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  • · Fachbeitrag · Beistandschaft

    Ende einer Beistandschaft

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Bergisch Gladbach

    | Der BGH hat über die Folgen des Endes einer Beistandschaft im Hinblick auf die Vertretung eines Minderjährigen entschieden. |

     

    Sachverhalt

    Die minderjährige Antragstellerin A hat, vertreten durch das Jugendamt JA als Beistand, ihren Vater V auf Unterhalt in Anspruch genommen. Das Familiengericht hat den Antrag mit einem dem JA am 15.8.19 zugestellten Beschluss zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 26.8.19, dessen Zugangszeitpunkt beim JA ungeklärt ist, hat die Mutter M dessen Beistandschaft beendet. Am 29.8.19 hat die nun anwaltlich vertretende A gegen die Entscheidung des Familiengerichts Beschwerde eingelegt, hierzu am 18.9.19 die Vollmacht der vom V geschiedenen M nachgereicht und die Beschwerde innerhalb der bis zum 15.11.19 verlängerten Frist begründet. Mit Schreiben vom 3.12.19 hat das JA die Beendigung der Beistandschaft bestätigt. Nachdem zweifelhaft geworden war, ob die A bei der Einlegung und Begründung ihrer Beschwerde wirksam gesetzlich vertreten war, hat sie vorsorglich und hilfsweise Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerde- und Beschwerdebegründungsfrist beantragt. Das OLG hat diesen Antrag zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde ist erfolgreich.

     

    • a) Ist die Beistandschaft des Jugendamts beendet, erlangt der sorgeberechtigte Elternteil die gesetzliche Vertretung des Kindes zurück und kann Verfahrenshandlungen, bei denen das Kind nicht wirksam gesetzlich vertreten war, rückwirkend genehmigen.
    • b) Der Vertretungsmangel kann in jeder Lage des Verfahrens geheilt werden und zwar auch noch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist in der jeweiligen Instanz bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung bzw. zum Zeitpunkt der Beschlussfassung.
     

    Entscheidungsgründe

    Wenn eine gesonderte Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch ergeht, muss diese mit der Beschwerde angegriffen werden.

     

    Zweifelhaft ist, ob der angefochtene Beschluss ausreichend begründet worden ist. Beschlüsse, die mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden können, müssen den Sachverhalt wiedergeben, über den entschieden wird. Das fehlt hier. Erforderlich sind die Angaben über den Verfahrensablauf, die eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses aus sich heraus ermöglichen.

     

    Im Übrigen ist der Antrag auf Wiedereinsetzung ausdrücklich nur vorsorglich und für den Fall der Versäumung der Beschwerde- und Beschwerdebegründungsfrist gestellt. Über ihn ist erst zu entscheiden, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die A die Frist gewahrt hat, um eine Rechtshandlung vorzunehmen. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, da die A die Beschwerde- und die Beschwerdebegründungsfrist gewahrt hat. A war aber im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde nicht wirksam gesetzlich durch M vertreten. Denn es kann nicht festgestellt werden, ob die Beistandschaft zu diesem Zeitpunkt bereits beendet war. Die Beistandschaft schließt eine gesetzliche Vertretung durch den sorgeberechtigten Elternteil aus, § 234 FamFG.

     

    Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen ist der Schluss der mündlichen Verhandlung bzw. der Beschlussfassung. Der Vertretungsmangel kann in jeder Lage des Verfahrens, also auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist in der jeweiligen Instanz geheilt werden, indem der gesetzliche Vertreter die Verfahrensführung genehmigt, und zwar auch noch in der Rechtsmittelinstanz. Diese Genehmigung kann auch schlüssig erklärt werden. Nach § 547 Nr. 4 und § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO kennt das Gesetz selbst die nachträgliche Genehmigung der Prozesshandlung durch eine im Verfahren nicht ordnungsgemäß vertretende Partei. Es legt ihr die Rechtswirkung bei, dass der zugrunde liegende Verfahrensmangel als geheilt anzusehen ist. Nach § 72 Abs. 3 FamFG ist § 547 ZPO ausdrücklich auch in Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anzuwenden. Die Beistandschaft des JA ist spätestens bei der Bestätigung mit Schreiben vom 3.12.19 beendet. Die A wird jedenfalls seither von M auch hinsichtlich des hiesigen Verfahrensgegenstands vertreten. M war daher in der Lage, die unzulässige Beschwerdeeinlegung durch den Verfahrensbevollmächtigten der A rückwirkend zu genehmigen. In der Verfahrensfortsetzung durch die M liegt eine konkludente Genehmigung.

     

    Relevanz für die Praxis

    Oft werden Wiedereinsetzungsentscheidungen mit der Entscheidung über die Verwerfung der Beschwerde als unzulässig verbunden. Insoweit reicht aus, wenn gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt wird. Wenn über das Wiedereinsetzungsgesuch aber durch einen isolierten Beschluss entschieden wird, ist es notwendig, gegen den Wiedereinsetzungsbeschluss auch isoliert Beschwerde einzulegen. Sonst wird die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag rechtskräftig und ist für die Entscheidung über die Verwerfung des Rechtsmittels auch für den BGH bindend.

     

    Besteht eine Beistandschaft des JA für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gem. § 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist eine Vertretung durch den weiterhin uneingeschränkt sorgeberechtigten Elternteil gem. § 1716 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen, § 234 FamFG. Die Regelung soll einen widerspruchsfreien Verfahrensgang sicherstellen. Mit dem Ende der Beistandschaft auf schriftliches Verlangen des sorgeberechtigten Elternteils gem. § 1715 Abs. 1 S. 1 BGB übernimmt dieser wieder die gesetzliche Vertretung des Kindes. Auch wenn die Voraussetzungen des § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB vorliegen, bleibt die Möglichkeit, den Kindesunterhalt über eine Beistandschaft zu verfolgen, unberührt.

     

    Weiterführende Hinweise

    • BGHZ 106, 96, 100, diese Entscheidung führt die Rechtsprechung fort
    Quelle: Ausgabe 06 / 2021 | Seite 94 | ID 47263708