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Urteil vom 06.02.2018 · IWW-Abrufnummer 202353

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Aktenzeichen 15 Sa 44/17

1. § 4 Abs. 1 des Tarifvertrags über Einmalzahlungen und Altersvorsorge vom 18.09.2001 in der Fassung vom 09.06.2008 (chemische Industrie), wonach der Anspruch auf die tarifliche Jahresleistung grundsätzlich voraussetzt, dass sich der Anspruchsberechtigte am 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres in ungekündigter Stellung befindet, ist rechtswirksam, insbesondere verfassungsgemäß.

2. Das gilt auch bei Anwendung dieser Tarifnorm in Verbindung mit einem firmenbezogenen Verbandstarifvertrag, durch den die Höhe der tariflichen Jahresleistung (an sich: 95 % eines tariflichen Monatsentgelts) von denselben Tarifvertragsparteien für eine bestimmte Firma flexibel gestaltet worden ist und infolgedessen abhängig von deren Umsatzrendite des Vorjahres auf bis zu 150 % eines tariflichen Monatsentgelts ansteigen kann.


In der Rechtssache
- Kläger/Berufungskläger -
Proz.-Bev.:
gegen
- Beklagte/Berufungsbeklagte -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Steer, den ehrenamtlichen Richter Bannert und den ehrenamtlichen Richter Ruhkopf auf die mündliche Verhandlung vom 06.02.2018
für Recht erkannt:

Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25.04.2017 - 25 Ca 179/17 - wird zurückgewiesen.


2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.


3. Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über einen Anspruch auf eine tarifliche Jahresleistung für das Jahr 2016.



Der 0000 geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem 01.04.2015 bei der Beklagten beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag der schriftliche Arbeitsvertrag vom 26.03.2015 zugrunde (Anlage K2, Bl. 5 ff. ArbG-Akte, künftig: ArbV).



Das Arbeitsverhältnis war zum 31.03.2017 befristet, endete jedoch aufgrund einer Eigenkündigung des Klägers mit Schreiben vom 10.11.2016 (Anlage B1, Bl. 38 ArbG-Akte) vorzeitig zum 31.12.2016. Dem Kläger war zuvor (vom Betriebsrat, inhaltlich zutreffend) mitgeteilt worden, dass das Arbeitsverhältnis nicht über den 31.03.2017 hinaus fortgesetzt werde. Die Eigenkündigung sprach er aus, um eine neue Stelle bei einem anderen Arbeitgeber antreten zu können. Das Arbeitsverhältnis konnte gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 ArbV vor Ablauf der Befristung unter Einhaltung der tariflichen Kündigungsfristen gekündigt werden.



§ 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrages lautet wie folgt:

"Soweit im Arbeitsvertrag nichts Abweichendes geregelt ist, unterliegt das Arbeitsverhältnis - auch aus Gründen der Gleichstellung der nicht tarifgebundenen mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern - den jeweils für das Unternehmen, den Betrieb oder Betriebsteil des Arbeitgebers anzuwendenden Tarifverträgen in ihrer jeweils gültigen Fassung, die der Arbeitgeber selbst abgeschlossen hat oder an die er kraft Mitgliedschaft in einem Verband gebunden ist. Zurzeit finden danach die im Tarifbezirk Baden-Württemberg geltenden Bundes- und regionalen Tarifverträge für die chemische Industrie Anwendung."



Der Kläger erhielt Tarifentgelt nach dem Bundesentgelttarifvertrag für die chemische Industrie gemäß einer Verweisung in § 2 ArbV. Sein Tarifgehalt betrug zuletzt 3.110,00 € brutto monatlich (vgl. Entgeltabrechnung November 2016, Anlage K1, Bl. 4 ArbG-Akte). Daneben hatte er gemäß § 3 Buchst. a ArbV ua. Anspruch auf eine "Jahresleistung in Höhe von derzeit 95 % eines tariflichen Monatsentgelts gemäß § 5 TEA".



Der zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie abgeschlossene Tarifvertrag über Einmalzahlungen und Altersvorsorge vom 18.09.2001 in der Fassung vom 09.06.2008 (künftig: TEA) enthält, soweit hier von Interesse, folgende Regelungen (vgl. Anlage B4, Bl. 69 ff. ArbG-Akte):

"§ 3 Arbeitnehmer und Auszubildende (Berechtigte) erhalten eine Jahresleistung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen. § 4 Der Anspruch auf Jahresleistung setzt voraus, dass sich der Anspruchsberechtigte am 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres in ungekündigter Stellung befindet; vom Arbeitgeber ausgesprochene betriebsbedingte Kündigungen oder vertragliche Befristungen aus betriebsbedingten Gründen berühren den Anspruch nicht, soweit das Arbeitsverhältnis bis zum 31.12. besteht. Arbeitnehmer, die nach dem 30. September des laufenden Kalenderjahres eingetreten sind oder vorbehaltlich der Bestimmungen in § 5 Ziffer 5 dieses Tarifvertrages vor Ablauf des 31.12. des laufenden Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, haben keinen Anspruch."



§ 5 TEA enthält ua. weitere Regelungen für das Eintritts- und Austrittsjahr und zu den Anspruchsvoraussetzungen, z.B. bei längerer Arbeitsunfähigkeit oder Elternzeit:

"§ 5 Die volle Jahresleistung beträgt 95% eines tariflichen Monatsentgelts (monatlicher Entgeltsatz gemäß dem jeweiligen bezirklichen Entgelttarifvertrag für die chemische Industrie) und für Auszubildende 95% einer tariflichen Ausbildungsvergütung. 1. Teilzeitbeschäftigte erhalten eine anteilige Jahresleistung, die dem Verhältnis ihrer vertraglichen Arbeitszeit zur regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit entspricht. 2. Im Eintrittsjahr erhält der Berechtigte für jeden vollen Kalendermonat, in dem er für mindestens zwölf Arbeitstage Anspruch auf Entgelt, Ausbildungsvergütung oder Entgeltfortzahlung hat, ein Zwölftel der Jahresleistung, sofern das Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis vor dem 1. Oktober begonnen hat. 3. In den nachfolgenden Kalenderjahren besteht ein Anspruch in Höhe von einem Zwölftel der Jahresleistung für jeden Kalendermonat, in dem der Berechtigte für mindestens 12 Arbeitstage Anspruch auf Entgelt, Ausbildungsvergütung oder Entgeltfortzahlung hat. Durch längere Arbeitsunfähigkeit wird der Anspruch auf die Jahresleistung nicht gemindert, wenn der Berechtigte im laufenden Kalenderjahr mindestens einen Monat zusammenhängend gearbeitet hat. Im Kalenderjahr des Beginns oder der Rückkehr aus der Elternzeit besteht Anspruch auf die volle Jahresleistung, wenn der Arbeitnehmer im Kalenderjahr mindestens drei Monate zusammenhängend gearbeitet hat. (...) 4. Berechtigte, die mit oder nach Erreichen der Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung, wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit aus dem Betrieb ausscheiden, erhalten die ungekürzte Jahresleistung, wenn sie im Austrittsjahr dem Betrieb länger als drei Monate angehört haben. Bei Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes oder der flexiblen Altersgrenze besteht Anspruch auf die ungekürzte Jahresleistung, wenn der Berechtigte dem Betrieb beim Ausscheiden acht Jahre und im laufenden Kalenderjahr länger als drei Monate angehört hat. 5. Endet das Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis durch Tod, haben der Ehegatte, die Kinder oder die Eltern des Berechtigten, soweit sie dessen Erben sind, oder Personen, zu deren Lebensunterhalt der Berechtigte bis zu seinem Ableben überwiegend beigetragen hat oder die überwiegend die Bestattungskosten tragen, Anspruch auf die ungekürzte Jahresleistung, wenn das Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis im Todesjahr mindestens drei Monate bestanden hat. (...) 7. Für die Höhe des tariflichen Monatsentgelts und der tariflichen Ausbildungsvergütung sind die am 1. Oktober des Kalenderjahres geltenden Tarifsätze ohne Zuschläge und Zulagen maßgebend. Stichtag für die Rechtsstellung des Berechtigten als Arbeitnehmer oder Auszubildender ist der 1. Oktober eines Kalenderjahres. 8. Sind die Voraussetzungen des § 4 nach der Auszahlung fortgefallen oder scheidet der Berechtigte vor dem 1. April des folgenden Kalenderjahres durch Vertragsbruch oder aus einem von ihm verschuldeten Grunde, der den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, aus dem Betrieb aus, ist die Jahresleistung zurückzuzahlen. Der bereits gezahlte Betrag der Jahresleistung gilt als Vorschuss, der mit Ansprüchen des Berechtigten gegen den Arbeitgeber verrechnet wird oder zurückzuzahlen ist."



§ 5 a TEA enthält eine Öffnungsklausel für eine freiwillige Betriebsvereinbarung, mit der die Betriebsparteien eine vom Grundmodell abweichende tarifliche Jahresleistung unter Beachtung im Einzelnen dargestellter Grundsätze vereinbaren können. § 5 a TEA lautet, soweit hier von Interesse:

"§ 5 a Tarifliches Optionsmodell Die Betriebsparteien können durch freiwillige Betriebsvereinbarung eine vom Grundmodell abweichende tarifliche Jahresleistung vereinbaren, die den Unternehmenserfolg berücksichtigt (tarifliches Optionsmodell). Im tariflichen Optionsmodell richtet sich die Höhe des individuellen tariflichen Anspruchs nach der betrieblichen Regelung. Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten: 1. Die tarifliche Jahresleistung kann erfolgsabhängig gestaltet werden. Dabei ist ein Prozentsatz festzulegen, um den sich die Jahresleistung abhängig von der wirtschaftlichen Situation des Betriebes oder des Unternehmens erhöhen oder verringern kann. Als Bandbreite für die Abweichung kann die tarifliche Jahresleistung gemäß § 5 zwischen 80 % und 125 % eines tariflichen Monatsentgelts bzw. einer tariflichen Ausbildungsvergütung betragen. (...)"



Gemäß § 6 Nr. 1 TEA wird die Jahresleistung bis spätestens 30. November des jeweiligen Kalenderjahres gezahlt.



Aufgrund der Regelungen eines firmenbezogenen Verbandstarifvertrags vom 01.11.2010 entspricht die jeweilige Höhe der tariflichen Jahresleistung bei der Beklagten einem innerhalb einer Bandbreite liegenden Prozentsatz eines tariflichen Monatsentgelts. Die Bandbreite reicht von 95 % bis 150 %. Der für das jeweilige Jahr geltende Prozentsatz hängt von der Umsatzrendite des jeweiligen Vorjahres ab (vgl. § 2 des firmenbezogenen Verbandstarifvertrags vom 01.11.2010 zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vom 01.11.2010, Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 04.12.2017, Bl. 120 bis 121 LAG-Akte, künftig: firmbezVTV).



Mit Informationsschreiben vom 09.05.2016 (Anlage K3, Blatt 13 ArbG-Akte) wurde den Mitarbeitern der Beklagten unter Bezugnahme auf den firmenbezogenen Verbandstarifvertrag mitgeteilt, dass die tarifliche Jahresleistung 2016 140 % eines tariflichen Monatsentgelts betragen werde. Außerdem erfolgte folgender Hinweis: "Alle anderen tariflichen Vorgaben ergeben sich aus dem Tarifvertrag über Einmalzahlung und Altersvorsorge vom 18.09.2001 in der Fassung vom 09.06.2008."



Der Kläger erhielt für das Jahr 2016 wegen seiner Eigenkündigung keine tarifliche Jahresleistung. Mit seiner am 10.01.2017 bei Gericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger eine nach dem firmbezVTV berechnete tarifliche Jahresleistung für 2016 in Höhe von 4.226,60 € brutto.



Erstinstanzlich hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, die tarifliche Regelung in § 4 TEA, wonach der Anspruch auf eine tarifliche Jahresleistung voraussetze, dass der Arbeitnehmer sich am 31. Dezember in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinde, sei unwirksam. Da die tarifliche Jahresleistung nicht nur eine Belohnung für vergangene und zukünftige Betriebstreue, sondern auch eine zusätzliche Vergütung darstelle, werde diese zusätzliche bereits verdiente Vergütung unter Verstoß gegen § 622 Abs. 6 BGB demjenigen Arbeitnehmer wieder genommen, der mit seiner Kündigung nicht den ersten Monat des Folgejahres abwarte. Dies stelle eine unzulässige Kündigungserschwernis dar und stehe im Widerspruch zu dem Grundgedanken des § 611 BGB, dass einmal verdienter Lohn nicht mehr entzogen werden könne. Durch diese Regelung verletzten die Tarifvertragsparteien Art. 12, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Dem Arbeitnehmer werde ohne sachlich gerechtfertigten Grund Arbeitslohn vorenthalten, obwohl er nur von seinem Kündigungsrecht innerhalb des Bezugszeitraums Gebrauch gemacht habe. Die Regelung schaffe keinen angemessenen Ausgleich zwischen Arbeitsverdienst als Jahresleistung und der Erwartung an den Arbeitnehmer bezüglich seiner Betriebstreue. Betriebstreue könne nur im Rahmen der gesetzlichen Kündigungsfristen erwartet werden. Insbesondere wenn es darum gehe, etwa einer betriebsbedingten Kündigung zuvorzukommen, müsse der Arbeitnehmer von sich aus notwendige Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis in die Wege leiten. Gleiches gelte für den Fall des Klägers. Schon von daher müsse das Kündigungsrecht des Arbeitnehmers von eintretenden Nachteilen befreit sein.



Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine tarifliche Jahresleistung in Höhe von 4.226,60 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit Klagezustellung sowie 40 € Mahnspesen zu bezahlen.



Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.



Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Regelung in § 4 TEA verstoße nicht gegen zwingendes Recht. Vielmehr bilde sie einen zulässigen Anreiz für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Auf Billigkeitserwägungen komme es nicht an. Die Tarifvertragsparteien hätten ihren Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Der Kläger habe sich frei entscheiden können, ob er vor dem Ablauf des Befristungszeitraums von seinem Kündigungsrecht Gebrauch mache.



Zu den weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst der Anlagen sowie auf die Terminsprotokolle vom 07.02.2017 und vom 25.04.2017 verwiesen.



Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.



Der Kläger habe keinen Anspruch auf die tarifliche Jahresleistung 2016. Die Anspruchsvoraussetzungen von § 4 TEA seien im Jahr 2016 nicht erfüllt, weil der Kläger sich am 31.12.2016 nicht mehr in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befunden habe, sondern aufgrund einer Eigenkündigung vom 10.11.2016 zum 31.12.2016 ausgeschieden sei. Der Inhalt der hier maßgeblichen tarifvertraglichen Regelungen sei keiner AGB-Kontrolle, sondern nur der für Tarifverträge vorzunehmenden Kontrolle zu unterziehen.



Wäre eine entsprechende Klausel in einem Formulararbeitsvertrag enthalten, wäre sie allerdings als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (vgl. BAG 13.11.2013 - 10 AZR 848/12 - Rn. 28 juris). Denn eine Sonderzahlung, die (auch) Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstelle, könne in AGB regelmäßig nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember desjenigen Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht worden sei. Auch eine auf einen Stichtag innerhalb des Bezugsjahres abstellende Klausel stehe im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB: Sie entziehe dem Arbeitnehmer vor dem Stichtag erarbeiteten Lohn und erschwere ihm durch diesen ungerechtfertigten Nachteil die Ausübung des Kündigungsrechts. Die aus Sicht des Arbeitgebers nicht hinreichend erwiesene Betriebstreue ändere nichts daran, dass der Arbeitnehmer zuvor die nach dem Vertrag geschuldete Leistung erbracht habe. Eine Störung des Austauschverhältnisses sei nicht gegeben. Der Wert der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber hänge von ihrer Qualität und vom Arbeitsverfolg ab, regelmäßig jedoch nicht von der Verweildauer des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis. Die einmal erbrachte Arbeitsleistung gewinne auch regelmäßig nicht durch bloßes Verharren des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis nachträglich an Wert.



Im vorliegenden Fall stelle die Jahresleistung auch Vergütung für im Bezugszeitraum geleistete Arbeit dar. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien (zu der Bedeutung des Willens der Tarifvertragsparteien bei der Auslegung BAG 12. Januar 2000 - 10 AZR 928/98 - Rn. 28 und 36 juris) habe die tarifliche Jahresleistung eine Doppelfunktion: nicht nur vergangene und künftige Betriebstreue zu belohnen, sondern auch geleistete Arbeit zu vergüten. So werde in den gemeinsamen Erläuterungen der Tarifvertragsparteien zu § 4 TEA (S. 17, Stand: August 2005, abrufbar unter www.durchschaubare.de) Folgendes ausgeführt:

"Der Jahresleistung in der chemischen Industrie kommt nach übereinstimmender Auffassung der Tarifvertragsparteien eine Doppelfunktion zu. Mit ihr soll nicht nur die erbrachte Arbeitsleistung und die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue belohnt werden, sondern auch ein Anreiz für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegeben werden. Aus diesem Grunde ist Anspruchsvoraussetzung sowohl eine Mindestbetriebszugehörigkeit als auch das ungekündigte Arbeitsverhältnis zum Stichtag 31. Dezember. Da die Jahresleistung zugleich Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung ist, wird für bestimmte Ausfallzeiten im Kalenderjahr die Jahresleistung gekürzt und eine Mindestarbeitsleistung vorausgesetzt."



Die Beklagte hätte also eine § 4 TEA entsprechende Stichtagsklausel nicht in einem Formulararbeitsvertrag mit dem Kläger wirksam vereinbaren können. Da indessen der ArbV eine Globalverweisung auf die Tarifverträge der chemischen Industrie enthalte, sei der so in Bezug genommene § 4 TEA nicht einer Inhaltskontrolle wie eine AGB-Klausel zu unterziehen (vgl. BAG 18.09.2012 - 9 AZR 1/11 - Rn. 24 juris). Dass es sich hier um eine Globalverweisung handele, resultiere aus folgenden Umständen. Der Arbeitsvertrag verweise hinsichtlich Vergütung (§ 2), Zusatzleistungen (§ 3), Arbeitszeit (§ 5), Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Todesfall (§ 6) sowie Kündigungsfristen nach Ablauf der Probezeit (§ 11 Abs. 2) auf die tariflichen Bestimmungen. Hinsichtlich der Kündigungsfrist in der Probezeit werde die tarifliche Bestimmung in § 11 II Nr. 1 Abs. 2 des Manteltarifvertrags für die chemische Industrie (West) wiedergegeben. Aus der Formulierung in § 14 ArbV "soweit im Arbeitsvertrag nichts Abweichendes vereinbart wurde" folge nicht, dass die Parteien nur eine Teilverweisung hätten vereinbaren wollen. Im Arbeitsvertrag finde sich keine Regelung, die dahingehend auszulegen sei, dass durch sie eine von den Tarifverträgen der chemischen Industrie, die für die Beklagte gälten, abweichende Vereinbarung habe getroffen werden sollen. Es sei nicht ersichtlich, dass die der fraglichen Klausel vorangehenden Vereinbarungen der Parteien zu Diensterfindungen, zur Verschwiegenheitspflicht, zu Nebentätigkeiten, zu Lohnabtretungen, zu Datenschutz und der Meldepflicht bei Arbeitsleistungen zulasten des Klägers eine Regelung beinhalteten, die dazu geeignet sei, die Angemessenheitsvermutung des Tarifvertrags infrage zu stellen.



Die somit nach den für Tarifverträge geltenden Maßstäben auf ihre Wirksamkeit zu prüfende Klausel in § 4 TEA sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie verletze weder Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 12 GG noch § 622 Abs. 6 BGB. Für eine tarifliche Regelung dieses Inhalts sei die Wirksamkeit in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts freilich bisher nicht geklärt, insbesondere weder durch das Urteil vom 12.01.2000 (10 AZR 928/98 - zu einer gleichlautenden Vorgängerregelung in der chemischen Industrie, ohne ausdrückliche Überprüfung der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht), noch durch das Urteil vom 04.09.1985 (5 AZR 655/84 - zu einer den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses am 01. Dezember ohne Ausnahme für betriebsbedingten Kündigungen voraussetzenden Klausel) noch durch die Urteile zu bloß auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses am 1. Dezember abstellenden Tarifklauseln (12.12.2012 - 10 AZR 718/11 zu § 20 Abs. 1 TVöD; 13.11.2013 - 10 AZR 848/12 zu § 14 Nr. 1 MTV Groß- und Außenhandel Hessen).



