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Urteil vom 23.01.2019 · IWW-Abrufnummer 207656

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg - Aktenzeichen 15 Sa 1021/18

1. Zur Pflicht eines Arbeitgebers, einen schwerbehinderten Menschen mit reduzierter Wochenstundenzahl von 19 Stunden an 3 Tagen zu beschäftigen

2. Annahmeverzugslohn


In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzender
sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn B. und Herrn L.
für Recht erkannt:

Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. April 2018 - 60 Ca 6497/16 - abgeändert und das beklagte Land verurteilt,


1. die Klägerin mit 19 Wochenstunden - verteilt auf 3 Tage die Woche - als Mitarbeiterin mit Tätigkeiten entsprechend der Entgeltgruppe 3 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder - Berlin, in Berlin zu beschäftigen,


2. an die Klägerin 10.321,06 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von jeweils 754,40 € seit dem 01.12.2016, seit dem 01.01.2017, seit dem 01.02.2017, auf einen Betrag von jeweils 420,42 € seit dem 01.03.2017, 01.04.2017, 01.05.2017, 01.06.2017, 01.07.2017, 01.08.2017, 01.09.2017, 01.10.2017, 01.11.2017, 01.12.2017, 01.01.2018 sowie einem Betrag von jeweils 572,56 € seit dem 01.02.2018, 01.03.2018, 01.04.2018, 01.05.2018, 01.06.2018 sowie 01.07.2018 zu zahlen.


II. Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben die Beklagte zu 40 % und die Klägerin zu 60 % zu tragen; die Kosten der II. Instanz hat die Beklagte zu tragen.


III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten - soweit für die Berufungsinstanz noch von Relevanz - darüber, ob die Klägerin mit verringerter Wochenstundenzahl zu beschäftigen ist und ob ihr für die Zeit vom 01.11.2016 bis 30.06.2018 Annahmeverzugslohn zusteht.



Die am ...1960 geborene Klägerin war seit dem 09.05.1983 bei dem beklagten Land als Reinigerin in Teilzeit beschäftigt. Seit 2006 war sie als Pförtnerin, zuletzt mit 24,25 Wochenstunden bei einem Bruttomonatsentgelt von 1.503,80 € tätig. Sie war in dem hier relevanten Zeitraum mit einem Grad von 50 als Schwerbehinderte anerkannt. Einsatzstelle war zuletzt der Landesbetrieb für Gebäudewirtschaft. Dort waren mit Stichtag 30.09.2017 101 Arbeitnehmer/ Arbeitnehmerinnen in Vollzeit und 16 in Teilzeit beschäftigt.



In den Jahren 2010 - 2015 war die Klägerin deutlich über 6 Wochen pro Kalenderjahr arbeitsunfähig erkrankt. In den Jahren 2011, 2012, 2013 und zuletzt unter dem 24.04.2017 wurden ärztliche Gutachten eingeholt (Anl. B7, Bl. 210 ff der Akte). Mit Bescheid vom 01.07.2015 (Bl. 13 ff der Akte) wurde die ursprünglich nur befristet erteilte Teilerwerbsminderungsrente unbefristet gewährt. Hiervon erfuhr das beklagte Land spätestens im März 2016. Mit Schreiben vom 28.04.2016 erklärte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2015 wegen der Gewährung einer unbefristeten teilweisen Erwerbsminderungsrente für beendet. Nachdem die Klägerin eine Weiterbeschäftigung anmahnte, antwortete das beklagte Land mit Schreiben vom 09.05.2016, wonach das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet sei. Seit diesem Zeitpunkt wird die Klägerin nicht mehr beschäftigt. Das Integrationsamt lehnte mit Schreiben vom 02.12.2016 die beantragte Zustimmung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses ab.



Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht beendet sei. Insofern fehle schon die notwendige Zustimmung des Integrationsamtes. Das beklagte Land sei verpflichtet, sie in der Zeit ab Februar 2017 mit 19 Wochenstunden zu beschäftigen. Dies ergebe sich aus dem ärztlichen Gutachten vom 24.04.2017. Ihr stünden Annahmeverzugslohnansprüche für die Zeit von August 2015 bis März 2018 zu.



Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht nach § 33 Absatz 2 TV-L beendet worden ist, hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auf Grund der Zustellung des Rentenbescheids wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 01.07.2015 beendet worden ist, 2. das beklagte Land zu verurteilen, sie mit 19 Wochenstunden - verteilt auf 3 Tagen in der Woche - als Mitarbeiterin mit Tätigkeiten entsprechend der Entgeltgruppe 3 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder - Berlin - in Berlin zu beschäftigen, 3. das beklagte Land zu verurteilen, an sie 16.757,67 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 291,06 Euro seit dem 01.08.2016, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.09.2016, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.10.2016, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.11.2016, auf einen Betrag von 2.932,41 Euro seit dem 01.12.2016, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro sei dem 01.01.2017, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.02.2017, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.03.2017, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.04.2017, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.05.2017 und auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.06.2017 zu zahlen, 4. das beklagte Land zu verurteilen, an sie 7.519,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.07.2017, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.08.2017, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.09.2017, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.10.2017, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.11.2017 zu zahlen, 5. 5. das beklagte Land zu verurteilen, an sie 7.519,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.12.2017, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.01.2018, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.02.2018, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.03.2018, auf einen Betrag von 1.503,80 Euro seit dem 01.04.2018 zu zahlen.



Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Das beklagte Land hat die Ansicht vertreten, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Basis von § 33 TV-L durch das Schreiben vom 09.05.2015 sofort beendet worden sei. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit habe nicht bestanden. Im Pförtnerdienst betrügen die Schichten grundsätzlich 8 Stunden. Eine Verkürzung der Schichtlänge sei nicht möglich. Auch für Teilzeitkräfte betrage die Schichtzeit 8 Stunden. Ein von der Klägerin gewünschter Teilzeitarbeitsplatz mit einem täglichen Einsatz von weniger als 8 Stunden sei nicht vorhanden. Bei einer berlinweiten Abfrage seien keine freien Stellen gemeldet worden. Auch aus dem Gutachten vom 24.04.2017 ergebe sich, dass die Klägerin Schichten im Umfang von 8 Stunden nicht leisten könne. Die Klägerin sei auch an die Feststellungen im Rentenbescheid vom 01.07.2015 gebunden, wonach sie nicht in der Lage sei, täglich über 6 Stunden hinaus zu arbeiten.



Mit Urteil vom 18.04.2018 hat das Arbeitsgericht Berlin dem Hauptantrag zu 1) stattgegeben. Insofern ist das Urteil rechtskräftig. Die Klage bezüglich des Antrages zu 2) hat es zurückgewiesen. Die Klägerin könne nicht leidensgerecht beschäftigt werden. Ihr sei eine Tätigkeit objektiv unmöglich, da sie achtstündige Schichten nicht leisten dürfe. Dies ergebe sich aus dem Rentenbescheid. Der Zahlungsantrag sei unzulässig, da die erforderliche Bestimmtheit fehle. Es dürfe nicht offen bleiben, in welcher Höhe Sozialleistungen anzurechnen sind.



Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie ist der Ansicht, die Zuerkennung der Erwerbsminderungsrente auf Dauer stehe der von ihr begehrten Teilzeittätigkeit nicht entgegen. Das zuletzt erstellte Gutachten vom 24.04.2017 ermögliche eine solche Tätigkeit auch für Schichten im Umfang von 8 Stunden. Das beklagte Land könne sich auch nicht auf entgegenstehende dringende betriebliche Gründe berufen. Es sei nicht ersichtlich, warum nicht mehrere Teilzeitkräfte in einer Schicht beschäftigt werden könnten. Auch sei nicht ersichtlich, warum sie nicht im Archiv oder bei Botengängen eingesetzt werden könnte. Hinsichtlich des Annahmeverzugslohns ab November 2016 lasse sie sich die erhaltenen Sozialleistungen anrechnen, die von ihr im Einzelnen näher aufgelistet werden.



