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13.06.2001 · IWW-Abrufnummer 010771

Finanzgericht Münster: Beschluss vom 15.11.2000 – 4 V 1612/00

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT MÜNSTER

BESCHLUSS

4. Senat
4 V 1612/00 E

In dem Rechtsstreit

wegen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Einkommensteuer-Vorauszahlung 1999 und 2000)

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Münster unter Mitwirkung des Präsidenten des Finanzgerichts und der Richter am Finanzgericht und

am 15. November 2000 beschlossen:

Tenor:

Der Beschwerde wird nicht abgeholfen.

Gründe:

Der Senat hält an seiner Entscheidung vom 07. September 2000 zur Aussetzung der Vollziehung der Festsetzungen der Einkommensteuervorauszahlungen für 1999 und 2000 fest.

Die ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 4 FGO an der Verfassungsmäßigkeit der seit dem 01.01.1999 geltenden Neuregelung des § 2 Abs. 3 EStG zur Herstellung einer Mindestbesteuerung im Einkommensteuerrecht bleiben bestehen.

Eine Verletzung des dem Schutzbereich des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (Gleichheitssatz) unterliegenden Leistungsfähigkeitsprinzips - hier in Form des sog. objektiven Nettoprinzips - wird nicht dadurch ausgeräumt, daß der den Antragstellern (Ast.) unstreitig voraussichtlich entstehende Verlust aus Vermietung und Verpachtung auch dadurch zustande kommt, daß hierin ein Betrag von 450.342 DM enthalten ist, der auf Abschreibungen für Abnutzungen (AfA) für in den Jahren 1992 bis 1995 getätigte Modernisierungsaufwendungen nach § 4 Fördergebietsgesetz entfällt. Gleiches gilt für den vom Antragsgegner (Ag.) angegebenen, darüber hinausgehenden AfA-Betrag von (491.265./. 450.432 =) 40.833 DM.

AfA-Beträge, die, wie im Streitfall, nicht von einem Rechtsvorgänger übernommen worden sind, können nur entstehen, wenn dem Steuerpflichtigen tatsächliche Aufwendungen für das betreffende Wirtschaftsgut entstanden sind, aus dem die steuerlich erheblichen Einnahmen erzielt werden, die - nach Saldierung mit den Ausgaben - durch die Erfassung des Gewinnes bzw. Verlustes im Rahmen der Einkommensbesteuerung miterfaßt werden. Der Steuerpflichtige ist daher durch diese Investitionen in seiner Leistungsfähigkeit tatsächlich gemindert.

Wenn der Gesetzgeber die einkommensteuerrechtlichen Regelungen so gestaltet, daß sich diese Investitionen nicht sofort in dem Jahr der Verausgabung (Anschaffung/Herstellung des Wirtschaftsgutes) als Werbungskosten einkommensmindernd auswirken können, sondern nur einen teilweisen, prozentualen Abzug dieser Kosten über die AfA-Bestimmungen zuläßt, der sich im Regelfall an der Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes ausrichtet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG - diese Regelung ist im übrigen lt. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 1985, 1 BvR 221/85, HER 1986, 318, verfassungsrechtlich unbedenklich), erscheint es nur konsequent, diese AfA auch im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips als einkommensmindernd anzusehen, obwohl die Investitionen nicht im selben Jahr, sondern in früheren Jahren getätigt wurden. Das gilt unabhängig davon, ob man die AfA bei den hier streitigen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die zu den Überschußeinkünften zählen, steuersystematisch als Teilbeträge ansieht, die ohne die besondere Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG im Jahre der Verausgabung voll abzugsfähig wären, weil sie den Werbungskostenbegriff des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG erfüllen (so die wohl überwiegende Meinung, vgl. z. B. BFH-Urteil vom 02. Oktober 1992 VI R 11/91, BFHE 169, 190, BStBl. II 1993, 113; von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Stand: September 2000, § 9 Rdnr. A 21; Thürmer in Blümich, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Stand März 2000, § 9 Rdnr. 480, 481; BFH-Beschluß vom 04. Juli 1990, GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl. II 1990, 830) oder ob man die Abzugsberechtigung aus dem Gedanken des ratierlichen Wertverzehrs des Wirtschaftsgutes ableitet (BFH-Beschluß vom 12. Juni 1978, GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl. II 1978, 620; Tipke-Lang, Steuerrecht, 16. Auflage 1998, § 9 Rdnr. 474). Dieser Meinungsstreit ändert nämlich nichts an der zuvor eingetretenen Belastung des Steuerpflichtigen. Der Gesetzgeber trägt daher mit der AfA-Regelung nur der fundamentalen Überlegung Rechnung, daß der Steuerpflichtige nur aus dem Teil des eingenommenen Vermögens Steuern zahlen kann, das ihm verfügbar bleibt. Nicht hierzu gehört dagegen der Teil des erwirtschafteten Einkommens, der für die Erzielung der Einnahmen ausgegeben werden muß oder mußte (objektives Nettoprinzip, vgl. in diesem Sinne auch Birk, Steuerrecht, Schwerpunkt 17/3, Heidelberg 1998, Rdnr. 542). Diese Grundsatzüberlegung gilt nicht nur für die Normal-AfA des § 7 EStG, sondern auch für die Rest-AfA nach § 4 Abs. 3 Fördergebietsgesetz, die einen kürzeren Abschreibungszeitraum vorsieht, denn auch die AfA-Berechtigung nach dem Fördergebietsgesetz konnte nur entstehen, weil die Ast. zuvor Modernisierungsaufwendungen tatsächlich getätigt hatten.

