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21.08.2003 · IWW-Abrufnummer 031890

Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 08.04.2003 – 3 K 1950/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


- Kläger -

Prozessvertreter:

gegen

- Beklagten -

wegen Einkommensteuer 1999

hat der 3. Senat in der Besetzung:

Vorsitzende Richterin am Finanzgericht
Richter am Finanzgericht
Richter am Finanzgericht
ehrenamtlicher Richter
ehrenamtlicher Richter
auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 08.04.2003 für Recht erkannt:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2001 und Änderung des Einkommensteuerbescheids 1999 vom 07.04.2000 wird die Einkommensteuer auf 6.473,98 Euro festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens tragen vor Beweisaufnahme der Kläger zu 84,71 v.H.
und der Beklagte zu 15,29 v.H.; ab Beweisaufnahme trägt der Beklagte die Kosten des Verfahrens in vollem Umfang. Die Revision wird zugelassen.

G r ü n d e :

Streitig ist, in welchem Umfang Zuschläge für Arbeit an Wochenfeiertagen steuerpflichtig sind.

Der Kläger ist als Blockleitstandsfahrer bei den Stadtwerken ?E-Stadt? AG als Arbeitnehmer beschäftigt. Sein Einsatz erfolgt im Wechselschichtdienst.

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für 1999 beantragte er einen Betrag in Höhe von 689,75 DM steuerfrei zu belassen, da es sich insoweit um zusätzliche Entlohnung für die von ihm an Wochenfeiertagen ausgeübte Wechselschichttätigkeit handele, die nach §
3 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr 1999 geltenden Fassung steuerfrei sei. Es handele sich um Zuschläge für tatsächlich geleistete Feiertagsarbeit. Hierzu reichte der Kläger eine Bescheinigung der Stadtwerke ?E-Stadt? AG vom 26.01.2000 ein, die folgenden Wortlaut hat: ?Hiermit bescheinigen wir dem o. g. Mitarbeiter für das Kalenderjahr 1999 Zeitzuschläge in Höhe von 689,75 DM für den nachfolgend beschriebenen Sachverhalt versteuert zu
haben. Diese sind im Bruttoarbeitslohn auf der Lohnsteuerkarte 1999 enthalten. Da den Mitarbeitern im Wechselschichtdienst auf Grund der betrieblichen Verhältnisse ein Freizeitausgleich gemäß § 15 Abs. 6 Unterabsatz 3 BAT/BAT O entsprechend MTArb/MBArb.O und dem BMT-G II/BMT-G-O nicht gewährt werden kann, handelt es sich bei den gezahlten Zeitzuschlägen um einen neben dem Grundlohn gezahlten Zuschlag.?

Die Tarifverträge für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe für das Jahr 1999 (BMT-G II/BMT-G-O), auf die in der Bescheinigung Bezug genommen wird, sehen in § 15 Abs. 2 unter anderem folgende Regelungen vor: ?Die an einem Sonntag geleisteten dienstplanmäßigen bzw. betriebsüblichen Arbeitsstunden werden durch entsprechende zusammenhängende Kürzung der Arbeitszeit an einem Wochentag der nächsten oder der übernächsten Kalenderwoche ausgeglichen ... Die dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche
Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag soll auf Antrag des Arbeiters durch eine entsprechende Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche unter Fortzahlung des Monatgrundlohnes und etwaiger für den Kalendermonat zustehender ständiger (gegebenenfalls pauschalierter) Lohnzuschläge ausgeglichen werden, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen.?

§ 22 Abs. 1 BMT-G II regelt die Höhe der Zeitzuschläge. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 c) aa) beträgt der Zeitzuschlag für Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen sowie am Ostersonntag und am Pfingstsonntag ohne Freizeitausgleich 135 v. H., bei freizeitausgleich 35 v. H..

Im Einkommensteuerbescheid vom 07.04.2000 für 1999 behandelte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) die Zeitzuschläge für die Arbeit an Feiertagen als steuerpflichtigen Arbeitslohn, soweit sie 35 v. H. des Grundlohnes überschritten. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 blieb erfolglos. Das Finanzamt lehnte die Steuerfreistellung der Zeitzuschläge mit der Begründung ab, da der Kläger nach dem Tarifvertrag einen Anspruch auf Freizeitausgleich auf Grund seiner Wechselschichttätigkeit habe, sich diese Freizeit aber habe vergüten lassen, bestehe keine Verbindung mehr mit der Sonnoder Feiertagsarbeit. Der Arbeitgeber zahle Zuschläge eindeutig nicht für die Sonn- und Feiertagsarbeit, sondern als Abgeltung für den Verzicht auf Freizeitausgleich. Unerheblich sei, aus welchen Gründen der Freizeitausgleich nicht stattgefunden habe.

