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  • 05.03.2015 · IWW-Abrufnummer 143996

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 18.02.2015 – 3 K 297/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Az.: 3 K 297/14
    Revision eingelegt – BFH-Az.: VI R 19/15

    Tatbestand
    Streitig ist, ob Scheidungskosten (Rechtsanwalts- und Gerichtskosten) im Streitjahr 2013 auch nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können.
    Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von rund 49.000 €. Seine Ehe wurde im Dezember 2012 geschieden. Für das Scheidungsverfahren hatte das Amtsgericht dem Kläger Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Der Kläger musste die Gesamtsumme der Rechtsanwalts- und Gerichtskosten (4.827,92 €) vollständig – allerdings aufgrund der im bewilligten Verfahrenskostenhilfe in rund 19 monatlichen Raten à 250 € und eines Restbetrages - bezahlen. Im Streitjahr (2013) bezahlte er davon 12 volle Raten an die Gerichtskasse. Im Scheidungsverbundverfahren wurde neben der Scheidung, der Versorgungsausgleich, das Sorgerecht für die Kinder und der Unterhalt geregelt.
    In seiner Einkommensteuererklärung 2013 machte der Kläger Scheidungskosten in Höhe von 11 Raten à 250 € also insgesamt 2.750 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das FA lehnte den Abzug unter Hinweis auf die inzwischen erfolgte Änderung des § 33 EStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz ab. Dagegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.
    Der Kläger ist der Ansicht, die Gesetzesänderung sei im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass Scheidungskosten weiterhin abziehbar seien. Bereits nach der früheren „strengen Rechtsprechung“ des BFH seien solche Aufwendungen abziehbar gewesen. Erst durch eine geänderte Rechtsprechung des BFH zur weitgehenden Abziehbarkeit von Zivilprozesskosten im Urteil vom 12. Mai 2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) habe sich der Gesetzgeber veranlasst gesehen, eine Gesetzesänderung zu beschließen. Durch diese Gesetzesänderung habe der Gesetzgeber nur die frühere Rechtslage wiederherstellen wollen und auch wiederhergestellt. In dieser Weise sei die aktuelle Rechtslage auszulegen. Daher seien – wie früher – die Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.
    Die Aufwendungen für das Scheidungsverfahren seien für den Kläger im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG zwangsläufig gewesen, da die Scheidung nur durch gerichtlichen Beschluss habe ausgesprochen werden können.
    Der Kläger hat seinen Klageantrag zu den abzuziehenden Scheidungskosten auf den richterlichen Hinweis vom 5. Januar 2015 von 2.750 € auf den – rechnerisch unstreitigen – Betrag von 873 € reduziert. Dies entspricht der prozentualen Aufteilung der Gesamtkosten im Scheidungsverbundverfahren auf die Scheidungskosten im Sinne der früheren Rechtsprechung einerseits (Scheidung und Versorgungsausgleich) und die übrigen im Scheidungsverbund geregelten Scheidungsfolgen andererseits (Sorgerecht und Unterhalt) und entspricht der Rechtsprechung zur Aufteilung solcher Aufwendungen am Maßstab der Streitwerte (BFH-Urteil vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553).
    Der Kläger beantragt,
    den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 10. April 2014 in Gestalt des Änderungsbescheides von 18. Juni 2014 und des Einspruchsbescheides vom 31. Juli 2014 dahingehend zu ändern, dass zusätzlich die Scheidungskosten des Klägers in Höhe von 873 € als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG zum Abzug zugelassen werden.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Der Beklagte hält daran fest, dass durch die Gesetzesänderung der Abzug von Prozesskosten ganz allgemein ausgeschlossen worden sei. Lediglich in ganz extremen - eher theoretisch konstruierbaren – Fällen sei ein Abzug von Prozesskosten aus verfassungsrechtlichen Gründen noch möglich. Nur diese Fälle habe der Gesetzgeber vom Abzugsverbot ausgenommen. Dazu müsse gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG im Einzelfall der Steuerpflichtige ansonsten Gefahr laufen, „seine Existenzgrundlage zu verlieren“ und „seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können“. Solche Voraussetzungen lägen im Streitfall hinsichtlich der Scheidungskosten jedenfalls nicht vor.
    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da er gemäß § 33 EStG in der im Streitjahr 2013 geltenden Fassung die von ihm getragenen Scheidungskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehen kann. Bei den Scheidungskosten handelt es sich weder um „außergewöhnliche“ Aufwendungen (§ 33 Abs. 1 EStG) noch um „zwangsläufige“ Aufwendungen (§ 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 4 EStG).
    Der Beklagte hat den Abzug der Aufwendungen zutreffend abgelehnt.
    1. § 33 Abs. 1 EStG – „Außergewöhnlichkeit“
    Bei den streitigen Scheidungskosten (873 €) handelt es sich nicht um außergewöhnliche Aufwendungen des Klägers, da derartige Aufwendungen jedenfalls nach den Verhältnissen der Gesamtbevölkerung im Streitjahr (2013) unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsentwicklung und der tatsächlichen Entwicklungen im Familienrecht nicht mehr gemäß § 33 Abs. 1 EStG als „außergewöhnlich“ eingeordnet werden können.
    a) Gesetzliche Merkmale der Außergewöhnlichkeit
    Nach der Legaldefinition der außergewöhnlichen Belastungen in § 33 Abs. 1 EStG setzen diese als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 des Grundgesetzes (GG)) entweder voraus, dass dem Steuerpflichtigen größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen oder den Steuerpflichtigen aufgrund einer außergewöhnlichen, atypischen, unüblichen, außerhalb der normalen Lebensführung liegenden Situationen zusätzliche Aufwendungen entstehen (ebenso Mellinghoff in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, § 33 EStG, Rn. 21 m.w.N.). Durch diese Regelung sollen die typischen, üblichen oder regelmäßigen Aufwendungen für die Lebensführung vom Abzug ausgeschlossen werden. Die Außergewöhnlichkeit muss sich innerhalb vergleichbarer Gruppen ergeben; § 33 EStG soll dadurch sicherstellen, dass die Besteuerung erst jenseits des Existenzminimums einsetzt (Mellinghoff, aaO., Rn. 21 f.).
    Im Einzelnen hat sich daraus in der Rechtsprechung bis 2011 eine umfassende Kasuistik mit zahlreichen Fallgruppen – wie die der Scheidungskosten – entwickelt.
    b) Rechtsprechungsentwicklung zum Abzug der Scheidungskosten
    Die Entwicklung der Rechtsprechung zu den Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen leitete ein BFH-Urteil aus dem Jahre 1955 zum damaligen Streitjahr 1952 ein (Urteil vom 22. September 1995 IV 616/53 U, BFHE 61, 382; BStBl III 1955, 347), in dem der BFH ohne weitere Begründung derartige Aufwendungen als „zwar außergewöhnlich“ nicht aber als zwangsläufig ansah, weil der Steuerpflichtige in seinem Scheidungsurteil für allein schuldig hinsichtlich der Scheidung der Ehe erklärt worden war. Dieses Urteil fußte auf dem damals im Familienrecht geltenden Schuldprinzip bei Scheidungen. In der nachfolgenden BFH-Rechtsprechung hat der BFH diese Rechtsprechung zum Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit unter Geltung des Schuldprinzips ausdrücklich aufgegeben (BFH-Urteile vom 21. März 1958 VI 14/54 U, BFHE 67, 146; BStBl III 1958, 329 und vom 23. Februar 1968 VI R 239/67, BFHE 91, 534, BStBl II 1968, 407). Ausdrücklich hat der BFH in dem Urteil aus dem Jahre 1958 nur das Tatbestandsmerkmal der Außergewöhnlichkeit bezogen auf die damals streitigen Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Getrenntleben der Ehegatten bejaht. Die Mehrbelastung durch das Getrenntleben sei außergewöhnlich, weil Ehegatten in der Regel zusammen wohnen (BFH-Urteil vom 21. März 1958, aaO.); zur Außergewöhnlichkeit der damals ebenfalls streitigen Scheidungskosten hat sich der BFH abermals – wie schon im Urteil aus dem Jahre 1955 – nicht geäußert. Da die Finanzverwaltung seither Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen zum Abzug zugelassen hat, konnte das Tatbestandsmerkmal der Außergewöhnlichkeit im Zusammenhang mit Scheidungskosten danach nicht mehr streitig werden. Zugleich unterblieb eine umfassende an allen Tatbestandsmerkmalen des § 33 EStG orientierte Begründung für die Anwendung auf Scheidungskosten.
    Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Rechtsprechung (und im Anschluss daran die Finanzverwaltung) das Merkmal der Außergewöhnlichkeit bei Scheidungskosten aufgrund der damaligen gesellschaftlichen Verhältnissen als evident angesehen haben. Die Verhältnisse waren ab Mitte der 1950-er Jahre von einem Anteil der Ehescheidungen an allen Ehelösungen (Tod, Scheidung und Aufhebung der Ehe) geprägt, die gerade einmal bei rund 15% lag (vgl. Emmerling, Ehescheidung 2005, Wirtschaft und Statistik 2/2007, Seite 159 ff., herausgegeben vom Statistischen Bundesamt).
    c) Gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland
    Das Statistische Bundesamt (destatis) erfasst laufend u.a. aus den Daten der Familiengerichte statistische Zahlen zu Eheschließungen in Deutschland und den sogenannten Ehelösungen (Tod, Scheidung und Aufhebung der Ehe). Bezogen auf die einzelne Ehe in ihrer gesamten Dauer hat das Statistische Bundesamt bereits in einer Veröffentlichung aus dem Jahre 2007 klare Trends nachgewiesen. Danach ist – bis auf Sondereinflüsse vor allem durch die Änderung des Familienrechts in 1979 – eine gesellschaftlich steigende Akzeptanz der Ehescheidungen seit 1950 feststellbar. Dadurch hat sich ein klarer Trend beim Anteil der Ehescheidungen an allen Ehelösungen gezeigt. Während der Anteil im Jahre 1950 noch bei unter 15% lag lag der Anteil ab dem Beginn des Jahrtausends stabil bei einem Wert über 35% und um die 40% (vgl. Emmerling, aaO., S. 160). Dieser Trend setzt sich nach den laufenden Auswertungen des Statistischen Bundesamtes aktuell bis 2013 fort:

    Wegen der Einzelheiten wird auf die online dazu bereitgehaltenen Daten verwiesen: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Ehescheidungen/Aktuell_Eheloesungen.html; ebenso: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 22. Juli 2014 – 258/14).
    Die Anzahl der Eheschließungen ist seit 1950 stetig rückläufig. Seit 2001 liegt die Zahl bei jährlich rund 380.000. Die Anzahl der Ehescheidungen blieb zugleich seit 2001 auf einem Niveau bei rund 190.000. Der Anteil der jährlichen Ehescheidungen im Verhältnis zu den jährlichen Eheschließungen liegt damit bei rund 50%.
    Beide statistischen Werte, nämlich der Anteil der Ehescheidungen an den sogenannten Ehelösungen [> 35%] bzw. das Verhältnis von Ehescheidungen und Eheschließung in jedem Jahr [~ 50%] belegen ein hohes Niveau der Ehescheidungen und eine umfassende Akzeptanz der Ehescheidung in der Gesellschaft.
    d) Außergewöhnlichkeit der Scheidungskosten
    Bei den Scheidungskosten des Klägers handelt es sich nach alledem gerade nicht um eine „außergewöhnliche“ Belastung des Steuerpflichtigen, da die Aufwendungen für ihn weder in der Vergleichsgruppe außergewöhnlich waren noch – gemessen an der gesellschaftlichen Entwicklung – ein außergewöhnliches Ereignis Anlass für die Aufwendungen war.
