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21.11.2001 · IWW-Abrufnummer 011409

Oberlandesgericht Naumburg: Beschluss vom 02.05.2001 – 14 UF 183/00

Die Darlegungs- und Beweislast für eine unter Umständen fehlende Leistungsfähigkeit trifft nach der gesetzlichen Konzeption des § 1603 BGB, der als Ausschluss- bzw. Ausnahmetatbestand zur prinzipiell gegebenen Unterhaltspflicht auf Grund der §§ 1601, 1602 BGB geregelt ist, gleichsam negativ den Beklagten als Unterhaltsschuldner. Dies gilt jedenfalls uneingeschränkt soweit und solange, als die Unterhaltsforderung nicht über das existentiell unverzichtbare Minimum nach Maßgabe des durch § 1612b Abs. 5 BGB neuer Fassung modifizierten bzw. erhöhten Regelbetrages nach der Regelbetrags-Verordnung zu § 1612a BGB hinausgeht.

Für einen entsprechenden Unterhaltsbedarf des minderjährigen Kindes nach § 1610 BGB besteht auf Grund der vorbezeichneten Vorschriften eine gesetzliche Vermutung.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG
BESCHLUSS

14 UF 183/00 OLG Naumburg
29 F 9140/99 AG Magdeburg

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Hahn als Vorsitzende, den Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert und den Richter am Landgericht Materlik am

02. Mai 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 7.104,00 DM festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Beklagten, ihm zur Durchführung der Berufung gegen den Ausspruch in der Folgesache Kindesunterhalt, Ziffer 3 des Tenors, des Scheidungsverbundsurteils des Amtsgerichts Magdeburg vom 23.08.2000. Az.: 29 F 9140/99, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist nicht begründet.

Denn die Voraussetzungen, nach denen einer Partei gemäß § 114 ZPO Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, liegen nicht vor. Die beabsichtigte Berufung hat nämlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht der Klage auf Zahlung des geltend gemachten Mindestunterhalts für die gemeinsamen Kinder der Parteien, A. , geboren am 05.11.1983, und F. , geboren am 22.05.1991, stattgegeben und den Beklagten - ab Rechtskraft der Scheidung - zur Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente in Höhe von 330,00 DM für A. sowie einer solchen in Höhe von 262,00 DM für F. , jeweils zu Händen der insoweit in Prozessstandschaft (§ 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB) klagenden Kindesmutter, verurteilt.

Der Senat schließt sich nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage den überzeugenden Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Amtsgerichts Magdeburg vom 23.08.2000 (Bl. 62 bis 67 d.A.) Bezug.

Auch durch das Vorbringen des Beklagten zur Begründung seiner beabsichtigten Berufung wird die erstinstanzliche Entscheidung betreffend die Folgesache Kindesunterhalt nicht in Frage gestellt.

Der Beklagte hat nach wie vor nicht hinreichend dargelegt, zur Zahlung des Mindestunterhalts für die minderjährigen Kinder nicht in der Lage zu sein.

1.

Zum einen ist zu beachten, dass das Amtsgericht nur unter Abzug des hälftigen staatlichen Kindergeldes zu den als Mindestunterhalt zuerkannten Beträgen von 330,00 DM bzw. 262,00 DM gelangt ist.

Unter Berücksichtigung der Änderung des § 1612 b Abs. 5 BGB durch das Gesetz zur Änderung des Kinderunterhaltsrechts vom 2. November 2000 (BGBl. I, S. 1479 f., Art. 1 Nr. 2, Art. 5 Abs. 2) schuldet der Beklagte jedoch ab dem 01.01.2001 seinen minderjährigen Kindern einen erhöhten Mindestunterhalt von 135 % des Regelbetrages der zweiten bzw. dritten Altersstufe im Beitrittsgebiet, nämlich 135 % von 392,00 DM = aufgerundet 530,00 DM gemäß § 1612 a Abs. 2 Satz 2 BGB abzüglich des hälftigen Kindergeldes = 135,00 DM = 395,00 DM für F. sowie hinsichtlich der dritten Altersstufe 135 % von 465,00 DM = aufgerundet 628,00 DM gemäß § 1612 a Abs. 2 Satz 2 BGB abzüglich des hälftigen Kindergeldes gemäß § 1612 b Abs. 1 BGB in Höhe von 135,00 DM = 493,00 DM für A. .

