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· Bundesarbeitsgericht | Arbeitsvertrag

Verbot der sachgrundlosen Befristung gilt nicht, wenn die Vorbeschäftigung lange Zeit her ist

Düstere Wolken ziehen auf: Kettenbefristungen sind Geschichte. Flexibilisierung geht verloren.
Bild: © Calado - stock.adobe.com

| Wird ein Arbeitnehmer 22 Jahre nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erneut bei demselben Arbeitgeber eingestellt, darf das Verbot der sachgrundlosen Kettenbefristung (§ 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeitbefristungsgesetz ‒ TzBfG) nach Vorbeschäftigung nicht angewendet werden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht ( BAG) mit Urteil vom 21.08.2019, Az. 7 AZR 452/17 ‒ und definiert damit genauer, was als „langer Zeitraum(“ in Bezug auf die Vorbeschäftigung zu werten ist. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom Juni 2018 wird damit präzisiert. |

Der Fall

Die Klägerin war bereits in der Zeit vom 22.10.1991 bis zum 30.11.1992 bei dem Arbeitgeber als Hilfsbearbeiter für Kindergeld beschäftigt. Mit Wirkung zum 15.10.2014 stellte das Unternehmen die Klägerin erneut ein ‒ diesmal als Telefonserviceberaterin. Dieses Arbeitsverhältnis war zunächst bis zum 30.06.2015 sachgrundlos befristet und wurde später um ein Jahr (bis zum 30.06.2016) verlängert. Mit der Klage wollte die Klägerin erreichen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung am 30.06.2016 endet. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hatte ihr stattgegeben.

 

In der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) errang der Arbeitgeber schließlich einen Erfolg.

Begründung des BAG

Die erneute Befristung des Arbeitsvertrags ist ohne Sachgrund wirksam. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zwar nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat ‒ dazu gab es eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) (Urteile vom 06.06.2018, Az. 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14).

 

 

Die Fachgerichte müssen, so das BAG, durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränken. Dies ist erforderlich, soweit die sachgrundlosen Befristung nicht verboten werden kann ‒ zum Beispiel, weil gar keine Gefahr einer Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten besteht.

 

Beachten Sie | Ein Verbot der sachgrundlosen Folgebefristung kann unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend, da die Vorbeschäftigung bei der erneuten Einstellung 22 Jahre zurücklag. Besondere Umstände, die dennoch die Anwendung des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestimmten Verbots vorschreiben könnten, lagen nicht vor.

Das BVerfG hatte im Juni 2018 dem BAG vorgeschrieben, dass acht Jahre Abstand zwischen den Beschäftigungen nicht als „langer Abstand“ zu bewerten sei. Wo die Grenze zu ziehen ist, wurde mit dem vorliegenden Urteil des BAG nun etwas geschärft.

(Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Urteil vom 27.07.2017, Az. 4 Sa 221/16)

(JT ‒ mit PM des BAG )

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Quelle: ID 46117189