Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

17.11.2017 · IWW-Abrufnummer 197728

Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 12.09.2017 – 14 Sa 325/17

1. Eine Provisionsvereinbarung liegt auch dann vor, wenn für einen Provisionsanspruch neben der Vermittlung von Geschäften noch ein bestimmtes wirtschaftliches Ergebnis aus diesen Geschäften, das wiederum jährlich als Ziel vereinbart wird, Voraussetzung ist.

2. Eine solche Regelung unterliegt keiner Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB .


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 9. November 2016 (10 Ca 870/16) abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.614,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 1. März 2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 39 %, der Beklagte zu 61 %.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen.



Die Klägerin ist ein Systemhaus und spezialisiert auf IT- und Druckkonzepte. Der Beklagte war bei ihr vom 1. Januar 2013 bis zum 15. September 2015 als Vertriebsmitarbeiter beschäftigt. Grundlage war ein schriftlicher, undatierter Arbeitsvertrag (wegen der Einzelheiten vgl. Anlage S&J1 zur Klageschrift, Bl. 8 ff. d. A.), der in § 6 zur Vergütung folgende Regelung enthielt:



§ 6



Arbeitsvergütung, Provision und Dienstwagen



1)



Der Arbeitnehmer erhält ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 3.000,-- Euro. Darüber hinaus erhält der Arbeitnehmer eine Provision nach der zu diesem Vertrag genommenen gesonderten Provisionsvereinbarung.



In der für das Jahr 2015 unter dem 17. Februar 2015 zwischen den Parteien getroffenen "Vereinbarung über die Gewährung einer Vermittlungsprovision" (wegen der Einzelheiten vgl. Anlage S&J2 zur Klageschrift, Bl. 14 ff. d. A.; im Folgenden "Provisionsvereinbarung") heißt es hierzu im Einzelnen:



Präambel



Ziel dieser Vereinbarung ist es, den Rohertrag des gemeinsamen Einsatzes und Handelns zum Wohl des Unternehmens und seiner Arbeitnehmer zu sichern und zu steigern. Hieran soll der Arbeitnehmer unmittelbar teilhaben.



§ 1 Zielvereinbarung und Bedingung für eine Vermittlungsprovision



(1)



Der Anspruch auf die Gewährung einer Vermittlungsprovision über die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung hinaus gemäß den Regelungen in §2 setzt als aufschiebende Bedingung voraus, dass der Arbeitnehmer mindestens 60 v.H. des vereinbarten Ziels und auf seine Vermittlungstätigkeit, im Sinne des §4 dieser Vereinbarung, zurückzuführenden Deckungsbeitrag I gemäß der Definition nach §6 dieser Vereinbarung.



(2)



Die in § 1 (1) genannte Zielvereinbarung wird jeweils jährlich für ein Kalenderjahr zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbart. Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer verpflichten sich, jeweils rechtzeitig zum Jahresende für das Folgejahr eine neue Zielvereinbarung abzuschließen. Kommt eine Einigung über die neue Zielvereinbarung für das Folgejahr nicht zustande, gilt bis zum Zustandekommen einer neuen Zielvereinbarung die zuletzt gültige Zielvereinbarung fort.



(3)



Für das Jahr 2015 vereinbaren die Parteien ein Ziel im Sinne des § 1 (1) und (2) in Höhe von 300.000,-- Euro.



Mit dieser Maßgabe vereinbaren die Arbeitgeber und der Arbeitnehmer die nachfolgenden Regelungen:



§ 2 Vermittlungsprovision



Der Arbeitnehmer erhält neben dem monatlichen Grundgehalt gem. § 6 des Arbeitsvertrages vom 01.01.2013 eine monatliche Vermittlungsprovision in Höhe von 18 % des Deckungsbeitrages I im Sinne des § 5 dieser Vereinbarung, die sich aus allen provisionspflichtigen Geschäften in Sinne des § 3 Abs. 1 dieser Vereinbarung ergeben. Bei Zielerreichung erhält der Arbeitnehmer eine Prämie in Höhe von 10.000,-- Euro. Deckungsbeiträge über 300.000,-- Euro werden mit 25 % verprovisioniert. ...