Daraus folgt, dass der ab dem 01.01.2001 den minderjährigen Kindern des Beklagten, an deren Bedürftigkeit keinerlei Zweifel bestehen, grundsätzlich zustehende Mindestunterhalt weit höher ist als der erstinstanzlich zuerkannte.

2.

Zum anderen ist der Beklagte, wie das Amtsgericht bereits zutreffenderweise ausgeführt hat, auch zur Zahlung des zugesprochenen niedrigeren Unterhalts leistungsfähig, weil er sich zumindest so behandeln lassen muss, als verfüge er über entsprechende Einkünfte.

Der Beklagte unterliegt nämlich zur Sicherstellung des gesetzlichen Mindestunterhalts gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit, die sich auch, sofern nötig, bei einem vollschichtig Erwerbstätigen auf die Aufnahme einer geeigneten Nebentätigkeit erstreckt (OLG Hamm, FamRZ 2000, 1178 m. w. N.).

Die diesbezügliche - bislang nicht erfüllte - Darlegungs- und Beweislast für eine unter Umständen fehlende Leistungsfähigkeit trifft nach der gesetzlichen Konzeption des § 1603 BGB, der als Ausschluss- bzw. Ausnahmetatbestand zur prinzipiell gegebenen Unterhaltspflicht auf Grund der §§ 1601, 1602 BGB geregelt ist, gleichsam negativ den Beklagten als Unterhaltsschuldner. Dies gilt jedenfalls uneingeschränkt soweit und solange, als die Unterhaltsforderung nicht über das existentiell unverzichtbare Minimum nach Maßgabe des durch § 1612 b Abs. 5 BGB neuer Fassung modifizierten bzw. erhöhten Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu § 1612 a BGB hinausgeht. Denn für einen entsprechenden Unterhaltsbedarf des minderjährigen Kindes nach § 1610 BGB besteht auf Grund der vorbezeichneten Vorschriften allemal eine gesetzliche Vermutung (ebenso: Vossenkämper, FamRZ 2000, 1547, 1551 sub X; Gerhardt, FamRZ Nr.2/2001, 73 l. Sp. u.; Graba¸ NJW Nr. 4/2001, 249, 251 sub 3 c bb, 257 sub IV 2; Bundesrat, Pressemitteilung vom 29.09.2000, abgedruckt in: FF 2000, 211 f.; entsprechend für einen Bedarf bis zur Grenze des allgemeinen Existenzminimums auf der Grundlage des alten Rechts: OLG Stuttgart, FamRZ 2000, 376; OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 765, 766 mit zustim. Anm. Luthin; abweichend wohl Scholz, FamRZ 2000, 1542, 1545 f. sub III 3 d; für einen Bedarf in Höhe des Regelbetrages nach altem Recht: KG, FamRZ 2000, 1174, und FamRZ 2001, 114; OLG Karlsruhe, FamRZ 2000, 1077 und 1422), zumal die nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigerte Obliegenheit des Unterhaltspflichtigen zur optimalen Ausnutzung seiner Arbeitskraft sich nicht etwa auf den Mindestbedarf beschränkt, sondern den angemessenen Unterhalt des Kindes zum Ziele hat (so, mit weiteren Nachweisen, BGH, FamRZ 2000, 1358, 1359 sub II 2 c).

Auch bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit muss der Unterhaltsverpflichtete alles Zumutbare unternehmen, um durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit seine Leistungsfähigkeit wieder herzustellen. Die unternommenen Anstrengungen müssen im Unterhaltsprozess konkretisiert werden, und zwar durch eine nachprüfbare Aufstellung von Bewerbungen, die konkret auf die entsprechenden Stellenangebote zugeschnitten sein müssen; Blindbewerbungen reichen hierbei grundsätzlich nicht aus (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Aufl., § 1603 Rdnr. 38; Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 6. Aufl., Rdnr. 619).