    (1) Innerhalb der Vergleichsgruppe sind dem Kläger keine größeren Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands entstanden.
    Innerhalb der konkreten Vergleichsgruppe der frisch Geschiedenen fallen derartige Aufwendungen vielmehr in gleicher Höhe an. Die Anwalts- und Gerichtskosten richten sich über die Streitwerte ausschließlich nach den Vermögens- und Einkommensverhältnissen. Sie sind deshalb bei vergleichbaren Verhältnissen gleich hoch.
    Dem steht nicht entgegen, dass abhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen ein Teil der Geschiedenen Verfahrenskostenhilfe ohne Raten, Verfahrenskostenhilfe mit Raten oder keine Verfahrenskostenhilfe erhält. Es handelt sich bei diesen drei Fallgruppen bereits nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 EStG nicht um Vergleichsgruppen, da es nur darauf ankommt, ob bei „gleichen“ Verhältnissen unterschiedlich hohe Aufwendungen entstehen (anders Geserich, DStR 2013, 1861 (1865)). Durch die materiellen Regelungen der Verfahrenskostenhilfe werden lediglich die absolut unterschiedlichen Verhältnisse unterschiedlich behandelt, ohne dass gleiche Verhältnisse zu unterschiedlichen Kosten führen können.
    Im Streitfall kann dahinstehen, ob aufgrund von evtl. Honorarvereinbarungen mit dem Scheidungsanwalt bzw. der Scheidungsanwältin, die zu höheren Aufwendungen als der gesetzlichen Vergütung für die Scheidung führen, zu einer anderen Beurteilung führen können (dies fordernd Meyer-Götz, FamFR 2011, 365 (367)), da der Kläger jedenfalls nur die gesetzlichen Kosten und Honorare zu zahlen hatte.
    (2) Die Scheidungskosten des Klägers sind nicht aufgrund eines außergewöhnlichen Ereignisses entstanden. Die Ehescheidung kann unter Berücksichtigung der aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse im Streitjahr 2013 und seit Beginn des Jahrtausends, die durch statistische Erhebungen belegt sind, nicht mehr als außergewöhnliches Ereignis im Sinne des § 33 EStG angesehen werden (ebenso bereits Sunder-Plassmann, DStR 1992, 1301 und Heger in Blümich, EStG, 124. Aufl. 2014, § 33 Rn. 231).
    Das statistische Risiko einer Scheidung beträgt – bezogen auf die einzelne Ehe – bereits deutlich mehr als 35%. Unter Berücksichtigung der Mehrfachehen liegt das Scheidungsrisiko seit Jahren bei rund 50%. Im Rahmen der Auslegung des Begriffs der Außergewöhnlichkeit im Sinne des § 33 EStG kann kein fester Prozentwert zur Abgrenzung der außergewöhnlichen Ereignisse von den üblichen Lebensumständen der Bevölkerung festgelegt werden. Eine solche Auslegung muss vielmehr unter Würdigung der Gesamtumstände der entscheidungsrelevanten Ereignisse erfolgen. Das Ereignis „Scheidung“ ist in Deutschland unter Berücksichtigung der statistisch belegten Lebensumstände der Gesamtbevölkerung inzwischen jedenfalls nicht mehr außergewöhnlich, so dass durch die Kosten einer Scheidung gar keine außergewöhnlichen Aufwendungen entstehen können. Die Aufwendungen des Klägers sind schon deshalb nicht nach § 33 EStG abziehbar.
    2. § 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 4 EStG – „Zwangsläufigkeit“
    Darüber hinaus sind die Scheidungskosten auch nicht gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG als Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten), ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, abziehbar.
    Die Aufwendungen des Klägers zur Führung seines Scheidungsverfahrens (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, da nach der im Streitjahr geltenden Fassung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise möglichen Abzug von Prozesskosten nicht vorliegen. Für den Kläger bestand hinsichtlich dieses Rechtsstreits weder eine Gefahr für seine – wirtschaftliche – Existenzgrundlage noch bestand die Gefahr, dass er seine lebensnotwendigen – wirtschaftlichen – Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen andernfalls nicht mehr würden befriedigen können.
    Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille maßgebend, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt (BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 III R 13/06, BFHE 214, 287, BStBl II 2007, 714). Danach können Prozesskosten nur in Fällen wirtschaftlicher Existenzgefährdung und bei einer Gefahr für die lebensnotwendigen wirtschaftlichen Bedürfnisse als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden (ebenso Kanzler, FR 2014, 209 (214); Heim, DStZ 2014, 165 (168); Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 13. November 2014 2 K 1399/14, juris). Dies folgt aus der Auslegung der Neufassung des Gesetzes, denn eine weitergehende Auslegung lässt sich weder aus dem Wortlaut der Regelung, aus der Entstehungsgeschichte der Gesetzesänderung noch aus dem Sinn und Zweck der Regelung begründen.
