahinstehen, ob es sich bei dem beanstandeten Artikel im ?Ahrtaler Wochenspiegel? vom 11. Mai 2000 um einen redaktionellen Text oder um eine redaktionell gestaltete Anzeige handelt und ob dafür eine wettbewerbsrechtliche Haftung der Beklagten besteht (vergl. dazu Baumbach/Heermehl, Wettbewerbsrecht, Kommentar, 21. Auflage, 1999, § 1 UWG Rand-Nr. 30 ff, 39 a), da das von der Verfügungsbeklagten im Schriftsatz vom 5. September 2000 (Bl. 138 ff GA) selbst eingeräumte Verhalten sich als erlaubnispflichtige Tätigkeit im Sinne des Heilpraktikergesetzes darstellt. Dort räumt die Verfügungsbeklagte selbst ein, ?dass es Reiki-Meister gibt, die die Reiki-Methode als heilkundliches Verfahren anwenden.? Daraus ergibt sich, dass die Tätigkeit der Verfügungsbeklagten nach dem subjektiven Empfinden ihrer Klientel als Heilkunde aufgefasst wird, ohne dass es auf die subjektive Intention der Verfügungsbeklagten bei diesen Tätigkeiten ankommen kann. Die Verfügungsbeklagte beschreibt ihre Tätigkeiten dahingehend, dass bei einer Reiki-Anwendung in der Regel die Hände des Anwenders in einer bestimmten Reihenfolge auf verschieden Körperstellen gelegt erden und dort etwa 3 bis 5 Minuten gehalten werden, wobei der Kopf zu den Füßen und von der Vorderseite zur Rückseite gearbeitet wird. Durch die Handauflegung soll an den berührten Körperstellen Energie übertragen werden, die nach Darstellung der Verfügungsbeklagten nicht Krankheiten heilen, sondern sonstige Beeinträchtigungen des Wohlbefindens beseitigen soll.

Mit dem OVG Münster (GewA 1999/202 = DVBl 1999/1057) ist dabei auf den Blickwinkel des Behandelten abzustellen, der sich Heilung oder Linderung gesundheitlicher Beeinträchtigungen erhofft. Die Energiespende geschieht dabei am oder im Körper des Behandelten, bei dem davon ausgegangen werden kann, dass er Krankheitszeichen oder Einschränkungen seines körperlichen Wohlbefindens verspürt und er sich deshalb Hilfe vom Reiki-Spender verspricht, da sonst kein Anlass ersichtlich ist, um eine Reiki-Spende nachzusuchen. Nach dem Vorbringen der Verfügungsbeklagten will sie mit ihrer Behandlung bei dem Behandelten möglichst einen Zustand eines umfassenden körperlichen und seelischen Wohlbefindens erreichen.
Eine Maßnahme, die das durch körperlich spürbare Symptome beeinträchtigte körperlich-seelische Wohlbefinden verbessern oder wieder herstellen soll, kann nur als Heilmaßnahme angesehen werden (OVG Münster a. a. O.).

3. Zuwiderhandlungen gegen § 1 HPG stellen regelmäßig zugleich einen Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb, mithin gegen § 1 UWG dar, ohne dass es weiterer Unlauterkeitsmerkmale bedarf (OLG Düsseldorf WRP 1989/249, 251; Baumbach/Hefermehl, a. a. O., § 1 UWG Rand-Nr. 617).

4. Die Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.

II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Eines Anspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, da es bei der Vollstreckbarkeit der Vorentscheidung verbleibt (vergl. Zöller/Herget, ZPO, Kommentar, 21. Auflage, 1999, § 708 Rand-Nr. 8).

Beschluss:

Der Streitwert für das Widerspruchsverfahren wird auf 10.000,- DM festgesetzt.

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