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  • 31.08.2001 · IWW-Abrufnummer 011103

    Bundesgerichtshof: Urteil vom 15.03.2001 – I ZR 337/98

    Zur Frage der Zulässigkeit eines an Mandanten und Nichtmandanten gerichteten Rundschreibens eines Rechtsanwalts, in dem eine Gesetzesänderung zum Anlaß genommen wird, um auf den dadurch entstandenen Beratungsbedarf hinzuweisen.


    BUNDESGERICHTSHOF

    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    I ZR 337/98

    Verkündet am: 15. März 2001

    in dem Rechtsstreit

    Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2001 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. November 1998 aufgehoben.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 27. Mai 1998 abgeändert.

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Von Rechts wegen

    Tatbestand:

    Die Beklagten sind in D. als Rechtsanwälte tätig und betreiben dort im Ortsteil Hi. eine gemeinsame Kanzlei.

    Der Beklagte zu 3 wandte sich unter dem 7. Juli 1997 an 120 Personen - darunter auch solche, die keine Mandanten der Beklagten waren - mit einem Rundschreiben (Anlage 1 der Klageschrift). Dieses wies den Kopfbogen der Kanzlei der Beklagten auf und hatte folgenden Wortlaut:

    "Sehr geehrte ...,

    als Serviceleistung unserer Kanzlei möchten wir Sie auf folgende aktuelle Entwicklung aufmerksam machen:

    Mit dem Jahressteuergesetz 1997 sind die seit langem erwarteten Neuregelungen im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz sowie bei der Grundbesitzbewertung eingeführt worden, die bereits rückwirkend ab dem 01.01.1996 anzuwenden sind. Gleichwohl besteht nach wie vor die Möglichkeit, Immobilien steuergünstig zu übertragen. Eine Auswahl vorteilhafter Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf die steuergünstige Übertragung von privaten Immobilien nach neuem Recht zeigt die in der Anlage beigefügte Darstellung, die wir der Deutschen Erbrechtszeitschrift, Ausgabe 2, Mai 1997 entnommen haben.

    Bei der Deutschen Erbrechtszeitschrift handelt es sich um ein Magazin, das unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde e.V. herausgegeben wird, deren Mitglied Herr Rechtsanwalt H. ist.

    Trotz der deutlichen Erhöhung der Grundstückswerte durch das Jahressteuergesetz 1997 bestehen - wie Sie der Darstellung entnehmen können - nach wie vor interessante Gestaltungsmöglichkeiten, um Immobilien im Privatvermögen unter Ausnutzung der ab 1996 erhöhten Freibeträge bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer insbesondere im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die nächste Generation zu übertragen. Eine auf den Einzelfall bezogene optimale Gestaltung, die auch die einkommensteuerlichen Folgen berücksichtigen muß, sollte mit einem Rechts- und/oder Steuerberater sorgfältig abgestimmt werden.

    Zur Beantwortung von Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung."

    Die Kläger betreiben ebenfalls in D. Rechtsanwaltskanzleien. Nach ihrer Auffassung enthält das Rundschreiben vom 7. Juli 1997 eine unzulässige und daher wettbewerbswidrige Werbung für die Kanzlei der Beklagten. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen. Vor dem Landgericht haben sie beantragt,

    den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen,

    im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit ihrer anwaltlichen Tätigkeit gegenüber Personen, die nicht zum Mandantenkreis der Beklagten gehören, Schreiben der in Anlage 1 wiedergegebenen Art zu versenden, insbesondere wenn

    - dies unter Übersendung von Artikeln aus der Deutschen Erbrechtszeitschrift geschieht, in denen auf die Gestaltungsmöglichkeiten in bezug auf die steuergünstige Übertragung von privaten Immobilien hingewiesen wird, und

    - der Beklagte zu 3 als Mitglied der die Zeitschrift mitherausgebenden Vereinigung benannt wird,

    - und die Adressaten zur individuellen Kontaktaufnahme mit den Worten aufgefordert werden:

    "Eine auf den Einzelfall bezogene optimale Gestaltung, die auch die einkommensteuerlichen Folgen berücksichtigen muß, sollte mit einem Rechts- und/oder Steuerberater sorgfältig abgestimmt werden.

    Zur Beantwortung von Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung."

    Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie sind der Auffassung, das Rundschreiben überschreite den Rahmen der nach § 43b BRAO zulässigen Anwaltswerbung nicht.

    Das Landgericht hat die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt,

    es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit ihrer anwaltlichen Tätigkeit Schreiben zu versenden, in denen es heißt:

    "Bei der Deutschen Erbrechtszeitschrift handelt es sich um ein Magazin, das u.a. von der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde e.V. herausgegeben wird, deren Mitglied Herr Rechtsanwalt H ist"

    und in denen die Leser aufgefordert werden, zur "optimalen Gestaltung" ihrer Erbschaft- und Schenkungsteuer unter Berücksichtigung auch der einkommensteuerrechtlichen Folgen im Zusammenhang mit Immobilien im Privatvermögen Rücksprache mit den Beklagten zu nehmen.

    Im übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

    Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und diesen die Kosten des Rechtsstreits, die nach dem Urteil des Landgerichts zu einem Viertel von den Klägern zu tragen waren, von Amts wegen in voller Höhe auferlegt (OLG Düsseldorf MDR 1999, 258).

    Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der diese ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgen. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

    Entscheidungsgründe:

    I. Das Berufungsgericht hat das beanstandete Rundschreiben als wettbewerbswidrig angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

    Das vom Landgericht ausgesprochene Verbot rechtfertige sich aus § 1 UWG i.V. mit § 43b BRAO. Die in den Urteilsausspruch aufgenommenen Sätze des Rundschreibens vom 7. Juli 1997 hätten die Grenzen der nach § 43b BRAO zulässigen Werbung überschritten.

    Das Rundschreiben sei entgegen § 43b BRAO auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet, weil es sich an einen bestimmten und überschaubaren Adressatenkreis gewandt und anwaltliche Dienste für einen konkret bezeichneten Regelungsbedarf angeboten habe. Daß es nicht einen den Beklagten zuvor bekannt gewordenen akuten Beratungsbedarf der Angesprochenen zum Anlaß gehabt habe, sei unerheblich.

    Die beanstandeten Textpassagen des Rundschreibens seien zudem eine unsachliche reklamehafte Werbung. Das Schreiben bringe die Einschätzung der Beklagten zum Ausdruck, sie verfügten über die Kompetenz, um im Einzelfall die optimale Vertragsgestaltung zu finden. Der Hinweis auf die Mitgliedschaft des Beklagten zu 3 in der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde e.V. sei keine berufsbezogene Information, sondern werde von den Adressaten nach dem Gesamtzusammenhang des Schreibens als die anpreisende Selbsteinschätzung verstanden, daß der Beklagte zu 3 bei Fragen der steuergünstigen Übertragung privaten Grundvermögens besonders qualifiziert und umfassend beraten und die individuell optimale Vertragsgestaltung erarbeiten könne.

    II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage. Das beanstandete Rundschreiben verstößt nicht gegen § 43b BRAO.

    1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß das Rundschreiben als Werbung anzusehen ist. Werbung ist ein Verhalten, das darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die Leistung desjenigen in Anspruch zu nehmen, für den geworben wird (BGH, Beschl. v. 7.10.1991 - AnwZ (B) 25/91, NJW 1992, 45; Urt. v. 1.3.2001 - I ZR 300/98 - Anwaltswerbung II, Umdruck S. 6, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Danach handelt es sich bei dem fraglichen Schreiben um Werbung. Der Beklagte zu 3 hat sich mit ihm gegenüber einem Kreis von potentiellen Rechtsuchenden, mit denen zum Teil bisher keine Mandatsverhältnisse bestanden, als Spezialist für Erbrecht und Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht präsentiert, um auf diesem Weg neue Klienten zu gewinnen.

    2. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, daß die Werbung gegen § 43b BRAO verstößt.

    a) Nach § 43b BRAO ist den Rechtsanwälten Werbung erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.

    Bei der Auslegung dieser Vorschrift ist zu berücksichtigen, daß Rechtsanwälten die Werbung für ihre berufliche Tätigkeit im Grundsatz nicht verboten, sondern erlaubt ist. Die Werbefreiheit ist als Teil der Berufsausübungsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet. Zu der Freiheit der Berufsausübung gehört nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern auch jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Sie umfaßt daher auch die Außendarstellung von selbständig Berufstätigen einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste (vgl. BVerfGE 85, 248, 256; 94, 372, 389; BVerfG WRP 2000, 720, 721 = NJW 2000, 3195). Die Bestimmung des § 43b BRAO, die dem Rechtsanwalt Werbung erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist, eröffnet mithin nicht etwa eine ansonsten nicht bestehende Werbemöglichkeit, sondern konkretisiert lediglich die verfassungsrechtlich garantierte Werbefreiheit. Dementsprechend bedarf nicht die Gestattung der Anwaltswerbung der Rechtfertigung, sondern deren Einschränkung (vgl. Mayen, NJW 1995, 2317, 2318; Krämer, FS Piper, 1996, S. 327, 330 f.; Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl., § 43b Rdn. 2; Hartung/Holl/Römermann, Anwaltliche Berufsordnung, Vor § 6 Rdn. 31). Eine solche Einschränkung erfordert, da sie einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung darstellt, eine - mit der Regelung des § 43b BRAO gegebene - gesetzliche Grundlage. Sie ist außerdem nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie im Einzelfall durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und im übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfGE 76, 196, 207). Sinn und Zweck des § 43b BRAO bestehen gerade darin, einerseits die Werbung auf solche für das Publikum nachvollziehbare und nützliche, rein sachbezogene Maßnahmen zu beschränken, andererseits aber dem Anwalt die Möglichkeit einzuräumen, in dem gezogenen Rahmen zur Förderung eigener Erwerbstätigkeit sich nach außen zu wenden (BGH, Urt. v. 1.3.2001 - I ZR 300/98, Umdruck S. 7 f. - Anwaltswerbung II).

    Insoweit hat die durch das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2278) in die Bundesrechtsanwaltsordnung eingefügte Bestimmung des § 43b BRAO die Rechtslage verändert. Das früher aus § 43 BRAO hergeleitete Verbot berufswidriger Werbung untersagte aufdringliche Werbemethoden, die sich als Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens darstellten. Hierzu wurden das sensationelle oder reklamehafte Sich-Herausstellen und das unaufgeforderte direkte Herantreten an potentielle Mandanten als gezielte Werbung um Praxis gerechnet (vgl. BVerfG NJW 1992, 1613; BGHZ 115, 105, 108 ff. - Anwaltswerbung I; BGH, Beschl. v. 13.9.1993 - AnwSt (R) 6/93, NJW 1994, 2035, 2036; Urt. v. 16.6.1994 - I ZR 67/92, GRUR 1994, 825, 826 = WRP 1994, 608 - Strafverteidigungen). Die nunmehr in § 43b BRAO enthaltene gesetzliche Regelung der Grenzen der dem Rechtsanwalt gestatteten Werbung erschöpft sich nicht in einer bloßen Übernahme und Festschreibung der überkommenen Grundsätze zum Verbot berufswidriger Werbung. Diese Grundsätze können daher bei der Auslegung der Neuregelung nicht ohne weiteres herangezogen werden. Mit den vom früheren Sprachgebrauch abweichenden Formulierungen in § 43b BRAO wollte der Gesetzgeber Änderungen in der Sache deutlich machen (vgl. Henssler/Prütting/Eylmann, BRAO, § 43b Rdn. 5). Während früher das reklamehafte Anpreisen schlechthin als unzulässig angesehen wurde, setzt die nunmehr geltende Regelung voraus, daß die Werbung über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet. Wurde früher das unaufgeforderte direkte Herantreten an potentielle Mandanten als grundsätzlich verboten angesehen, so darf nunmehr nach § 43b BRAO die Werbung nur nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet sein (BGH, Urt. v. 1.3.2001 - I ZR 300/98, Umdruck S. 8 f. - Anwaltswerbung II).

    b) An diesem Maßstab gemessen stellt sich die von den Klägern angegriffene Werbung des Beklagten zu 3 als berufsrechtlich erlaubt und damit auch als wettbewerbsrechtlich zulässig dar.

    aa) Die angegriffene Werbung ist - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - nicht irreführend und beinhaltet im übrigen eine in Form und Inhalt sachliche Unterrichtung über die berufliche Tätigkeit des Beklagten zu 3.

    Die Angabe, daß der Beklagte zu 3 Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde e.V. ist, hat auch einen sachlichen Bezug zu seiner beruflichen Tätigkeit, wie er nach § 43b BRAO für eine zulässige Werbung erforderlich ist. Sie ist geeignet, für die Entscheidung potentieller Mandanten, ob wegen der in dem Rundschreiben angesprochenen Problematik ein Rechtsanwalt - und gegebenenfalls welcher - um Rat angegangen werden soll, auf der Grundlage vernünftiger und sachbezogener Erwägungen eine Rolle zu spielen (vgl. Feuerich/Braun, aaO § 43b Rdn. 8; Henssler/Prütting/Eylmann, aaO § 43b Rdn. 21 m.w.N.).

    Das beanstandete Rundschreiben enthält auch keine mit § 43b BRAO unvereinbare Selbstanpreisung. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung gilt dies auch für den Hinweis, daß eine auf den Einzelfall bezogene optimale Gestaltung einer steuerlich günstigen Übertragung von Immobilien im Privatvermögen mit einem Rechts- und/oder Steuerberater sorgfältig abgestimmt werden sollte. Aus der Sicht der Angesprochenen wird dies nicht so verstanden werden, daß die eigenen Beratungsleistungen gerade im Vergleich zu anderen Beratern herausgestellt werden sollen.

    bb) Die Werbung kann weiter nicht mit der Begründung als unzulässig beurteilt werden, sie sei unter Verstoß gegen § 43b BRAO auf die Erteilung von Aufträgen im Einzelfall gerichtet.

    Der Senat hat allerdings in seiner vor der Novellierung des anwaltlichen Werberechts ergangenen Entscheidung "Anwaltswerbung I" ausgesprochen, daß es als eine nach § 1 UWG i.V. mit § 43 BRAO unzulässige reklamehafte Anpreisung anzusehen sei, wenn ein Rechtsanwalt unaufgefordert einem Dritten, mit dem er in keiner Mandatsbeziehung stehe oder gestanden habe, seine anwaltliche Tätigkeit nahezubringen versuche (BGHZ 115, 105, 110).

    Diese Entscheidung ist insoweit jedoch durch die Neuregelung des anwaltlichen Werberechts in § 43b BRAO überholt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte mit der im Jahre 1994 erfolgten Einfügung der §§ 43b, 59b in die Bundesrechtsanwaltsordnung den Rechtsanwälten insbesondere die Möglichkeit eröffnet werden, sich potentiellen Mandanten gegenüber darzustellen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993, S. 28). Dementsprechend unterscheidet die am 11. März 1997 in Kraft getretene Berufsordnung für Rechtsanwälte (abgedruckt in BRAK-Mitt. 1999, 123 ff.), soweit sie in ihren gemäß § 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO erlassenen §§ 6 bis 10 Bestimmungen über die Berufspflichten des Anwalts im Zusammenhang mit der Werbung enthält, nicht zwischen Rundschreiben an Mandanten und Rundschreiben, die an dritte Personen gerichtet sind.

    Eine für sich genommen an sich zulässige Werbung um mögliche Auftraggeber kann sich allerdings als eine auf die Erteilung von Aufträgen im Einzelfall gerichtete, gegen § 43b BRAO verstoßende Werbung darstellen, wenn der Umworbene in einem konkreten Einzelfall der Beratung oder der Vertretung bedarf und der Werbende dies in Kenntnis der Umstände zum Anlaß für seine Werbung nimmt. Eine solche Werbung ist als unzulässig anzusehen, weil sie in gleicher Weise wie die offene Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall in einer oft als aufdringlich empfundenen Weise auszunützen versucht, daß sich der Umworbene beispielsweise in einer Lage befindet, in der er auf Hilfe angewiesen ist und sich möglicherweise nicht frei für einen Anwalt entscheiden kann (vgl. BGH, Urt. v. 1.3.2001 - I ZR 300/98, Umdruck S. 13 f. - Anwaltswerbung II, m.w.N.).

    Im vorliegenden Fall spricht nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen jedoch nichts dafür, daß die vom Beklagten zu 3 angeschriebenen Personen eine Beratung oder Vertretung in einer bestimmten erbschaft- oder schenkungsteuerrechtlichen Angelegenheit benötigten und der Beklagte zu 3 sie aus diesem Grund angeschrieben hat. Der Beklagte zu 3 hat vielmehr lediglich eine Gesetzesänderung zum Anlaß genommen, um auf den dadurch entstandenen Beratungsbedarf sowie darauf hinzuweisen, daß er diesen zu befriedigen in der Lage sei. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß die Adressaten des Rundschreibens Anlaß hatten, das ganz allgemein gehaltene Rundschreiben als eine gezielte persönliche und daher gegebenenfalls als aufdringlich zu empfindende Kontaktaufnahme zu verstehen, wie sie durch das Verbot der auf die Erteilung von Aufträgen im Einzelfall gerichteten Werbung verhindert werden soll. Im Hinblick auf diesen Gesetzeszweck erfaßt das genannte Verbot entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht auch diejenigen Fälle, in denen ein konkreter Handlungs- oder Beratungsbedarf beim Adressaten erst aufgrund der in der Anwaltswerbung enthaltenen Angaben zu einer konkreten Fallgestaltung bewußt gemacht wird. Daß der Beklagte zu 3 sich mit seiner Werbung an Personen gewandt hat, bei denen er ein generelles Interesse an seinen Leistungen erwarten durfte und die er deshalb als Auftraggeber zu gewinnen hoffte, ist rechtlich nicht zu beanstanden (BGH, Urt. v. 1.3.2001 - I ZR 300/98, Umdruck S. 14 - Anwaltswerbung II).

    3. Nach dem Vorstehenden kann offenbleiben, ob das Berufungsgericht, wie die Revision rügt, mit seiner Entscheidung gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen hat und ob es, wie die Revision ebenfalls beanstandet, die vom Landgericht getroffene Kostenentscheidung nicht zu Lasten der Beklagten hätte abändern dürfen.

    III. Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.

    RechtsgebietBRAO und GGVorschriften§ 43b BRAO und Abs. 1 GG