Wie bereits im Senatsbeschluß vom 07. September 2000 ausgeführt (dort Seite 9), erscheint es zumindest ernstlich zweifelhaft, ob der Staat diesem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gerecht wird, wenn er den Steuerpflichtigen in der Neuregelung des § 2 Abs. 3 EStG für den Ausgleich eines Teiles dieser Verluste auf Spätere Veranlagungszeiträume verweist, indem er nur einen Abzug über die Regelung des § 10 d EStG zuläßt. Das gilt um so mehr, als auch im Rahmen dieser Regelung wieder auf die verlustverrechnungsbeschränkende Regel des § 2 Abs. 3 EStG zurückgegriffen werden muß, soweit deren Voraussetzungen vorliegen. Trotz dieser verbleibenden Möglichkeit eines die Veranlagungszeiträume übergreifenden Verlustabzuges nach § 10 d EStG für nicht im Entstehungsjahr berücksichtigte Verluste verbleiben ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der neuen, ab 1999 geltenden verlustbegrenzenden Regelung des § 2 Abs. 3 EStG, denn grundsätzlich verlangt das Leistungsfähigkeitsprinzip in Form des objektiven Nettoprinzips bereits im Entstehungsjahr den Ausgleich von Verlusten auch mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten, soweit verschiedene, steuerlich relevante Einkunftsquellen vorhanden sind (BVerfG-Beschluß vom 30. September 1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, HFR 1999, 44). Der Staat hat sich im Einkommensteuerrecht auf das Jahressteuerprinzip festgelegt (§§ 2 Abs. 7, 25 und 36 Abs. 1 EStG). Dieses Prinzip ist nicht nur eine formale Veranlagungsregel, sondern ein materiell-konstituierendes Merkmal der Einkommensteuer. Es bestimmt die Zurechnung von Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen von Typisierungen und Pauschalierungen, Freibeträgen und Freigrenzen, Einkommensgrenzen und die Steuerprogression. Die abschnittsweise Einkommenbesteuerung verteilt damit die individuelle Steuerlast zeitgerecht und konkretisiert die Belastungsgleichheit bei den Steuerpflichtigen (Kirchhof, "Rückwirkung von Steuergesetzen", Steuer und Wirtschaft 2000, 221, 225). Das Jahressteuerprinzip darf daher nicht ohne zwingenden Grund verletzt werden.