Die Klägerin beantragt zuletzt sinngemäß unter Rücknahme der Berufung hinsichtlich der begehrten Zinsen um einen Tag,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. April 2018 - 60 Ca 6497/16 - teilweise abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, 1. sie mit 19 Wochenstunden - verteilt auf 3 Tage die Woche - als Mitarbeiterin mit Tätigkeiten entsprechend der Entgeltgruppe 3 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder - Berlin, in Berlin zu beschäftigen, 2. an sie 10.321,06 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von jeweils 754,40 € seit dem 01.12.2016, seit dem 01.01.2017, seit dem 01.02.2017, auf einen Betrag von jeweils 420,42 € seit dem 01.03.2017, 01.04.2017, 01.05.2017, 01.06.2017, 01.07.2017, 01.08.2017, 01.09.2017, 01.10.2017, 01.11.2017, 01.12.2017, 01.01.2018 sowie einem Betrag von jeweils 572,56 € seit dem 01.02.2018, 01.03.2018, 01.04.2018, 01.05.2018, 01.06.2018 sowie 01.07.2018 zu zahlen.



Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Das beklagte Land ist weiterhin der Ansicht, dass wegen der gewährten Erwerbsminderungsrente feststehe, dass die Klägerin täglich nicht mehr als 6 Stunden leisten dürfe. Insoweit bestünden keine Einsatzmöglichkeiten für die Klägerin, da alle Schichten 8 Stunden dauerten. Eine doppelte Besetzung einer Pförtnerloge mit der Klägerin sei aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar. Es sei unerheblich, dass kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt worden sei, da eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin nicht existiere. In der Berufungsverhandlung hat das beklagte Land behauptet, sowohl im Jahr 2015 als auch im Jahr 2016 sei der Versuch eines betrieblichen Eingliederungsmanagements unternommen worden. Die Klägerin habe hieran aber nicht teilgenommen.



Entscheidungsgründe



Die Berufung der Klägerin hat mit den zuletzt gestellten Anträgen in vollem Umfang Erfolg. Insofern war das arbeitsgerichtliche Urteil teilweise abzuändern.



I.



Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie sind form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.



II.



Die Berufung ist auch begründet.



1. Das beklagte Land ist verpflichtet, die Klägerin mit 19 Wochenstunden - verteilt auf 3 Tage die Woche - als Mitarbeiterin mit Tätigkeiten entsprechend der Entgeltgruppe 3 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder - Berlin, in Berlin zu beschäftigen. Durch das insofern hier nicht weiter angegriffene Urteil vom 18.04.2018 steht fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst worden ist. Insofern bestehen die arbeitsvertraglichen Bindungen weiter. Die Klägerin ist schwerbehindert (§ 151 SGB IX). Der Anspruch auf die hier begehrte Teilzeittätigkeit ergibt sich aus § 164 Abs. 5 Satz 3, Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 4 SGB IX.



1.1. Zu den gleichlautenden Normen in § 81 SGB IX a.F. hat das BAG entschieden, dass ein schwerbehinderter Mensch jederzeit und ohne Bindung an Formen und Fristen verlangen kann, in einem seiner Behinderung Rechnung tragenden zeitlichen Umfang eingesetzt zu werden (BAG 14.03.2006 - 9 AZR 411/05 - juris Rn. 17). Ein solcher Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung mit der verringerten Arbeitszeit entsteht unmittelbar bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. Es bedarf daher keiner vorhergehenden Vertragsänderung (BAG 14.10.2003 - 9 AZR 100/03 - juris Rn. 36). Insofern ist ein Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 SGB IX auch zu einer Umgestaltung der Arbeitsorganisation verpflichtet (BAG 14.03.2006 - 9 AZR 411/05 - juris Rn. 18). Eine solche Pflicht besteht jedoch dann nicht, wenn dem Arbeitgeber die Beschäftigung unzumutbar oder eine solche nur mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist, § 81 Abs. 4 S. 3 SGB IX. Insofern ist ein Arbeitgeber nicht verpflichtet, für den schwerbehinderten Menschen einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten (BAG aaO Rn. 19).



1. 2. Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich der Anspruch der Klägerin als begründet.



1.2.1. Nach einer Untersuchung am 31.01.2017 stellt das Gutachten vom 24.04.2017 (Bl. 210 ff der Akte) fest:



Damit steht aus medizinischer Sicht fest, dass die Klägerin nunmehr pro Woche nur an 19 Arbeitsstunden (und nicht wie bisher an 24,25 Stunden) und auch nur an 3 Tagen beschäftigt werden kann.