§ 4 Provisionspflichtige Geschäfte



(1)



Provisionspflichtige Geschäfte sind solche, die der Arbeitnehmer während seins Arbeitsverhältnisses vermittelt. ...



(4)



Für Geschäfte, die innerhalb von drei Monaten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen werden, entsteht ein Provisionsanspruch, wenn der Arbeitnehmer diese Geschäfte noch während seines Arbeitsverhältnisses vermittelt oder eingeleitet und so vorbereitet hat, dass der Abschluss überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist. Der Provisionsanspruch steht einem in die Position des Arbeitnehmers nachfolgenden Arbeitnehmer anteilig zu, sofern wegen besonderer Umstände eine Teilung der Provision der Billigkeit entspricht.



§ 5 Entstehung und Wegfall des Provisionsanspruchs



(1)



Der Anspruch auf Provision entsteht, sobald und insoweit der Kunde seine Gegenleistung erbracht hat.



Unabhängig davon hat der Mitarbeiter einen Anspruch auf Provisionsvorschuss.



(2)



Als Provisionsvorschuss zahlt die Gesellschaft an den Mitarbeiter ab 01.02.2015 jeweils monatlich vorschüssig 2.000,-- Euro. ...



§ 6 Bemessungsgrundlage des Provisionsanspruchs



Bemessungsgrundlage für die Provision ist der Deckungsbeitrag I.



Der Deckungsbeitrag I errechnet sich aus der Differenz des Nettoauftragswertes abzüglich der den Auftrag zutreffenden Nettoeinkaufspreise sowie abzüglich der auftragsbezogenen Rüstkosten (dem Auftrag zurechenbare Fracht- und Lieferkosten, Installationskosten, Zoll und etwaigen Steuern außerhalb der Umsatzsteuer).



§ 7 Provisionsabrechnung und Fälligkeit



(1)



Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber jeweils zum letzten Kalendertag eines jeden Monats eine auf diesen Zeitpunkt bezogene Berechnung seines Provisionsanspruchs einzureichen.



(2)



Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber gegenüber spätestens bis zum 20.01 eines Jahres seine Ansprüche auf eine Vermittlungsprovision des Vorjahres durch Vorlage einer Provisionsabrechnung für das Vorjahr schriftlich mitzuteilen. Nach Prüfung erteilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine abschließende Provisionsabrechnung.



(3)



Die erteilte Provisionsabrechnung ist vom Arbeitnehmer unverzüglich zu prüfen. Er hat dem Arbeitgeber eine Kopie der Abrechnung mit der Erklärung, ob und in wie weit er die Abrechnung anerkennt, innerhalb von einer Woche nach Erhalt der Abrechnung zurück zu geben.



(4)



Übersteigen die an den Arbeitnehmer gezahlten Vorschüsse den sich aus der Abrechnung ergebenden Provisionsanspruch des Arbeitnehmers oder tritt die in § 1 vereinbarte Bedingung nicht ein, ist der Arbeitnehmer zur Rückzahlung des sich ergebenden Differenzbetrags bzw. im Falle des Nichteinritts der Bedingung nach § 1 zu Erstattung der insgesamt gezahlten Vorschüsse verpflichtet.



Dieser Rückzahlungsanspruch ist mit dem Ablauf von 14 Kalendertagen nach der Erteilung der Jahresprovisionsabrechnung fällig und ab dem Tag der Fälligkeit mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu verzinsen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, mit fälligen Ansprüchen des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis aufzurechnen.



Die Klägerin hat die gleichen Vereinbarungen bezüglich der Provision mit allen anderen Arbeitnehmern abgeschlossen. Individuell werden lediglich die Zielbeträge festgelegt und die Prozentsätze der Provision.