Die Tarifvertragsparteien hätten bei der tariflichen Normsetzung den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG und die Freiheitsgrundrechte wie Art. 12 GG zu beachten (vgl. BAG 12.12.2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 31 juris). Allerdings stehe den Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu, über den Arbeitsvertrags- und Betriebsparteien nicht in gleichem Maße verfügten. Ihnen komme eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen seien. Darüber hinaus verfügten sie über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung. Die Tarifvertragsparteien seien nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genüge, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliege (vgl. BAG 12.12.2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 32 juris; 04.09.1985 - 5 AZR 655/84 - Rn. 24 juris, ebenfalls zu einer tariflichen Stichtagsklausel; 31.03.1966 - 5 AZR 516/65 - AP Nr. 54 zu § 611 BGB Gratifikation, zu einer tariflichen Rückzahlungsklausel). Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz sei vor diesem Hintergrund erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt hätten, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam seien, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen. Die Tarifvertragsparteien dürften bei der Gruppenbildung generalisieren und typisieren. Die Differenzierungsmerkmale müssten allerdings im Normzweck angelegt sein und dürften ihm nicht widersprechen (vgl. BAG 12.12.2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 33 juris). Auch bei der Prüfung, ob eine Tarifnorm gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoße, sei der weite Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen. Dieser sei erst überschritten, wenn die Regelung auch unter Berücksichtigung der grundgesetzlich gewährleisteten Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) und der daraus resultierenden Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien die berufliche Freiheit der Arbeitnehmer unverhältnismäßig einschränke (vgl. BAG 12.12.2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 34 juris).



Gemessen an diesen Grundsätzen sei § 4 TEA mit Art. 3 Abs. 1 GG noch vereinbar. Der Zweck, zukünftige Betriebstreue zu belohnen entspreche dem Willen der Tarifvertragsparteien. Dieser Wille ergebe sich nicht nur aus § 4 TEA selbst, nach dem nur ein Arbeitnehmer die Jahresleistung erhalten solle, der sich am Ende des Bezugszeitraums in ungekündigter Stellung befinde, sondern auch aus der Rückzahlungsklausel in § 5 Nr. 8 TEA (vgl. zu diesem Zweck auch BAG 11.01.2000 - 10 AZR 928/98 - Rn. 36 juris). Angesichts dieses Zwecks sei die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, die am 31. Dezember sich in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befänden, und Arbeitnehmern, bei denen am 31. Dezember aufgrund der ausgesprochenen Kündigung schon feststehe, dass sie demnächst ausscheiden würden, noch sachlich gerechtfertigt. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien betriebsbedingt gekündigte Arbeitnehmer (also Arbeitnehmer, die durch einen aus der Sphäre des Arbeitgebers stammenden Grund an der Betriebstreue gehindert würden) von dieser Stichtagsregelung ausdrücklich ausgenommen hätten, soweit das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Dezember bestehe. Die Stichtagsregelung erfasse also nur Arbeitnehmer, die entweder eine Eigenkündigung ausgesprochen oder eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung erhalten hätten.



Ebenso sei § 4 TEA auch mit Art. 12 Abs. 1 GG noch vereinbar. Zwar werde durch diese Regelung in die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer eingegriffen: Die selbstbestimmte Arbeitsaufgabe werde jedenfalls verzögert. Der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG sei jedoch sachlich gerechtfertigt. Der Stichtagsregelung liege ein berechtigtes Interesse der Arbeitgeber zugrunde. Sie verfolge das legitime Ziel, die Arbeitnehmer zur Betriebstreue anzuhalten. Sie sei zur Erreichung dieses Ziels geeignet, denn sie schaffe einen Anreiz für Arbeitnehmer, von einer an sich statthaften Kündigungsmöglichkeit keinen oder nur verzögerten Gebrauch zu machen. Es sei auch kein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers weniger einschränkendes Mittel ersichtlich, um diesen an der Arbeitsplatzaufgabe zu hindern (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 41 juris). In der Stichtagsklausel lediglich auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses zB am 1. Dezember oder 31. Dezember abzustellen, wäre zwar ein geringerer Eingriff, aber kein gleich wirksames Mittel, da es den Arbeitnehmer nicht von einer Kündigung im Dezember abhalten würde. Die Einschränkung der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer sei auch noch angemessen. Die Stichtagsregelung entfalte eine vergleichsweise kurze Bindungswirkung. § 11 III Nr. 3 des Manteltarifvertrags vom 24.06.1992 in der Fassung vom 08.03.2007 sehe für eine Arbeitnehmerkündigung eine Kündigungsfrist von maximal einem Monat zum Monatsende vor. Der Kläger hätte danach bei einer Betriebszugehörigkeit von weniger als zwei Jahren mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen kündigen können, also mit einer Kündigung Anfang Januar das Arbeitsverhältnis noch vor Ablauf des Januars beenden können. Der Angemessenheit der Stichtagsregelung stehe nicht entgegen, dass mit der Jahressonderzahlung nicht nur Betriebstreue honoriert, sondern auch die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung vergütet werden solle. Die Tarifvertragsparteien überschritten den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum nicht, wenn sie Sonderzahlungen, die sowohl eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung darstellten als auch der Honorierung von Betriebstreue dienten, vom Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag im Bezugszeitraum abhängig machten. Ihr Gestaltungsspielraum sei dabei sowohl gegenüber den Betriebsparteien als auch gegenüber den einseitigen Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers in AGB erweitert (BAG 12.12.2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 41 juris, zu einer auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses am 1. Dezember abstellenden Klausel). Wegen der generellen Tarifwirkung, die zahlreiche Arbeitsverhältnisse erfasse, könne die Beurteilung nicht auf den Einzelfall beschränkt werden. Den Tarifvertragsparteien müsse es überlassen bleiben, in eigener Verantwortung Vorteile in einer Hinsicht mit Zugeständnissen in anderer Hinsicht auszugleichen. Eine bestimmte Leistung des Arbeitgebers zu erhalten, könne es daher erforderlich machen, dass der Anspruch auf sie mit Einschränkungen verbunden werde, die Nachteile für einzelne Arbeitnehmer oder eine Gruppe davon mit sich bringen könnten. Vor allem im Bereich des Gratifikationsrechts sei den Tarifvertragsparteien ein weiträumiger Ermessensspielraum eingeräumt. Denn bei der Festsetzung der Gratifikationsleistungen und sonstigen Sonderzuwendungen handele es sich nicht nur um einen Teilbereich der Lohnregelungsbefugnis und damit um einen typischen Regelungsbereich der Tarifvertragsparteien. Die Sonderzuwendungen des Arbeitgebers und ihre Voraussetzungen müssten vielmehr auch im Zusammenhang mit den Lohntarifen im Übrigen gesehen werden. Ein Vorteil im Entgeltsystem könne ein Zugeständnis im Bereich der Gratifikationen erforderlich machen (vgl. BAG 04.09.1985 - 5 AZR 655/84 - juris Rn. 25 f.).