Der Kläger hat gegen die Einspruchsentscheidung Klage erhoben, die er im Wesentlichen wie folgt begründet: Es sei zwar richtig, dass sein Arbeitgeber die geschuldeten Ausgleichszahlungen nachgezahlt und der Einkommensteuer unterworfen haben, weil er die ansonsten arbeitsfreien Feiertage aus betrieblichen Gründen nicht habe ?abfeiern? können. Für die Qualifizierung der Zuschläge als Zuschlag zur Feiertagsarbeit im Sinne des § 3 b EStG sei indessen die Möglichkeit des Freizeitausgleichs irrelevant. Maßgeblich allein
sei die Tatsache, dass die betreffenden Beträge für die Erbringung von Arbeitsleistung an Feiertagen tatsächlich bezahlt würden. Die Kläger verweisen insoweit auf das Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 18.09.1981 VI R 44/77 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 1981, 801; BFHE 134,149).

Der Kläger beantragt, in Abänderung des Einkommensteuerbescheids für 1999 vom 07.04.2000 die Steuer unter Zugrundelegung eines Bruttoarbeitslohns in Höhe von 64.553 DM festzusetzen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, bei Stattgabe, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte hält an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung fest und verweist für seine Auffassung seinerseits auf die Entscheidung des BFH vom 18.09.1981 VI R 44/77.

Das Gericht hat die Steuerakten des Beklagten zum Verfahren beigezogen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Betriebsleiters ?G? und des Schichtführers ?C? der Stadtwerke ?E-Stadt? als Zeugen dafür, ob der Kläger im Streitjahr von der im einschlägigen Tarifvertrag eingeräumten Möglichkeit eines Freizeitausgleichs Gebrauch gemacht hat bzw. ob er auf Grund der betrieblichen Verhältnisse überhaupt von dieser Möglichkeit Gebrauch machen konnte. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird verwiesen.

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1999 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung ?FGO-). Das FA hat zu Unrecht Zuschläge, die der Kläger für von ihm an Wochenfeiertagen geleistete Arbeit erhalten
hat, nicht gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 3 EStG steuerfrei belassen. Nach dieser Regelung sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Arbeit an Feiertagen neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, soweit sie 125 v. H. des Grundlohns nicht übersteigen.

Entgegen der Auffassung des FA sind im Streitfall die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 3 b Abs. 1 Nr. 3 EStG erfüllt. Zu Unrecht beruft sich das FA im Streitfall auf Abschnitt 30 Abs. 1 Satz 5 der im Streitjahr maßgeblichen Lohnsteuerrichtlinien, wonach
Zahlungen zur Abgeltung eines Freizeitausgleichs nicht nach § 3 b EStG begünstigt sind. Der Ausschluss der Steuerfreiheit bei Abgeltung eines Freizeitanspruchs in den Lohnsteuerrichtlinien beruht offensichtlich auf dem Urteil des BFH vom 18. September 1981 VI R 44/77 (BStBl II 1981, 801, BFHE 134, 149). In dieser Entscheidung vertritt der BFH die Auffassung, die Abgeltung eines dem Arbeitnehmer tarifvertraglich zustehenden freien Tages für geleistete Feiertagsarbeit durch Zahlung einer entsprechenden Vergütung sei deshalb nicht steuerfrei, weil es sich bei einer solchen Gestaltung nicht um eine zusätzliche Entlohnung für Feiertagsarbeit handele, sondern nur um eine Entlohnung dafür, dass der Arbeitnehmer an einem an sich freien Tag arbeitete. Auf den Anlass, auf den der freie Tag zurückzuführen sei, solle es dabei nicht ankommen. Zwar sei die zusätzliche Vergütung durch die Feiertagsarbeit ausgelöst worden, jedoch sei die Verbindung zwischen der Feiertagsarbeit und der zusätzlichen Vergütung für die Arbeit an den für die Feiertagsarbeit gewährten freien Tagen so gelockert, dass von einem Zuschlag zur Feiertagsarbeit nicht mehr gesprochen werden könne.

Es kann dahinstehen, ob der vom BFH im Urteil VI R 44/77 vertretenen Rechtsauffassung gefolgt werden kann, jedenfalls unterscheidet sich der der Entscheidung des BFH zu Grunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt von dem vorliegenden Streitfall. Während in dem vom BFH entschiedenen Fall der maßgebliche Tarifvertrag die Regelung
enthielt, dass dem Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen als Ausgleich für die Beschäftigung an Feiertagen ein zusätzlich freier Tag unter Fortzahlung des Lohnes oder Gehaltes zustand, ist nach dem für den Streitfall maßgeblichen Tarifvertrag der Anspruch auf Freizeitausgleich bei dienstplanmäßiger Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag davon abhängig, dass der Arbeitnehmer einen solchen Ausgleich beantragt. Darüber hinaus soll dem Antrag auch nur entsprochen werden, wenn es die dienstlichen oder betrieblichen
Verhältnisse zulassen. Diese Regelung im Tarifvertrag hat nach Auffassung des Senats zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, der keinen Freizeitausgleich beantragt und erhält, nach wie vor für die von ihm an Wochenfeiertagen geleistete Arbeit den in § 22 Abs. 1 Satz 2 c) aa) BMT-G II vorgesehenen Zeitzuschlag von 135 v. H. beanspruchen
kann. In diesem Fall erhält er gemäß Tarifvertrag den Zeitzuschlag von 135 v. H. für die tatsächlich von ihm geleistete Arbeit an Wochenfeiertagen.

