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08.10.2001 · IWW-Abrufnummer 011061

Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 29.03.2001 – 11 Sa 1760/00

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer: Verkündet
11 Sa 1760/00 am 29.03.2001
3 Ca 2474/00
ArbG Mönchengladbach

LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit

der Firma W.

- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D.

gegen

den Herrn M.
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Karl Heinz Weufen u. a.,
Barbarossastraße 29, 41061 Mönchengladbach,

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 29.03.2001
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Rodeck und den ehrenamtlichen Richter Mohr

für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgericht Mönchengladbach vom 26.10.2000 ? 3 Ca 2474/00 ? wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

TATBESTAND

Wegen des Sach- und Streitgegenstandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 26.10.2000 sowie auf die im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

A.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat die Vorinstanz die Klage der Klägerin abgewiesen. Da bereits der Firma Autohaus T. ... GmbH ...
aus der mit dem Beklagten am 20.01.1999 getroffenen Rückzahlungsvereinbarung kein Rückzahlungsanspruch auf Ausbildungskosten zustand, konnte diese Firma der Klägerin auch nicht durch die am 23.02.2000 getroffene Abtretungsvereinbarung (§ 398 Satz 1 BGB) einen solchen Anspruch übertragen.

I.

Zunächst hat das Arbeitsgericht seiner Entscheidung zutreffend die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Inhaltskontrolle einzelvertraglicher Vereinbarungen über die Rückzahlung von Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gewährt hat, zugrunde gelegt. Nach dieser Rechtsprechung sind einzelvertragliche Vereinbarungen, wonach Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber aufgewendet hat, vom Arbeitnehmer zurückzuzahlen sind, wenn dieser das Arbeitsverhältnis vor Ablauf bestimmter Fristen beendet, grundsätzlich zulässig. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Zahlungsverpflichtungen, die an die vom Arbeitnehmer ausgehende Kündigung anknüpfen, können gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Die Rückzahlungspflicht muss vom Standpunkt eines verständigen Betrachters einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Der Arbeitnehmer muss mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muss die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer zuzumuten sein. Die für den Arbeitnehmer tragbaren Bindungen sind auf Grund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung der Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (BAG 23.02.1983 ? 5 AZR 531/80 ? EzA § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 3; BAG 24.07.1991 ? 5 AZR 443/90 ? EzA § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 8; BAG 06.09.1995 ? 5 AZR 241/94 ? EzA § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 14). Die richterliche Inhaltskontrolle einzelvertraglicher Klauseln, durch die sich der Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Ausbildungskosten verpflichtet, ist von Verfassungs wegen geboten, da derartige Rückzahlungsverpflichtungen das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 GG beeinträchtigen können (BAG 24.07.1991 ? 5 AZR 443/90 ? a. a. O.). § 242 BGB begründet die Befugnis zu einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen (BAG 16.03.1994 ? 5 AZR 339/92 ? EzA § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 10; BAG 06.09.1995 ? 5 AZR 241/94 ? a. a. O.).

II.

Die bei der gerichtlichen Inhaltskontrolle von Rückzahlungsklauseln gebotene Interessenabwägung hat sich vorrangig daran zu orientieren, ob und inwieweit der Arbeitnehmer mit der Aus- oder Weiterbildung einen geldwerten Vorteil erlangt (BAG 18.08.1976 ? 5 AZR 399/75 ? EzA Art. 12 GG Nr. 13; BAG 06.09.1995 ? 5 AZR 241/94 ? a. a. O.). Eine Kostenbeteiligung ist dem Arbeitnehmer um so eher zuzumuten, je größer der mit der Ausbildung verbundene berufliche Vorteil für ihn ist. Dieser kann darin liegen, dass der Arbeitnehmer eine Ausbildung erhält, die ihm auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder im Bereich seines bisherigen Arbeitgebers berufliche Möglichkeiten eröffnet, die ihm zuvor verschlossen waren (BAG 18.08.1976 ? 5 AZR 399/75 ? a. a. O.).

III.

Im Streitfall hat die Vorinstanz mit zutreffender Begründung zu Recht angenommen, dass die dem Beklagten durch die Firma Autohaus T. ... GmbH in der Zeit vom 01.03.1999 bis zum 29.02.2000 gewährte Fortbildung zum Automobilverkäufer, die in einer hausinternen Schulung des Beklagten und in einer externen, unmittelbar durch die F. -Werke durchgeführte Schulung (im Jahre 1999 an 32 Tagen und im Jahre 2000 an 10 weiteren Tagen) bestand, keinen derartigen geldwerten Vorteil erlangt hat.

