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  • · Fachbeitrag · Praxishygiene

    Angst vor Begehung? Alltägliche Hygiene-Fallen und wie Sie diese elegant umschiffen können

    von Viola Milde, Hygieneberatung, www.VMH-Hamburg.de

    | Das Damoklesschwert flächendeckender behördlicher Praxisbegehungenschwebt über verunsicherten Praxisinhabern. Gerüchte kursieren über Ablauf und Inhalt der Begehungen und es wird mit Begriffen wie „fehlende Validierungen“ und „notwendige Anschaffung von Thermodesinfektoren“ jongliert. Es gibt häufig Unkenntnis darüber, was „Begehung“ letztendlich für die Praxis bedeutet. Daher soll hier Licht ins Dunkel gebracht werden. |

    Worauf kommt es wirklich an?

    Selbstverständlich sind die Vorschriften zur Validierung Ihrer Sterilisatoren, Thermodesinfektoren und Folienschweißgeräte einzuhalten. Die Aufbereitung der Medizinprodukte der Risikoklasse „kritisch B“ darf bekanntermaßen laut RKI und KrinKo nur noch maschinell erfolgen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese Punkte zwar die prominentesten, jedoch bei weitem nicht immer die dringlichsten sind. Wichtig ist und bleibt auch das, was im hektischen Praxisalltag schnell verloren geht: Die Basis - und das ist primär die Aufbereitungskette - muss im Sinne der Patientensicherheit einwandfrei sein. Nachfolgend werden einige Beispiele aus der Praxis mit Lösungen aufgezeigt.

    Folienschweißgerät direkt neben dem Spülbecken

    SITUATION: Durch räumliche Enge bedingt steht das Folienschweißgerät im Aufbereitungsraum direkt neben dem Spülbecken, in dem Instrumente gereinigt werden. Die ist eine unzulässige Nähe, da es zu Rekontaminationen der gereinigten und desinfizierten Instrumente kommen kann.

     

    LöSUNG: Sollte es räumlich keine andere Möglichkeit geben, so ist zur Einhaltung der Trennung „unreiner - reiner Bereich“ die einfache Montage einer Trennwand zwischen dem Spülbecken und dem Folienschweißgerät möglich.

     

    TIPP: Eine etwa 50 cm hohe Plexiglaswand kann mit einem einfachen Schienensystem - aus dem Baumarkt - auf der Arbeitsplatte angebracht werden. Das schafft die nötige Sicherheit und ist optisch durchaus ansprechend.

    Beschriftung von Sterilgut mit Filzstift oder Kugelschreiber

    SITUATION: Die Beschriftung von Sterilgut erfolgt mit Filzstift oder Kugelschreiber auf der Papierseite der Verpackung. Das ist unzulässig, denn Tinte oder Farbe auf der Papierseite mindern die Barrierefunktion der Verpackung.

     

    LöSUNG: Die Beschriftung der Folienverpackung sollte mit einem Folienstift auf der Folienseite erfolgen. Wichtig: Chargennummer, Verfalldatum und Kürzel der Mitarbeiterin müssen aufgebracht werden.

     

    TIPP: Schneller und effektiver erfolgt die Beschriftung mittels eines Labeldruckers, der wie ein Etikettiergerät funktioniert. Mit doppelt klebenden Labeln kann das Etikett nach Instrumentenverwendung zur Dokumentation auf der Karteikarte des Patienten aufgebracht werden.

    Manuelle Aufbereitung in der Kategorie „Kritisch B“

    SITUATION: Medizinprodukte der Kategorie „Kritisch B“ werden immer noch manuell aufbereitet, weil die finanziellen Mittel oder die räumlichen Möglichkeiten für den Kauf und die Aufstellung eines Thermodesinfektors fehlen.

     

    LöSUNG: Auf die Aufbereitung mittels eines Thermodesinfektors kann bei der Kategorie von „kritisch B“-Medizinprodukten nicht verzichtet werden.