Die tarifliche Stichtagsklausel verstoße auch nicht gegen § 622 Abs. 6 BGB. Die vom Kläger zitierten Fundstellen (MüKo/Hesse 7. Aufl. 2016 § 622 BGB Rn. 104; ErfK/Müller-Glöge 17. Aufl. 2017 § 622 BGB Rn. 44 f.) bezögen sich zu dieser Frage auf Vereinbarungen und nicht auf tarifvertragliche Regelungen.



Dieses Urteil wurde dem Kläger am 09.06.2017 zugestellt. Rechtzeitig am 05.07.2017 ging seine Berufung ein. Innerhalb der auf seinen rechtzeitig am 03.08.2017 eingegangenen Antrag bis zum 11.09.2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist ging rechtzeitig am 11.09.2017 seine Berufungsbegründung ein.



Zweitinstanzlich wiederholt und ergänzt der Kläger in Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des Arbeitsgerichts sein erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere hält er die dem Anspruch entgegenstehende Tarifregelung für unvereinbar mit § 622 Abs. 6 BGB in dessen richterrechtlich entwickelter Ausprägung.



Zweitinstanzlich beantragt der Kläger:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25.04.2017 - 25 Ca 179/17 - wird abgeändert. 2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine tarifliche Jahresleistung in Höhe von 4.226,60 € brutto für das Jahr 2016 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Klagezustellung sowie 40,00 € Mahnspesen zu bezahlen.



Zweitinstanzlich beantragt die Beklagte,

die Berufung zurückzuweisen.



Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.



Zu den weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst der Anlagen sowie auf das Protokoll über die Berufungsverhandlung vom 06.02.2018 Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die zulässige Berufung ist unbegründet.



A.



Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gem. § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft und ist gemäß § 64 Abs. 6 iVm. §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form sowie gemäß § 66 ArbGG in der gesetzlichen Frist eingelegt und begründet worden.



B.



Die Berufung des Klägers ist allerdings unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Jahresleistung für das Jahr 2016.



I.



Zur Begründung bezieht sich die Berufungskammer zunächst auf die Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts und macht sich diese Begründung ausdrücklich zu eigen.



II.



Die Ausführungen der Parteien in der Berufungsinstanz rechtfertigen keine abweichende Bewertung zu Gunsten des Klägers. Sie geben aber Anlass zu den folgenden ergänzenden Erwägungen der Berufungskammer.



Das Arbeitsgericht hat die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen tarifvertraglichen Regelungen zu Recht nicht an den für allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Maßstäben überprüft, sondern hat sie zutreffend an den für Tarifnormen geltenden Wirksamkeitsanforderungen gemessen. Die demnach zu prüfende Vereinbarkeit der tarifvertraglichen Regelungen mit höherrangigem Recht ist hier zu bejahen.



1. Art. 12 Abs. 1 GG ist, wie vom Arbeitsgericht bereits ausgeführt, nicht verletzt.



a) Die Jahresleistung nach §§ 3 ff. TEA iVm. dem firmbezVTV stellt eine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung dar und hat Vergütungscharakter. Dies zeigt die Kürzungsvorschrift des § 5 Nr. 3 Sätze 1 und 2 TEA.



Gleichzeitig wird mit der Jahresleistung vergangene und künftige Betriebstreue honoriert. Dies belegen sowohl die Klausel über die Mindestbetriebszugehörigkeit (§ 5 Nr. 2 TEA) als auch die Stichtagsregelung in § 4 Abs. 1 TEA, die im 1. Halbsatz als Regelfall den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember verlangt. Dass die Mitarbeiter durch die Jahressonderzahlung auch für die Zukunft einen Anreiz für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erhalten sollen, zeigt die konkrete Ausgestaltung der Stichtagsregelung. Denn diese verlangt nicht nur überhaupt den Bestand des Arbeitsverhältnisses am Stichtag, sondern enthält - für den Regelfall - die zusätzliche Voraussetzung "ungekündigt".



Von einer solchen Doppelfunktion gehen auch die Gemeinsamen Erläuterungen der Tarifvertragsparteien zum TEA aus (vgl. Seite 17, Erläuterungen zu § 4, Stand August 2005, abrufbar unter www.durchschaubare.de).



b) Die tarifvertraglichen Regelungen greifen zwar in Art. 12 Abs. 1 GG ein, weil mit ihnen die selbstbestimmte Arbeitsplatzaufgabe des Arbeitnehmers verhindert oder verzögert werden soll (vgl. BAG 12.12.2012 - 10 AZR 718/11 - juris Rn. 40). Dieser Eingriff ist aber rechtlich zulässig.



aa) Wegen der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte muss der Einzelne vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung seiner Freiheitsrechte, hier der Berufsfreiheit, bewahrt werden, auch wenn die entsprechende Normsetzung privatautonom legitimiert ist. Die Tarifvertragsparteien haben daher die Freiheitsgrundrechte, auch Art. 12 GG, zu beachten. Allerdings steht den Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu, über den Arbeitsvertrags- und Betriebsparteien nicht in gleichem Maße verfügen. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind. Darüber hinaus verfügen sie über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung (vgl. BAG 12.12.2012 - 10 AZR 718/11 - juris Rn.31 und 32).



Art. 9 Abs. 3 GG garantiert die Koalitionsfreiheit und die Tarifautonomie und auf diesem Weg den sozialen Schutz der abhängig Beschäftigten (vgl. BVerfG 11.07.2017 - 1 BvR 1571/15 - NZA 2017, 915 Rn. 147 und 202 mwN). Grundsätzlich enthält sich der Staat einer Einflussnahme und überlässt die autonome Vereinbarung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zum großen Teil den Koalitionen; dazu gehören insbesondere das Arbeitsentgelt und andere materielle Arbeitsbedingungen. Mit der grundrechtlichen Garantie der Tarifautonomie wird ein Freiraum gewährleistet, in dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihre Interessengegensätze in eigener Verantwortung austragen können. Diese Freiheit findet ihren Grund in der historischen Erfahrung, dass auf diese Weise eher Ergebnisse erzielt werden, die den Interessen der widerstreitenden Gruppen und dem Gemeinwohl gerecht werden, als bei einer staatlichen Schlichtung. Dem Tarifvertrag kommt daher eine Richtigkeitsvermutung zu. Es darf grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass das von den Tarifvertragsparteien erzielte Verhandlungsergebnis richtig ist und die Interessen beider Seiten sachgerecht zum Ausgleich bringt. Im Zentrum der Richtigkeitsvermutung steht, dass mit dem kollektiven Vertragssystem die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überwunden werden kann. Das Tarifvertragssystem ist darauf angelegt, deren strukturelle Unterlegenheit beim Abschluss von individuellen Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Löhne und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen (vgl. BVerfG 11.07.2017 - 1 BvR 1571/15 - NZA 2017, 915 Rn. 146 mwN).



Art. 12 Abs. 1 GG ist daher erst verletzt, wenn die Regelung auch unter Berücksichtigung der Tarifautonomie und der daraus folgenden Prärogativen, Spielräume und Richtigkeitsvermutung die berufliche Freiheit der Arbeitnehmer unverhältnismäßig einschränkt.



bb) Hier ist der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG nicht unverhältnismäßig, sondern sachlich gerechtfertigt.



(1) Ihm liegt das berechtigte Interesse der Arbeitgeber zu Grunde, die Arbeitnehmer zur Betriebstreue anzuhalten. Die Regelung ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet, denn sie schafft einen Anreiz für die Arbeitnehmer, von einer an sich statthaften Kündigungsmöglichkeit keinen Gebrauch zu machen. Ein anderes, gleich wirksames aber weniger einschneidendes Mittel ist nicht ersichtlich.



(2) Es handelt sich auch um eine angemessene Einschränkung der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer.



(a) Der Ausspruch der arbeitnehmerseitigen Kündigung ist nur während des Bezugszeitraums, für den die Jahresleistung gezahlt wird (Kalenderjahr), schädlich. Somit besteht noch ein beträchtlicher innerer Zusammenhang mit dem Bezugszeitraum: Das Verbot der Kündigung, also der äußeren Manifestation derjenigen Abkehr, die das rechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses auslöst, bezieht sich auf den Bezugszeitraum. Nur währenddessen darf die arbeitnehmerseitige Ursache für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht gesetzt sein, danach ist sie unschädlich.



(b) Sie führt für erst seit kurzer Zeit bestehende Arbeitsverhältnisse zu einer vergleichsweise kurzen Bindungswirkung. Der noch nicht zwei Jahre unternehmenszugehörige Kläger beispielsweise hätte sich - mit einer der Beklagten am 01.01.2017 zugehenden Kündigung - bereits zum Ablauf des 15.01.2017 aus dem Arbeitsverhältnis lösen können (§ 11 III Nr. 3 1. Fall des Manteltarifvertrags für die chemische Industrie in der bis zum 31.05.2017 geltenden Fassung, künftig: MTV aF).



Auch hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse von länger beschäftigten Arbeitnehmern ist auf der Grundlage der hier interessierenden Regelungslage nicht von einer unangemessenen Bindung auszugehen, nachdem die längste gemäß § 11 MTV aF von Arbeitnehmerseite einzuhaltende Kündigungsfrist einen Monat zum Monatsende betrug, also ebenfalls nur zu einer vergleichsweise kurzen Bindungswirkung führte (maximal zwei Monate über den Bezugszeitraum hinaus). Selbst wenn man letztere Frage anders sähe, würde dies aber jedenfalls bezogen auf den Kläger nicht zur Unwirksamkeit der seinen Anspruch hindernden Klausel führen, da dann nur eine auf die Gruppe der länger beschäftigten Arbeitnehmer bezogene Teilunwirksamkeit der Klausel in Betracht käme.



(c) Eine Überschreitung des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien ist nicht zu verzeichnen.



Nach den oben ausgeführten Grundsätzen dürfen die Tarifvertragsparteien in erheblichem Maße gestalten. Davon ist die Befugnis umfasst, innerhalb des Mischcharakters der Sonderleistung den Betriebstreueaspekt mit deutlich stärkerem Gewicht als den Entgeltaspekt auszustatten, wie es hier geschehen ist. Ebenso sind die Tarifvertragsparteien besonders legitimiert, die betroffenen Interessen sachangemessen einzuschätzen. Deshalb dürfen sie in ihrem Zuständigkeitsbereich, für den Art. 9 Abs. 3 GG auf ihre Sachnähe und besonders gute Einschätzungsmöglichkeit vertraut, dem Interesse der Arbeitgeber an betriebstreuen Arbeitnehmern legitimerweise ein bedeutenderes Gewicht beimessen, als dies beispielsweise der AGB-gestaltende Arbeitgeber darf. Von dieser Befugnis haben die hier betroffenen Tarifvertragsparteien ebenfalls angemessen Gebrauch gemacht. Die Gewichtung der Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern durch eine Bindung wie die vorliegende (Bindung bis zu zwei Monate über den Bezugszeitraum hinaus) lässt eine Ausgewogenheit nicht vermissen. Die Tarifvertragsparteien sind dadurch nicht in ein Übermaß zugunsten der Arbeitgeber verfallen.



Wie vom Arbeitsgericht bereits ausgeführt, ist im Rahmen des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien auch das für Tarifverhandlungen und deren Ergebnisse typische "Geben und Nehmen" bzw. das "Schnüren von Paketen" zu berücksichtigen. Hier betrifft dies insbesondere den Umstand, dass häufig Ergebnisse zu Sonderzahlungen mit Blick auf Lohntarife und umgekehrt entstehen (vgl. BAG 04.09.1985 - 5 AZR 655/84 - juris).



Entgegen der Ansicht des Klägers waren die Tarifvertragsparteien auch nicht darauf beschränkt, der Arbeitgeberseite die Erwartung von Betriebstreue nur im Rahmen der gesetzlichen Kündigungsfristen zuzubilligen. Für eine solche Annahme gibt es keine Rechtsgrundlage.



Ebensowenig waren die Tarifvertragsparteien aus Angemessenheitsgründen gehalten, die Regelung nicht auf solche Arbeitnehmer zu erstrecken, deren Arbeitsverhältnis (aus im Bezugszeitraum bereits feststehenden Gründen) im Folgejahr ohnehin betriebsbedingt enden würde. Zwar manifestiert der Arbeitgeber für solche Arbeitnehmer seinerseits keinen zeitlich unbeschränkten Bindungswillen mehr. Er bekundet ihn aber immerhin noch bis zum Kündigungstermin bzw. bis zum Befristungsdatum. Unter diesen Umständen ist es keine übermäßige Privilegierung der Arbeitgeberinteressen, wenn - wie hier - auch dem Arbeitnehmer Vertragstreue bis zu einem Zeitpunkt zugemutet wird, der jedenfalls nicht nach dem arbeitgeberseitigen Kündigungstermin bzw. Befristungsdatum liegt. Wer - wie der Kläger - wegen eines anderen Arbeitsplatzes mit längerfristiger Perspektive vorzeitig kündigt, hat unter Abwägung seiner Möglichkeiten zwar eine vernünftige und wirtschaftlich nachvollziehbare Entscheidung getroffen. Diese ist aber typischerweise nicht Ausfluss einer solchen Zwangslage, dass dadurch die Erwartung des Arbeitgebers im Hinblick auf eine etwas längere Betriebstreue als eine unzumutbare Anforderung an den Arbeitnehmer erschiene. Dass Normgeber - auch Tarifvertragsparteien - bei der Ordnung von Massenerscheinungen typisieren und generalisieren dürfen, ist im Übrigen anerkannt (vgl. BVerfG 18.04.2008 - 1 BvR 759/05 - ZTR 2008, 374).



