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  • 29.08.2016 · IWW-Abrufnummer 188275

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 22.06.2016 – 7 K 727/14 E

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster

    7 K 727/14 E

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.

    1

    Tatbestand

    2

    Die Beteiligten streiten über die Frage, ob eine Ausgleichszahlung an die geschiedene Ehefrau des Klägers steuerlich zu berücksichtigen ist.

    3

    Der 196x geborene Kläger wurde im Streitjahr 2012 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er hat gegenüber seiner Arbeitgeberin, der C. & Co. GmbH, einen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung. Nach der ursprünglichen Vereinbarung vom 1.12.1993 (Bl. 100 f. der Gerichtsakte) betrug das lebenslänglich zu zahlende Ruhegeld jährlich xxxxx DM und die Hinterbliebenenrente 60% hiervon. Ziffer 6 dieser Vereinbarung enthält ein Verfügungsverbot über Ansprüche aus dieser Pensionszusage.

    4

    In § 6 Abs. 6 des Anstellungsvertrags vom 25.1.1995 (Bl. 105-108 der Gerichtsakte) wurde die Zusage dahingehend neu gefasst, dass das monatliche Altersruhegeld 60% des durchschnittlichen Festgehalts der letzten drei Jahre beträgt. Diese Regelung wurde in einem Nachtrag vom 16.11.2009 (Bl. 86 f. der Gerichtsakte) dahingehend neu gefasst, dass das monatliche Altersruhegeld xxxx,xx EUR beträgt. Ein ausdrückliches Verfügungsverbot enthalten die beiden letztgenannten Vereinbarungen nicht mehr. Zur Frage der Übertragung von Rentenanwartschaften im Fall der Ehescheidung enthält keine der Vereinbarungen eine ausdrückliche Regelung.

    5

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vereinbarungen Bezug genommen.

    6

    Mit Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom xx.8.2010 wurde die im Jahr 1985 geschlossene Ehe des Klägers geschieden. Durch gerichtlichen Vergleich vom selben Tag verpflichtete sich der Kläger zum Ausgleich bezüglich seiner betrieblichen Versorgungsanwartschaft und eines eventuellen schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs an seine Ehefrau insgesamt 35.000 EUR ab 2012 in fünf Jahresraten zu je 7.000 EUR zu zahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil sowie auf das Sitzungsprotokoll vom xx.8.2010 Bezug genommen (Bl. 19-26 der Gerichtsakte).

    7

    Die im Streitjahr 2012 geleistete erste Rate in Höhe von 7.000 EUR machte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung als Sonderausgaben geltend. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer ohne Anerkennung dieses Betrages fest, weil es sich nicht um eine Ausgleichszahlung im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs, sondern um eine Abfindung im Sinne von § 23 des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG) handele. Für eine solche Zahlung sei ein Sonderausgabenabzug ausgeschlossen.

    8

    Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Einspruchs trug der Kläger vor, dass nach dem BFH-Urteil vom 22.8.2012 (X R 36/09) auch Leistungen im Rahmen eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zu Sonderausgaben führten. Die Zahlung stelle gerade keine Abfindung nach § 23 VersAusglG, sondern einen rein schuldrechtlichen Ausgleich dar.

    9

    Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Ein Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1b des Einkommensteuergesetzes (EStG) komme nicht in Betracht, weil sich der Kläger noch nicht in der Leistungsphase seiner betrieblichen Altersversorgung befunden habe und deshalb der von dieser Vorschrift vorausgesetzte Transfer von Einkünften nicht stattfinde. Aus diesem Grund sei auch das vom Kläger zitierte BFH-Urteil nicht einschlägig.

    10

    Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, mit der er den Sonderausgabenabzug nur noch hilfsweise, in erster Linie aber einen Werbungskostenabzug in Höhe von 7.000 EUR begehrt. Zur Begründung führt er aus, dass aufgrund des Scheidungsverfahrens vorgesehen gewesen sei, seine betriebliche Altersversorgung im Fall der Scheidung im Wege der Realteilung zu splitten. Um dies zu vermeiden, sei die Scheidungsvereinbarung getroffen worden. Eine solche Realteilung sei nach den Vereinbarungen mit der Arbeitgeberin nicht ausgeschlossen gewesen. Insbesondere sei das ursprünglich vereinbarte Verfügungsverbot in den späteren Regelungen nicht mehr enthalten. Im Fall der Realteilung würden dem Kläger nach Erreichen der Altersgrenze niedrigere steuerpflichtige Rentenbezüge zufließen.

    11

    Der Kläger beantragt,

    12

    den Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 6.1.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.2.2014 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf x EUR herabgesetzt wird.

    13

    Ferner beantragt der Kläger,

    14

    die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

    15

    Der Beklagte beantragt,

    16

    die Klage abzuweisen.