1. Zunächst hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sich die Kenntnisse des Beklagten, die dieser durch die ihm von der Firma Autohaus T. ... GmbH gewährte Fortbildung zum Automobilverkäufer gewährt hat, auf seine Stellung am allgemeinen Arbeitsmarkt ausgewirkt hätten.

a) Der Firma Autohaus T. ... GmbH war bei Abschluss des Anstellungsvertrages mit dem Beklagten am 20.01.1999 und dem gleichzeitig an diesem Tag zustandegekommenen Schulungsvertrag mit Rückzahlungsverpflichtung bekannt, dass der Beklagte vorher als Telefonverkäufer von Präsentationsmappen etc. tätig war und er keinerlei Vorkenntnisse im Automobilbereich hatte (so die Klägerin selbst in ihrer Klageschrift). Damit war der Firma A. ... GmbH zugleich bewusst, dass der Beklagte ihren Anforderungen nicht entsprach. Wenn sie ihn gleichwohl einstellte, zeigt sich daran, dass die Firma Autohaus T. ... Co. GmbH ein erhebliches Interesse an dem Beklagten hatte, und zwar unabhängig von seinen aktuellen Kenntnissen im Automobilbereich. Daraus ist zu schließen, dass die Firma Autohaus T. ... GmbH die Schulungskosten in erster Linie aufgewendet hat, um dem Beklagten überhaupt erst die Tätigkeit eines Automobilverkäufers zu ermöglichen. In Wahrheit ging es ihr also weniger um eine Ausbildung oder Weiterbildung des Beklagten, sondern um seine Einarbeitung für einen bestimmten Arbeitsplatz. In diesem Fall ist aber eine Rückzahlungsklausel unwirksam, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Berufsanfänger oder einen neu eingestellten Branchenfremden oder aus einem anderen Bereich versetzten Arbeitnehmer handelt (BAG 29.06.1962 ? 1 AZR 350/61 ? AP Nr. 26 zu Art. 12 GG; BAG 03.07.1985 ? 5 AZR 573/84 ? unveröffentlicht; vgl. auch BAG 08.08.1990 ? 5 AZR 545/89 ? unveröffentlicht; Hennige, NZA ? RR 2000, 617, 619).

b) Soweit die Klägerin vorbringt, die Chancen eines Absolventen des durch die Ford-Werke im Jahre 1999 an 32 Tagen und im Jahre 2000 an 10 weiteren Tagen durchgeführten Seminars würden ?neue Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt eröffnen?, hat sie sich auf einen Artikel aus der Zeitschrift ?Kfz-Betrieb Spezial? vom 27.04.2000 berufen. Dieser Artikel enthält lediglich eine Prognose, wonach mittelfristig ?wohl? nur noch geprüfte Automobilverkäufer in der Branche tätig sein werden. Damit hat die Klägerin aber nicht konkret dargelegt, ob außerhalb ihres eigenen Betriebes Bedarf nach derart ausgebildeten Arbeitskräften im nennenswerten Umfang besteht und in wie fern die Berufs- und Verdienstchancen des Arbeitnehmers gerade durch die von der Firma Autohaus T. ... GmbH veranlasste Ausbildung gesteigert worden sind. Dazu hätten konkrete Angaben über die Lage auf dem Arbeitsmarkt für die Kräfte mit dem Ausbildungsstand des Beklagten gehört (BAG 11.04.1990 ? 5 AZR 308/89 ? DB 1990, 2222 ff.; BAG 24.07.1991 ? 5 AZR 443/90 ? NZA 1992, 405, 407).

2. Des Weiteren hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass dem Beklagten durch die seitens der Firma Autohaus T. ... GmbH veranlasste hausinterne und bei den F. ?Werken durchgeführten externe Schulung berufliche Möglichkeiten eröffnet wurden, die ihm zuvor verschlossen waren.

a) Soweit die Klägerin einen derartigen Vorteil daraus herleiten will, dass der Beklagte durch die erfolgreiche Absolvierung der Fortbildung zum geprüften Automobilverkäufer die Voraussetzung geschaffen habe, um hausintern die nächste Karriereleiter des stellvertretenden Verkaufsleiters zu ?erklimmen?, kann ihr nicht gefolgt werden. Ohne eine entsprechende rechtsverbindliche Anwartschaft ist diese Aussicht viel zu vage, um als betriebsinterner beruflicher Vorteil bezeichnet werden zu können.

b) Im Übrigen hat die Vorinstanz zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Kläger ein beruflicher Aufstieg etwa innerhalb der Gruppe der Verkäufer nach Abschluss der einjährigen Fortbildung nicht zu Teil geworden ist. Die Steigerung der Provisionen bei gleichgebliebenem Festgehalt nach Abschluss der Ausbildung kann schon deshalb nicht als betriebsinterner Vorteil gewertet werden, weil die Klägerin selbst einräumt, die Ursächlichkeit zwischen genossener Fortbildung und Umsatzsteigerung könne nicht nachgewiesen werden. Von einer gesicherten Lebenserfahrung, wonach Umsatzsteigerungen maßgeblich auf neu gewonnene Kenntnisse des Beklagten zurückzuführen seien, kann nicht ausgegangen werden. Insofern hat die Klägerin nicht näher ausgeführt, worauf diese Lebenserfahrung gegründet ist.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Da der Rechtssache weder grundsätzlich Bedeutung zukommt noch die Voraussetzungen einer Divergenzrevision ersichtlich sind, bestand für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht kein gesetzlicher Grund (vgl. § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG).

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen dieses Urteil ist für beide Parteien kein Rechtsmittel gegeben. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

RechtsgebietArbeitsrechtVorschriften§§ 242, 611 BGB, Art. 12 GG

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