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  • Nachlassvollstreckung

    Der Schuldner ist tot – was ist zu tun ?

    von Dipl.-Rechtspflegerin Martina Rauch, Siegen

    Das Aussterben der so genanntenWirtschaftswundergeneration steht bevor. Daher werden in naher Zukunftimmense Vermögenswerte vererbt. Die Vollstreckung in den Nachlassist jedoch sehr schwierig. Gläubiger, die hierauf zugreifenwollen, sollten sich bereits frühzeitig mit dieser kompliziertenMaterie beschäftigen, um im entscheidenden Augenblick effektivvollstrecken zu können. Der folgende Beitrag erläutert dieformellen Voraussetzungen der Vollstreckung in den Nachlass. ImEinzelnen muss dabei Folgendes beachtet werden:

    Prüfen Sie, in welchem Forderungs-Stadium Sie sich befinden

    Ist der Schuldner verstorben, sollten Siezunächst überlegen in welchem Stadium Sie sich mit IhrerForderung befinden. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen:

    • noch nicht titulierter Forderung § 1958 BGB; s. 1. und 2. Schritt,
    • bereits titulierter Forderung § 778 ZPO; s. 3. Schritt und
    • bereits titulierter und schon einmal vollstreckter Forderung §§ 778, 779 ZPO; 4. Schritt.

    1. Schritt: Prüfen, ob Erben vorhanden sind

    Wenn der Anspruch noch nicht tituliertist, ist zunächst zu prüfen, ob jemand vorhanden ist, gegenden der Anspruch noch tituliert werden kann. Dies können ein odermehrere Erben sein.

    Praxishinweis: Um andiese Informationen zu gelangen, fragen Sie einfach beimNachlassgericht = AG des letzten Wohnorts des Erblassers =Schuldner nach, ob dort Erben bekannt sind. Das AG nennt Ihnen in derRegel die Anschriften der bekannten Erben. Beachten Sie, dassgemäß § 34 FGG das Nachlassgericht gegebenenfallsEinsicht in die Nachlassakten gewähren muss, etwa wenn einGläubiger unbezahlte Rechnungen vorlegt. Hieraus sind häufigdie Namen und Adressen der Erben ersichtlich.

    Der Anspruch kann erst gegen einen Erben geltendgemacht werden, wenn er die Erbschaft angenommen hat §§1943, 1958 BGB. Sie gilt als angenommen, wenn dieErbausschlagungsfrist von sechs Wochen verstrichen ist § 1943Abs. 1 BGB. Solange der Erbe also nicht von Ausschlagung spricht, kanngrundsätzlich von einer stillschweigenden Erbschafts-Annahmeausgegangen werden.

    2. Schritt: Titulierung gegen den Erben

    Es ist abzuwägen, ob ein Mahn- oderKlageverfahren sinnvoll ist. Ist abzusehen, dass ein Erbe sich zur Wehrsetzt, sollte das Klageverfahren gewählt werden.

    Praxishinweis: Beieiner gerichtlichen Geltendmachung sollten Sie als Gläubigerbedenken, dass der Erbe die Möglichkeit hat, sich eineHaftungsbeschränkung in Form eines Nachlassverwaltungs- oderNachlassinsolvenzverfahrens § 1975 BGB vorzubehalten. DieTitulierung erfolgt dann durch ein so genanntes Vorbehaltsurteil§§ 305, 780 Abs. 1 ZPO, das eine Vollstreckung nur in denNachlass ermöglicht. Ohne Vorbehaltsurteil haftet der Erbe nichtnur mit dem Nachlass-, sondern auch mit seinem Eigenvermögen. Wirdtrotzdem in das Eigenvermögen vollstreckt, kann der Erbe eineaussichtsreiche Vollstreckungsabwehrklage erheben §§ 781,785, 767 ZPO.

    Zu beachten ist, dass dieHaftungsbeschränkung in der Zwangsvollstreckung nur dannBerücksichtigung findet, wenn der verurteilte Erbe dieseausdrücklich und rechtzeitig im Prozess geltend gemacht hatMusielak/Lackmann, ZPO, 2. Aufl., § 780 Rn. 1.

    3. Schritt: Notwendige Maßnahmen zur Durchführung der Zwangsvollstreckung

    Vor Annahme der Erbschaft kann eine Vollstreckungwegen einer Nachlassverbindlichkeit nur in den Nachlass, d.h. in dasererbte Vermögen, geschehen § 778 Abs. 1 ZPO. Es findetsomit grundsätzlich eine Trennung zwischen Vollstreckungsobjektund -gläubiger statt. Im Einzelnen gilt es zu unterscheiden:

    • Hat der Erbe die Erbschaft angenommen,ist die – oft vergessene – Dreimonats-Einredegemäß § 2014 BGB zu beachten. Dies bedeutet, dass derErbe die Berichtigung einer Nachlassverbindlichkeit bis zu drei Monatenaufschieben kann. Dieser Einwand ist vom Vollstreckungsorgan nicht vonAmts wegen zu beachten. Sie muss gemäß §§ 782,785, 767 ZPO im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend gemachtwerden.