    17

    Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich nicht zu Werbungskosten führe. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass für seine betriebliche Versorgungsanwartschaft einer Realteilung im Scheidungsfall rechtlich vorgesehen gewesen sei. Das VersAusglG, das einen solchen Anspruch auf Realteilung grundsätzlich vorsehe, sei im Scheidungsverfahren des Klägers noch nicht anwendbar gewesen.

    18

    Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

    19

    Entscheidungsgründe

    20

    Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung, FGO).

    21

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    22

    Der Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 6.1.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.2.2014 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    23

    Der Kläger kann die an seine geschiedene Ehefrau im Jahr 2012 gezahlte Rate in Höhe von 7.000 EUR weder als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit noch als Sonderausgaben abziehen.

    24

    I. Ein Werbungskostenabzug kommt nicht in Betracht. Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Voraussetzung für die Abziehbarkeit der Aufwendungen als Werbungskosten ist, dass sie in einem ausreichend bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart stehen, bei der sie erwachsen sind (BFH-Urteil vom 15.6.2010 X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807).

    25

    1. Zahlungen im Zusammenhang mit einem Versorgungsausgleich führen dann zu Werbungskosten, wenn eine Pflicht zum Ausgleich von Versorgungsanwartschaften besteht und zur Folge hätte, dass dem Versorgungsberechtigten niedrigere Versorgungsbezüge im Sinne des §§ 19 Abs. 2 EStG zufließen als ohne eine solche Ausgleichsverpflichtung (BFH-Urteil vom 22.8.2012 X R 36/09, BStBl II 2014, 109). Zahlungen für den Ausschluss eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs wegen des Bestehens einer Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung sind demgegenüber keine mit den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit im Zusammenhang stehenden Werbungskosten, wenn dem Versorgungsempfänger auch im Scheidungsfall die ungekürzten Bezüge zufließen würden und er diese in vollem Umfang als eigene Einkünfte zu versteuern hätte (BFH-Urteil vom 15.6.2010 X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807). Daraus folgt, dass bei Ansprüchen auf eine betriebliche Altersversorgung ein Werbungskostenabzug für Ausgleichszahlungen an den geschiedenen Ehegatten nur dann in Betracht kommt, wenn ohne die Vereinbarung der Ausgleichszahlung eine Realteilung der Versorgungsanwartschaft erfolgt wäre.

    26

    Da nach §§ 10 ff. VersAusglG eine solche interne Teilung grundsätzlich vorgesehen ist, führen Ausgleichszahlungen für einen Versorgungsausgleich der unter diese Regelungen fällt, zu abzugsfähigen Werbungskosten (FG Münster, Urteil vom 11.11.2015 7 K 453/15 E, EFG 2016, 114).

    27

    2. Im Streitfall kommen diese Regelungen jedoch nicht zum Tragen, weil der zeitliche Anwendungsbereich des VersAusglG nicht eröffnet ist. Gemäß § 48 Abs. 1 VersAusglG ist in Verfahren über den Versorgungsausgleich, die vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden sind, das bis dahin geltende materielle Recht weiterhin anzuwenden. Abweichend hiervon ist in Verfahren, in denen am 31.8.2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, ab dem 1.9.2010 das ab dem 1.9.2009 geltende materielle Recht, also das VersAusglG, anzuwenden (§ 48 Abs. 3 VersAusglG). Im Scheidungsverfahren des Klägers und seiner Ehefrau kam noch das alte Recht zur Anwendung. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass das Verfahren vor dem Amtsgericht B-Stadt aufgrund seines Aktenzeichens (xx F xxx/09) vor dem 1.9.2009 eingeleitet und vor dem 1.9.2010, nämlich am xx.8.2010, beendet wurde. Das Gericht hat für Zwecke des Versorgungsausgleichs selbst nicht die Regelungen des VersAusglG, sondern § 1587b des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) angewendet (Bl. 21 der Gerichtsakte) und die Parteien ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei einer Weiterführung des Verfahrens eine andere Regelung im Versorgungsausgleich zu treffen wäre (Bl. 24 der Gerichtsakte). Zum anderen ist die Anwendbarkeit des alten Rechts zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens nicht streitig.

    28

    3. Nach der bisherigen Regelung war für Ansprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung (§§ 1587a Abs. 2 Nr. 3, 1587b Abs. 3 BGB in der bis zum 31.8.2009 gültigen Fassung, BGB a.F.) nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) eine Realteilung dann vorgesehen, wenn die für ein Anrecht des Verpflichteten maßgebende Regelung dies vorsah. Anderenfalls fand ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich statt (§ 2 VAHRG).