Wie im Senatsbeschluß vom 07. September 2000 ausgeführt (dort Seite 9 und 10) erscheint es zumindest ernstlich zweifelhaft, ob derartige, zwingenden Gründe gegeben sind Die Verlustverrechnungsmöglichkeit in anderen Veranlagungszeiträumen über § 10 d EStG greift zwar von seiner Grundsatzidee das Nettoprinzip und damit den Gedanken der Leistungsfähigkeit wieder auf. Selbst wenn man daher den periodenübergreifenden Verlustausgleich des § 10 d EStG ebenfalls als Nettoprinzip mit grundgesetzlichem Schutz ansieht (so z. B. Tipke-Lang, § 9 Rohr. 62, anderer Ansicht Birk, § 6 Rdnr. 547), bleibt zu beachten, daß hierdurch auch nur die materielle Richtigkeit des Steueranspruches hergestellt werden soll. Leistungsminderungen anderer Veranlagungszeiträume sollen nicht verloren gehen. Eine in diesem Sinne ausgestaltete Regelung eines die Veranlagungszeiträume übergreifenden Verlustausgleiches kann zwar selbst bei zeitlich eingegrenzter Verlustbegrenzung - vorbehaltlich der Willkürprüfung - als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen werden (Bundesverfassungsgerichts-Beschluß vom 22. Juli 1991, 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423). Dennoch ist hier zu beachten, daß die jetzige Neuregelung des § 10 d EStG im Gegensatz zur vorhergehenden Fassung dieser Regelung durch die gleichzeitige Neuregelung und Einbeziehung des § 2 Abs. 3 EStG aber gerade nicht der Herstellung einer weitgehenden materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzung dient. Die Einschränkung der Verrechnungsmöglichkeit in § 2 Abs. 3 EStG und damit die Verlagerung in andere Veranlagungszeiträume verhindert vielmehr eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechende Besteuerung in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Verluste entstehen. Die grundsätzliche Möglichkeit, den im Entstehungsjahr wegen § 2 Abs. 3 EStG ausgeschlossenen Teil eines Verlustes nach § 10 d EStG in einem der folgenden Veranlagungszeiträume berücksichtigt zu erhalten - sofern dort nicht wiederum § 2 Abs. 3 EStG zum Verlustausschluß führt - stellt sich damit gegenüber der an sich gebotenen Verlustverrechnung im Entstehungsjahr gerade nicht als gleichgewichtige Alternative zur Wahrung des Leistungsfähigkeitsprinzips in der Einkommensbesteuerung dar.

Hinzu kommt, daß durch die Verschiebung der Verrechnungsmöglichkeit in andere Veranlagungszeiträume unter den weiterhin eingeschränkten Bedingungen des § 2 Abs. 3 EStG auch das Risiko eines endgültigen Verlustverrechnungsausfalles - etwa bei zukünftigem Wegfall entsprechender positiver Einkünfte - einseitig zu Lasten des Steuerpflichtigen erhöht wird.

Desweiteren ist zu bedenken, daß, wie auch bereits im Senatsbeschluß vom 07. September 2000 angedeutet (dort Seite 10 und 11), das Rechtsstaatsprinzip bei Rechtsänderungen einen schonenden Übergang fordert. Der Staat ist zwar ohne Zweifel befugt, gesetzliche Neuregelungen zu schaffen. Er darf jedoch von der Besteuerung betroffene Grundrechtspositionen nicht nachträglich entwerten (Kirchhof, Steuer und Wirtschaft 2000, 221, 225). Es erscheint daher ernstlich zweifelhaft, ob langfristige Bindungen des Steuerpflichtigen, etwa in Form von Immobilienerwerb, dessen Bestand durch Artikel 14 Grundgesetz geschützt ist, vom Gesetzgeber unbeachtet bleiben dürfen. Fördert daher der Staat zunächst ein Engagement des Steuerpflichtigen im Immobilienbereich, wie es im Streitfall durch die besonderen Regelungen im Fördergebietsgesetz geschehen ist und investiert der Steuerpflichtige deshalb aufgrund dieser Anreize, kann sich auch eine Änderung/Beschränkung in der Verlustverrechnung mit anderen positiven Einkunftsquellen nachteilig auswirken, wenn die zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung erkennbaren Steuervorteile, die ja gerade ein Anreiz für die Investition sein sollten, nicht mehr oder nicht mehr uneingeschränkt genutzt werden können. Auch wenn der Steuerpflichtige derartige Änderungen im Regelfall grundsätzlich hinnehmen muß, soweit sie nicht besondere Fördervergünstigungen rückgängig machen, stellt sich die Frage, ob der Staat nicht verpflichtet bleibt, Regelungen, die sich erkennbar nachhaltig auf die Rechtsposition des Steuerpflichtigen auswirken, zeitlich so zu gestalten, daß sich der Steuerpflichtige hierauf in seinen übrigen wirtschaftlichen Dispositionen einrichten kann (vgl. zu diesem Gesamtproblemkreis auch Kirchhof, Steuer und Wirtschaft 2000, 221), etwa indem der Staat eine allgemeine Übergangsfrist gewährt oder bestimmte, zuvor steuerlich geförderte Objekte ganz oder teilweise von der nachteiligen Regelung ausnimmt. Da im Streitfall neben der Normal-AfA sich auch die auf einen kürzeren Zeitraum verteilte Rest-AfA nach § 4 Abs. 3 Fördergebietsgesetz für Modernisierungsaufwendungen durch die Verlustbeschränkungsregelung des § 2 Abs. 3 EStG nicht in den streitigen Veranlagungszeiträumen auswirken kann, die Ast. jedoch im Rahmen der längerfristigen Gesamtfinanzierung diesen für sie nunmehr nachteilig wirkenden steuerlichen Effekt nicht einkalkulieren mußten, erscheint es ernstlich zweifelhaft, ob im Streitfall auch das Rückwirkungsverbot beachtet worden ist.

Entgegen der Auffassung des Ag. vermag der Senat auch, nach wie vor, keine die Vollziehung rechtfertigenden überwiegenden öffentlichen Interessen zu erkennen. Ergänzend zu den bisherigen Ausführungen (vgl. Senatsbeschluß vom 07. September 2000, Seite 11 und 12), wird noch auf folgendes verwiesen. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß zur Prüfung der Frage, ob den Ast. noch ein verfügbares Einkommen zur Begleichung der auferlegten Steuerbelastung verbleibt, nicht die streitigen Regelungen über die ab dem Veranlagungszeitraum 1999 geltende Verlustbegrenzung in § 2 Abs. 3 EStG herangezogen werden dürfen, denn die Rechtmäßigkeit dieser Regelung ist gerade, wie ausgeführt, ernstlich zweifelhaft. Auch der Umstand, daß die Verluste u. a. durch AfA-Beträge von 491 265 DM (davon 450.432 DM nach § 4 Abs. 3 Fördergebietsgesetz) entstehen, beseitigt für die Ast. nicht die durch eine Vollziehung der streitigen Steuerschuld entstehenden Härten.

Wie oben bereits ausgeführt, sind auch die AfA-Beträge des Streitfalles von ihrer einkommensteuerrechtlichen Einordnung und wegen der zuvor in mindestens dieser Höhe tatsächlich gefertigten Investitionen für die Ast. in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 in vollem Umfang als leistungsmindernd und damit als einkommensmindernd anzusehen. Damit liegt das voraussichtlich zu versteuernde Einkommen der Ast. zwangsläufig bei einem Betrag, der unter dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum liegt - das voraussichtliche zu versteuernde Einkommen beträgt danach 8.652 DM für 1999 und ./. 21.318 DM für das Jahr 2000, während als Existenzminimum in § 32 a Abs. 1 Nr. 1 EStG 26.124 DM für 1999 und 26.998 DM für 2000 angesehen werden.

Der Senat betont darüber hinaus nochmals, daß auch das Interesse des Staates an einer geordneten Haushaltsführung hier nicht höher bewertet werden kann, als das Interesse der Ast. an einer Aussetzung der Vollziehung. Aus diesem Grunde ist auch die Vollziehung der Festsetzung der Vorauszahlungen in vollem Umfang gerechtfertigt - das sind Einkommensteuern von 68.942 DM für 1999 und Einkommensteuern in Höhe von 61.756 DM für das Jahr 2000 - und nicht nur in Höhe der Beträge, die nach dem Splittingtarif des § 32 a Abs. 1 Nr. 1 EStG das steuerliche Existenzminimum für die Ast. sicherstellen soll - das wären 26.124 DM für 1999 und 26.998 DM für das Jahr 2000.

Zum einen hat der Senat keinen Anlaß daran zu zweifeln, daß die Ast. aufgrund ihrer langfristigen Finanzplanung die Steuerzahlungen finanzieren müßten. Sie würden dadurch zusätzlich belastet. Die Planungssicherheit für den Staat kann aber nach Ansicht des Senates nicht grundsätzlich höher bewertet werden, als die des Bürgers. Zum anderen würde der individuelle Grundrechtsschutz leerlaufen, wenn die Aussetzung der Vollziehung aus Gründen der Haushaltsplanung des Staates trotz der aufgezeigten erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken abgelehnt würde. Der Staat, dessen erste Pflicht im Gesetzgebungsverfahren darin besteht, Neuregelungen so auszugestalten, daß die Grundrechte seiner Bürger geachtet und gewahrt werden, könnte ansonsten dazu verleitet werden, im Rahmen des Steuerrechts mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen sorglos umzugehen. Das Risiko der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes würde dann in die Verantwortungsphäre des Steuerpflichtigen verlagert, obwohl dieser keinen Einfluß auf die Gestaltung des Gesetzes hat.

