Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

24.07.2002 · IWW-Abrufnummer 020798

Amtsgericht Rastatt: Urteil vom 22.11.2001 – 1 C 325/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer:
1 C 325/01

verkündet am 22.11.2001

Amtsgericht Rastatt

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Rastatt auf die mündliche Verhandlung vom 26.10.2001 durch Richter am Amtsgericht

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger kann eine Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten abwenden durch Sicherheitsleistung i. H. v. DM 400,--, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Ärztin. Am 30.06.00 begab sich der Beklagte zu einem Untersuchungstermin zu der Klägerin, wobei insbesondere eine Vorsorgeuntersuchung (Ganzkörperstatus) durchgeführt wurde.

Die Klägerin erstellte am 16.08. für die am 30.06.00 erbrachten Leistungen eine Rechnung über einen Betrag i. H. v. DM 183,41. Diese Rechnung wurde von dem Beklagten nicht bezahlt.

Die Klägerin hält die in der Rechnung vom 16.08.00 ausgewiesene Honorarforderung für berechtigt und beantragt

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin DM 183,41 nebst 5 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Der Beklagte erhebt verschiedene Einwendungen gegenüber der klägerischen Forderung.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Angaben der Beteiligten im Termin vom 26.10.01 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht eine Honorarforderung i. H. v. DM 183,41 wegen der Behandlung des Beklagten vom 30.06.00 jedenfalls zum derzeitigen Zeitpunkt nicht zu.

1. Die Honorarforderung der Klägerin ist jedenfalls nicht fällig. Gem. § 614 Satz 1 BGB ist die Honorarforderung eines Arztes erst nach Erbringen der ärztlichen Leistungen fällig. Die Klägerin hat vertraglich vereinbarten Dienstleistungen gegenüber dem Beklagten nicht vollständig erbracht. Sie hat zwar eine Untersuchung des Klägers am 30.06.00 durchgeführt; es fehlt jedoch die erforderliche Besprechung der Untersuchungsergebnisse und Beratung des Klägers im Hinblick auf diese Untersuchungsergebnisse. Beratung und Besprechung der ärztlichen Untersuchungsergebnisse gehören, jedenfalls bei einer Vorsorgeuntersuchung, zu den zu erbringenden ärztlichen Leistungen dazu. Für die - bisher - unvollständige Leistung kann die Klägerin (noch) keine Vergütung verlangen. Gem. § 614 Satz 1 BGB wird die Vergütung - insgesamt - erst fällig, wenn die Leistung vollständig erbracht ist.

Die Klägerin hat bei dem Beklagten ein Wirbelsäulen-Syndrom, Adipositas und Dystonie festgestellt. Diese Diagnosen ergeben sich aus der Rechnung vom 16.08.00. Zu einer ärztlichen Untersuchung gehört für den Patienten dazu, was diese Diagnosen für das weitere Leben des Patienten und für seine Lebensführung bedeuten. Es gehört weiterhin dazu, welche Auswirkungen bestimmte Verhaltensweisen oder bestimmte Veränderungen in der Lebensführung des Patienten haben können. Zu den von der Klägerin veranlaßten Laboruntersuchungen wäre erforderlich gewesen eine Besprechung und Erörterung, was die konkreten Werte bedeuten und wie sie zu bewerten und einzuordnen sind im Vergleich zu ggf. bestimmten Normal- oder Idealwerten. Auch zur Besprechung der Laborwerte gehört grundsätzlich eine Erörterung der Frage, welche Auswirkungen bestimmte Verhaltensweisen des Patienten in seinem Leben im Hinblick auf eine eventuelle Verbesserung oder Verschlechterung der Werte in der Zukunft haben. Eine solche Erörterung der Laborwerte ist insbesondere dann erforderlich, wenn sich 2 Werte- wie der Kläger - Vertreterin im Termin vom 26.10.01 angeben - außerhalb des üblichen Normalbereiches befinden. (Wenn einer dieser Werte trotz der Abweichung vom üblichen Referenzbereich im konkreten Fall wegen der besonderen Konstitution des Beklagten nicht zu beanstanden sein sollte, wäre dies im Beratungsgespräch dem Patienten zu erläutern.)

Diese erforderliche Besprechungen und Beratungen zu der durchgeführten Untersuchung hat die Klägerin auch nach ihrem eigenen Sachvortrag nicht durchgeführt, Hieraus ergibt sich die Unvollständigkeit der erbrachten Leistungen, wobei in diesem Zusammenhang - im Hinblick auf § 614 Satz 1 BGB - dahinstehen kann, ob im Zusammenhang mit der durchzuführenden Beratung und Besprechung ggf. für die Klägerin noch die Möglichkeit bestanden hätte, eine zusätzliche Leistungsziffer nach der GOÄ abzurechnen.

2. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, unterliege der ärztlichen Freiheit, festzustellen, inwieweit im konkreten Fall Behandlungsbedarf bestehe. Denn es geht im vorliegenden Fall nicht um die Frage, inwieweit bestimmte ärztliche Behandlungsmaßnahmen hätten erfolgen müssen. Der Besprechungs- und Beratungsbedarf als Teil der vertraglich vereinbarten ärztlichen Dienstleistungen bestand für den Beklagten als Patienten auch dann, wenn keine konkrete ärztliche Behandlung erforderlich gewesen sein sollte. Hinsichtlich der erforderlichen Besprechung und Beratung kann es - im Gegensatz zur grundsätzlich gegebenen ärztlichen Therapiefreiheit - nicht der völlig freien Entscheidung der Klägerin unterliegen, ob sie überhaupt einen Bedarf zur Erläuterung und Besprechung der Untersuchungsergebnisse sieht. Vielmehr kann sich der Besprechungsbedarf nach einer ärztlichen Untersuchung grundsätzlich nur richten nach den üblichen und normalen Bedürfnissen eines Patienten, der sich eine Untersuchung unterzieht, um bestimmte Informationen über seinen Gesundheitszustand zu erhalten. Insoweit kann im vorliegenden Fall kein Zweifel daran bestehen, daß die oben (1) dargelegten Besprechungs- und Beratungsleistungen, die die Klägerin bisher nicht erbracht hat, üblicherweise von einem Patienten erwartet werden. Gerade eine Vorsorgeuntersuchung ist für einen Patienten wenig hilfreich, wenn eine Besprechung der Ergebnisse, die einerseits dem Verständnis der Ergebnisse für den Patienten und andererseits der Erläuterung der Auswirkungen bestimmter Verhaltensweisen in der Lebensführung dient, fehlt.

3. Die Unvollständigkeit der von der Klägerin erbrachten Leistungen ergibt sich im vorliegenden Fall auch unmittelbar aus Ziff. 29 GOÄ. In dieser - von der Klägerin abgerechneten - Gebührenziffer ist ausdrücklich vorgesehen, daß zu der fraglichen Gesundheitsuntersuchung eine ?Erörterung des individuellen Risikoprofils und verhaltensmedizinisch orientierte Beratung? gehören. Dem Sachvortrag der Klägerin im Rechtsstreit läßt sich jedoch nicht entnehmen, daß das individuelle Risikoprofil des Beklagten erörtert wurde und daß eine verhaltensmedizinische Beratung stattgefunden hätte.

4. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist es ohne Bedeutung, ob die Parteien - wie der Beklagte behauptet- ursprünglich ausdrücklich, mündlich vereinbart hatten, daß ärztliche Folgetermine jeweils samstags in der Praxis der Klägerin stattfinden sollten. Entscheidend ist allein die Unvollständigkeit der bisher von der Klägerin erbrachten Leistungen. Daß die Klägerin mit dem Beklagten einen bestimmten Termin vereinbart hätte - oder einen bestimmten Termin angeboten hätte - zur Vervollständigung ihrer Leistungen (Besprechung und Beratung), ist von der Klägerin im Rechtsstreit nicht vorgetragen.

5. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, daß sie als Ärztin berechtigt sei, Teilleistungen abzurechnen. Zwar ist bei ärztlichen Leistungen anerkannt, daß bei langwierigen Erkrankungen auch Zwischenrechnungen erteilt werden können (vgI. Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen 2. AufI. § 12 GOÄ Anmerkung 2 Seite 133). Dies ändert jedoch für diese Zwischenrechnungen nichts an der Geltung von § 614 Satz 1 BGB. Das heißt, auch bei einer Zwischenrechnung hängt die Fälligkeit der Vergütung davon ab, daß gem. § 614 Satz 1 BGB jedenfalls für den betreffenden Behandlungsabschnitt die Dienste des Arztes vollständig erbracht sind. Hieran fehlt es vorliegend, da zum einen zu einer ärztlichen Untersuchung grundsätzlich die erforderliche Besprechung und Erörterung der Untersuchungsergebnisse dazugehört und da zum anderen sich die Unvollständigkeit unmittelbar aus dem Tatbestand von Ziff. 29 GOÄ ergibt (siehe oben).

6. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, der Beklagte habe auf eine Beratung und Besprechung der Ergebnisse verzichtet, es sei ausreichend gewesen, wenn die Klägerin der Lebensgefährtin des Beklagten mitgeteilt habe, daß kein Behandlungsbedarf bestehe. Für einen solchen Verzicht der Beklagten auf die - grundsätzlich erforderliche - persönliche Besprechung der Ergebnisse wäre die Klägerin beweispflichtig. Die Klägerin hat hierfür jedoch keinen Beweis angeboten und ist daher insoweit als beweislos zu behandeln. Soweit der Beklagte im Termin vom 26.10.01 eingeräumt hat, es sei vereinbart gewesen, daß sich die Klägerin bei einem dringenden Problem nach Vorliegen der Laborwerte auch an die Lebensgefährtin des Beklagten wenden könne, ergibt sich daraus kein Verzicht des Beklagten auf die erforderliche persönliche Besprechung.

7. Soweit der Schriftsatz der Klägervertreterin vom 07.11.2001 neuen Sachvortrag enthält (von der Klägerin behauptete Hinweise gegenüber dem Beklagten während der Untersuchung am 30.06.00 zu Arbeitsbelastung Entspannungstechniken und Ernährungsgewohnheiten), konnte dieser ergänzende Sachvortrag gem. § 296 a ZPO keine Berücksichtigung finden, da er nach Schluß der mündlichen Verhandlung erfolgt ist. Für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bestand nach dem Ermessen des Gerichts kein Anlaß (§ 156 ZPO ).

Ergänzend ist insoweit allerdings darauf hinzuweisen, daß auch eine Berücksichtigung dieses ergänzenden Vorbringens der Klägerin am Ergebnis des Rechtsstreits - insbesondere im Zusammenhang mit der Anamnese - können eine zusammenhängende und vollständige - an den Fragen und am Verständnishorizont des Patienten orientierte - Besprechung der Untersuchungsergebnisse nach Abschluß der eigentliche Untersuchung nicht ersetzen.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr