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  • · Fachbeitrag · § 222 AO

    Ermessensfehler bei Ablehnung einer Stundung

    | Der Umstand, dass ein Antragsteller im Kindergeldverfahren seine Mitwirkungspflichten verletzt hat, reicht für sich genommen nicht aus, um die Stundungswürdigkeit des Antragstellers zu verneinen und auf eine Prüfung der Stundungsbedürftigkeit zu verzichten. |

     

    Sachverhalt

    Die Arbeitnehmerin hatte für ihre beiden Kinder Kindergeld bezogen, das sie in Höhe eines Teilbetrages von 1.296 EUR zurückzahlen musste. Für die Rückforderung war der Inkasso-Service der Familienkasse zuständig, bei dem die Arbeitnehmerin einen Stundungsantrag stellte. Der Inkasso-Service lehnte den Stundungsantrag ab.

     

    Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Die beklagte Familienkasse war der Auffassung, dass die Rückforderung auf einer Verletzung der Mitwirkungspflicht der Mutter beruhe. Sie habe nicht rechtzeitig das Ende der Ausbildung ihres Kindes mitgeteilt. Daher sei es zur Überzahlung von Kindergeld gekommen. Die Frau habe weder vorgetragen noch nachgewiesen, sämtliche Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft zu haben.

     

    Auch sei eine Erlassbedürftigkeit nicht anzunehmen. Die Mutter beziehe Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II und sei durch die Pfändungsfreigrenzen geschützt. Ihr Existenzminimum sei gesichert und vor Vollstreckungseingriffen geschützt. Vorliegend könne im Rahmen einer Interessenabwägung weder eine Stundungswürdigkeit noch eine Stundungsbedürftigkeit angenommen werden.

     

    Hiergegen erhob die Kindergeldbezieherin Klage. Sie habe weder ihre Mitwirkungspflichten verletzt noch sei sie derzeit in der Lage, die Rückstände auf einmal oder in Raten zu begleichen.

     

    Entscheidung

    Das FG hob die Ablehnungsentscheidung über die Stundung auf und verpflichtete die Familienkasse, die Kindergeldbezieherin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

     

    Fehlerhafte Tatsachenannahmen führen zu einer Ermessensunterschreitung

    Die Beklagte habe die gesetzlich gezogenen Grenzen ihres Ermessens bei ihrer Stundungsentscheidung nach § 222 AO infolge einer Ermessensunterschreitung nicht eingehalten. Die Beklagte unterschreite ihr Ermessen, wenn sie von fehlerhaften Tatsachen ausgehe.

     

    Die Mutter habe entgegen den Ausführungen der Beklagten keine Leistungen zur Grundsicherung bezogen. Infolgedessen sei eine Einziehung der Forderung möglich und könne eine erhebliche Härte für die Frau bedeuten. Die Einziehung könne dazu führen, dass Mutter die mit anderen Gläubigern vereinbarten Ratenzahlungen bis Ende 2019 nicht mehr erfüllen könne. Der Anspruch erscheine durch eine Stundung auch nicht dauerhaft gefährdet, da der Mutter ab 1. Januar 2020 nach Tilgung anderweitiger Verbindlichkeiten Mittel zur Rückzahlung von Kindergeld zur Verfügung stehen würden.

     

    Keine hinreichende Auseinandersetzung mit Sinn und Zweck der Stundung

    Berücksichtige die Beklagte diese Umstände im Einzelfall nicht, setze sie sich nicht hinreichend mit dem Sinn und Zweck des § 222 AO auseinander. Eine Stundung diene dazu, den Einzug der Forderung zeitweilig, aber nicht dauerhaft hinauszuschieben. Im Streitfall liege kein Fall dauerhafter Zahlungsunfähigkeit vor.

     

    Prüfung der Stundungswürdigkeit und Stundungsbedürftigkeit auch bei einer möglichen Verletzung der Mitwirkungspflicht

    Persönliche Stundungsgründe könnten vorliegen, da eine Stundung die wirtschaftliche Existenz der Mutter ermöglichen könne.

     

    Die Beklagte stelle ausschließlich darauf ab, dass die Kindergeldbezieherin das Ausbildungsende des Kindes nicht rechtzeitig mitgeteilt habe und es dadurch zu einer Rückforderung gekommen sei, die sich anhand des geführten Schriftwechsels nachvollziehen lasse. Dies reiche jedoch nicht aus, um die Stundungswürdigkeit zu verneinen und auf eine Prüfung der Stundungsbedürftigkeit zu verzichten.

     

    Im Streitfall komme hinzu, dass nach Aktenlage nicht ausgeschlossen sei, dass bei Mitteilung des Ausbildungsbeginns das Ausbildungsende erkennbar gewesen sei und infolgedessen die für die Festsetzung des Kindergelds zuständige Familienkasse schon früher nach dem Ausbildungsende hätte nachfragen können bzw. in Kenntnis des voraussichtlichen Endes Kindergeld möglicherweise zu Unrecht weiterbezahlt habe.

     

    PRAXISTIPP | Das Urteil ist rechtskräftig.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 46346284

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