(d) An dieser Bewertung des Eingriffs als verhältnismäßig ändert der Umstand nichts, dass infolge des firmbezVTV die Höhe der Jahresleistung bei der Beklagten ein tarifliches Monatsentgelt übersteigen kann, wie beispielsweise im hier betroffenen Jahr 2016 (140 %).



(aa) Denn diese Höhe ist ebenfalls das Ergebnis einer tarifvertraglichen Gestaltung (hier durch einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag). Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien verringert sich nicht etwa deshalb, weil Regelungsgegenstand nur ein einziges Unternehmen ist. Die den Tarifvertragsparteien zuzubilligende Sachnähe und besonders gute Einschätzungsmöglichkeit der Interessen ist bei einer solchen Gestaltung ebenso gegeben. Auch das den Tarifvertragsparteien von Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich entgegengebrachte Vertrauen darauf, dass sie ausgewogene Verhandlungsergebnisse erzielen, hängt nicht vom Regelungsgegenstand ab, sondern liegt - wie oben dargestellt - in der Annahme begründet, dass dem Arbeitgeberverband in Gestalt der Gewerkschaft eine starke Verhandlungspartnerin gegenübersteht (insbesondere eine stärkere als der einzelne Arbeitnehmer oder der Betriebsrat).



(bb) Ohne Erfolg verneint der Kläger die Zulässigkeit dieser rechtlichen Gestaltung im Hinblick auf § 5 a TEA, bezeichnet den firmbezVTV als sehr weitgehende Abkoppelung von §§ 5, 5a TEA und spricht einer nach den Vorgaben des firmbezVTV berechneten Leistung die Doppelfunktion ab.



Der zwischen denselben Tarifvertragsparteien wie denjenigen des TEA als Firmenverbandstarifvertrag abgeschlossene firmbezVTV regelt für die Arbeitnehmer der Beklagten eine von derjenigen des TEA abweichende Berechnung der Höhe der Jahresleistung, verweist aber in § 2 Abs. 2 Satz 3 für "alle anderen tariflichen Vorgaben" auf den TEA. Der firmbezVTV ist somit in den Grenzen seines Regelungsbereichs für die Beklagte der speziellere Tarifvertrag und verdrängt insoweit den TEA. Firmentarifverträge stellen gegenüber Flächentarifverträgen stets die speziellere Regelung dar. Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich aus dem Ablösungsprinzip. Das Ablösungsprinzip gilt im Verhältnis von zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Normen desselben Normgebers. Danach können die Tarifvertragsparteien grundsätzlich jederzeit einen von ihnen früher selbst vereinbarten Tarifvertrag abändern, einschränken oder aufheben. So liegt der Fall hier, da am Abschluss beider Tarifverträge dieselben Tarifvertragsparteien beteiligt waren (vgl. zu all diesen Grundsätzen BAG 20.01.2009 - 9 AZR 146/08 - juris Rn. 21 mwN).



Diese Abänderungsbefugnis der Tarifvertragsparteien wird hier nicht etwa durch § 5 a TEA eingeschränkt. § 5 a TEA ist nur eine Öffnungsklausel für eine freiwillige Betriebsvereinbarung nach den dort im einzelnen aufgeführten Vorgaben, die für die Betriebsparteien aufgestellt werden. Dieser Tarifnorm ist aber weder ausdrücklich noch sinngemäß eine Selbstbeschränkung der Tarifvertragsparteien im Hinblick auf weitere Tarifverträge zu entnehmen.



Fehl geht der Kläger schließlich auch mit seiner Annahme, allein deshalb, weil die Höhe der Jahresleistung vom Unternehmenserfolg abhänge, handele es sich um eine reine Gegenleistung für die Arbeitsleistung. Er blendet damit in unzulässiger Weise aus, dass die Tarifvertragsparteien im firmbezVTV nur die Höhe der etwa geschuldeten Leistung an den Unternehmenserfolg geknüpft haben, jedoch für die Frage, ob ein Anspruch dem Grunde nach besteht, auf den TEA verwiesen haben. Damit gilt für den Charakter der Leistung nichts Anderes als das bereits Ausgeführte.



(e) Auch vom Ergebnis her betrachtet ist hier nicht die Annahme gerechtfertigt, die Tarifvertragsparteien hätten eine unangemessene Regelung getroffen.



Zwar hätte der Kläger ohne die seinem Anspruch entgegenstehende Klausel bezogen auf sein Tarifjahresentgelt weitere ca. 12% mehr an Vergütung für das Jahr 2016 erhalten. Doch führt das reguläre Jahresentgelt des Klägers ohne die ihm entgehende tarifliche Jahresleistung weder absolut noch relativ betrachtet zu einem seine Arbeit entwertenden Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Vergütung.



2. Art. 3 Abs. 1 GG ist gleichfalls nicht verletzt. Auch das hat das Arbeitsgericht überzeugend begründet.



a) Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz ist nach den in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen. Sie dürfen insbesondere generalisieren und typisieren. Die Differenzierungsmerkmale müssen im Normzweck angelegt sein und dürfen dem Normzweck nicht widersprechen (vgl. BAG 12.12.2012 - 10 AZR 718/11 - juris Rn. 33 mwN). Bei mehreren Normzwecken genügt es, wenn die Differenzierungsmerkmale in einem der Normzwecke angelegt sind (vgl. BAG 12.12.2012 - 10 AZR 718/11 - juris).



b) Hier besteht der Normzweck darin, die Arbeitnehmer zu einer gewissen Betriebstreue über den Bezugszeitraum hinaus anzuhalten. Dabei ist die spezifische Anforderung der tariflichen Regelung, dass die Kündigung, also die die rechtliche Beendigung auslösende Manifestation der Abkehr, noch nicht im Bezugszeitraum erfolgen darf.



Ausgehend von diesem Normzweck hält die Differenzierung den dargestellten Anforderungen von Art. 3 Abs. 1 GG stand.