    Der Senat folgt damit nicht den in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassungen, dass die Gesetzesänderung durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz lediglich den Rechtszustand vor der Entscheidung des BFH zur Abziehbarkeit von Zivilprozesskosten im Urteil vom 12. Mai 2011 wiederhergestellt habe (Gerauer, NWB 2014, 2621 (2623); Loschelder in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 33 zum Stichwort „Prozesskosten“; Spieker, NZFam 2014, 537 (539); Finanzgericht Münster, Urteil vom 21. November 2014 4 K 1829/14 E, juris) oder dass auch die Gefahr für eine psychische Existenz/ das seelische Existenzminimum bzw. die Gefahr für die psychischen oder menschlichen Bedürfnisse für den Abzug von Prozesskosten ausreiche (Bleschick, FR 2013, 932 (936); Heger in Blümich, aaO. jedenfalls für Prozesse im Umgangsrecht mit eigenen Kindern und bezüglich der Vaterschaftsfeststellung, § 33 Rn. 223 und fraglich für Scheidungskosten, § 33 Rn. 231; Gerauer, aaO.; Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701 (1703); Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Oktober 2014 4 K 1976/14, EFG 2015, 39). Im Einzelnen:
    a) Grammatische Auslegung
    Die Formulierungen in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG „Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren“ bzw. „Gefahr liefe, seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können“ sind nach dem Wortlaut allein auf die – wirtschaftliche – Existenzgrundlage bzw. auf die lebensnotwendigen – wirtschaftlichen – Bedürfnisse zu beziehen.
    (1) Der Begriff „Existenzgrundlage“ und die Formulierung „lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen“ beziehen sich ausgehend von der Bedeutung der verwendeten Worte ausschließlich auf wirtschaftliche Sachverhalte.
    Der Begriff der „Existenz“ umschreibt in diesem Kontext die „materielle Grundlage für den Lebensunterhalt“ (vgl. Duden, Bedeutungswörterbuch unter „Existenz“). Diese Grundlagen für den Lebensunterhalt müssen - für einen tatbestandsmäßigen Sachverhalt – in so schwerwiegender Weise betroffen sein, dass der Lebensunterhalt selbst in Gefahr ist. Allein wirtschaftliche Belastungen und Zwänge reichen dafür nicht aus.
    Auch die Worte „lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen“ schließen im Kern daran an. Mit „Bedürfnis“ sind alle Umstände angesprochen, die „man zum Leben braucht“ (vgl. Duden, Bedeutungswörterbuch unter „Bedürfnis“). Umfasst sind alleine durch den Begriff „Bedürfnis“ sowohl materielle, soziale als auch seelische Umstände. Der Gesetzestext schränkt den Begriff im Satzzusammenhang auf die „lebensnotwendigen“ Bedürfnisse ein. Angesprochen sind nur die zum Überleben unbedingt erforderlichen Bedürfnisse. Der notwendige Lebensunterhalt umfasst Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Behandlung, sonst erforderliche Ausgaben des täglichen Lebens und Unterhaltsleistungen für die mit dem Steuerpflichtigen in Hausgemeinschaft lebenden Angehörigen, soweit Unterhaltspflicht besteht (BFH-Urteil vom 26. Februar 1987 IV R 298/84, BFHE 149, 126, BStBl II 1987, 612 zu §§ 163, 227 der Abgabenordnung (AO)). Der Zusatz im Tatbestand „in dem üblichen Rahmen“ indiziert ebenfalls den Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse. Diese Formulierung spricht auf eine bescheidene aber nicht ärmliche Lebensführung an. Solche Umstände sind pauschalierend messbar und nachvollziehbar. Nicht in gleicher Weise quantifizierbar sind hingegen soziale und seelische Umstände. Diese hängen von der Persönlichkeit und den Ansprüchen des Einzelnen ab. Durch die Ergänzung des Tatbestandes um diese Formulierung ist vom Wortlaut aus betrachtet eine Eingrenzung auf messbare – also wirtschaftliche – Umstände erfolgt.
    Insgesamt sind danach nach dem Wortlaut ausschließlich besonders schwerwiegende wirtschaftliche Umstände tatbestandsmäßig. Die Belastungen des einzelnen Steuerpflichtigen durch überschaubare Prozesskosten im Rahmen einer Scheidung, die regelmäßig weit unter einem Monatsgehalt liegen, werden vom Wortlaut nicht umfasst.
    Diese Auslegung wird durch die bisherige Rechtsprechung gestützt.
    (2) Aus der bisherigen steuerlichen Rechtsprechung sind diese Formulierungen ganz und gar auf wirtschaftliche Sachverhalte bezogen. Der Wortlaut des neuen gesetzlichen Tatbestandes ist – wie auch Kritiker dieser eingestehen – aus der Rechtsprechung des BFH entliehen. Diese Formulierungen können in dem Gesamtzusammenhang nicht anders verstanden werden, als der BFH sie in seiner langjährigen Rechtsprechung verwandt hat. Für eine erweiternde Wortlautauslegung ist kein Raum.
    (a) Erstmals hat der BFH in seinem Urteil vom 6. Mai 1994 (III R 27/92, BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104) im Zusammenhang mit § 33 EStG in den Leitsätzen seiner Entscheidung den Begriff der „existenziellen Bedeutung“ verwendet. In der Sache streitig waren Aufwendungen für die Beseitigung an einem Einfamilienhaus aus einem Wasserschaden, bei denen die Kosten zur Schadensbeseitigung das gesamte Einkommen des Steuerpflichtigen eines Jahres überstiegen. Dazu hat der BFH entschieden, dass auch Kosten zur Beseitigung von Schäden an einem Vermögensgegenstand Aufwendungen i.S. von § 33 EStG sein können, wenn der Vermögensgegenstand für den Steuerpflichtigen von existenziell wichtiger Bedeutung ist (Leitsätze 1 und 2). Verfassungsrechtlich sei auch der Mindestbedarf des Einzelnen für das Wohnen als Teil der Sicherung des Existenzminimums zu verstehen, so dass ebenso wie der Verlust von Hausrat und Kleidung durch ein unabwendbares Ereignis auch die schwerwiegende Beeinträchtigung des lebensnotwendigen privaten Wohnens zu einer existenziellen Betroffenheit im Sinne des § 33 EStG führen könne. Notwendige Aufwendungen zur Wiederherstellung der Bewohnbarkeit des selbstgenutzten Einfamilienhauses nach Eintritt eines außergewöhnlichen Schadensereignisses seien daher nicht grundsätzlich von der Anwendung des § 33 EStG ausgeschlossen. Betroffen waren allein wirtschaftliche Gesichtspunkte der Existenzsicherung.