     

    TIPP: Kostensparend ist es, wenn Medizinprodukte der Kategorie „kritisch B“ nur selten zur Anwendung kommen, Nutzungsgemeinschaften mit umliegenden Zahnarztpraxen zu bilden. Die Aufbereitung im „benachbarten“ Thermodesinfektor ist kostengünstig und hygienisch unbedenklich, sofern der Hin- und Rücktransport der Instrumente lückenlos geregelt und dokumentiert wird.

    HELIX-Teststreifen

    SITUATION: Helix-Teststreifen werden begutachtet, eingeklebt und zur Dokumentation aufbewahrt. Dies ist zeitaufwendig und nicht erforderlich.

     

    LöSUNG: Mit einem entsprechenden Sterilisationsprotokoll können notwendige Daten zeitsparend und sicher erfasst und aufbewahrt werden.

     

    TIPP: Hier das Beispiel eines praxisspezifischen Sterilisationsprotokolls (kann dem Bedarf jeder Praxis angepasst werden)

     

    • Sterilisationsprotokoll -Steri-Nr. -
    Durchlauf
    Datum
    Uhrzeit + Kürzel
    Charge
    Beladung
    Pro-
    gramm
    Leitwert
    Sterilisation
    erfolgreich?
    Helixtest
    Seal-Check
    Freigabe

    1

    ?

    ?uneingepackt

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    Winkelstücke

    ?ja

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    2

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    3

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    4

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    5

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    6

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    Auch die Dokumentation der Vakuumtests und der Leitwertmessung erfolgt in diesem Protokoll. Nach der Begutachtung des Helix-Teststreifens durch die freigabeberechtigte Mitarbeiterin - die aufgrund ihrer Ausbildung und Tätigkeit über die erforderlichen Kenntnisse verfügt - wird das Ergebnis im Protokoll eingetragen und der Helix-Teststreifen kann verworfen werden. Praktischer Nebeneffekt: Bei Durchlauf Nr. 400 wird automatisch auf die Durchführung von Sporentests hingewiesen. Beachten Sie: Die Freigabeberechtigung der Mitarbeiterin ist von der Praxisleitung zu unterschreiben.

    Nur was die Mitarbeiterin versteht, setzt sie in der Praxis um

    Getreu diesem Motto erlebe ich immer wieder, dass folgende Problematik nicht verstanden und deshalb häufig nicht umgesetzt wird: „Warum muss ich verpackte Instrumente nach fehlerhaftem Steri-Durchlauf erneut verpacken, bevor ich das Steri-Programm neu starte?“ Die Folien-Papierverpackungen sind während des gesamten Sterilisationsprozesses enormen Belastungen ausgesetzt (mehrfache Heiß-Dampfinjektionen, gefolgt von zyklischen Vakuumphasen), die sowohl die Schweißnähte als auch die Konsistenz des Papiers enorm beeinflussen. Nach einem zweiten Durchlauf ist eine sterile Lagerung nicht mehr gewährleistet. Ein erneutes Verpacken ist daher unumgänglich.

    Dokumente nicht praxisspezifisch ausgearbeitet

    SITUATION: Risikoklassifizierungen, Hygieneplan, Hautschutzplan etc. sind vorhanden, jedoch nicht praxisspezifisch ausgearbeitet worden, weil die Praxisleitung sich der Bedeutung der Individualisierung nicht bewusst ist.

     

    LöSUNG: Eine Individualisierung der geforderten Unterlagen ist unerlässlich.

     

    TIPP: Die Hygienebeauftragte sollte den RKI-Anforderungen entsprechend einmal jährlich extern geschult werden. Hier werden unter anderem Kenntnisse vermittelt, die eine eigenständige Ausarbeitung der Unterlagen - unter Verantwortung der Praxisleitung - ermöglichen.