    29

    Im Streitfall sehen die Vereinbarungen des Klägers mit seiner Arbeitgeberin eine Realteilung seiner betrieblichen Altersversorgung für den Fall einer Ehescheidung nicht in diesem Sinne vor. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Abtretung der Ansprüche, die in der ursprünglichen Vereinbarung vom 1.12.1993 ausdrücklich ausgeschlossen war, durch die geänderten Vereinbarungen zulässig geworden ist. Die Möglichkeit einer Realteilung im Sinne von § 1 Abs. 2 VAHRG wird nur dann eröffnet, wenn dies in den entsprechenden Vereinbarungen ausdrücklich geregelt ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat selbst die ausdrückliche Möglichkeit einer Abtretung der Versorgungsleistungen im Rahmen eines Veräußerungsausgleichs bei einer Scheidung nicht ausreichen lassen, um der geschiedenen Ehefrau einen Anspruch auf Realteilung einzuräumen (BGH-Urteil vom 8.5.1985 IVb ZB 837/81, FamRZ 1985, 799). Ferner sind in die Vereinbarung Regelungen zur näheren Ausgestaltung der Realteilung aufzunehmen (vgl. BGH-Urteil vom 2.10.1996 XII ZB 145/94, NJWE-FER 1997, 5). Danach genügt es nicht, dass in den Vereinbarungen über die betriebliche Altersversorgung die Möglichkeit einer Realteilung nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird.

    30

    Da der Kläger danach auch ohne den Vergleich mit seiner geschiedenen Ehefrau lediglich einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich im Sinne von § 2 VAHRG i.V.m. §§ 1587f ff. BGB a.F. hätte durchführen müssen, hätte er in jedem Fall die späteren Rentenbezüge als Versorgungsbezüge im Sinne von § 19 Abs. 2 EStG in vollem Umfang versteuern müssen.

    31

    II. Auch ein Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG in der für das Streitjahr 2012 gültigen Fassung (EStG a.F.) kommt nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind Ausgleichszahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs nach §§ 20, 21, 22 und 26 VersAusglG, §§ 1587f, 1587g, 1587i BGB und § 3a VAHRG als Sonderausgaben abzugsfähig, soweit die ihnen zu Grunde liegenden Einnahmen bei der ausgleichspflichtigen Person der Besteuerung unterliegen, wenn die ausgleichsberechtigte Person unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist.

    32

    Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Das VersAusglG ist nicht anwendbar (s.o.). Auch ein verlängerter schuldrechtlicher Versorgungsausgleich nach dem Tod des Verpflichteten im Sinne von § 3a VAHRG kommt im Streitfall nicht in Betracht.

    33

    Der Kläger und seine Ehefrau haben aber auch keinen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich im Sinne der genannten Vorschriften des BGB a.F. durchgeführt. Gemäß §§ 1587f i.V.m. 1587g BGB a.F. erfolgte der schuldrechtliche Versorgungsausgleich durch eine Geldrente, während §§ 1587f i.V.m. § 1587i BGB a.F. den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich durch Abtretung von Versorgungsansprüchen vorsahen. Der Kläger gewährt seiner geschiedenen Ehefrau weder eine Geldrente noch hat er Versorgungsansprüche an sie abgetreten. Vereinbart wurde vielmehr eine Ausgleichszahlung im Sinne von § 1587o BGB a.F., die von § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG a.F. nicht erfasst wird. Derartige Abfindungszahlungen zur Ablösung von künftigen Ansprüchen auf einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich dienen – ebenso wie der Zugewinnausgleich - einer Vermögensauseinandersetzung und nicht der Abgeltung normaler Unterhaltsansprüche. Dementsprechend handelt es sich um einen Vorgang auf der Vermögensebene, der steuerlich nicht zu abzugsfähigen Aufwendungen und korrespondierend dazu auch nicht zu steuerpflichtigen Einkünften beim Empfänger der Ausgleichszahlung führt (BFH-Urteil vom 15.6.2010 X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807; FG Nürnberg, Urteil vom 5.6.2014 4 K 1171/13, EFG 2015, 1186). Korrespondierend dazu führen die Zahlungen beim Ausgleichsempfänger auch nicht zu steuerbaren Einkünften, weil es sich weder um Renten noch um Leistungen, sondern um einen veräußerungsähnlichen Vorgang handelt (Hessisches FG, Urteil vom 8.7.2014 11 K 1432/11, EFG 2014, 1678).

    34

    III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    35

    IV. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung angesichts der derzeit beim BFH anhängigen Verfahren zur Frage der steuerlichen Behandlung von Ausgleichszahlungen nach § 1587o BGB a.F. aufseiten des Zahlenden (X R 60/14) und aufseiten des Zahlungsempfängers (X R 48/14) zugelassen.