Soweit das beklagte Land meint, die Feststellungen in diesem Gutachten stünden der Gewährung einer Teilerwerbsminderungsrente entgegen, kann offen bleiben, ob dies zutrifft. Das beklagte Land begründet dies damit, dass gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI teilweise erwerbsgemindert diejenigen Versicherten sind, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hieraus leitet das beklagte Land ab, dass schon die Fähigkeit eines Versicherten, an einzelnen Tagen über 6 Stunden hinaus arbeiten zu können, einer Rentengewährung entgegensteht. Die Klägerin hält diese Interpretation für unzutreffend und verweist darauf, dass insofern von einer 5-Tage-Woche ausgegangen werden müsse. Nach Darstellung in der Literatur liegt teilweise Erwerbsminderung vor, wenn die Erwerbsfähigkeit auf einen zeitlichen Umfang von weniger als 6 Stunden täglich herabsinkt, wobei von einer regelmäßigen Arbeitszeit im Rahmen einer 5-Tage-Woche auszugehen ist (Hauck/Haines § 43 SGB VI Rn. 32). Dies kann nach hiesiger Ansicht deswegen offen bleiben, da das Gutachten vom 24.04.2017 das zeitlich letzte ist. Gemäß Seite 1 des Gutachtens wurden Daten Untersuchungsbefunde umfassend erhoben. Das vom beklagten Land übermittelte Tätigkeitsprofil lag vor (Seite 2, Abs. 2 des Gutachtens). Auf Basis dieser neuesten Daten wurde das Gutachten erstellt. Sollten die gezogenen Schlussfolgerungen im Widerspruch zu den Erhebungen stehen, die Basis für die unbefristete Zuerkennung einer Teilerwerbsminderungsrente im Jahre 2015 waren, dann kommt möglicherweise gemäß § 100 SGB VI unter den dort genannten Voraussetzungen eine Änderung der zuvor gewährten Rente in Betracht.



Das beklagte Land verweist ferner darauf, dass sich bei einer 19-stündigen Arbeitswoche verteilt auf 3 Tage eine durchschnittliche Arbeitszeit und 6,3 Stunden ergebe, was sich nicht mit § 43 SGB VI vereinbaren ließe. Der Gutachter gehe aber davon aus, dass die Teilerwerbsminderungsrente auch weiterhin eine sozialmedizinisch unverzichtbare Grundlage für das Auffangen der fortbestehenden Leistungseinbußen sei (Seite 2, Abs. 2 des Gutachtens). Zum einen gelten hier die gleichen Erwägungen wie im vorherigen Abschnitt. Darüber hinaus ist denkbar, dass der Gutachter sich über die Voraussetzungen für die Gewährung einer Teilerwerbsminderungsrente in rechtlicher Hinsicht geirrt hat. Zu seinen Aufgaben als arbeitsmedizinischer Gutachter gehört jedoch nicht die Beurteilung rechtlicher Situationen. Insofern ist es unerheblich, dass er sich möglicherweise hinsichtlich der rechtlichen Einschätzung dahingehend geirrt hat, dass bei einem Restarbeitsvermögen von 19 Stunden in der Woche und einer Verteilung auf 3 Arbeitstage weiterhin die Voraussetzungen für die Gewährung einer Teilerwerbsminderungsrente vorlägen. Relevant ist aber nur, wie er das Restarbeitsvermögen der Klägerin einschätzt. Dazu hatte er sich klar und eindeutig geäußert.



Weitere Indizien, die gegen die Schlussfolgerungen des Gutachters sprechen, hat das beklagte Land nicht angeführt. Sie sind auch nicht ersichtlich. Die zur Akte gereichten Gutachten aus den Jahren 2011bis 2013 sind deutlich älter. Insofern kam die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht in Betracht.



1.2.2. Das beklagte Land kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der von der Klägerin begehrte Einsatz ihr nicht zumutbar oder dieser mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre (§ 164 Abs. 4 S. 3 SGB IX).



