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  • 09.06.2011 | Unfallversicherung

    Dieser Vergleichsmaßstab gilt beim erweiterten Unfallbegriff

    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte

    1. Die Beurteilung, ob eine „erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule“ vorliegt, die unter den erweiterten Unfallbegriff von Nr. 1.4.1. der AUB 2002 fällt, bestimmt sich nach den persönlichen Verhältnissen des Versicherten.  
    2. Wenn ein Taxifahrer einen etwa 20 kg schweren Koffer aus dem Fahrzeug nehmen möchte, dieser Koffer sich verkantet und wenn dann beim Herausziehen die Bizepssehne des rechten Armes reißt, fällt dieses Geschehen nicht unter den erweiterten Unfallbegriff von Nr. 1.4.1. AUB 2002.  
    (OLG Hamm 11.02.11, 20 U 151/10, Abruf-Nr. 111790)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Ein Taxifahrer hatte sich beim Herausheben eines verkanteten 20 kg schweren Koffers aus dem Kofferraum seines Fahrzeugs die (erheblich vorgeschädigte) Bizepssehne gerissen. Das LG hat sowohl die Voraussetzungen des Unfallbegriffs (Nr. 1.3 AUB) als auch die der Unfallfiktion der Nr. 1.4 AUB verneint. Das OLG Hamm hat den für die beabsichtigte Berufung gestellten PKH-Antrag mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen.  

     

    Hier liegt weder ein Unfall im Sinne von Nr. 1.3. AUB 2002 noch ein Unfall im Sinne von Nr. 1.4.1. AUB 2002 vor. Zwar gilt es nach dieser Vorschrift auch als Unfall, wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt wird oder aber Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden. Auch der Senat ist der Auffassung, dass für den Kläger das Herausnehmen eines Koffers aus einem Auto noch keine erhöhte Kraftanstrengung in diesem Sinne darstellt. Maßgeblich dafür ist unter anderem, dass für den Begriff der „erhöhten Kraftanstrengung“ auf die individuellen körperlichen Verhältnisse des Versicherten abzustellen ist (siehe dazu Prölss/Martin-Knappmann, VVG, 28. Auflage 2010, Nr. 1 AUB 2008 Rn. 8). Dabei ist in diesem Fall zu berücksichtigen, dass der Kläger als Taxifahrer tätig ist. Das Verladen und Herausnehmen von Koffern bis zu einem üblichen Gewicht (20 kg Gepäck sind etwa für Fluggäste häufig üblich) war damit für den Kläger noch innerhalb des für ihn normalen Kraftaufwands. Dem sei auch der Kläger selbst nicht entgegengetreten.  

     

    Praxishinweis

    Immer wieder hat die Rechtsprechung mit dem Unfallbegriff und, besonders im Fall von Sehnenrissen, mit dem erweiterten Unfallbegriff zu tun (vgl. zuletzt VK 10, 204). Man kann gleichwohl nicht sagen, dass die Ergebnisse der Rechtsprechung stringent und für den Anwalt stets voraussehbar sind.