Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

31.08.2001 · IWW-Abrufnummer 011099

Oberlandesgericht Bremen: Urteil vom 13.02.2001 – 3 U 28/00

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen
Im Namen des Volkes
URTEIL

Geschäftszeichen: 3 U 28/00 = 7 O 2409/96

Verkündet am: 13. Februar 2001

In Sachen

hat der 3, Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2001 unter Mitwirkung der Richter

Derleder, Pauls und Herrmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 17.2.2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,-- DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,-- DM.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen einer von ihr behaupteten fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung in Anspruch.

Die Klägerin befand sich im Zeitraum vom 4.7.1989 bis zum 10.2.1993 in zahnärztlicher Behandlung in der vom Beklagten und dem Zeugen betriebenen Gemeinschaftspraxis. In einem von ihr vor Aufnahme der Behandlung ausgefüllten Anmeldebogen nahm die Klägerin bei der Frage nach einer etwaigen Arzneimittelüberempfindlichkeit einen Strich vor. Der Zeitpunkt und die Urheberschaft eines innerhalb dieser Zeile mit einem andersfarbigen Stift vorhandenen Zusatzes "Nickelallergie?" sind zwischen den Parteien streitig. Bei der zunächst von ihm durchgeführten Behandlung nahm der Zeuge eine Wurzelbehandlung vor und beriet die Klägerin über die Notwendigkeit der Erneuerung einer insuffizienten Brücke über dem wurzelbehandelten Zahn. Ob im Zuge dieser Beratung oder anläßlich eines späteren Behandlungstermins mit dem Beklagten über Alternativen des Materials der neuen Brücke gesprochen wurde, ist streitig. Noch vor der Entscheidung der Klägerin über den Einbau dieser Brücke sowie deren Materialzusammensetzung waren nach in erster Instanz unstreitigem Parteivortrag sowohl der Beklagte als auch der Zeuge von der Klägerin zumindest darüber informiert worden, daß bei ihr der Verdacht auf Bestehen einer Nickelallergie bestand. Nach dem Heil- und Kostenplan vom 15.8.1989 war als Brückenmaterial eine edelmetallhaltige, d.h. goldhaltige Legierung vorgesehen. Die Klägerin entschied sich aber später für eine Brücke aus einer edelmetallfreien Legierung. Diese bestand zu 64,1 % aus Nickel und zu 22 aus Chrom. Beginnend mit dem 31.1.1990 wurde die Brücke vom Beklagten zunächst als Provisorium eingebaut und am 9.4.1991 endgültig eingegliedert.

Die Klägerin hat behauptet, ab Ende 1992 hätten sich bei ihr zahlreiche gesundheitliche Beschwerden und Störungen eingestellt. Trotz verschiedener Behandlungsmaßnahmen habe sich ihr Gesundheitszustand fortschreitend verschlechtert, so daß sie schließlich weder ihren Verpflichtungen im Haushalt noch in ihrem Beruf als Gemeindeschwester habe nachkommen können. Seit dem 1.2.1996 beziehe sie deshalb eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Ihre Gesundheitsbeeinträchtigungen seien ausschließlich darauf zurückzuführen, daß der Beklagte trotz ihrer Nickelallergie die aus einer Chrom-Nickel-Legierung bestehende Brücke eingebaut habe. Dadurch sei ihr Körper vergiftet worden. Die Behandlung durch den Beklagten sei fehlerhaft gewesen, weil er sie trotz ihres audrücklichen Hinweises auf die bestehende Nickelallergie nicht auf die Gefährlichkeit einer Verwendung nickelhaltigen Materials hingewiesen habe. Vielmehr habe er ihr wegen der voraussichtlichen Kurzlebigkeit dieses Zahnersatzes die Verwendung einer kostengünstigeren Brücke aus einer nichtedelmetallhaltigen Legierung empfohlen.