    Die Behandlungseinheit geht Ihrem Patienten so nahe …

    Hier lauern ebenfalls ungeahnte Baustellen, die potentiell gefährlich, doch eigentlich leicht zu entschärfen sind. Aber durch Mitarbeiterfluktuation gehen die Kenntnisse über Spülprogramme und unerlässliche Arbeitsabläufe, die Behandlungseinheiten betreffen, schnell verloren. Wussten Sie zum Beispiel,

     

    • dass das Spülen sämtlicher wasserführender Systeme für mindestens zwei Minuten jeden Morgen durchgeführt werden muss (über Nacht stehendes Wasser wird so aus den Leitungen entfernt)?
    • dass das Spülen aller wasserführenden Systeme für mindestens 20 Sekunden nach jedem Patienten unumgänglich ist?
    • dass das Durchsaugen der Absaugsysteme nach jedem Patienten zwingend erforderlich ist?
    • dass die meisten Behandlungseinheiten eine einfache Demontage und damit eine umfangreiche Reinigung des Speibeckens ermöglichen?

     

    LöSUNG: Nutzen Sie die Kurzanleitungen Ihrer Behandlungseinheiten. Diese bieten einen Überblick über die Möglichkeiten Ihrer Einheit. Sollte diese Anleitung nicht mehr vorhanden sein: Die meisten Hersteller bieten die Dokumente zum kostenlosen Download im Internet an. So sparen Sie Zeit und Aufwand und optimieren im selben Zuge die Sicherheit Ihrer Patienten!

    Weitere praktische Hinweise

    Nutzen Sie Hygiene-Checklisten, um einen Überblick über die Situation in Ihrer Praxis zu bekommen. Hygiene-Checklisten können Sie zum Beispiel bei Ihrer Zahnärztekammer online herunterladen. So bekommen Sie einen schnellen Überblick und können sich gezielt und effektiv auf die anstehende Begehung vorbereiten. Hygiene ist Chefsache und obliegt Ihrer Kontrolle und Ihrer Verantwortung. Bei Unklarheiten: Nutzen Sie externe Hygieneberatungen, um kurz und bündig den „Status quo“ zu erfassen und praktische Umsetzungsempfehlungen direkt vor Ort zu erhalten.

     

    Abschließend nochmal kurz gecheckt:

     

    • Sind die Risikobewertungen bzw. Einstufungen Ihrer Medizinprodukte und der Hygieneplan praxisspezifisch durch die Praxisleitung ausgearbeitet worden und stehen sie den Mitarbeitern greifbar zur Verfügung? (am besten sichtbar in Steri aushängen)
    • Sind die wesentlichen Aufbereitungs-Schritte in Arbeitsanweisungen festgehalten, die sichtbar im Steri aushängen? (Tipp: Sichttafelsystem mit Wandhalterung aus dem Schreibwaren-/Online-Handel schafft Übersicht)
    • Ist eine klare Trennung des unreinen/reinen Bereichs im Aufbereitungsraum gegeben? (sonst hilft eine Schienen-Montage von Plexiglaswänden)
    • Findet der Transport der kontaminierten und der reinen Instrumente innerhalb der Praxis in geschlossenen Boxen statt?
    • Werden mindestens einmal jährlich Wasserproben jeder Behandlungseinheit im Labor mikrobiologisch untersucht?

     

    Bedenken Sie: Auch die Bereiche Umkleide, Sozialraum, Röntgenraum etc. obliegen den Hygienevorschriften und werden neben Aufbereitungs- und Behandlungsräumen bei behördlichen Begehungen begutachtet.

     

    FAZIT | Nicht die Erfüllung der Validierungsvorschriften allein macht die Praxishygiene aus. Die Basis - das Wissen um die korrekte Trennung des unreinen bzw. reinen Bereichs, die korrekte Aufbereitung der Medizinprodukte nach Risikoklassen oder auch die umfassende Hygiene der Behandlungseinheiten - darf nicht vernachlässigt werden. Die anstehende Praxisbegehung muss also keine Bauchschmerzen verursachen. Wenn diese Bereiche gewissenhaft von Ihnen und Ihrem Team bearbeitet werden und dies mittels einer Hygiene- Checkliste intern überprüft wurde, stehen Ihre Praxistüren weit offen für eine angstfreie behördliche Begehung.

     

    Aber Ihre Mitarbeiter sollen die Hygiene-Vorschriften bitte nicht speziell für die behördliche Begehung umsetzen. Viel wichtiger ist die Einhaltung im Täglichen: Sicherheit für Sie, Ihre Mitarbeiter und vor allem für Ihre Patienten!

    Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 18 | ID 42850161