Das Gericht vermag sich nicht der vom Bundesminister der Finanzen (BMF) in seinem Schreiben vom 16.01.1999 ? IV C 5-S 2343-2/99 ? vertretenen Auffassung anzuschließen, dass in jedem Fall nur der Zuschlag von 35 v. H. für tatsächlich geleistete Feiertagsarbeit
gezahlt werde, der Erhöhungsbetrag für 100 v. H. hingegen eine Entschädigung für den nicht erhaltenen Freizeitausgleich darstellen soll, wobei es nach Auffassung des BMF offensichtlich nur darauf ankommen soll, ob der freie Tag in Anspruch genommen werden könnte. Nach Auffassung des Senats bleiben die Zuschläge auch dann Gegenleistung für Arbeit an Wochenfeiertagen, wenn, wie im Streitfall, abstrakt die Möglichkeit besteht, auf Antrag statt der Zuschläge Freizeitausgleich zu erhalten. Dass der Kläger bei seinem Vorgesetzten mündlich einen Anspruch auf Freizeitausgleich angemeldet
hat, ihm jedoch zumeist gleichzeitig von seinem Vorgesetzten bedeutet wurde, dass auf Grund der betrieblichen Gegebenheiten keine Möglichkeit bestehe, den Tag abzufeiern ? ein Umstand der von dem Zeugen ?C? bestätigt wurde ? führt deshalb nicht zu der Annahme, dass sich damit der nach § 22 des Tarifvertrages bestehende Anspruch auf
Zahlung eines erhöhten Zeitzuschlages bereits in einen Anspruch auf Freizeitausgleich mit reduziertem Zeitzuschlag gewandelt hat mit der Folge, dass dessen Abgeltung mit der tatsächlich geleisteten Feiertagsarbeit nur noch in mittelbarem Zusammenhang stehen
würde. Ein gegebenenfalls durch Barzahlung ablösbarer Anspruch auf Freizeitausgleich kann vielmehr nach Auffassung des Senats erst dann angenommen werden, wenn der Arbeitgeber die Bereitschaft bekundet, dem Antrag auf Freizeitausgleich auch tatsächlich entsprechen zu wollen.

Für den Streitfall bedeutet dies, dass die vom Kläger geleisteten Zeitzuschläge nach § 3 b Abs. 1 Nr. 3 EStG i. H. v. 125 v. H. steuerfrei sind. Da der Arbeitgeber des Klägers die Zuschläge bereits in einem Umfang von 35 v. H. steuerfrei belassen hat, sind weitere 90
v. H. steuerfrei zu stellen. Der Kläger hat auf entsprechenden Hinweis des Gerichts seinen Klageantrag auch eingeschränkt. In Folge eines offensichtlichen Rechenfehlers hat er jedoch in der mündlichen Verhandlung die Zugrundelegung eines niedrigeren Arbeitslohns
als im ursprünglichen Klageantrag (Schreiben vom 09.08.2001) beantragt. Der Senat legt daher den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag dahingehend aus, dass die Steuerfestsetzung unter Zugrundelegung eines um 69 DM (10 v. H. von 689,75 DM) höheren
Bruttoarbeitslohns gegenüber dem ursprünglichen Klageantrag vom Kläger gewollt ist.

Danach war die Einkommensteuer wie folgt festzusetzen:

zu versteuerndes Einkommen lt. Bescheid vom 07.04.2000 55.769 DM
abzüglich steuerfreier Betrag nach § 3 b Abs. 1 Nr. 3 EStG ./. 621 DM
zu versteuerndes Einkommen danach 55.148 DM
Steuer darauf 12.662 DM
entspricht 6.473,98 ?

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Bis zur Beweisaufnahme waren die Kosten entsprechend § 136 Abs. 1 Satz 1 verhältnismäßig zu teilen; ab Beweisaufnahme folgt die Kostenpflicht aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, da die Klärung der Rechtsfrage, in welchem Umfang Zeitzuschläge für Feiertagsarbeit steuerfrei sind, wenn vom Arbeitnehmer statt dessen auch ein Freizeitausgleich beantragt werden kann, für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung ist.

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