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  • · Fachbeitrag · Einkommensteuergesetz

    Anfangsverluste bei Anlagekonzepten indizieren nicht automatisch das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells i. S. d. § 15b EStG!

    von Dr. Stephan Peters, Warendorf

    | Sieht ein Anlagekonzept die Entstehung steuerlicher Verluste nicht vor, sondern wirbt das Konzept ausschließlich mit den aus der Geldanlage erzielbaren Erlösen, scheidet die Annahme eines Steuerstundungsmodells i. S. d. § 15b EStG aus. Sollen die Wirkungen von steuerlichen Wahlrechten oder die Folgen von Fremdfinanzierungskosten zur Finanzierung der Geldanlage bei der Beurteilung, ob ein Steuerstundungsmodell vorliegt einbezogen werden, muss auf diese Aspekte in dem Anlagekonzept eingegangen worden sei. |

     

    Hintergrund

    Grundsätzlich können Verluste aus einer Einkunftsquelle mit Gewinnen aus einer anderen Einkunftsquelle ausgeglichen werden. Diese Wirkung durchbricht § 15b EStG und möchte insbesondere vorgezogene Verlustmöglichkeiten beschränken oder unterbinden. Ist der Anwendungsbereich von § 15b Abs. 1 EStG eröffnet, können Verluste nicht mit Gewinnen aus anderen Einkunftsquellen ausgeglichen werden, sondern mindern lediglich die Einkünfte des Steuerpflichtigen aus derselben Einkunftsquelle in den folgenden Wirtschaftsjahren. Diese zumeist von Anlegern nicht gewünschte und nachteilige Wirkung tritt jedoch gemäß § 15b EStG nur ein, wenn im konkreten Fall ein Steuerstundungsmodell vorliegt. Ein solches Steuerstundungsmodell liegt gemäß § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG vor, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen.

     

    Sachverhalt

    Zwischen den Parteien war streitig, ob dem Kläger aufgrund eines Steuerstundungsmodells i. S. d. § 15b EStG nicht ausgleichsfähige Verluste aus dem Erwerb von tatsächlich nicht gelieferten Blockheizkraftwerken zustehen.

     

    Der Verkäufer (GmbH) händigte dem Kläger Prospekte und Kundeninformationen aus. Nicht zuletzt aufgrund der gesetzlich fixierten Einspeisevergütung nach dem EEG sollte sich bei Kauf eines Blockheizkraftwerks mit 50 kWh Anlageleistung nach Abzug von Fix- und Betriebskosten, aber ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Fremdfinanzierungskosten ein jährlicher Überschuss i. H. v. rund 20.000 EUR und bei einer Anlageleistung von 75 kWh ein Überschuss i. H. v. rund 30.000 EUR ergeben. Im Rahmen dieser dem Kläger ausgehändigten Unterlagen wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei den skizzierten Berechnungen keinerlei steuerliche Aspekte oder Auswirkungen berücksichtigt wurden. Der Kläger bestellte in der Folge zwei Blockheizkraftwerke, deren Kaufpreis er fremd finanzierte. Tatsächlich geliefert wurden die Blockheizkraftwerke ‒ wie von den für die Verkäuferin (GmbH) „handelnden Personen von vornherein in betrügerischer Weise beabsichtigt“ ‒ nie. Über das Vermögen der GmbH wurde in der Folge das Insolvenzverfahren eröffnet.

     

    Für den Kläger ergab sich aus dem Geschäft für 2011 ein Verlust i. H. v. rund 130.000 EUR und in 2012 i. H. v. rund 6.000 EUR.

     

    Nachdem die Parteien in einem vorangegangenen Rechtsstreit u. a. über die Qualifikation der Einkünfte als gewerbliche Einkünfte gestritten haben und der BFH über diese Frage zu entscheiden hatte, hob der BFH das vorangegangene Urteil des FG Münster aus verfahrensrechtlichen Gründen auf (BFH 7.2.2018, X R 10/16, BStBl II 2018, 630), weil bislang nicht über die Frage entschieden worden sei, ob § 15b EStG anzuwenden sei. In dem hier skizzierten Verfahren war nur über die Frage des Vorliegens eines Steuerstundungsmodells zu entscheiden, da die Finanzverwaltung das Vorliegen eines solchen Steuerstundungsmodells i. S. d.§ 15b EStG angenommen hatte.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Klage war erfolgreich!

     

    Das Finanzgericht widersprach dem Finanzamt und lehnte die Annahme eines Steuerstundungsmodells i. S. d. § 15b EStG ab. Für die Annahme einer modellhaften Gestaltung i. S. d. § 15b EstG ist ein „vorgefertigtes Konzept“ erforderlich. Aus diesem Konzept müssen sich sodann die negativen Einkünfte ergeben (BFH 6.2.2014, IV R 59/10). Für die Frage, ob ein Steuerstundungsmodell vorliegt, bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung!