    (b) In seiner Entscheidung vom 19. Mai 1995 (III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774) hat der BFH bezüglich der (aufgrund eines Betruges vergeblichen) Anschaffungskosten eines Einfamilienhauses sowohl die Außergewöhnlichkeit als auch die Zwangsläufigkeit der entstandenen Aufwendungen im Sinne des § 33 EStG abgelehnt. Begründet hat der BFH dies damit, dass § 33 EStG – neben anderen Vorschriften – dazu diene, sicherzustellen, dass die Besteuerung erst jenseits des Existenzminimums einsetze. Ferner fielen nur solche Aufwendungen unter § 33 EStG, die existentiell erforderlich seien. Insoweit bezog sich der Senat auf sein Urteil vom 6. Mai 1994 (aaO.) und entschied, dass die Kosten der Herstellung bzw. Anschaffung eines Einfamilienhauses das steuerliche Existenzminimum nicht berühren und deshalb keine außergewöhnlichen Aufwendungen der Lebensführung sein könnten.
    (c) In einer nachfolgenden Entscheidung hat der III. Senat des BFH die beiden vorgenannten Entscheidungen zu existenziellen Vermögensschäden einerseits (oben (1)) und zu den nicht existenziellen Anschaffungskosten eines Einfamilienhauses andererseits (oben (2)) in seinem Urteil vom 9. Mai 1996 (III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596) die später vom Gesetzgeber herangezogene Formulierung erstmals wörtlich verwendet und zugleich im Streitfall das Vorliegen entsprechender Voraussetzungen für eine außerhalb eines Scheidungsverfahrens betriebene Vollstreckungsabwehrklage gegen eine Unterhaltsvereinbarung zum Ehegattenunterhalt verneint, da solche besonderen Umstände im Streitfall vom FG nicht festgestellt worden seien und vom Kläger auch nicht geltend gemacht worden seien.
    (d) In der weiteren Kette der Entscheidungen des BFH hat dieser die vorgenannten besonderen Voraussetzungen für einen Kunstfehlerprozess verneint, da der Betroffene offenkundig nicht auf die eingeklagten Schadensersatzleistungen angewiesen sei und er sie sie insbesondere nicht benötige, um nur mit ihrer Hilfe seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können (Urteil vom 18. Juni 1997 III R 60/96, BFH/NV 1997, 755). Trotz der unzweifelhaft erheblichen persönlichen Betroffenheit hat der BFH allein die wirtschaftliche Betroffenheit einbezogen. Der BFH hat sodann unter diesen Merkmalen den Abzug von Kfz.-Aufwendungen eines Behinderten abgelehnt, da angesichts der Höhe der Versorgungsbezüge des Klägers die Voraussetzungen nach § 33 EStG nicht vorlägen (BFH, Beschluss vom 17. September 1999 III B 38/99, BFH/NV 2000, 315). Der BFH hat sich abermals von rein wirtschaftlichen Erwägungen leiten lassen.
    (e) Bis ins Jahr 2001 hat der BFH in keinem Fall die seelische Betroffenheit als Anwendungsfall seiner ständigen Rechtsprechung zu Prozesskosten betrachtet, wenn „der Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich berührt und der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können“.
    Im Verfahren III R 31/00 hätte der BFH erstmals Gelegenheit gehabt, die vorgenannten Voraussetzungen über die wirtschaftlichen Gründe hinaus auf einen Fall seelischer Betroffenheit zu erweitern (Urteil vom 4. Dezember 2001, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382). In der Sache ging es um den, dem nichtehelichen Vater verweigerten Umgang mit dem eigenen Kind. Die Rechtsprechung hat dies allerdings nicht als einen solchen Anwendungsfall seiner Rechtsprechung zur Existenzgefährdung eingeordnet. Vielmehr hat der BFH anlässlich dieses Falles erstmals eine weitere (neue) Fallgruppe zu speziellen Prozesskosten im Rahmen des § 33 EStG etabliert. Wegen des bei den Kindern wie bei den Eltern vorhandenen Wunsches nach gegenseitiger Liebe und Nähe handele es sich beim Umgang „um ein elementares menschliches Bedürfnis“. Die Verweigerung des Umgangs mit den eigenen Kindern könne zu einer tatsächlichen Zwangslage führen, die die Anrufung des Vormundschaftsgerichts für diesen Elternteil unabweisbar mache; diese betreffe als weitere (neue) Fallgruppe spezielle Prozesskosten, die „den Kernbereich menschlichen Lebens“ berühren und daher im Rahmen des § 33 EStG zu berücksichtigen seien (ebenso: BFH-Beschluss vom 31. August 2006 III B 14/06, BFH/NV 2007, 46).
    (f) In seiner Entscheidung zu Vaterschaftsfeststellungsverfahren hat der BFH (Urteil vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726) sogar ausdrücklich klargestellt, dass er seelische oder emotionale Gesichtspunkte nicht als Anwendungsfälle seiner Rechtsprechung zur Sicherung der Existenzgrundlage betrachte. Denn das von einem Kind eingeleitete Vaterschaftsfeststellungsverfahren sei nicht mit Prozessen vergleichbar, die stets als zwangsläufig angesehen werden, weil es um die Existenzgrundlage oder um Kernbereiche des menschlichen Lebens geht. Zwar hat die Vaterschaftsfeststellung weitreichende Auswirkungen nicht nur in finanzieller, sondern insbesondere auch in personenstandsrechtlicher und erbrechtlicher Hinsicht. Gleichwohl berührt die Feststellung oder Nichtfeststellung der Vaterschaft nicht unmittelbar die Existenz des Betroffenen und seine elementaren Lebensbedürfnisse. Denn auch bei weitestgehenden Unterhaltsansprüchen eines Kindes nach § 1603 Abs. 2 BGB bleibe dem Elternteil zumindest der Betrag, der zur Existenz unbedingt erforderlich ist (sog. notwendiger Selbstbehalt). Ein zur Abwehr der Vaterschaftsfeststellung geführter Prozess berühre nicht einen Kernbereich des Lebens des Vaters.