Aus diesem Grunde darf die Aussetzung der Vollziehung auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob die verfassungsrechtlichen Bedenken voraussichtlich zu einer Nichtigkeitserklärung der Norm führen - das hätte die Unanwendbarkeit von Beginn an zur Folge - oder zu einer bloßen Unvereinbarkeit - damit wäre nur eine zukünftige Nichtanwendung der Regelung verbunden, die - nach einem Teil der Meinung in der Rechtsprechung und Literatur - auch eine Aussetzung der Vollziehung für den streitigen (vergangenen) Zeitraum ausschließen soll (so z. B. Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluß vom 22. April 1994, 6 V 20/93, EFG 1994, 1031 und Spindler, "vorläufiger finanzgerichtlicher Rechtsschutz bei behaupteter Verfassungswidrigkeit von Steuergesetzen", Der Betrieb 1989, 596, 598). Andernfalls würde der verfassungsrechtlich verbürgte individuelle Rechtsschutz (Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz) unnötig ausgehölt (ebenso: Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Auflage 1998, § 23 Rdnr. 222 und Drüen, "Haushaltsvorbehalt bei der Verwerfung verfassungswidriger Steuergesetze?", Finanzrundschau 1999, 289, 290).

Im übrigen erscheinen auch die Mindereinnahmen des Staates aus einem vorläufigen Verzicht auf eine Durchsetzung der Mindestbesteuerung im Verhältnis zu seinen Gesamteinnahmen eher gering. Sie werden laut Gesetzentwurf für die drei Regelungen zur Verlustbegrenzung in den §§ 2 Abs. 3, 2 b und 10 d EStG nur auf 960 Mio. DM für 1999 geschätzt, von denen 437 Mio. DM auf den Bund entfallen sollen. Bei rein kassenmäßiger Betrachtung reduziert sich diese Mindereinnahme des Staates für 1999 auf 0 DM, während für das Jahr 2000 1,215 Milliarden DM als Einnahmen aus diesem Bereich angesetzt sind, davon als Anteil für den Bund 554 Mio. DM (Bundestagsdrucksache 14/265 vom 13.01.1999, Seite 137 und Bundestagsdrucksache 14/443 vom 03.03.1999, Seite 99). Angesichts von Gesamteinnahmen des Bundes im Haushalt für 1999 in Höhe von zunächst angesetzten Solleinnahmen von 485,7 Milliarden DM (davon 53,5 Milliarden Nettokreditaufnahme) - vgl. Bundestagsdrucksache 14/1924 vom 18.11.1999 - und einer Isteinnahme für 1999 von 482,8 Milliarden DM (davon 51,1 Milliarden DM Nettokreditaufnahme) - Bundestagsdrucksache 14/4001, Seite 8 = Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 - sowie einer Solleinnahme des Haushaltes, 2000 in Höhe von 478,8 Milliarden DM (davon 49,5, Milliarden DM Nettokreditaufnahme) Bundestagsdrucksache 14/1401 Seite 13 = Finanzplan des Bundes 1999 bis 2003 erscheint auch die mögliche Gesamtmehrbelastung des Staates durch einen vorläufigen Verzicht auf eine derartige Besteuerung im Aussetzungsverfahren angemessen, zumal über die Festsetzung von Aussetzungszinsen im Falle eines endgültigen Obsiegens des Staates auch ein finanzieller Ausgleich für die zeitlich verzögerte Zahlung der Ast. geleistet werden müßte. Diese Einschätzung wird auch durch die Veränderungen im Haushalt 1999 belegt, dessen Ist-Ansatz gegenüber dem Soll-Ansatz nicht nur eine geringere Nettokreditaufnahme von 2,4 Milliarden DM ausweist, sondern auch eine um die Nettokreditaufnahme bereinigte - um 500 Mio. DM höhere Einnahme (tatsächlich 431,7 Mio. DM statt 431,2 Mio. DM im ursprünglichen Haushaltsansatz).

RechtsgebieteFGO, EStG, FördGVorschriftenFGO § 69 Abs. 4 EStG § 2 Abs. 3 EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG § 7 EStG § 2 Abs. 3 EStG § 10 d EStG § 32 a Abs. 1 Nr. 1 EStG § 2 b FördG § 4 FördG § 4 Abs. 3

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