Der Hinweis, bei dem hiesigen Landesbetrieb würden Pförtnerdienstleistungen auch von Teilzeitkräften durchgängig und ausschließlich in einer 8-stündigen Schicht erbracht, reicht insofern nicht aus. Auch die Klägerin ist der Lage, solche Schichten zu leisten. So führt der Gutachter auf Seite 3 zur 4. Frage, ob die Klägerin in der Lage sei, Schichtdienst als Pförtnerin (Frühdienst von 6:00 bis 14:00 Uhr und Spätdienst von 14 bis 22:00 Uhr) an 3 Tagen in der Woche zu leisten, aus:



Die Schichtdauer war in der Frage eindeutig angegeben. Hinsichtlich des Frühdienstes hat der Gutachter einen Einsatz für die dort vorgesehenen Zeiten zwischen 6:00 Uhr und 14:00 Uhr als möglich angesehen, wobei keine gesundheitlichen Bedenken bestünden. Auf diese Einschätzung darf sich das beklagte Land auch verlassen, zumal diese von der Klägerin geteilt wird.



Doch selbst wenn man davon ausgehen müsste, dass die Klägerin nicht in der Lage wäre, 8 Stunden am Stück zu arbeiten, wäre es für das beklagte Land zumutbar, eine verkürzte Schichtzeit der Klägerin hinzunehmen. Nach § 164 Abs. 4 S. 1 Z. 4 haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihrem Arbeitgeber auch einen Anspruch auf eine veränderte Gestaltung der Arbeitsorganisation. Dazu gehört auch eine entsprechende Schichteinteilung. Technisch ist es sehr wohl möglich, die vorhandenen 16 Teilzeitkräfte in Ergänzung zu den jeweiligen Stundenzahlen einzusetzen, die von der Klägerin zu leisten sind. Das beklagte Land hat auch nicht vorgetragen, dass dies rechtlich nicht möglich wäre. Auch ein langjähriger Einsatz von Arbeitnehmern in einem bestimmten Schichtsystem oder einer bestimmten Schichtdauer führt nicht dazu, dass dies nicht per Direktionsrecht verändert werden könnte.



Ob es darüber hinaus auch möglich wäre, andere Teilzeitkräfte, deren Arbeitsplatz bei anderen Dienststellen des Landes nicht die Ableistung von 8-stündigen Schichten verlangt, welche sie aber leisten könnten, im Tausch mit der Klägerin einzusetzen, kann offen bleiben. Insofern kommt es - anders als bei § 33 TV-L - jedenfalls nicht darauf an, dass die anderen Arbeitsplätze frei sind.



2. Das beklagte Land ist auch verpflichtet, an die Klägerin 10.321,06 € brutto nebst Zinsen für den Zeitraum November 2016 bis Juni 2018 zu zahlen (§§ 615, 293 ff BGB).



2.1. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren erstmals auch Ansprüche für die Zeiträume April bis Juni 2018 erhoben hat, ist die entsprechende Klageerweiterung zulässig, zumal sich das beklagte Land rügelos eingelassen hat (§§ 263, 267 ZPO).



2.2. Gemäß § 615 BGB kann der Dienstverpflichtete für die infolge des Verzuges nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung ohne Verpflichtung zur Nachleistung verlangen, wenn der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug war. Ein an sich erforderliches Angebot der Dienste (§ 293 BGB) ist gemäß § 296 BGB dann entbehrlich, wenn für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Das BAG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nach einer unberechtigten Kündigung insofern der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht anbieten muss, da der Arbeitgeber täglich ihm einen eingerichteten Arbeitsplatz hätte zur Verfügung stellen müssen. Der Kündigung gleichgestellt werden alle weiteren Fälle, in denen der Arbeitgeber in sonstiger Weise zu erkennen gibt, dass er seiner Mitwirkungshandlung nicht nachkommen wird und von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeht (Erfurter Kommentar/Preis § 615 BGB Rn. 32). Voraussetzung ist ferner, dass der Arbeitnehmer leistungswillig und leistungsfähig ist (BAG 4 20.09.2003 - 5 AZR 591/02 - NZA 2003, 1387, 1388).