Der arbeitslose Beklagte hat hier jedoch nicht substantiiert dargelegt, dass er alles Zumutbare unternommen hat, seine Leistungsfähigkeit wieder herzustellen. Grundsätzlich reicht die Meldung beim Arbeitsamt hierfür nicht aus. Ferner genügt es nicht, um der vorstehend näher beschriebenen gesteigerten Erwerbsobliegenheit Rechnung zu tragen, lediglich maschinenschriftlich erstellte Listen mit Anschriften von - angeblichen - Bewerbungsempfängern vorzulegen, ohne ein einziges schriftlich verfasstes Bewerbungsanschreiben einzureichen.

Eine Überprüfung der Ernsthaftigkeit der Arbeitsplatzsuche des Beklagten ist daher schon nicht möglich, insbesondere ist nicht auszuschließen, dass sich der Beklagte wahllos beworben haben könnte, ohne dass die jeweils in der vorgelegten Liste aufgeführten Arbeitgeber überhaupt eine geeignete freie Stelle angeboten hatten. Ferner lassen die eingereichten Listen selbst - ohne Vorlage der schriftlichen Stellenbewerbung - auch keinerlei Rückschlüsse auf die subjektive Arbeitsbereitschaft des Beklagten zu.

Des Weiteren obliegt es dem offensichtlich ortsungebundenen, vierzigjährigen Beklagten im Hinblick auf seine gesteigerte Unerhaltsverpflichtung seinen minderjährigen Kindern gegenüber, sich im gesamten Bundesgebiet, und nicht nur in der näheren Umgebung von Sch. oder im benachbarten Bundesland Niedersachsen, zu bewerben. Umstände jedoch, die einen Ortswechsel für den Beklagten als unzumutbar erscheinen ließen, wie z. B. fortgeschrittenes Alter oder eine neue Familie, sind demgegenüber nicht erkennbar.

Auch ist der Beklagte verpflichtet, zur Sicherung des Unterhaltsminimums gegebenenfalls auch Aushilfsarbeiten oder ähnliche Tätigkeiten - unter Umständen sogar im Geringverdienerbereich - aufzunehmen, die nicht zwingend mit dem Kraftfahrergewerbe zusammen hängen (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O., Rdnr. 57).

Anhaltspunkte jedoch, dass der Beklagte entsprechende Anstrengungen um einen Arbeitsplatz unternommen hat, sind weder von ihm vorgetragen noch ersichtlich.

Er hat sich daher fiktive Einkünfte aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit anrechnen zu lassen und ist so zu behandeln, als verfüge er über ein Einkommen, das zumindest für die Leistung des Regelbedarfs der minderjährigen Kinder A. und F. ausreichend ist.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der vom Amtsgericht erstinstanzlich ausgeurteilte Betrag in Höhe von 330,00 DM betreffend das minderjährige Kind A. auch unter - hälftiger - Anrechnung der von diesem bezogenen Ausbildungsvergütung (= 493,00 DM abzüglich 125,00 DM) von dem Beklagten entsprechend den vorstehenden Darlegungen zu zahlen ist.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 1 Abs. 1 GKG, § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 14, 17 GKG.

RechtsgebieteBGB, ZPO, GKGVorschriftenBGB § 1603 BGB § 1601 BGB § 1602 BGB § 1612b Abs. 5 BGB § 1612a BGB § 1610 BGB § 1612 a Abs. 2 Satz 2 BGB § 1612 b Abs. 1 BGB § 1603 Abs. 2 Satz 1 ZPO § 114 ZPO § 118 Abs. 1 Satz 4 GKG § 1 Abs. 1 GKG § 14 GKG § 17 Verfahrensgang: AG Magdeburg 29 F 9140/99

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