Den ihr bis einschließlich Oktober 1996 entstandenen materiellen Schaden hat die Klägerin mit 25.671,91 DM beziffert. Wegen der bereits erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat sie ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000,-- DM für angemessen gehalten.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 25.671,91 DM und ein wegen seiner Höhe in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld jeweils nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden aus der fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung vom 4.7.1989 bis 10.2.1993 zu ersetzen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die Klägerin habe sich nach ausführlichen Gesprächen mit über die Brücke und das zu verwendende Material wissentlich für eine edelmetallfreie, nickelhaltige Legierung mit keramischer Verblendung entschieden. Das definitive Vorliegen einer Nickelallergie sei nicht bekannt gewesen. Der Zusatz "Nickelallergie?" im Anamnesebogen sei nach dem Einbau der Brücke von der Zeugin vorgenommen worden. Im übrigen hat der Beklagte die von der Klägerin behaupteten Beschwerden, deren Verursachung durch die Brücke und den geltend gemachten materiellen Schaden mit Nichtwissen bestritten.

Das Landgericht Bremen hat nach Beweisaufnahme durch Urteil vom 17.2.2000 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein dem Beklagten anzulastendes ärztliches Fehlverhalten könne nicht festgestellt werden. Da der Einbau der Brücke unstreitig entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt sei, stütze die Klägerin ihr Klagebegehren lediglich auf ein Aufklärungsversagen des Beklagten im Hinblick auf ihre Nickelallergie. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei aber die gebotene Aufklärung unter den gegebenen Umständen ausreichend gewesen. Selbst wenn aber zugunsten der Klägerin Aufklärungsverschulden des Beklagten anzunehmen sei, seien die geltend gemachten Ansprüche unbegründet, weil nach den weiteren Ergebnissen der Beweisaufnahme die Kausalität des Aufklärungsfehlers für die behaupteten Schäden von der beweisbelasteten Klägerin nicht nachgewiesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug und der Urteilsgründe wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts vom 17.2.2000 Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 23.2.2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.3.2000 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 26.6.2000 begründet.

Die Klägerin trägt vor, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß sie nur einen Aufklärungsfehler des Beklagten gerügt habe. Sie habe vielmehr ihre Ansprüche von Anfang an auf einen groben Behandlungsfehler des Beklagten gestützt. Er habe gegen die Regeln der ärztlichen Kunst verstoßen, weil er ihr eine Brücke mit Nickelanteil eingesetzt habe, obwohl er zumindest von dem Verdacht der Nickelallergie gewußt habe. Wegen dieses Verdachts hätte er sich Kenntnis über die Zusammensetzung der Brücke verschaffen müssen. Der Beklagte habe ferner seine Dokumentationspflicht verletzt. Er hätte die Nickelfreiheit der Brücke überprüfen und sicherstellen sowie die Nickelfreiheit in der Karteikarte dokumentieren müssen. Aus der fehlenden Eintragung der aufzeichnungspflichtigen Maßnahme sei bis zum Beweis des Gegenteils zu schließen, daß die Maßnahme unterblieben sei. Im übrigen habe das Landgericht hinsichtlich der Frage der Ursächlichkeit die Beweislast verkannt.

Die Klägerin beziffert nunmehr ihren bis zum 30.6.2000 entstandenen Sachschaden auf 241.730,94 DM und hält bis zu diesem Zeitpunkt ein Schmerzensgeld von 100.000,-- DM für angemessen.

Sie beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen,

an sie 241.730,94 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche weiteren noch nicht bezifferbaren bereits entstandenen und nach dem 30.6.2000 noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus der fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung in der Zeit vom 4.7.1989 bis 10.2.1993 zu ersetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und bestreitet insbesondere, daß die Klägerin ihn oder Praxismitarbeiter auf eine angeblich nachgewiesene Nickelallergie hingewiesen habe. Ferner tritt der Beklagte den mit den Zahlungsanträgen geltend gemachten Ansprüchen auch der Höhe nach entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 26.6.2000 (Bl. 426 450 d.A.) nebst Anlagen, 4.10.2000 (Bl. 461 - 465 d.A) und 22.11.2000 (Bl. 466 - 488 d.A.) nebst Anlagen, die Schriftsätze des Beklagten vom 14.7.2000 (Bl. 451 - 453 d.A.) und 13.12.2000 (Bl. 489 d.A.) sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 16.1.2001 (Bl. 490 - 502 d.A.) Bezug genommen. Ferner wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 26.1.2001 (Bl. 505 f d.A.) verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen zu seinem schriftlichen Gutachten vom 6.8.1999. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 16.1.2001 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Klägerin stehen weder auf vertraglicher Grundlage noch aus unerlaubter Handlung Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu.

Es kann nicht festgestellt werden, daß ein Behandlungsfehler des Beklagten ursächlich für die von der Klägerin behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigung ist.