Dies gilt sowohl beim Vergleich mit denjenigen Arbeitnehmern, die ebenfalls zum Ablauf des Bezugszeitraums ausscheiden, nach der tariflichen Regelung aber die Jahresleistung erhalten (nachfolgend "aa)"), als auch beim Vergleich mit denjenigen Arbeitnehmern, deren Eigenkündigung dem Arbeitgeber erst nach dem Ablauf des Bezugszeitraums zugeht (nachfolgend "bb)"). Schließlich erfordert der Gleichheitssatz auch keine Rückausnahme für solche Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis (aus im Bezugszeitraum bereits feststehenden Gründen) im Folgejahr ohnehin betriebsbedingt enden würde (nachfolgend "cc)").



aa) In die erstgenannte Vergleichsgruppe fallen primär Arbeitnehmer, denen vom Arbeitgeber mit Wirkung zum Ende des Bezugszeitraums betriebsbedingt gekündigt wird (§ 4 Abs. 1 2. Halbsatz 1. Fall TEA). Diese unterscheiden sich von derjenigen Vergleichsgruppe, zu der der Kläger gehört (Arbeitnehmer, deren Eigenkündigung dem Arbeitgeber vor dem Ende des Bezugszeitraums zugeht) dadurch, dass sie nicht, noch nicht einmal minimal, Betriebstreue über den Bezugszeitraum hinaus zeigen können. Diese Entscheidung ist ihnen durch die arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung aus der Hand genommen, ohne dass dafür Gründe ursächlich wären, die ihrerseits Anzeichen mangelnder Verbundenheit der Arbeitnehmer mit dem Betrieb wären. Dieses Differenzierungsmerkmal ist somit im Normzweck, die Arbeitnehmer zur Betriebstreue über den Bezugszeitraum hinaus anzuhalten, angelegt. Denn es handelt sich um Arbeitnehmer, die die erwünschte Betriebstreue aus Gründen, die aus der Sphäre des Arbeitgebers stammen, nicht mehr beweisen können, die den Normzweck also schuldlos nicht erfüllen können.



In die erstgenannte Vergleichsgruppe fallen ebenso Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis auf das Ende des Bezugszeitraums betriebsbedingt befristet ist (§ 4 Abs. 1 2. Halbsatz 2. Fall TEA). Für sie gilt Entsprechendes: Auch sie können die erwünschte Betriebstreue aus Gründen aus der Sphäre des Arbeitgebers nicht mehr beweisen.



Schließlich fallen in diese Vergleichsgruppe auch die in § 5 Nr. 4 TEA beschriebenen Konstellationen, bei denen es sich hauptsächlich um Fälle der Verrentung handelt. Den dort beschriebenen Sachverhalten ist gemein, dass es sich um Arbeitnehmer handelt, die alters- bzw. krankheitsbedingt endgültig aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Beendigungen des Arbeitsverhältnisses unter solchen Umständen sind typischerweise auch aus Arbeitgebersicht erwünscht. Der Wunsch nach Betriebstreue wird hier von einem anerkennenswerten anderen Interesse beider Arbeitsvertragsparteien überlagert: dem Interesse an einer sinnvollen Zurruhesetzung des Arbeitnehmers. Die Befugnis, diese Interessen beider Arbeitsvertragsparteien als ebenso typisch wie legitim einordnen zu dürfen, gehört zur Prärogative der Tarifvertragsparteien.



bb) Die Gruppe derjenigen Arbeitnehmer, die erst nach dem 31.12. des Bezugsjahres die Kündigung aussprechen (oder erhalten), zeigt im Unterschied zu der Vergleichsgruppe des Klägers immerhin noch eine gewisse Betriebstreue über den Bezugszeitraum hinaus. Damit ist der oben beschriebene Normzweck erfüllt. Es liegt innerhalb der Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien, auch eine nur noch kurze Zeit währende positive Entscheidung für das bestehende Arbeitsverhältnis, im kürzesten Fall (bei Kündigung am 1. Januar zum 15. Januar: für 15 Kalendertage) als erwiesene Betriebstreue für ausreichend zu halten.



Entsprechendes gilt für die Gestaltung der Tarifvertragsparteien, wonach eine im Dezember des Bezugszeitraums zum 15. Januar des Folgejahres ausgesprochene Kündigung schädlich ist, eine am 1. Januar des Folgejahres zum 15. Januar des Folgejahres ausgesprochene Kündigung hingegen nicht. Da der tarifliche Normzweck auf eine während des Bezugszeitraums bestehende volle Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb zielt, ist es in diesem Normzweck angelegt, schon den Ausspruch einer Kündigung - als ersten, manifesten und die Rechtsfolge der Beendigung auslösenden Schritt - zum Anknüpfungspunkt der negativen Folge zu machen.



cc) Schließlich erfordert der Gleichheitssatz auch keine Rückausnahme für solche Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis (aus im Bezugszeitraum bereits feststehenden Gründen) im Folgejahr ohnehin betriebsbedingt enden würde, wie es beim Kläger der Fall war.



Hierzu gelten entsprechende Überlegungen wie im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG. Für diese Arbeitnehmergruppe sind aus den oben unter "B. II. 1. b) bb) (2) (c)" ausgeführten Gründen keine so bedeutsamen Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu verzeichnen, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen.



3. Ebenfalls nicht verletzt ist die vom Kläger ins Zentrum seiner Argumentation gerückte einfachrechtliche Norm des § 622 Abs. 6 BGB.



Aus ihrem Wortlaut ("Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.") ergibt sich der vom Kläger behauptete Inhalt eines Verbots einer tariflichen Regelung wie der hier zu überprüfenden nicht. Dieser Inhalt kann der Norm des § 622 Abs. 6 BGB auch nicht durch Auslegung verliehen werden. § 622 Abs. 6 BGB ist verfassungskonform auszulegen. Die vom Kläger für richtig gehaltene Auslegung würde jedoch aus den oben dargelegten Gründen Art. 9 Abs. 3 GG verletzen. Wegen der oben dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben kann aus § 622 Abs. 6 BGB richterrechtlich keine Einschränkung der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien hergeleitet werden, die zu einer Unwirksamkeit der hier maßgeblichen tariflichen Normen, insbesondere des § 4 Abs. 1 1. Halbsatz TEA führen würde.



4. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger aus § 611 Abs. 1 BGB einen Grundgedanken herleiten möchte, der der seinen Anspruch ausschließenden tariflichen Regelungslage entgegenstehen würde und zu deren Unwirksamkeit führen würde. Auch eine solche Konstruktion wäre aus denselben Gründen nicht verfassungskonform.



C.



Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner ohne Erfolg eingelegten Berufung zu tragen.



Die Zulassung der Revision beruht auf grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Steer
Bannert
Ruhkopf

Verkündet am 06.02.2018

Vorschriften§ 622 Abs. 6 BGB, § 611 BGB, Art. 12, Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 611 Abs. 1 BGB, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 12 GG, § 20 Abs. 1 TVöD, Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 GG, Art. 9 Abs. 3 GG, Art. 12 Abs. 1 GG, § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 66 ArbGG, § 11 MTV, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG