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  • 01.06.2007 | Unfallschadensregulierung

    § 849 BGB – eine vergessene Zinsvorschrift

    Die auch im Rahmen der StVG-Haftung geltende Vorschrift des § 849 BGB ist auch in Fällen des wirtschaftlichen Totalschadens anwendbar (Anschluss an BGH NJW 83, 1614). Wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden nicht vor (OLG Düsseldorf 23.4.07, I-1 U 204/06, Abruf-Nr. 071617).

     

    Sachverhalt

    Nach einem Unfall mit seinem Pkw rechnete der Kläger seinen Fahrzeugschaden auf Totalschadensbasis ab. Außerdem machte er Mietwagenkosten und eine pauschale Nutzungsausfallentschädigung u.a. geltend. Der Gesamtbetrag müsse nach § 849 BGB ab dem Unfalltag in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins verzinst werden, so seine Forderung. Das LG erkannte Zinsen erst ab Rechtshängigkeit an. Den in erster Instanz als Nebenforderung verfolgten Zinsanspruch macht der Kläger mit seiner Berufung als Hauptforderung geltend. Das Rechtsmittel war nur teilweise erfolgreich.  

     

    Entscheidungsgründe

    Ohne Erfolg ist die Berufung geblieben, soweit der Zinsanspruch auf § 849 BGB gestützt ist. Allerdings sei diese Vorschrift auch im Rahmen der StVG-Haftung grds. anwendbar (BGH NJW 83, 1614). Sie komme laut BGH (a.a.O.) auch bei technischem oder wirtschaftlichem Totalschaden zum Zuge. Ob ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt, war die entscheidende Frage. Der Senat hat sie verneint. Dabei ist er auf die unterschiedliche Begriffsbildung mit insgesamt vier verschiedenen Definitionen des „wirtschaftlichen Totalschadens“ eingegangen. Nach Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass der BGH (VI. ZS) einen wirtschaftlichen Totalschaden erst annimmt, wenn die kalkulierten Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert liegen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der BGH einen wirtschaftlichen Totalschaden bereits bejaht, wenn die kalkulierten Reparaturkosten höher sind als der Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert ./. Restwert), hat der Senat nicht finden können. Im Streitfall liegen die geschätzten Reparaturkosten deutlich unter dem Wiederbeschaffungswert, weshalb es kein Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens ist. Allerdings hatten die Parteien einvernehmlich nach dieser Variante abgerechnet, nachdem der Kläger seinen Pkw unrepariert zum geschätzten Restwert veräußert hatte. Damit war sein Anspruch zwar auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt, gleichwohl blieb ihm eine Verzinsung nach § 849 BGB versagt.  

     

    Praxishinweis

    § 849 BGB ist nur wenigen bekannt. Seine Anwendbarkeit in Fällen wirtschaftlichen Totalschadens hat der BGH in der Tat ausdrücklich gebilligt (NJW 83, 1614). Auch hier gehe es um den Ersatz des Wertes des Fahrzeugs. Das deckt sich zwar nicht mit seiner sonstigen Judikatur, die eine Ersatzanschaffung bei wirtschaftlichem Totalschaden als Fall der Naturalrestitution begreift (NJW 04, 1943). Jedenfalls müssen die kalkulierten Reparaturkosten (eventuell zzgl. Minderwert) über dem Wiederbeschaffungswert liegen (nicht unbedingt 30 Prozent), damit der Geschädigte in den Genuss der Verzinsung nach § 849 BGB gelangen kann – ab dem Unfalltag bis zum Ausgleich des Fahrzeugschadens. Zu verzinsen ist freilich nur die Ersatzsumme, nicht etwa weitere Kosten, wie z.B. Sachverständigenkosten. Um eine Doppelentschädigung auszuschließen, kann der Geschädigte Zinsen nach § 849 BGB nicht für die Zeit beanspruchen, in der sein Nutzungsausfall konkret ersetzt wird (Mietwagen bzw. Tabelle). Bei Weiternutzung des beschädigten Fahrzeugs besteht mangels „Entzugs“ kein Anspruch auf Verzinsung. Im Fall des Ersatzes des nicht fahrbereiten Fahrzeugs durch einen anderen Wagen mit eigenen Mitteln dauert die Zinspflicht dagegen bis zur Zahlung des Ersatzbetrages fort (BGH NJW 83, 1614).