Der Beklagte hat einen ärztlichen Behandlungsfehler begangen, weil er der Klägerin eine Brücke mit Nickelanteil eingesetzt hat. Dabei ist für das ihm vorzuwerfende Fehlverhalten nicht entscheidend, ob er positiv von einer nachgewiesenen Nickelallergie der Klägerin wußte. Schon wegen des bestehenden Verdachts einer solchen Allergie hätte er von der Verwendung eines Zahnersatzes mit Nickelbestandteilen Abstand nehmen müssen. Zumindest diesen Verdacht hatte die Klägerin nach den Aussagen des Beklagten und des Zeugen vor dem Landgericht dem Zeugen in zeitlichem Zusammenhang mit der Erstellung des Heil- und Kostenplanes mitgeteilt, der dann einen entsprechenden Vermerk auf der Karteikarte der Klägerin vorgenommen hat. Wegen dieses Hinweises hätte der Beklagte entweder darauf dringen müssen, daß die Klägerin durch eine ärztliche Untersuchung den Verdacht abklären ließ. Dann wäre, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B (Bl. 241 d.A.) ergibt, die bei der Klägerin vorhandene Nickelallergie festgestellt worden. Dieses Untersuchungsergebnis hätte den Beklagten dann veranlassen müssen, der Klägerin eine Brücke ohne Nickelanteil zu empfehlen. Da der Beklagte aber dem Verdacht auf Nickelallergie nicht nachgegangen ist, hätte er bei der Versorgung der Klägerin mit Zahnersatz den für sie sichersten Weg wählen und ihr deshalb eine nickelfreie Brücke anraten müssen. Falls er nicht wußte, woraus die später von ihm verwandte Brücke bestand, hätte er sich wegen deren Materialbeschaffenheit erkundigen und nach Kenntnis von ihrer Zusammensetzung der Klägerin die Wahl einer anderen nickelfreien Brücke empfehlen müssen. Insofern halte der Beklagte im Zusammenhang mit der Versorgung der Klägerin mit Zahnersatz therapeutische Aufklärungspflichten und nicht, wie das Landgericht angenommen hat, Aufklärungspflichten im Rahmen einer Risikobelehrung. Davon, daß die Klägerin bei der erörterten notwendigen Beratung einen Zahnersatz ohne Nickelanteil gewählt hätte, ist auszugehen.

Die Verwendung der nickelhaltigen Brücke stellte einen schuldhaften ärztlichen Kunstfehler dar, da wie die Sachverständigen (Bl. 243 d.A.) und (Bl. 337 d.A.) ausgeführt haben, Häufigkeit und Bild einer Nickelallergie 1989/1990 schon mit Sicherheit zum allgemeinen medizinischen Wissenstand gehörten und deshalb zumindest schon aus Vorsorgegründen die Eingliederung des verwendeten Zahnersatzes hätte unterbleiben müssen.

Es kann dahinstehen, ob das Verhalten des Beklagten einen groben Behandlungsfehler darstellt. Selbst unterstellt, dies wäre der Fall, kann eine Ursächlichkeit des Behandlungsversagens für die von der Klägerin behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht festgestellt werden. Zwar kann ein grober Behandlungsfehler zu Beweiserleichterungen bezüglich der Kausalität für einen Kläger bis hin zur Umkehr der Beweislast führen, und zwar auch dann, wenn die grob fehlerhafte Behandlung nur mitursächlich für den Gesundheitsschaden sein kann (BGH NJW 1997, 796 f.). Diese Beweiserleichterung greift aber nur dann ein, wenn der grobe ärztliche Kunstfehler den Umständen nach geeignet ist, den konkreten Gesundheitsschaden hervorzurufen (BGH a.a.O.; BGH NJW 1988, 2950 f.; BGH NJW 1997, 794 f.).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht weder fest, daß durch den Nickelanteil der Brücke bestimmte Gesundheitsbeeinträchtigungen bei der Klägerin eingetreten noch die Auswirkungen dieses Metalls generell geeignet sind, die von der Klägerin behaupteten Beschwerden zu verursachen.

