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09.04.2002 · IWW-Abrufnummer 020417

Landgericht Potsdam: Beschluss vom 14.03.2001 – 24 Qs 40/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Potsdam

Beschluss

In der Strafsache pp

wegen Trunkenheit im Verkehr

hat die 4. große Strafkammer des Landgerichts Potsdam durch xxx

am 14. März 2001 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 12. Februar 2001 aufgehoben.

Gründe:
Mit Beschluss vom 12. Februar 2001 hat das Amtsgericht Nauen dem Beschuldigten gemäß § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis habe der Beschuldigte am 13. Januar 2001 gegen 7.50 Uhr die Ortsverbindungsstraße von Berge nach Paulinenaue mit dem Pkw Opel, amtliches Kennzeichen: XXX befahren, obwohl er alkoholbedingt fahruntüchtig gewesen sei. Der Blutalkoholgehalt habe zur Tatzeit gemäß Befundbericht des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin vom 17. Januar 2001 im Probenmittelwert 1,53 mg/g betragen.
Da der Beschuldigte eines Vergehens nach § 316 StGB verdächtig sei, seien dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass ihm in einer späteren Hauptverhandlung die Fahrerlaubnis entzogen werde. Deshalb sei zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor weiterer Gefährdung durch den Beschuldigten erforderlich, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Das Amtsgericht hat in seiner Entscheidung zugleich die ? am 13. Januar 2001 erfolgte ? Beschlagnahme des Führerscheins bestätigt.

Gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 12. Februar 2001 wendet sich der Beschuldigte mit seiner Beschwerde vom 19. Februar 2001, nachdem er bereits am 16. Januar 2001 Widerspruch gegen die Sicherstellung es Führerscheins eingelegt hatte.

Zu ihrer Begründung trägt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, zu seinen Gunsten habe eine notstandsähnliche Lage vorgelegen, die letztlich die Entziehung der Fahrerlaubnis im Hauptverfahren zweifelhaft oder zumindest nicht hinreichend sicher erscheinen lasse. Die Trunkenheitsfahrt vom 13. Januar 2001 sei auf eine untypische, bei Trinkbeginn von ihm nicht vorhersehbare Situation zurückzuführen. Bedingt durch einen Anruf seiner Tochter, die am frühen Morgen bei Fahrbahnglätte mit ihrem Pkw von der Straße abgekommen sei, sich mit diesem überschlagen hatte und den Beschuldigten ? noch im Fahrzeug eingeschlossen ? angerufen habe, sei er in Unkenntnis des noch vorhandenen Restalkoholpegels seiner Tochter sofort zur Hilfe geeilt. Am Unfallort habe er dann mit den in der Folge anwesenden Polizeibeamten die Bergung seiner Tochter durchgeführt, die dann ins nächste Klinikum verbracht worden sei. Auf dem Rückweg sei er dann durch einen Funkstreifenwagen angehalten und zur Atemalkoholprobe gebeten worden. In der Folge sei die Fahrerlaubnis dann einbehalten worden. Das Vergehen der Trunkenheitsfahrt sei nach diesem Sachverhalt nicht auf eine charakterliche Unzuverlässigkeit zurückzuführen. Er ? der Beschwerdeführer ? habe lediglich die Maßnahmen ergriffen, die vermutlich jeder Elternteil aus Sorge um seine im Fahrzeug eingeschlossene Tochter ergriffen hätte.

?Hilfsweise? trägt der Beschwerdeführer vor, von der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis seien die Fahrerlaubnisklassen C und CE auszunehmen. Auf die Aufrechterhaltung der Fahrerlaubnis insoweit sei er als Besatzungsmitglied eines Müllfahrzeugs angewiesen. Eine Gefährdung der Allgemeinheit sei durch die innerbetrieblich gewährleistete Kontrolle sowie die geringe Fahrgeschwindigkeit und der Art der Fahrten nicht zu befürchten.

Der angefochtene Beschluss war auf die gemäß § 304 ff. StPO zulässige Beschwerde des Beschuldigen aufzuheben.

Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand liegen die Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO nicht vor.

Zwar ist der Beschuldigte zumindest eines fahrlässig begangenen Vergehens der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB) dringend verdächtig, da er seinen Pkw auf öffentlichen Straßen lenkte, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht mehr in der Lage war, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher zu führen. Dies hätte er auch erkennen können, zumal jedem Kraftfahrer die Gefahren des Alkohols bekannt sind und er sich grundsätzlich auch über die Bedeutung des Restalkohols zu vergewissern hat (Tröndle/Fischer, StGB, § 316 Rdnr. 9c m.w.N.)

Der Beschuldigte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Fahrt zur Unfallstelle unter dem Gesichtspunkt des rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB) gerechtfertigt war. Auch der Schuldausschließungsgrund des § 35 StGB greift zu seinen Gunsten nicht ein. Der Beschwerdeführer hatte nach seiner eigenen Einlassung die Rettungskräfte bereits vor Fahrtantritt alarmiert. Er konnte deshalb seiner Tochter keine weiter gehende Hilfe mehr zukommen lassen.