     

    Unter Berücksichtigung dieser wertenden Betrachtung und der vorgenannten Kriterien lehnten die Richter die Annahme eines Steuerstundungsmodells ab. Wenngleich im vorliegenden Fall eine modellhafte Gestaltung anzunehmen sei, würden in dem Konzept keine steuerlichen Vorteile in Form negativer Einkünfte in Aussicht gestellt. Diese steuerlichen Folgen seien aus der Musterkalkulation sogar ausdrücklich ausgenommen worden. Auch aus den Schulungsunterlagen für die angehenden Berater und Verkäufer der Blockheizkraftwerke ergäben sich keine Hinweise darauf, dass in den Verkaufsgesprächen auch über diese steuerlichen Vorteile gesprochen wird. Sehe das vertriebene Konzept somit keine steuerlichen Verluste vor, sondern soll das Konzept ausschließlich wegen der erzielbaren Erlöse als Geldanlage attraktiv sein, liege auch unter Berücksichtigung der BFH Rechtsprechung kein Steuerstundungsmodell vor (BFH 6.2.14, IV R 59/10=BStBl II 2014, 465). So lag der vorliegende Fall. Den potenziellen Käufern wurde von Beginn an ein „garantiertes Zusatzeinkommen für die nächsten 20 Jahre“ sowie eine Investition „im zweistelligen Renditebereich“ in Aussicht gestellt. Weil die dem Kläger vorgelegten Prospekte keine Ausführungen und Gestaltungen mit Fremdfinanzierung enthielten und auch keine Hinweise auf „Vorteile“ eines Betriebsausgabenabzugs von Zinsen aus den Unterlagen ersichtlich waren, durften Aspekte der Fremdfinanzierung nicht in die Beurteilung der Frage, ob ein Steuerstundungsmodell vorliegt, einbezogen werden. Die Annahme eines Steuerstundungsmodells unter Einbeziehung steuerlicher Wahlrechte scheidet auch aus, wenn das vorgefertigte Konzept rein renditeorientiert ist.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der vorliegende Fall bildet zunächst einen Sonderfall ab, in dem das Finanzgericht entgegen der Einschätzung der Finanzverwaltung zu Gunsten des Steuerpflichtigen die Annahme eines Steuerstundungsmodells ablehnten, weil im Vorfeld kein steuerlicher Vorteil in Aussicht gestellt wurde. Damit bedurfte es bezüglich einer im Zusammenhang mit der Anwendung von § 15b EStG spannenden und bisher nicht geklärten Fragestellung keiner Entscheidung. Denn wären die Richter der Finanzverwaltung gefolgt und hätten ein Steuersparmodell i. S. d.§ 15b EStG angenommen, wäre es im Ergebnis zu einem definitiven Untergang der Verluste gekommen, da es zu keinem Betrieb von Blockheizkraftwerken aufgrund dieser Anlageentscheidung durch den Kläger kam. Damit ist auch die für eine Verrechnung gemäß § 15b Abs. 1 Satz 2 EStG in Betracht kommende Einkunftsquelle endgültig weggefallen. Dies hätte bei Annahme eines Steuerstundungsmodells den definitiven Untergang der Verluste zur Folge! Fraglich und offen ist insoweit, ob bei drohendem und endgültigem Untergang von Verlusten der Anwendungsbereich von § 15b EStG gegebenenfalls einschränkend auszulegen ist mit der Folge, dass in diesem Fall ausnahmsweise die Verluste trotz Steuerstundungsmodell verrechnet werden können. Für eine solche Betrachtung könnte insbesondere sprechen, dass durch § 15b EStG nach dem Willen des Gesetzgebers aufgrund von Steuerstundungsmodellen entstehende Progressions- und Zinsvorteile durch eine vorgezogene Verlustnutzung unterbunden und nicht die Verlustnutzung komplett ausgeschlossen werden sollte! Diese Frage ist jedoch noch nicht geklärt und offen. Ebenso ließe sich vertreten, dass der vollständige Verlustuntergang das Risiko einer jeden Steuergestaltung ist und es sich insoweit um eine zulässige typisierende Betrachtung des Gesetzgebers handelt, die mit entsprechenden Härten verbunden sein kann.

     

    Abzugrenzen vom Anwendungsbereich des § 15b Abs. 1 EStG sind insbesondere die typischen Anlaufverluste bei Existenz- und Firmengründern, die oftmals auch auf vorgefertigten Konzepten zur Aufnahme der geschäftlichen Tätigkeit beruhen. In diesen Fällen findet § 15b EStG ausweislich des BMF-Schreibens zu § 15b EStG (BStBl I 2007, 542) keine Anwendung!

     

    FAZIT | Bloße Anfangsverluste bei Anlagekonzepten begründen nicht per se ein Steuerstundungsmodell. Vielmehr bedarf es konkret feststellbarer Tatsachen aus denen sich ergibt, dass die für die Annahme eines Steuerstundungsmodells erforderlichen steuerlichen Vorteile in Form negativer Einkünfte gerade nach dem Konzept erzielt werden sollten. Der bloße Hinweis auf einen Vorsteuerabzug reicht nicht aus, weil der Vorsteuerabzug nicht zu negativen Einkünften führen kann oder soll. Insbesondere bei Gestaltungen mit attraktiven Renditen von Beginn an, bestehen hohe Anforderungen an die Annahme eines Steuerstundungsmodells!

     

    Fundstelle

     

    Zum Autor | Dieser Beitrag wurde vom Autor nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst, sondern gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Autors wieder.

    Quelle: ID 46678296

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