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17.10.2001 · IWW-Abrufnummer 011273

Oberlandesgericht Stuttgart: Beschluss vom 19.03.2001 – 17 WF 31/01

Leitsatz:

Im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger können Einwendungen gem. § 648 Abs. 2 ZPO nach Erlass des Festsetzungsbeschlusses durch das Amtsgericht nur noch mit der Korrekturklage gem. § 654 ZPO, nicht jedoch mit der sofortigen Beschwerde gem. § 652 Abs. 1 ZPO geltend gemacht werden.


Oberlandesgericht Stuttgart
- 17. Zivilsenat - Familiensenat -
Beschluß

Geschäftsnummer:
17 WF 31/01
3 FR 255/00
AG Waiblingen

vom 19. März 2001

In der Familiensache

wegen Kindesunterhalts

hier: Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren

hat der 17. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

der Vorsitzenden Richterin am OLG Dr. Häußermann,
des Richters am OLG Schwarz und
des Richters am OLG Stößer

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts Waiblingen - Familiengericht - vom 3. Januar 2001 (3 FR 255/00) wird auf Kosten des Antragsgegners als unzulässig verworfen

Beschwerdewert: DM 3.850,00

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist das Kind des Antragsgegners und begehrt von diesem die Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren gemäß §§ 645 ff. ZPO. Das nach einem rechtlichen Hinweis des Rechtspflegers beim Amtsgericht in abgeänderter Form eingereichte Antragsformular vom 8. November 2000 wurde dem Antragsgegner unter der Anschrift am 28. November 2000 durch Niederlegung zugestellt. Eine Erklärung des Antragsgegners ist nicht erfolgt. Durch Beschluß vom 3. Januar 2001 hat das Amtsgericht den begehrten Unterhalt wie beantragt festgesetzt. Der Beschluß ist dem Antragsgegner am 17. Januar 2000 wiederum durch Niederlegung unter der Anschrift zugestellt worden.

Mit einem beim Amtsgericht Waiblingen eingereichten Schriftsatz, welcher beim Oberlandesgericht am 29. Januar 2001 eingegangen ist, legt der Beklagte gegen die Unterhaltsfestsetzung Beschwerde ein und macht geltend, daß er leistungsunfähig sei.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist als sofortige Beschwerde gemäß § 652 Abs. 1 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht eingegangen. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht zulässig, weil die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß § 652 Abs. 2 ZPO nicht gewahrt werden.

Gemäß § 652 Abs. 2 ZPO können mit der sofortigen Beschwerde nur in beschränktem Umfang Einwendungen geltend gemacht werden, nämlich die in § 648 Abs. 1 ZPO bezeichneten Einwendungen, die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 648 Abs. 2 ZPO sowie die Unrichtigkeit der Kostenfestsetzung.

Die vom Antragsgegner behauptete Leistungsunfähigkeit stellt sich als Einwendung gemäß § 648 Abs. 2 Satz 3 ZPO dar.

In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob derartige Einwendungen erstmals im Beschwerdeverfahren erhoben werden können. Philippi in Zöller, 22. Aufl., § 652 ZPO RN 9, Coester-Waltjen in MünchKomm., 2. Aufl., § 652 ZPO RZ 6 (ohne Begründung) sowie OLG Stuttgart, 18. ZS, OLG-Report 2000, 401, 402 und OLG Bamberg FamRZ 2001, 108, 109 vertreten die Auffassung, daß im Beschwerdeverfahren Einwendungen gemäß § 648 ZPO auch dann zuzulassen seien, wenn diese im Anhörungsverfahren noch nicht erhoben wurden. Zur Begründung dieser Auffassung wird einerseits ausgeführt, daß die Beschwerdeinstanz eine Tatsacheninstanz darstelle und aus der Formulierung "Zulässigkeit von Einwendungen nach § 648 Abs. 2 ZPO" das Verbot neuen Tatsachenvortrags nicht abzuleiten sei (Zöller-Philippi a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.). Andererseits wird vertreten, daß für dieses Ergebnis eine teleologische Reduktion des § 652 Abs. 2 ZPO spreche. Zwar bestehe der Zweck des vereinfachten Verfahrens für den Unterhalt Minderjähriger darin, dem Minderjährigen auf schnelle und einfache Weise einen Unterhaltstitel zu verschaffen. Dieses Ziel erlaube gleichwohl nicht, dem Unterhaltsgläubiger einen mutmaßlich falschen Unterhaltstitel zu belassen und den Unterhaltsschuldner auf die Korrekturklage nach § 654 ZPO zu verweisen.

