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  • 27.09.2010 | Steuerrecht

    Zusammenveranlagung: Zustimmungspflicht des Verluste erwirtschaftenden Ehegatten

    von RA Dr. Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster

    Ein Ehegatte kann auch dann verpflichtet sein, dem - der steuerlichen Entlastung des anderen Ehegatten dienenden - Antrag auf Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer zuzustimmen, wenn er während der Zeit des Zusammenlebens steuerliche Verluste erwirtschaftet hat, die er im Wege des Verlustvortrags in einem späteren Veranlagungszeitraum zur Verminderung seiner eigenen Steuerlast einsetzen könnte. Wenn die Ehegatten die mit Rücksicht auf eine - infolge der Verluste zur erwartende - geringere Steuerbelastung zur Verfügung stehenden Mittel für ihren Lebensunterhalt oder eine Vermögensbildung, an der beide Ehegatten teilhaben, verwendet haben, ist es einem Ehegatten im Verhältnis zu dem anderen verwehrt, für sich die getrennte steuerliche Veranlagung zu wählen. Durch die Verweigerung der Zustimmung zur Zusammenveranlagung macht er sich schadenersatzpflichtig (BGH 18.11.09, XII ZR 173/06, FamRZ 10, 269, Abruf-Nr. 100233).

     

    Sachverhalt

    Der klagende Ehemann nimmt die Beklagte auf Schadenersatz wegen Verweigerung der Zustimmung zur steuerlichen Zusammenveranlagung in Anspruch. Der Kläger erzielte im Veranlagungszeitraum positive Einkünfte. Die Beklagte erwirtschaftete Verluste. Im Trennungszeitraum beantragten die Parteien zunächst noch eine gemeinsame Veranlagung. Daraus erhielt der Kläger eine Einkommensteuererstattung. Später beantragte die Beklagte die getrennte Veranlagung, um den verbleibenden Verlust auf spätere Veranlagungszeiträume vorzutragen und mit positiven Einkünften verrechnen zu können. Folge: Der Kläger musste die Steuererstattung zurückzahlen und darüber hinaus erheblich Steuern nachzahlen. Sein Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Verhandlungen über eine Zustimmung der Beklagten zur Zusammenveranlagung scheiterten, da sie ihre Zustimmung von einem Ausgleich der Nachteile abhängig machte, die ihr aufgrund einer Zusammenveranlagung entstehen. Das LG gab der Klage im Wesentlichen statt. Die Berufung der Beklagten dagegen hatte Erfolg. Die zugelassene Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.  

     

    Entscheidungsgründe und Praxishinweis

    Der BGH hat eine für die Praxis wichtige Streitfrage geklärt. Diese betrifft die Zustimmungspflicht zur Zusammenveranlagung, wenn ein Ehegatte positive Einkünfte, der andere jedoch Verluste erwirtschaftet hat. Die Entscheidung beschränkt sich auf die Fallgestaltung, dass die Verluste vor der Trennung entstanden sind. Der BGH hat folgende Merksätze aufgestellt:  

     

    Übersicht: Zusammenveranlagung - Zustimmungspflicht des Verluste Erwirtschaftenden
    • Aus § 1353 Abs. 1 BGB folgt die Pflicht, die finanziellen Lasten des anderen Teils möglichst zu vermindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist. Ein Ehegatte muss daher der Zusammenveranlagung zustimmen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehegatte keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird (BGH FamRZ 77, 38; 07, 1229). Der Ehegatte macht sich durch die unberechtigte Verweigerung der Zustimmung schadenersatzpflichtig (BGH, a.a.O.).

     

    • Eine Zusammenveranlagung der Ehegatten kann im Veranlagungszeitraum zur geringeren Steuerbelastung des Ehegatten führen, der positive Einkünfte erzielt hat, während sich für denjenigen, der Verluste erwirtschaftet hat, keine Steuerbelastung ergibt. Eine Belastung kann aber im Nachhinein entstehen, wenn der die Verluste erwirtschaftende Ehegatte die für die streitigen Jahre festgestellten Verlustabzüge nicht im Wege des Verlustvortrags nach § 10d Abs. 2 EStG mit den in folgenden Jahren erzielten positiven Einkünften verrechnen kann. Seine geminderte Leistungsfähigkeit kann sich für ihn selbst nicht mehr auswirken, wenn der Verlust bei einer Zusammenveranlagung bereits von positiven Einkünften des anderen Ehegatten aufgezehrt worden ist. Der Verlust ist demjenigen Ehegatten steuermindernd zugute gekommen, der positive Einkünfte hatte und deshalb im Innenverhältnis die gesamte Steuerbelastung tragen musste.

     

    • Wie und unter welchen Umständen ein solcher - sich realisierender - Nachteil im Verhältnis der Ehegatten zueinander auszugleichen ist, ist streitig (zum Meinungsstand Liebelt, FamRZ 93, 626). Grundsatz: Ein Ehegatte kann keine Zustimmung zur Zusammenveranlagung verlangen, wenn der andere dadurch einer zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird. Einschränkung: Es muss sich um eine Belastung handeln, die der andere nach den gegebenen Umständen im Innenverhältnis nicht tragen muss. Nur dann werden seine berechtigten eigenen Interessen verletzt. Ein Ehegatte muss solche Belastungen in folgenden Fällen tragen:

     

    • Die Ehegatten haben eine bestimmte Aufteilung der Steuerschulden (konkludent) vereinbart, etwa indem sie die Steuerklassen III und V wählen, um damit monatlich mehr bare Mittel zur Verfügung zu haben als bei den Steuerklassen IV und IV. Damit haben die Ehegatten in Kauf genommen, dass das höhere Einkommen des einen relativ niedrig und das niedrige Einkommen des anderen relativ hoch besteuert wird. An einer solchen bis zur Trennung praktizierten Handhabung müssen sich die Ehegatten mangels einer entgegenstehenden Vereinbarung für die Zeit ihres Zusammenlebens festhalten lassen. Folge: Die Zustimmung zur Zusammenveranlagung darf nicht von einem Ausgleich der bis zur Trennung angefallenen steuerlichen Mehrbelastung abhängig gemacht werden (BGH FamRZ 07, 1229).

     

    Möglich ist auch eine Vereinbarung der Ehegatten, dass der eine im Innenverhältnis die aus seinen Verlusten resultierenden Vorteile für sich allein vorbehält. Der andere muss die daraus folgende steuerliche Mehrbelastung ausgleichen, allerdings auch mit der weiteren Konsequenz: Für den Familienunterhalt stehen insgesamt weniger Mittel zur Verfügung.

     

    • Ein Ehegatte kann die Belastung aber auch tragen müssen, weil sich dies aus der Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft ergibt. Üblicherweise passen sich die Lebensverhältnisse den vorhandenen Mitteln an. Mit Rücksicht auf eine zu erwartende geringere Steuerbelastung wird also ein höherer Lebensstandard gepflegt. Die eingesetzten Mittel können, wenn ein Ehegatte trotz Erwerbstätigkeit nicht über positive Einkünfte verfügt, zunächst nur von dem anderen stammen. Dieser Ehegatte wendet entsprechend mehr für den Familienunterhalt auf, als er es ohne die Erwartung einer steuerlichen Entlastung tun könnte und würde. Zur Finanzierung dieser Vorleistung bringt der andere Ehegatte letztlich seinen Verlust als Beitrag zum Familienunterhalt ein. Fällt der Zeitraum, in dem der Verlust entstanden ist, in die Zeit des Zusammenlebens, ist die Liquidität durch das Zusammenwirken der Ehegatten erhöht. Dies entweder schon dadurch, dass bereits Steuervorauszahlungen angepasst wurden oder entfallen sind, oder aber durch erfolgende Steuererstattungen. Jedenfalls ist es ihnen nach Treu und Glauben, aber auch nach dem Rechtsgedanken des § 1360b BGB, verwehrt, dieser Gestaltung rückwirkend die Grundlage zu entziehen. Das wäre aber der Fall, wenn ein Ehegatte im Verhältnis zum anderen nachträglich seine Verluste anderweitig zu seinem alleinigen Vorteil nutzen könnte. Die steuerrechtlich bestehende Möglichkeit einer Wahl der getrennten Veranlagung hat in solchen Fällen der familienrechtlichen „Überlagerung“ außer Betracht zu bleiben, weil sie zu einer auf den Zeitraum des gemeinsamen Lebens und Wirtschaftens zurückwirkenden Korrektur führen würde (BGH FamRZ 07, 1229; 06, 1178).

     

    • Der die Verluste erwirtschaftende Ehegatte kann sich nicht darauf berufen, er sei auch mit den seinen Verlusten zugrunde liegenden Verbindlichkeiten auf sich allein gestellt. Lebten die Parteien im gesetzlichen Güterstand, können die Verbindlichkeiten grundsätzlich im Rahmen eines Zugewinnausgleichs, in den auch Ansprüche auf Steuererstattungen einzubeziehen sind, berücksichtigt werden. In jedem Fall könnte dieser Ehegatte, wenn er nicht über bedarfsdeckende Einkünfte verfügt, Trennungsunterhalt geltend machen.