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· Bundesarbeitsgericht

EuGH soll klären: Verjähren Urlaubsansprüche, wenn auf den Abbau nicht hingewiesen wurde?

Die Gebäude des Gerichtshofs der Europäischen Union
Bild: EuGH CJUE / G. Fessy

| Nach aktueller Rechtslage sind Sie verpflichtet, auf den Abbau von Jahresurlaub hinzuweisen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) lässt in einem neuerlichen Fall nun vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) klären, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach §§ 194 ff. BGB verjährt ‒ soweit der Arbeitgeber nicht auf den Verfall hingewiesen hat (Beschluss des BAG vom 29.09.2020, Az. 9 AZR 266/20 (A).|

Der Fall

  • Die Klägerin war vom 01.11.1996 bis zum 31.07.2017 in einer Steuerkanzlei beschäftigt.
  • Im Arbeitsvertrag waren 24 Tage Erholungsurlaub vereinbart.
  • Der Arbeitgeber bescheinigte am 01.03.2012, dass die Klägerin 76 Tage Resturlaub von 2011 und den Vorjahren angehäuft hat. Dieser verfalle nicht nach dem 31. März 2012 ‒ wegen des hohen Arbeitsaufwandes.
  • Von 2012 bis 2017 gewährte der Beklagte dann 95 Arbeitstagen Urlaub.
  • Er stauten sich weitere nicht abgebaute Urlaubstage an.

 

Die Sicht der Klägerin (Arbeitnehmerin)

Am 06.02.2018 erhob die Arbeitnehmerin Klage und wollte damit die Abgeltung von insgesamt 101 Urlaubstagen aus 2017 und den Vorjahren erwirken.

 

Sicht des Arbeitgebers

Der Beklagte wendet ein, dass für die Urlaubsansprüche die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelaufen sei.

Entscheidung in erster Instanz

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat der Klage ‒ soweit diese Gegenstand der Revison des Arbeitnehmerin ist ‒ stattgegeben. Es hat den Beklagten zur Abgeltung von 76 Urlaubstagen aus den Jahren 2013 bis 2016 verurteilt (LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2020, Az. 10 Sa 180/19).

Sachlage vor dem BAG

Für das BAG ist nun entscheidend, ob die nicht erfüllten Urlaubsansprüche der Klägerin aus dem Jahr 2014 und den Vorjahren bei Klageerhebung bereits verjährt waren. Die Urlaubsansprüche konnten nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Bei unionsrechtskonformer Auslegung dieser Vorschrift erlischt der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann. Diese Obliegenheiten hat der Beklagte nicht erfüllt.

 

 

Vor diesem Hintergrund hat der Senat den EuGH um Vorabentscheidung über die Frage ersucht, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der aufgrund unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers nicht bereits nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen konnte, gemäß § 194 Abs. 1, § 195 BGB der Verjährung unterliegt.

 

 

(JT mit BAG-PM Nr. 34/20)

Quelle: ID 46958338