    (g) Insgesamt bestehen danach aus der ständigen Rechtsprechung des BFH keine Anhaltspunkte dafür, dass die jetzt im Gesetz eingefügte Ausnahme vom Abzugsverbot (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG), also Fälle der Gefährdung der Existenzgrundlage oder der Gefährdung der elementaren Lebensbedürfnisse, in der Vergangenheit über die wirtschaftlichen Belange des Betroffenen hinaus verstanden worden sind. Für eine andere Auslegung des Wortlautes über diesen Inhalt hinaus bestehen keine Anhaltspunkte. Bereits die frühere Rechtsprechung hat deshalb nachvollziehbar für die Fälle, in denen elementare menschliche Bedürfnisse betroffen sein können, eine gesonderte Fallgruppe geschaffen. Durch Auslegung der Voraussetzungen der ursprünglichen Voraussetzungen lassen sich diese – ebenso bedeutsamen aber doch anderen – Gründe nunmehr nicht alle unter der jetzt noch im Gesetz regelten Fallgruppe zusammenfassen.
    Allein aus der Wortlautauslegung kommt eine erweiternde Auslegung des Tatbestandes auf Scheidungskosten, wegen der behaupteten seelischen Implikationen durch eine Scheidung, nicht in Betracht. Es dürften auch weniger die Scheidungskosten als die Scheidung an sich im Einzelfall zu solchen seelischen Auswirkungen führen können. Dies gleichsetzen zu wollen, entbehrt einer Grundlage.
    b) Historische Auslegung
    Aus der Entstehungsgeschichte der nunmehr geltenden gesetzlichen Regelung lässt sich ablesen, dass der Gesetzgeber eine spürbare Einschränkung der Abzugsfähigkeit von Prozesskosten weit über eine Korrektur der als falsch angesehenen BFH-Rechtsprechung des VI. Senats aus dem Jahre 2011 (VI R 42/10, aaO.) erreichen wollte. Prozesskosten sollten daraufhin nach dem Willen des Gesetzgebers erstmals in § 33 EStG konkret angesprochen und die Abzugsfähigkeit letztlich auf das verfassungsrechtlich unvermeidliche Maß begrenzt werden. Dies ergibt sich aus der Heranziehung der Materialien aus den beiden Gesetzgebungsverfahren, in denen diese Frage behandelt worden ist.
    Die Änderung vollzog sich in zwei – nicht einheitlich zu bewertenden – Schritten:
    (1) Im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vom 5. September 2012 (BT-Drs. 17/10000) war eine Änderung des § 33 EStG noch nicht vorgesehen. Der Bundesrat nahm zu dem Entwurf u.a. in der Weise Stellung, dass nach § 33 Abs. 3 folgender Absatz eingefügt werden sollte (BR-Drs. 302/1/12):
    „(3a) Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Kläger oder Beklagter ist. Abweichend von Satz 1 können die notwendigen und angemessenen Prozesskosten berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Satz 2 gilt für die unmittelbaren und unvermeidbaren Kosten eines Scheidungsprozesses entsprechend.“
    Der Bundesrat hat dies nach der Änderung der BFH-Rechtsprechung und des bestehenden Nichtanwendungserlasses für erforderlich gehalten, um die Anwendbarkeit des § 33 EStG „auf den bisherigen engen Rahmen zu beschränken“.
    Aus dem Aufbau der vorgeschlagenen Ergänzungen (Abs. 3a) wird erkennbar, dass in dieser ersten Fassung grundsätzlich alle Prozesskosten vom Abzug ausgeschlossen sein sollten (Satz 1). Die Gesetzesinitiative ließ davon zwei Ausnahmen zu: Erstens die Fälle, in denen die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen in Gefahr war (Satz 2) und zweitens die Fälle der Scheidungskosten (Satz 3).
    Soweit der Bundesrat in seiner Begründung angeführt hat, dass mit diesem Gesetzgebungsvorhaben die Anwendbarkeit des § 33 EStG „auf den bisherigen engen Rahmen“ beschränkt werden solle, traf diese Begründung im Ergebnis nicht ganz zu. Die eher seltenen Fälle der Verweigerung des Umgangsrechts mit dem leiblichen aber unehelichen Kind und die Fälle von Vaterschaftsfeststellungsverfahren waren damit bereits ausgeklammert, denn insoweit finden sich im vorgeschlagenen Gesetzestext diese Ausnahmen nicht mehr. Allerdings war die von BFH zuvor entwickelte Fallgruppe der Scheidungskosten, die nicht unter Satz 2 passte, als gesonderte Ausnahme vorgesehen. Diese doppelte Ausnahmeregelung ist allerdings später nicht Gesetz geworden.
    Die Bundesregierung stimmte damals der Zielrichtung des Vorschlages des Bundesrates dem Grunde nach zu. Im Hinblick auf weitere beim BFH rechtshängige Verfahren erhoffte sich die Bundesregierung offenbar eine Kehrtwende des BFH und lehnte deshalb – zum damaligen Zeitpunkt (September 2012) – eine Änderung ab (BT-Drs. 17/10604, S. 45 f.). Der Bundesrat blieb bei seinem Vorschlag. Das Jahressteuergesetz 2013 ging in den Vermittlungsausschuss.
    Entscheidend verändert wurde das Gesetzgebungsvorhaben bereits im Vermittlungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013.