Nach den gutachterlichen Ausführungen der Sachverständigen (Bl. 244 d.A.) und (Bl. 336 f. d.A.) können bei vorhandener Sensibilisierung gegen Nickel durch in den Mund eingebrachte nickelhaltige Legierungen Mundschleimhautsymptome im Sinne von Entzündungen ausgelöst werden und im Wege der Fernwirkung infolge vom Körper aufgenommener Metallionen das Baboon-Syndrom oder urtikarielle bis makro-papulöse Exantheme. Diese Folgezustände haben die Sachverständigen (a.a.O.) bei der Klägerin aufgrund der vorliegenden anamnetischen Angaben und Unterlagen nicht feststellen können. Dies gilt insbesondere auch für die von der Klägerin behaupteten heftigen Beschwerden im Bereich der Rachenbasis und Mundhöhle mit Rötung des Rachens und ein "Ziehen" im Bereich des überbrückten Zahnes Nr. 37. Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, die Klägerin zu diesen Symptomen, wie von ihr beantragt, als Partei gem. § 448 ZPO zu vernehmen. Eine Rötung des Rachens ist in dem Bericht der Kurklinik Bad Waldliesborn vom 24.10.1990 aufgeführt. Es fehlen darin aber Angaben über die Ursache dieser Rötung und dazu, ob sie behandelt worden ist. In allen weiteren dem Gericht vorliegenden Arztberichten wird eine Rachenrötung nicht erwähnt. In keinem Arztbericht wird ein "Ziehen" im Bereich eines Zahnes aufgeführt. Angesichts dieser Umstände liegen die Voraussetzungen einer Parteivernehmung nach § 448 ZPO, nämlich eine gewisse Anfangswahrscheinlichkeit für ein nicht nur kurzfristiges Erscheinungsbild einer Halsrötung und ein "Ziehen", überhaupt nicht vor. Gegen solche Anhaltspunkte sprechen zudem die Angaben der Klägerin bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat, wonach sie zwar dem Beklagten ein Ziehen um den behandelten Zahn Nr. 37 geklagt habe, aber ab Winter 1990 nach unwidersprochenen Angaben des Beklagten vom 29.3.1990 - 5.3.1991 längere Zeit nicht beim Beklagten war. Eine Halsrötung hat sie nach ihren Erklärungen selbst nicht bemerkt.

Auch bei den weiteren vom Sachverständigen durchgeführten Untersuchungen sind, wie der Sachverständige, der als Arzt für Innere Medizin, Umweltmedizin, Pharmakologie und Toxikologie über besondere fachliche Qualifikation verfügt, überzeugend dargelegt hat, wegen toxischer Stoffwirkungen keine Abweichungen von Krankheitswert erkennbar geworden (Bl. 338 ff; 494 ff. d.A.). Die von ihm auf Nickel und andere Stoffe hin untersuchte Nachweismatrizes (Blut, Plasma, Kopfhaare, Kopfhautschuppen, Sammelurin) hatten mit Ausnahme einer ihm von der Klägerin übergebenen, nach ihren Angaben aus dem Jahre 1995 stammenden Haarprobe keine außerhalb des Normbereichs liegenden Werte. Der deutlich über dem Normbereich liegende Nickelwert dieser Haarprobe läßt aber, wie der Sachverständige bei seiner Anhörung eingehend und nachvollziehbar ausgeführt hat, keine Rückschlüsse auf die mengenmäßige Aufnahme von Nickel durch den Körper der Klägerin zu, da sich bei der zwischenzeitlichen Lagerung des Haares seit 1995 Nickelablagerungen gebildet haben können, die das Untersuchungsergebnis beeinflussen können. Auch die vom Sachverständigen durchgeführten Messungen anderer Stoffe als Nickel haben keine Hinweise darauf erbracht, daß durch Interaktion unterschiedlicher Moleküle das Nickel mit anderen zahnärztlichen Fremdmaterialien in der Mundhöhle der Klägerin zu dem geklagten Beschwerdebild geführt hat.

Auch aufgrund der in den Akten vorhandenen Analyseergebnisse früherer Untersuchungen konnte der Sachverständige keine schädliche Konzentration feststellen. Wie er überzeugend dargelegt hat, lagen die entsprechenden Analysewerte (noch) im Normbereich, lassen aber zudem auch keine sicheren Rückschlüsse zu, weil sich Abweichungen aus der - nicht bekannten jeweiligen - Meßmethodik ergeben können.

Von einer generellen Eignung des Nickels allein oder im Zusammenwirken mit anderen Fremdstoffen in der Mundhöhle der Klägerin zur Verursachung ihres Beschwerdebildes kann nicht ausgegangen werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, die für einen Zusammenhang zwischen Nickelemissionen und Krankheitszustand der Klägerin sprechen könnten. Zwar können auch große Organe durch Nickelaufnahme betroffen werden. Die insoweit bisher durchgeführten Experimente konnten aber nur an Tieren vorgenommen werden. Die Untersuchungsergebnisse können nicht ohne weiteres auf Menschen übertragen werden. Zudem gibt es bisher auch keine allgemein gültigen Schlußfolgerungen darüber, daß eine bestimmte Konzentration von unterschiedlichen Stoffen in einer bestimmten Weise reagiert. Auch gibt es keine gesicherten Erkenntnisse darüber, daß durch Aufnahme von Metallionen eine seelische Veränderung im Sinne einer Erkrankung entstehen kann. Angesichts dieser vom Sachverständigen dargelegten Unsicherheit (Bl. 331 ff.; Bl. 497 d.A.) kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Nickelemissionen geeignet sind, das möglicherweise bei der Klägerin vorliegende, mit der Bezeichnung MCS (Multiple Chemical Sensitivily) beschriebene Krankheitsbild herbeizuführen.

Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten des Sachverständigen gibt dem Senat keinen Grund, die gutachterlichen Äußerungen der Sachverständigen und in Zweifel zu ziehen und insbesondere keine Veranlassung zur Einholung eines weiteren Gutachtens.

Das von der Klägerin vorgelegte Parteigutachten ist nicht geeignet, die gerichtlich eingeholten Gutachten in Frage zu stellen. Das Gutachten des Sachverständigen leidet insofern schon an einem Mangel, als es allein von den Angaben der Klägerin und Zeugen über den Gesundheitszustand der Klägerin vor und nach der Zahnbehandlung durch den Beklagten ausgeht und maßgeblich wegen des zeitlichen Zusammenhangs der von ihm angenommenen Veränderungen Rückschlüsse auf eine Nickelintoxication als Ursache für das Krankheitsbild der Klägerin zieht, wobei er als deutliches Zeichen einer Nierenbeteiligung infolge Intoxication auf bei einer Urinuntersuchung im März 1990 gefundenes Blut im Urin abstellt. Die Klägerin war aber nicht völlig gesund, als sie sich in die Behandlung des Beklagten begab. So ist der Anamnese im Bericht des vom 6.12.1993 zu entnehmen, daß die Klägerin seit 1967 an Hypertonie litt. Von besonderer Bedeutung ist aber, daß nach der Anamnese im Bericht des vom 8.11.1995 bei der Klägerin seit 1967 ein pathologischer Urinbefund, nämlich eine Hämaturie, bestand. Außerdem geht der Sachverständige von einer Rachenrötung und ziehenden Schmerzen im betreffenden Zahnbereich als Zeichen einer lokalen Reaktion auf toxische Stoffe aus, ohne gesicherte Erkenntnisse über diese Symptome, wie ihr Ausmaß, ihre Dauer und insbesondere möglicherweise andere in Betracht kommende Ursachen zu haben. Wie sich aus den oben wiedergegebenen Angaben der Klägerin zu diesem Punkt ergibt, können diese Beschwerden allenfalls nur unbedeutend gewesen sein. Die im übrigen weitgehend allgemein gehaltenen Ausführungen zur Schädlichkeit von Metallen und zudem die Bezugnahme auf Untersuchungsergebnisse bei Tierversuchen lassen nicht erkennen, daß gerade im Fall der Klägerin Nickel allein oder im Zusammenwirken mit anderen Metallen geeignet war, das konkrete von ihr behauptete Krankheitsbild zu verursachen. Weiterhin läßt das Parteigutachten eine detaillierte Auswertung der erhobenen Laborbefunde vermissen. Abgesehen von den inhaltlichen Mängeln des Gutachtens bestehen zudem auch deshalb Zweifel an der Sachkunde des Gutachters, weil er kein Facharzt ist, insbesondere er die hier zu fordernde Facharztqualifikation nicht aufweisen kann.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

RechtsgebietZPOVorschriftenZPO § 448 ZPO § 97 ZPO § 708 Nr. 10 ZPO § 711 ZPO § 546 Abs. 2 Verfahrensgang: 7 O 2409/96

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr