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  • · Fachbeitrag · Berufsrecht

    Vorwurf des Abrechnungsbetrugs: Arzt wehrt Ruhen der Approbation (vorläufig) ab

    von RA, FA MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de

    | Das Ruhen der Approbation als Präventivmaßnahme zur Gefahrenabwehr muss unterbleiben, wenn keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Arzt ‒ trotz des Drucks durch ein laufendes Strafverfahren ‒ erneut fehlerhaft abrechnen wird (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen [OVG NRW], Beschluss vom 03.08.2018, Az. 13 B 826/18). |

     

    • Hintergrund

    Die Anordnung des Ruhens der ärztlichen Approbation ist eine präventive Maßnahme nach Art eines vorläufigen Berufsverbots, durch die schwerwiegend in die Berufsfreiheit des Arztes eingegriffen wird. Sie ist nur zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig.

     

    Der Fall

    Einem Arzt wird Abrechnungsbetrug vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage. Die zuständige Behörde (in NRW die jeweilige Bezirksregierung) ordnet ein Ruhen der Approbation nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Bundesärzteordnung (BÄO) und deren sofortige Vollziehung an. Der Arzt legt Widerspruch ein. Diesen weist die Behörde zurück. Der Arzt klagt daher gegen die Anordnung des Ruhens seiner Approbation. Diese Anfechtungsklage weist das Verwaltungsgericht als unbegründet zurück. Daraufhin geht der Arzt in Berufung vor dem OVG NRW. Er beantragt, dass das Ruhen seiner Approbation so lange nicht angeordnet werden darf, bis das Verwaltungsverfahren endgültig abgeschlossen ist (Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage).

    Die Entscheidung

    Das OVG NRW gab dem Arzt recht und ordnete die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage an. Es bestätigte außerdem, dass der Arzt seine Approbation bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Berufungsverfahrens behalten darf. Das Strafverfahren sei noch nicht abgeschlossen, mithin der Vorwurf des Abrechnungsbetrugs noch nicht belegt. Die Ruhensanordnung müsse sich als verhältnismäßig erweisen, insbesondere auch unter Berücksichtigung

    • der Schwere der Straftaten, die Gegenstand der Anschuldigung sind,
    • der Verurteilungswahrscheinlichkeit und
    • des zu erwartenden Strafmaßes.

     

    Dies zu Grunde gelegt, sei die Vollziehung des Entzugs nur gerechtfertigt, so sie zur Abwehr von bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens konkret zu erwartender Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich sei.

     

    Diese Gefahren waren aus Sicht des Gerichts nicht festzustellen. Das Gericht konnte zum Zeitpunkt der Verhandlung nicht erkennen, dass gewichtige öffentliche Interessen einer Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit des Antragstellers bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens entgegenstehen. So stünden etwa Gefährdungen für Leib und Leben der Patienten des Arztes nicht in Rede.

     

    Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, der Arzt werde unter dem Druck des beim Landgericht Köln anhängigen Strafverfahrens bzw. des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erneut wegen betrügerischer Abrechnungsmethoden in Erscheinung treten, hat das Gericht ebenfalls nicht. Solche sind bislang auch von der Behörde nicht aufgezeigt worden.

     

    Gegenwärtig deutet aus Sicht des Gerichts vielmehr alles darauf hin, dass die anhängigen Verfahren geeignet sind, ein Wohlverhalten des Arztes sicherzustellen, weshalb ein Vollzug der Anordnung des Ruhens der Approbation als Präventivmaßnahme aus Gründen der Gefahrenabwehr nicht erforderlich ist und nach den o. g. Grundsätzen unterbleiben muss.

     

    Soweit die Behörde die Ruhensanordnung für erforderlich halten sollte, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Ärzteschaft zu gewährleisten, sei schon zweifelhaft, ob dies die vorläufige Vollziehung der Ruhensanordnung zu rechtfertigen vermag. Zumal die Einschätzung, ob und in welchem Umfang der Kläger eine Verurteilung zu erwarten hat, angesichts der Komplexität des seit mehreren Jahren anhängigen Strafverfahrens (erster Hauptverhandlungstermin war am 29.03.2015) nur schwer möglich ist. Dass insoweit ‒ im Falle einer Verurteilung des Arztes ‒ in Betracht zu ziehende approbationsrechtliche Maßnahmen zu spät kämen, um das Ansehen der Ärzteschaft in der Bevölkerung sicherzustellen, vermag das Gericht nicht zu erkennen.

     

    FAZIT | Der Erhalt der Approbation und die Fortführung der ärztlichen Tätigkeit ist aus mehrerlei Gründen eminent wichtig für den beschuldigten Arzt:

     

    • Zum einen ist es ein psychologischer Vorteil, weiter seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen und während des Strafverfahrens als tätiger Arzt aufzutreten. Dies setzt aber eine umfassende Änderung des (kritisierten) Abrechnungsverhaltens voraus.
    • Zum anderen kann der Arzt durch sein korrektes Abrechnungsverhalten ein Wohlverhalten demonstrieren, wenn er weiter arbeiten darf. Dies kann sowohl für das Straf- als auch für das Verwaltungsverfahren erhebliche Bedeutung haben, da es u. a. den Abschluss eines sog. Deals im Strafverfahren erleichtern oder zumindest das Strafmaß reduzieren kann.
    • Überdies ist die Fortführung der ärztlichen Tätigkeit natürlich auch unter finanziellen Gesichtspunkten bedeutsam.
     

    Weiterführende Hinweise

    • Unter den Stichworten „Abrechnungsbetrug“ sowie „Approbationsentzug“ finden Sie zahlreiche Beiträge im Online-Archiv von AAA unter www.iww.de/aaa.
    • Falschabrechnung: Hohe Hürden bei der Wiedererteilung einer entzogenen Approbation (AAA 02/2016, Seite 14)
    Quelle: ID 45664819