2.3. Bei Anwendung dieser Grundsätze befand sich das beklagte Land im Annahmeverzug.



Mit den Schreiben vom 28.04.2016 und 09.05.2016 hatte sich das beklagte Land zu Unrecht auf den Standpunkt gestellt, dass das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin beendet sei. Insofern musste die Klägerin ihre Arbeitskraft auch nicht mehr ausdrücklich anbieten, um Annahmeverzugslohnansprüche geltend machen zu können. Auch bis Ende Juni 2018 hatte das beklagte Land der Klägerin zu keinem Zeitpunkt einen Arbeitsplatz wieder angeboten.



Die Klägerin war auch leistungswillig, was sich sowohl aus Ihrem Schreiben vom 06.05.2016 als auch aus dem hier eingeleiteten Klageverfahren ergibt.



Im Gegensatz zur Auffassung der 1. Instanz war die Klägerin auch leistungsfähig. Sie war ab dem 01.11.2016 nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt. Insofern konnte sie ihrer Arbeitsverpflichtung im Umfang von 24,25 Stunden, so wie dies zuletzt zwischen den Parteien vereinbart war, grundsätzlich nachkommen. Soweit das beklagte Land sich darauf beruft, dass dieser Einsatz wirtschaftlich nicht sinnvoll war, weil die Klägerin zuletzt als Zweitkraft in der jeweiligen Pförtnerloge eingesetzt worden war, ist dies unerheblich. Die sinnvolle Verwertung der Arbeitskraft gehört grundsätzlich zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers. Eine mögliche Reaktion könnte insofern in einer betriebsbedingten Kündigung bestehen (siehe auch das gerichtliche Schreiben vom 21.01.2019).



Soweit hinsichtlich der Klägerin aufgrund der Untersuchung vom 31.01.2017 in dem Gutachten vom 24.04.2017 festgestellt worden war, dass sie nur noch in begrenztem Umfang von 19 Wochenstunden an drei Arbeitstagen ohne gesundheitliche Bedenken einsetzbar ist, folgt daraus nicht, dass insofern ein Einsatz der Klägerin unmöglich (§ 297 BGB) war. Gerade unter Berücksichtigung der zusätzlichen Rechte, die einem schwerbehinderten Menschen zustehen, kann die Klägerin sich mit Erfolg auch darauf berufen, dass sie bei veränderter Arbeitsorganisation entsprechend hätte eingesetzt werden können. Hierzu wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.



2.4. Die Klägerin hat ihre Ansprüche auch zutreffend berechnet.



Insofern wird auf die Seiten 13 bis15 der Berufungsbegründung verwiesen. Im Gegensatz zum Vorgehen in der 1. Instanz ist die erhobene Leistungsklage nicht mehr wegen mangelnder Bestimmtheit unzulässig, denn die Klägerin hat nunmehr für jeden Monat die erhaltenen Sozialleistungen in Abzug gebracht und die Höhe der Sozialleistungen durch Kopien der entsprechenden Bescheide verdeutlicht. Gegen die Berechnung hat das beklagte Land auch keine Einwendungen erhoben. Da das Arbeitsentgelt am Monatsletzten zu zahlen war (§ 24 Abs. 1 S. 2 TV-11), konnte das beklagte Land mit der Zahlung erst ab dem jeweils 1. Tag des Folgemonats in Verzug geraten. Insofern hat die Klägerin ihren Antrag in der Verhandlung am 23.01.2019 auch angepasst.



III.



Hinsichtlich der Kosten der 1. Instanz waren diese gemessen am jeweiligen Obsiegen und Unterliegen von dem beklagten Land zu 40 % und von der Klägerin zu 60 % zu tragen. Hierbei war zulasten der Klägerin vor allem zu berücksichtigen, dass sie für die Zeiträume August 2015 bis März 2018 Zahlungsansprüche in Höhe von insgesamt 31.795,760 € erhoben hatte, während sie nunmehr nur noch für den Zeitraum November 2016 bis März 2018 i.H.v. 8.603,38 € obsiegt hat. Weiterhin war auch zu berücksichtigen, dass sie nunmehr mit dem ursprünglichen Antrag zu 2. ebenfalls obsiegt hatte.



Die Berufungskosten hat das beklagte Land allein zu tragen, da es insofern vollständig unterlegen ist.



Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Insofern ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72a Arbeitsgerichtsgesetz) wird hingewiesen.

Verkündet am 23. Januar 2019

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