Dagegen vertreten in der Literatur Rühl/Greßmann, Kindesunterhaltsgesetz, RN 263; Musielak/Borth, 2. Aufl., § 648 ZPO Anm. 9 sowie Thomas/Putzo, 21. Aufl., § 652 ZPO RZ 3 unter Hinweis auf den Wortlaut und die Motive des Gesetzgebers (Bundestagsdrucksache 13/7338, Seite 42), ebenso wie OLG Köln FamRZ 2000, 680; OLG Naumburg, FamRZ 2000, 901 (Leitsatz) und OLG Hamm FamRZ 2000, 901 die Auffassung, daß § 652 Abs. 2 ZPO für die sofortige Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluß im vereinfachten Verfahren eine zusätzliche Zulässigkeitsvoraussetzung enthalte. Deshalb bestehe bezüglich der Einwendungen nach § 648 Abs. 2 ZPO das Erfordernis, daß das Amtsgericht einen bereits erstinstanzlich erhobenen Einwand zu Unrecht als unzulässig behandelt hat.

Für letztere Auffassung spricht der Wortlaut des § 652 Abs. 2 ZPO. Die Vorschrift läßt nämlich einerseits sämtliche Einwendungen gemäß § 648 Abs. 1 ZPO zu, beschränkt aber andererseits Einwendungen gemäß § 648 Abs. 2 ZPO auf die "Zulässigkeit". Dieser vom Gesetzgeber vorgesehene Unterschied kann nur so verstanden werden, daß Einwendungen gemäß § 648 Abs. 1 ZPO im Beschwerdeverfahren uneingeschränkt vorgebracht werden können, während bei Einwendungen nach § 648 Abs. 2 ZPO Voraussetzung ist, daß sie in erster Instanz als unzulässig zurückgewiesen wurden.

Eine teleologische Reduktion des Normkomplexes auf eine Zulässigkeit der erstmaligen Einwendung mangelnder Leistungsfähigkeit im Beschwerdeverfahren ist nicht zwingend. Der dem vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger immanente Beschleunigungsgrundsatz findet in § 648 Abs. 3 ZPO seinen Niederschlag, wonach Einwendungen sogar im Verfahren erster Instanz nur dann zu berücksichtigen sind, wenn der Festsetzungsbeschluß noch nicht verfügt ist. Diese Vorschrift würde aber weitgehend ausgehebelt, wenn es dem Schuldner unbenommen bliebe, im Verfahren über die sofortige Beschwerde gemäß § 652 ZPO unbegrenzt Einwendungen vorzubringen.

Die Konsequenz einer dadurch ausgelösten grundsätzlichen Aushöhlung des vereinfachten Verfahrens kann nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, daß das Verfahren nur um wenige Wochen verzögert würde (so OLG Bamberg a.a.O. Seite 109). Ungeachtet dessen, daß die Annahme einer Verzögerung von nur wenigen Wochen durchaus optimistisch ist und auch einige Monate betragen kann, widerspräche die Zulassung des erstmaligen Vorbringens von Einwendungen gemäß § 648 Abs. 2 ZPO dem Normzweck grundsätzlich. Auch bedarf es keiner Korrektur des Normzwecks wegen der besonderen Interessenlage der Parteien (so OLG Stuttgart, 18. Zivilsenat, a.a.O. Seite 402). Denn es ist dem säumig gebliebenen Unterhaltsschuldner zuzumuten, einen falschen Unterhaltstitel mit der Korrekturklage gemäß § 654 ZPO anzugreifen. Er sieht sich in einem derartigen Verfahren auch nicht schutzlos der Zwangsvollstreckung aus einem falschen Unterhaltstitel ausgesetzt, da er bei entsprechendem Vortrag im Verfahren der Korrekturklage die teilweise oder vollständige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 707 ZPO analog erreichen kann.

Nachdem die vom Antragsgegner nunmehr vorgebrachten Einwendungen im Festsetzungsbeschluß nicht als unzulässig zurückgewiesen wurden, ist die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zu verwerfen.

RechtsgebietZPOVorschriftenVorschriften: ZPO § 648 Abs. 2 ZPO § 654 ZPO § 652 Abs. 1 ZPO § 645 ff. ZPO § 652 Abs. 2 ZPO § 648 Abs. 1 ZPO § 652 ZPO § 648 ZPO § 648 Abs. 3 ZPO § 707 ZPO § 97

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