Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo

· Arbeitgeber-Zusatzleistungen

Nach Nichtanwendung der BFH-Urteile schafft Jahressteuergesetz 2020 jetzt neue Fakten

Bild: Copyright @ 2012 Volker Witt

| Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte schon 2019 zu Arbeitgeberzusatzleistungen geurteilt, doch der Fiskus hat die Entscheidungen ignoriert (nicht angewendet). Mit dem Jahressteuergesetz 2020 hat die Regierung nun Fakten entgegen der Rechtsprechung geschaffen (Urteile des BFH vom 01.08.2019 Az. VI R 32/18, VI R 21/17 und VI R 40/17). Es ging dem Gesetzgeber darum, eine Grenze zu ziehen, was zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden kann ‒ und dann steuerbegünstigt wird. | 

Die neue Norm: § 8 Abs. 4 EStG

Die neue Regel im Einkommensteuergesetz besagt, dass nur „echte Zusatzleistungen“ des Arbeitgebers steuerbegünstigt sind.

 

Das heißt: Sachbezüge oder Zuschüsse sind nur dann steuerbegünstigt ...

  • 1. wenn die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet wird,
  • 2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  • 3. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
  • 4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

 

Beachten Sie |

  • Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitslohn tarifgebunden ist.
  • Die neue Norm tritt für Leistungszuwendungen inkraft, die in einem nach dem 31.12.2019 endenden Lohnzahlungszeitraum oder als sonstige Bezüge nach dem 31.12.20 zugewendet werden.

 

Damit hält der Gesetzgeber daran fest, was er im Februar 2020 bereits festgelegt hatte (BMF-Schreiben vom 05.02.2020, Az. IV C 5 -S 2334/19/10017 :002).

Vier Beispiele zum § 8 Abs. 4 EStG

Vier Beispiele zeigen in Anwendung, welche Gestaltungen der Gesetzgeber anders bewertet als der BFH und künftig als steuerschädlich einstuft.

 

  • 1. Keine Anrechnung der Leistung auf Arbeitslohnanspruch

Sie wollen dem Arbeitnehmer die Kosten für eine Rückenschule 600 Euro finanzieren. Der Arbeitnehmer bietet an, auf das Urlaubsgeld in gleicher Höhe zu verzichten.

Ergebnisvarianten:

  • a. Soweit Sie das Urlaubsgeld als freiwillige Leistung zahlen, dürfen Sie die Rückenschule nach § 3 Nr. 34 EStG steuer- und beitragsfrei erstatten bzw. auf das Urlaubsgeld anrechnen.
  • b. Besteht hingegen ein Rechtsanspruch auf das Urlaubsgeld können Sie den Kurs nicht nach § 3 Nr. 34 EStG steuer- und beitragsfrei erstatten, weil die Leistung nicht zusätzlich erbracht wird.
 

 
  • 2. Arbeitslohn nicht zugunsten einer Leistung herabsetzbar

Sie vereinbaren mit Ihren Mitarbeitern, dass deren Bruttogehälter (zeitlich unbegrenzt) herabgesetzt werden. Gleichzeitig vereinbaren Sie mit Ihren Mitarbeitern, dass Sie ihnen einen Zuschuss für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte bzw. einen pauschalen Zuschuss für die Internetnutzung zahlen.

Bewertung nach dem Jahressteuergesetz, § 8 Abs. 4 EStG

Der Anspruch auf Arbeitslohn wird zugunsten eines Zuschusses für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte bzw. eines pauschalen Zuschusses für die Internetnutzung herabgesetzt. Das ist aus neuer Sicht der Finanzverwaltung steuerschädlich. Eine Gehaltsumwandlung erfüllt das Zusätzlichkeitskriterium nicht!

 

 

Beachten Sie | Nach der BFH-Rechtsprechung hätten Sie die Lohnsteuer für die Zuschüsse zur Internetnutzung nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EStG mit 25 Prozent und die Zuschüsse für Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte nach § 40 Abs. 2 S. 2 EStG mit 15 Prozent pauschalieren können. Denn die Zuschüsse erfüllten das Zusätzlichkeitserfordernis. Die Gehaltsumwandlung wäre nicht steuerschädlich gewesen.

 

  • 3. Zusatzleistung nicht anstelle künftiger Lohnerhöhung

Sie vereinbaren vertraglich mit einem Mitarbeiter, dass die geplante Erhöhung des Bruttolohns um 200 Euro als Kindergartenkostenzuschuss für zwei nicht schulpflichtige Kinder verwendet wird. Wenn die Kinder schulpflichtig werden, muss über das Gehalt neu verhandelt werden.

Bewertung nach dem Jahressteuergesetz, § 8 Abs. 4 EStG

Der Kindergartenkostenzuschuss wird als verwendungs- oder zweckgebundene Leistung anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt. Das ist aus neuer Sicht des Gesetzgebers nun steuerschädlich.

 

 

Beachten Sie | Nach der BFH-Rechtsprechung bliebe das Zusätzlichkeitserfordernis gewahrt. Die Gehaltsumwandlung wäre nicht steuerschädlich gewesen. Sie hätten den Zuschuss zur Unterbringung und Betreuung der nicht schulpflichtigen Kinder nach § 3 Nr. 33 EStG steuerfrei gewähren können. Allerdings bleibt es beim geminderten Bruttoarbeitslohn, wenn die Kinder schulpflichtig werden und die Steuerfreiheit des Zuschusses wegfällt.

 

  • 4. Wegfall der Leistung führt nicht zu höherem Arbeitslohn

Sie vereinbaren mit einem Mitarbeiter, dass Sie als Kindergartenkostenzuschuss 200 Euro tragen. Mit Beginn der Schulpflicht soll der Zuschuss als Arbeitslohn gezahlt werden.

Bewertung nach dem Jahressteuergesetz, § 8 Abs. 4 EStG

Der wegfallende Kindergartenkostenzuschuss darf nicht durch eine automatische Erhöhung des Arbeitslohns kompensiert werden. Das ist aus neuer Sicht des Gesetzgebers steuerschädlich.

 

 

Hintergrund

Der BFH hatte mit seinen Urteilen vom August 2019 die Tatbestandsvoraussetzung zur Zusätzlichkeit in verschiedenen Steuerbefreiungs- und Pauschalbesteuerungsnormen oder anderen steuerbegünstigenden Normen des Einkommensteuergesetzes in der Rechtsprechung geändert.

 

  • Der ohnehin geschuldete Arbeitslohn ist derjenige Lohn, den der Arbeitgeber verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erbringt (BFH, Urteile vom 01.08.2019, Az. VI R 32/18, Abruf-Nr. 211857, Az. VI R 21/17, Abruf-Nr. 211856 und Az. VI R 40/17, Abruf-Nr. 211858).
  •  
  • Zusätzlicher Arbeitslohn liegt vor, wenn dieser verwendungs- bzw. zweckgebunden neben dem geschuldeten Lohn geleistet wird. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer auf den zusätzlichen Arbeitslohn einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat.

 

Für die Frage der Zusätzlichkeit sei die Vertragssituation im Zeitpunkt des Zuflusses maßgebend. Arbeitgeberleistungen, die der Arbeitgeber früher einmal geschuldet hat, bleiben hier außer Betracht, so der BFH.

 

Einzige Voraussetzung sei, dass der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt wird (Lohnformwechsel).

 

Doch die Urteile wendete der Fiskus seit Februar 2020 nicht an. Vielmehr stellt nun die neue Gesetzeregel in § 8 Abs. 4 EStG klar, welche „echte Zusatzleistung“ des Arbeitgebers noch steuerbegünstigt wird.

Schon das BMF-Schreiben hatte Folgen, für ...

  • Steuerfreie Zuschüsse zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung bis zur Höhe von 500 Euro im Kalenderjahr (§ 3 Nr. 34 EStG)
  • Steuerfreie Leistungen für Familienservice und Kindernotbetreuung (§ 3 Nr. 34a EStG)
  • Steuerfreie Überlassung eines betrieblichen (Elektro-)Fahrrads zur privaten Nutzung (§ 3 Nr. 37 EStG)
  • Steuerfreies Aufladen von Elektroautos oder Hybridelektrofahrzeugen im Betrieb des Arbeitgebers (§ 3 Nr. 46 EStG)
  • Mit einem Steuersatz von 15 Prozent zu versteuernde Barzuschüsse für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (§ 40 Abs. 2 S. 1 EStG)
  • Pauschal zu versteuernde Beträge für die Übereignung von Datenverarbeitungsgeräten samt Zubehör und Zuschüsse für die Internetnutzung (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EStG)
  • Pauschal zu versteuernde unentgeltliche oder verbilligte Übereignung eines betrieblichen Fahrrads (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG)
  • Pauschalierung der Lohnsteuer für Sachzuwendungen nach § 37b Abs. 2 EStG

 

(JT)

 

Quellen |

- Jahressteuergesetz 2020;

- Beispiele: LGP 01 | 2021 )

Quelle: ID 46847623