    Der Einwand bewirkt, dass die Vollstreckung aufeine Sicherungsvollstreckung begrenzt wird § 782 ZPO. Dasbedeutet, dass nur eine Pfändung, nicht aber eine Verwertungvorgenommen werden darf. Konkret heißt das für denGläubiger:

    • Bewegliche Sachen können nur gepfändet, nichtversteigert werden. Forderungen und Rechte dürfen nur durchPfändungsbeschluss gepfändet, aber nicht überwiesenwerden.
    • Die Vollstreckung in unbewegliches Vermögen erfolgt nur durch Eintragung einer Zwangssicherungshypothek.

    Erfolgt eine Verwertung, kann der Erbe sich mit einer Vollstreckungsabwehrklage §§ 782, 785, 767 ZPO wehren.

    Praxishinweis: Etwasanderes gilt jedoch, wenn mehrere Gläubiger versuchen, gegen denSchuldner vorzugehen. Um sich frühzeitig den Rang zu sichern,sollten Sie auf jeden Fall Vollstreckungsmaßnahmen einleiten.

    • Hat der Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen,wollen Sie als Nachlassgläubiger aber in den Nachlassvollstrecken, muss ein so genannter Nachlaßpfleger bestelltwerden. Denn vor Annahme der Erbschaft kann ein gerichtliches Vorgehengegen den Erben nicht erfolgen § 1958 BGB.

    Die Nachlasspflegschaft ist bei demNachlass-Wohnsitzgericht des Erblassers Schuldners zu beantragen§§ 1960, 1961 BGB. Der Nachlasspfleger vertritt in diesemFall den oder die unbekannten Erben als Rechtsnachfolger desErblassers Schuldner, so dass der bestehende Titel nach § 727ZPO umgeschrieben werden kann Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl.,§ 778 Rn. 6 m.w.N.; Gottwald, Zwangsvollstreckung, 4. Aufl.,§ 778 Rn. 5; a.A. Musielak/Lackmann, a.a.O., § 727 Rn. 11,Nachlasspfleger ist kein Rechtsnachfolger, sondern gesetzlicherVertreter.

    Hinweis: Bevorallerdings eine Titelumschreibung erfolgt, müssen Sie alsGläubiger zunächst durch öffentliche oderöffentlich beglaubigte Urkunde dem zuständigem Prozessgerichtdes ersten Rechtszugs die Rechtsnachfolge nachweisen § 727 ZPO.Hierzu dient der Beschluss des Nachlassgerichts, durch den derNachlasspfleger amtlich bestellt wurde. In einem weiteren Schritt istdarauf zu achten, dass nach § 750 Abs. 2 ZPO vor Vollstreckung inden Nachlass sowohl der Titel, die Klausel als auch eine Abschrift desdie Nachlasspflegschaft anordnenden Beschlusses – durch denGerichtsvollzieher § 166 Abs. 1 ZPO – zugestellt seinmüssen.

    Nach Annahme der Erbschaft kann auch in das Eigenvermögen vollstreckt werden

    Ein Gläubiger sollte unbedingt beachten, dassnach einer Annahme der Erbschaft durch den oder die Erben sowohl in denNachlass als auch in das Eigenvermögen des oder der Erbenvollstreckt werden kann. Dies gilt jedoch nur solange, wie der Erbeseine beschränkte Haftung nicht geltend macht. Hierdurch trittquasi eine Erweiterung der Vermögensmasse ein und damit die Möglichkeit der besseren Befriedigung.

    Allerdings benötigen Sie auch dazu eineRechtsnachfolgeklausel gemäß § 727 ZPO s.o.. Um dieRechtsnachfolge nachzuweisen, bieten sich folgende Möglichkeitenan:

    • Ist ein Erbschein bereits erteilt,können Sie sich nach Vorlage des Titels gemäß § 85FGG eine Ausfertigung des Erbscheins vom Nachlassgerichtaushändigen lassen. Berechnet werden hierfür nur die anfallenden Schreibauslagen.
    • Ist ein Erbschein noch nicht erteiltund stellt der Erbe auch keinen Erbscheinsantrag, können Sie alsGläubiger an Stelle des Erben einen Antrag auf Erteilung desErbscheins stellen § 792 ZPO. Hierzu reicht es aus, dass Sie demNachlassgericht eine Kopie des Titels vorlegen.

    Praxishinweis: DieseVorgehensweise hat zwar den Nachteil, dass Sie für IhreBehauptungen Beweis antreten müssen eidesstattliche Versicherung,Abschriften, Familienstammbuch etc.; §§ 2356, 2354, 2355BGB. Sie ist aber zu empfehlen, um zum Erfolg zu kommen. ZahlreicheNachlassgerichte erteilen problemlos Erbscheine fürGläubiger. Die Gerichtskosten für die Erteilung desErbscheins belaufen sich auf eine volle Gebühr aus demNetto-Nachlasswert §§ 107 Abs. 1 S. 1, 32 KostO. Ein Anwaltdes Gläubigers kann zudem eine Gebühr nach § 12 Abs. 1,§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 5/10 -10/10; Mittelgebühr = 7,5/10verlangen.

    • Ist eine Verfügung von Todeswegen vorhanden Testament, Erbvertrag etc., ist es günstiger undeinfacher, wenn Sie die so genannte Testamentseröffnung anregen.Dies bedeutet nichts anderes, als dass das Gericht von Amts wegen ineinem besonders hierfür anberaumten Termin das – und zwarjedes – Testament eröffnen und verkünden muss §2260 BGB.

    Hierzu brauchen sie nur eine Sterbeurkundevorzulegen. Die Sterbeurkunde erhalten sie, wenn Sie Ihr rechtlichesInteresse beim Standesamt des Sterbeorts des Schuldners § 61 Abs.1 S. 3 PStG nachweisen d.h. den Titel vorlegen. An Gerichtskostenfür die Testamentseröffnung entsteht nur eine halbeGebühr aus dem Netto-Nachlasswert §§ 102, 103, 46 Abs.4 KostO.

    Entscheidend für Gläubiger ist, wo sich ein Testament befindet. Hierzu gilt:

    • Der Schuldner als Erblasser kann entweder eineigenhändiges Testament verfassen und dieses bei sich zu Hauseaufbewahren. Für solche Testamente besteht eineAblieferungspflicht an das Nachlassgericht § 2259 Abs. 1 BGB.Wenn Sie also Kenntnis von einem solchen Testament haben, teilen Siedies dem Gericht mit. Der Erbe kann dann aufgefordert werden, diesesabzuliefern.
    • Darüber hinaus ist es auch möglich, dassder Schuldner ein eigenhändiges Testament direkt bei jedem AG§ 2258a BGB in amtliche Verwahrung gibt, d.h. hinterlegt §2248 BGB. Das gleiche gilt, wenn das Testament/der Erbvertrag voneinem Notar errichtet wurde. In diesem Fall ist die Verfügung vonTodes wegen bei dem AG zu hinterlegen, bei dem der beurkundende Notarseinen Amtssitz hat § 2258a BGB. Bei einem Erbvertrag gilt, dassdieser auch bei dem Notar selbst verwahrt werden kann § 34BeurkG.

    Wichtig: Wurde dieVerfügung von Todes wegen sodann durch das Nachlassgerichteröffnet, muss eine Abschrift derselben nebstEröffnungsprotokoll an den oder die Erben zugestellt werden§ 750 Abs. 2 ZPO.

    4. Schritt: Schuldner stirbt nach Beginn der Vollstreckung

    Prüfen Sie, obdie Zwangsvollstreckung vor dem Tode des Schuldners begonnen hatZöller, a.a.O., Einl. zu § 704 ZPO, Rn. 33. Im Einzelnenheißt das:

    • bei Vollstreckungsaufträgen muß der Gerichtsvollzieher bereits eine Handlung vorgenommen haben,
    • im EV-Verfahren sollte terminiert sein,
    • imVerfahren auf Erlaß eines Pfändungs- undÜberweisungsbeschlusses oder derDurchsuchung nach § 758 ZPOsollte der Beschluss erlassen sein oder
    • bei der Zwangssicherungshypothek sollte die Eintragungsverfügung unterzeichnet sein.

    Für diesen Fall gilt § 779 ZPO. Dasheißt: Sie brauchen nun keine Klausel nach § 727 ZPO und Siemüssen den Titel nicht nach § 750 Abs. 2 ZPO an den Erbenzustellen. Ist eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme eingeleitet,kann sie in den Nachlass zu Ende geführt werden. Wollen Sie eineneue Maßnahme einleiten, können Sie dies ohne Erlaßeiner Klausel. Hat der Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen, mussein besonderer Vertreter für ihn bestellt werden § 779 Abs. 2ZPO Zöller, a.a.O., § 779 ZPO Rn. 6. Die Kosten diesesPflegers hat zunächst der Gläubiger zu tragen. Sie sind abernach § 788 ZPO erstattungsfähig. Es muß in jedemEinzelfall abgewogen werden, ob die Zwangsvollstreckungsmaßnahmemit der Bestellung eines Pflegers sich lohnt.

    Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 03/2002, Seite 39

    Quelle: Ausgabe 03 / 2002 | Seite 39 | ID 107544