Trotz des dringenden Tatversachts hinsichtlich eines Vergehens der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr ist von einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis jedoch abzusehen, da besondere Umstände vorliegen, die der Annahme eines Regelfalls, § 69 Abs. 2 StGB, entgegenstehen.
Die Kammer hat nicht verkannt, dass besondere Umstände, die den Fall als Ausnahme erscheinen lassen, nur anzuwenden sind, wenn sie sich von den Tatumständen des Durchschnittsfalls deutlich abheben (Tröndle/Fischer, StGB, § 69 Rdnr. 12a m.w.N.). Maßgebliches Kriterium ist hierbei, dass die Gefahr zukünftiger Verkehrsstraftaten auch nach einer Trunkenheitsfahrt, die in der Regel eine bedenkliche Charakterschwäche erkennen lässt und damit den Schluss für die Gefahr neuer Verkehrsstraftaten rechtfertigt, ausgeschlossen werden kann. Eine derartige Ungeeignetheit und die damit verbundene Gefahr für die Allgemeinheit durch neue Verkehrsstraftaten kann jedoch beim Beschuldigten aufgrund der Fahrt zur Unfallstelle nicht festgestellt werden, vielmehr ist bei vorläufiger Betrachtung des Geschehens nach dem derzeitigen Ermittlungsstand davon auszugehen, dass es sich lediglich um ein einmaliges, menschlich nachvollziehbares Versagen im Straßenverkehr handelte, das die charakterliche Zuverlässigkeit des Beschuldigten als Kraftfahrzeugführer im Straßenverkehr nicht in Frage stellt und ihn zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht ungeeignet macht (zur Fahrt zum Unfallort eines nahen Angehörigen als Ausnahme vom Regelfall der Ungeeignetheit gemäß § 69 Abs. 2 StGB bgl. Landgericht Heilbronn DAR 87, S. 29).
Der Beschwerdeführer konnte nicht damit rechnen und hat daran auch nicht gedacht, dass er am Tattag frühmorgens im Anschluss an seinen am Abend vorher erfolgten Alkoholkonsum noch einmal ein Kraftfahrzeug führen würde. Es war Wochenende und der Beschuldigte hätte bei gewöhnlichem Ablauf ausgeschlafen. Die Nachricht von Unfall seiner Tochter, die sich mit ihrem Fahrzeug überschlagen hatte, kam für ihn völlig überraschend. Zwar hätte die Möglichkeit bestanden, sich durch ein Taxi zur Unfallstelle bringen zu lassen. Nach Ansicht der Kammer ist es aber in dieser ungewöhnlichen Situation zumindest verständlich, dass sich der Beschuldigte auf eine derartig zeitraubende Alternative nicht einlassen wollte, sondern so schnell als möglich versuchte, zur Unfallstelle zu gelangen, um nach seiner verletzten Tochter zu sehen und sich um sie zu kümmern.
Angesichts dieser besonderen Umstände ist ihm auch nicht vorzuwerfen, dass er den PKW nicht von seiner Ehefrau, die ebenfalls eine Fahrerlaubnis besitzt, führen ließ ? abgesehen davon, dass keine Erkenntnisse darüber vorliegen, ob diese nicht auch unter Alkoholeinfluss stand. Auch die kurze Fahrt des Beschuldigten vom Unfallort nach Hause führt nicht zu der Annahme, es habe sich nicht um ein einmaliges Versagen im Straßenverkehr gehandelt, das seine charakterliche Zuverlässigkeit als Kraftfahrzeugführer nicht in Frage stellt. Hier ist ebenfalls der Ausnahmecharakter der Gesamtsituation sowie des Umstandes zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte noch unter dem Eindruck des ? glücklicherweise glimpflich verlaufenen ? schweren Unfalls einer Tochter stand. Hinzu kommt, dass nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen seine Fahrunsicherheit nicht den Grad erreicht hat, dass Erkenntnisse über Fahrfehler oder konkrete Gefährdungen anderer Verkehrsteilnehmer vorliegen. So hat der Arzt, der die Blutentnahme durchführte, lediglich festgestellt, dass der Beschuldigte leicht unter Alkoholeinfluss gestanden habe.
Für den Fall, dass das erstinstanzliche Gericht bei einer Verurteilung nach § 316 StGB die Fahrerlaubnis nicht entzieht, wird es in der Regel nach § 44 Abs. 1 StGB ein empfindliches Fahrverbot verhängen. Dem Beschuldigten wird daher das Pflichtwidrige seines Tuns noch einmal deutlich vor Augen geführt werden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Beschuldigte die erforderlichen Lehren aus dem Vorfall dergestalt ziehen wird, dass er sich bei ähnlichen Ausnahmesituationen
zukünftig im Straßenverkehr wie bisher als zuverlässiger, pflichtbewusster Kraftfahrer erweisen wird und insbesondere eine neue Trunkenheitsfahrt von ihm nicht zu befürchten ist.

RechtsgebieteStGB, StPOVorschriften§ 111a StPO, §§ 34, 35, 44, 69 Abs. 2, 316 Abs. 1 und 2 StGB

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