    (2) Im Vermittlungsausschuss wurde u.a. die zunächst vom Bundesrat vorgesehene Regelung verkürzt und sollte anderweitig in § 33 EStG integriert werden. Nach den Ausnahmen für Betriebsausgaben usw. (Abs. 2 Satz 2) und für Diätverpflegung (Abs. 2 Satz 3) sollte als dritte Ausnahme der folgender Satz angefügt werden (BT-Drs. 17/11844, S. 6):
    „Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.“
    Insoweit hatten Bundestag und Bundesrat im Vermittlungsausschuss einen Konsens gefunden, der aber nur noch für eine einzige Fallgruppe aus der umfangreichen BFH-Rechtsprechung zu Prozesskosten (Gefahr für die Existenzgrundlage) eine Abzugsmöglichkeit in der Zukunft vorsah. Eine Begründung für diese weitere Einschränkung ist in den Materialien nicht gegeben. Es erfolgte aber die konkrete Streichung der zunächst vorgesehenen weiteren Ausnahme bezüglich der Scheidungskosten. Das muss als vom Gesetzgeber so gewollt betrachtet werden.
    Letztlich ist das Gesetzgebungsvorhaben dann im Januar 2013 gescheitert, da der Bundestag die Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses ablehnte (BR-Drs. 33/13).
    (3) Bereits im Februar 2013 brachte die CDU/CSU-Fraktion – zunächst ohne eine Änderung des § 33 EStG – einzelne im Jahressteuergesetz 2013 vorgesehene Regelungen im Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz) wieder in den Bundestag ein (BT-Drs. 17/12375). Der Finanzausschuss des Bundestages übernahm inhaltlich die Forderung des Bundesrates (BR-Drs. 139/13) auf Änderung des § 33 EStG nach Maßgabe der Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013. So ist die Änderung sodann ins Gesetz gekommen.
    (4) Insgesamt ergibt die historische Auslegung, dass der Gesetzgeber als Reaktion auf die geänderte BFH-Rechtsprechung des VI. Senats die Fallgruppen zur Abzugsfähigkeit der Prozesskosten erheblich einschränken wollte und gerade nicht nur die frühere BFH-Rechtsprechung wieder herstellen wollte. Die Prozesskosten im Scheidungsverfahren sind dabei im Zuge der Vereinfachung als Abzugsposten weggefallen.
    c) Systematische Auslegung
    Die systematische Auslegung gebietet im Streitfall ebenfalls keinen Anlass, die Scheidungskosten weiterhin als im Rahmen des § 33 EStG steuerlich abzugsfähig ansehen zu müssen.
    Die Systematik des § 33 EStG ist darauf gerichtet, das wirtschaftliche Existenzminimum des Steuerpflichtigen dadurch zu gewährleisten, dass außergewöhnliche Belastungen, die die Leistungsfähigkeit eingeschränkt haben, im Einzelfall von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden können. Damit ordnen sich diese Regelungen in die Rechtsordnung als Ganzes verfassungskonform und widerspruchsfrei ein. Während das wirtschaftliche Existenzminimum im Sozialstaat einerseits für Bedürftige durch Sozialleistungen sichergestellt wird, müssen andererseits diejenigen, die selbst über ausreichende Einkünfte verfügen, davor geschützt werden, dass sie insgesamt durch steuerliche Lasten wirtschaftlich nicht unter das Niveau von Sozialleistungen fallen (BVerfG, Beschluss vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, BStBl II 1999, 174, BVerfGE 99, 246). Die reinen Scheidungskosten (Anwalts- und Gerichtskosten) können der Höhe nach niemals das wirtschaftliche Existenzminimum eines Steuerpflichtigen gefährden. Selbst im Streitfall betrugen diese bei steuerpflichtigen Einkünften von rund 49.000 € nur insgesamt rund 1.600 €. Deshalb gebietet es die Systematik des Einkommensteuerrechts unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben gerade nicht, auch solche Aufwendungen abziehen zu können.
    Eine solche systematische Auslegung lässt sich zudem widerspruchsfrei mit den anderen Regelungen der Rechtsordnung in Einklang bringen, weil der Gesetzgeber den Einzelnen bei Bedarf von den Kosten der Scheidung freistellt oder die Last mindestens reduziert. Der Gesetzgeber hält daran fest, dass die Scheidung nur durch einen gerichtlichen Beschluss ausgesprochen werden kann (§ 38 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)). Zugleich gewährt der Gesetzgeber denjenigen, die die Prozesskosten für ein solches Scheidungsverfahren nicht aufbringen können, gemäß §§ 114 ff der Zivilprozessordnung (ZPO) Verfahrenskostenhilfe (Prozesskostenhilfe). Personen mit geringem Einkommen erhalten die Scheidung nach Maßgabe der dortigen Einkommensgrenzen ganz kostenfrei. Personen mit höherem Einkommen wird eine Bezahlung der gesamten Prozesskosten in bis zu 48 Monatsraten gestattet. Nur Personen mit höherem Einkommen haben die Scheidungskosten nach diesen prozessrechtlichen Regelungen selbst zu tragen.
    Bezogen auf den dem Streitfall zugrunde liegenden Sachverhalt hat der Kläger vom Staat bereits die Vergünstigung der ratenweisen Bezahlung seiner Scheidungskosten gewährt bekommen. Einer weiteren (steuerlichen) Begünstigung stünden systematische Gründe entgegen.
    Der Senat sieht in den gesetzlichen Regelungen bei systematischer Auslegung insgesamt ein sich ausschließendes System der Begünstigungen. Durch die Verfahrenskostenhilfe wird gewährleistet, dass Personen mit geringem Einkommen ebenfalls ihr Scheidungsverfahren führen können. Aus Kostengründen soll danach keiner an einer einmal eingegangenen Ehe festhalten müssen. Dadurch wird jedermann – unabhängig vom Einkommen – das Scheidungsverfahren möglich gemacht. Dieses Zusammenspiel der einzelnen gesetzlichen Regelungen sichert einerseits den Schutz von Ehe und Familie und andererseits auch ein Lösen der Ehe. Sofern sich die Einkommensverhältnisse im Anschluss an das Verfahren deutlich bessern, wird die bereits gewährte ratenfreie Verfahrenskostenhilfe ganz oder teilweise zurückgefordert. Die Begünstigung soll auf Dauer nicht derjenige erhalten, der sie wirtschaftlich nicht benötigt. Damit hat der Gesetzgeber zugleich deutlich gemacht, dass er die Begünstigung auf den kleinen Kreis der tatsächlich Bedürftigen begrenzen will. Dies schließt es aus, daneben weitere steuerliche Begünstigungen über § 33 EStG zu gewähren. Ansonsten bestünde kein Einklang mit den Regeln der §§ 114 ff. ZPO. Für Personen wie dem Kläger würde dies zudem zu einer Doppelbegünstigung führen. Er hätte sowohl den Vorteil der Verfahrenskostenhilfe als auch den Vorteil der steuerlichen Absetzbarkeit.
    Soweit vertreten wird, dass – im Gegenteil – gerade die Regeln der Verfahrenskostenhilfe mit ihrem Subventionscharakter es erfordern, dass der Steuerpflichtige mit entsprechend höherem Einkommen die Aufwendungen absetzen können müsse, schließt sich der Senat dem nicht an. Dieser Personenkreis bedarf gerade keiner weiteren – nunmehr steuerlichen – Subvention der Ehescheidung. Das gesetzgeberische System soll nur sicherstellen, dass eine Scheidung für jedermann möglich ist und hat damit im gesetzgeberischen System bereits Ausnahmecharakter. Dem widerspräche aus Gründen der Gesetzessystematik eine Auslegung, die die steuerliche Abzugsfähigkeit für zwingend halten würde.
    d) Teleologische Auslegung
    Auch bei der Auslegung der Änderung des § 33 EStG nach dem Sinn und Zweck der Regelung kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Gesetzgeber eine restriktive und möglichst nicht wieder durch die Rechtsprechung weit auslegbare Regelung schaffen wollte. Daher ist die in das Gesetz gelangte Ausnahme eng auszulegen und umfasst die Scheidungskosten nicht mehr.
    Die Rechtsprechung des VI. Senats des BFH hat den Gesetzgeber in der Vergangenheit verschiedentlich beschäftigt. Mit der Rechtsprechungsänderung zu den (Zivil-) Prozesskosten im Jahre 2011 bestand nach Ansicht des BMF und des Bundesrates ein konkreter Handlungsbedarf, da man eine solche weitergehende Abzugsmöglichkeit von Prozesskosten nicht zulassen wollte. Das BMF hatte bereits in einem Nichtanwendungserlass reagiert. Für den ersten – vom Bundesrat stammenden – Gesetzesvorschlag wurden offenbar Fallgruppen aus der vorherigen BFH-Rechtsprechung einbezogen, die das geringste Risiko für eine anschließende erweiternde Auslegung boten. Die Fallgruppe der Existenzgefährdung war dafür besonders geeignet, da der BFH einen solchen Fall bisher überhaupt nur einmal angenommen hatte (III R 27/92, aaO.). Auch die – zunächst noch im ersten Entwurf zum Abzug zugelassenen – Scheidungskosten waren eng umrissen, finanziell ohne hohe Auswirkungen und klar von anderen Fällen abgrenzbar. Die Streichung der Scheidungskosten durch Weglassen des entsprechenden Satzes aus dem früheren Entwurf im Vermittlungsverfahren kann nicht zufällig erfolgt sein. Vielmehr sollte diese Fallgruppe gezielt entfallen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diese Fallgruppe zugleich als Unterfall der Existenzgefährdung hat ansehen wollen. Diese im Gesetz verbliebene Fallgruppe war nach der gefestigten Rechtsprechung gerade dadurch geprägt, dass sie eher theoretisch denn praktisch auftrat. Bei den Scheidungskosten war es – wie oben gezeigt – genau umgekehrt. Diese Fallgruppe hatte sich seit der Begründung der Rechtsprechung in den 1950-er Jahren in der gesellschaftlichen Wirklichkeit in der Anwendungshäufigkeit um ein Vielfaches gesteigert. Die beiden Fallgruppen passten weder strukturell noch inhaltlich zusammen.
    Im Ergebnis kommt die Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Gesetzesänderung gleichfalls zu dem Ergebnis, dass von vormals vielen Fallgruppen der BFH-Rechtsprechung nur die verfassungsrechtlich zwingend gebotene Fallgruppe der Existenzgefährdung nach dem Willen des Gesetzgebers Eingang in die Neufassung des § 33 Abs. 2 EStG gefunden hat.
    e) Ergebnis
    Der Senat ist unter Berücksichtigung der vorgenannten Auslegungsweisen des Gesetzes in allen Punkten der Überzeugung, dass die Scheidungskosten nach der im Streitjahr geltenden Fassung des § 33 EStG nicht mehr als zwangsläufig abziehbar sind.
    3. Das Gericht kann nach § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auch nach dem richterlichen Hinweis vom 5. Januar 2015 abermals auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben.
    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    5. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen, da eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, denn das Urteil entspricht zwar einerseits weitgehend dem rechtskräftigen Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 13. November 2014 (2 K 1399/14, juris) weicht aber andererseits von der Rechtsprechung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Oktober 2014 (4 K 1976/14, EFG 2015, 39; Revision eingelegt: VI R 66/14) und des Finanzgerichts Münster vom 21. November 2014 (4 K 1829/14 E, juris; Revision ein-gelegt: VI R 81/14) ab.

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