Der Beklagte erhielt in den Monaten Februar bis Juli 2015 insgesamt Provisionsvorschusszahlungen in Höhe von 17.461,28 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete zum 15. September 2015. Für August und September 2015 zahlte die Klägerin keine Provisionsvorschüsse mehr, weil sie davon ausging, dass der Beklagte das vereinbarte Ziel nicht mehr bis zu diesem Zeitpunkt erreichen werde. Am 17. August 2015 fand eine Besprechung zwischen den Parteien statt. Hierüber fertigten sie ein von ihnen unterzeichnetes Besprechungsprotokoll (wegen der Einzelheiten vgl. Anlage S&J5 zur Klageschrift, Bl. 32 f. d. A.) u. a. mit folgendem Inhalt:



VEREINBARUNGEN ZUR BEENDIGUNG DES ARBEITSVERTRAGS



1. Per 31.07.2015 ergibt sich für die H GmbH ein Rückzahlungsanspruch der bisher abgerechneten Provision in Höhe von 17.461,28 Euro, da gem. Zielvereinbarung 60 % des vereinbaren Ziels nicht erreicht sind.



2. Aufgrund des Forecast (Stand 14.08.2015) gehen die Beteiligten davon aus, dass bis zum 15.12.2015 (§ 4, Punkt 4 der Zielvereinbarung) 60 % des vereinbarten Deckungsbeitrags per 15.09.2015 (127.500,00 Euro) erreicht werden und damit keine Rückzahlungsverpflichtung seitens U besteht. Mtl. Übersichten der abgerechneten Aufträge werden U N zur Verfügung gestellt.



3. Folgende Aufträge/Chancen aus dem Forecast werden wie folgt abgewickelt und zählen bei Abschluss zur Zielerreichung: ... (es folgt eine Auflistung der "Aufträge/Chancen")



Nachdem der Beklagte keine weiteren Aufträge mehr vermittelte, forderte die Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2015 (vgl. Anlage S&J7 zur Klageschrift, Bl. 35 d. A.) diesen wie folgt zur Rückzahlung des Provisionsvorschusses auf:



Lieber U,



alle Aufträge sind fakturiert. Vereinbarungsgemäß kommen wir heute auf Dich zu und informieren Dich über Deinen erreichten Deckungsbeitrag. Dieser beträgt per 10.12.2015 107.385,-- Euro.



Das vereinbarte Mindestziel von 127.500,-- Euro hat Du somit leider nicht erreicht, sodass wir unsere Provisionszahlungen in Höhe von 17.461,28 Euro gem. Ziel- und Provisionsvereinbarung und des Besprechungsprotokolls vom 17.08.2015 hiermit zurückfordern.



Nach Rücksprache mit unserem Steuerberater haben wir auch eine gute Nachricht für Dich. Wir konnten die Provision komplett als Vorschuss verbuchen, wodurch sich die Summe auf einen Nettobetrag von 10.614,54 Euro reduziert.



Die korrigierten Gehaltsabrechnungen findest Du in der Anlage.



Wir bitten Dich die Nettosumme in Höhe von 10.614,54 Euro bis zum 31.01.2016 auf eines der u. g. Konten zu überweisen.



Dem Schreiben beigefügt waren sämtliche "korrigierten Gehaltsabrechnungen" für die Zeit von Februar 2015 bis Juli 2015 sowie eine weitere, die Nettoüberzahlungen aus diesen Abrechnungen zusammenfassende Abrechnung "für Dezember 2015" (vgl. Anlage S&J8 zur Klageschrift, Bl. 36 ff. d. A.). Eine Zahlung seitens des Beklagten erfolgte trotz einer weiteren Zahlungsaufforderung vom 5. Februar 2016 mit Fristsetzung bis zum 29. Februar 2016 nicht.



Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei aufgrund der getroffenen Vereinbarungen zur Rückerstattung der gezahlten Provisionsvorschüsse für das Jahr 2015 verpflichtet, weil er das vereinbarte Ziel nicht erreicht habe. Unter Berücksichtigung der vereinbarten pro-rata-Berechnung ergebe sich zum 15. September 2015 ein Ziel in Höhe von 212.500,00 Euro (300.000,00 Euro : 12 x 8,5). Erwirtschaftet habe der Beklagte lediglich einen Provisions-Ist-Wert in Höhe von 107.385,00 Euro. Bezogen auf den Zielwert in Höhe von 212.500,00 Euro ergebe sich eine Zielerreichung von lediglich 50,5 % statt der vereinbarten 60 %. Auch nach der Vereinbarung vom 17. August 2015 habe der Beklagte das vereinbarte Ziel bis zum 15. Dezember 2015 nicht erreicht. Dementsprechend sei er gemäß § 7 Abs. 4 Provisionsvereinbarung für das Jahr 2015 zur Rückzahlung verpflichtet. Sowohl die Vereinbarung einer Provisionsvorschussregelung als auch die Vereinbarung einer Provisionsrückforderung für den Fall, dass die Provisionen nicht ins Verdienen gebracht werden, seien auch gegenüber Arbeitnehmern grundsätzlich zulässig und im vorliegenden Fall auch wirksam. Der Beklagte habe lediglich 60 % des vereinbarten Ziels für 2015 erreichen müssen, um die Provisionsvorschüsse behalten zu dürfen. Bei Erreichung des Ziels in voller Höhe hätte er noch eine zusätzliche Prämie bekommen. Der Beklagte trage keinerlei konkrete Tatsachen dafür vor, dass er die geforderten Umsätze überhaupt nicht habe erbringen können. Für die Besprechung, in welcher das Ziel für 2015 vereinbart worden sei, habe der Beklagte das von ihm selbst erstellte Forecast, d. h. seine Selbsteinschätzung der zukünftigen Umsatzentwicklung mit rund 296.000,00 Euro berechnet (vgl. Anlage S&J1 zum Schriftsatz der Klägerin vom 15. August 2016, Bl. 101 ff. d. A.). Noch am 12. August 2015 habe er einen Forecast für 2015 vorgelegt, der von einem Deckungsbeitrag von rund 255.000,00 Euro ausgehe (vgl. Anlage S&J2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 15. August 2016, Bl. 110 d. A.). Schließlich habe der Beklagte die ihm durch die Vereinbarung vom 17. August 2015 eröffnete Möglichkeit, den Deckungsbeitrag noch zu erreichen, nicht genutzt. Die Klägerin habe die betroffenen Kunden trotz des Ausscheidens des Beklagten anderen Vertriebsmitarbeitern nicht zugewiesen.



Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass der Beklagte zur Rückzahlung der erhaltenen Brutto-Vorschüsse verpflichtet sei und beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 17.461,28 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 1. März 2016 zu zahlen, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.614,54 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 1. März 2016 zu zahlen.



Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Der Beklagte hat erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Zielvereinbarung geäußert. Er habe bei günstigsten Umständen und auch bei überdurchschnittlichem Einsatz das vereinbarte Ziel von 300.000,00 Euro, nachdem er im Jahr zuvor 168.000,00 Euro erwirtschaftet habe, unter annähernd gleichen Voraussetzungen nicht erreichen können. Ihre Zusage, ihm neue und lukrative Kunden zuzuführen, habe die Klägerin nicht eingehalten. Darüber hinaus habe der Beklagte darauf vertrauen können, dass er mit den monatlich 2.000,00 Euro planen und wirtschaften könne, eine Rückzahlung stelle eine unangemessene Härte dar. Zudem widerspreche die vertragliche Regelung dem Charakter einer Zielvereinbarung, bei welcher der Arbeitnehmer in der Regel die vereinbarte Prämie erst nach Erreichen der Zielvorgabe erhalte. Dies schütze den Arbeitnehmer bei Zielverfehlung vor erheblichen Zahlungsforderungen seines Arbeitgebers.



Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Rückzahlungsvereinbarung sei gemäß § 307 BGB unwirksam. Zum einen sei die Regelung intransparent, weil der Beklage nach dem Wortlaut der Vergütungsvereinbarung des Arbeitsvertrages und einiger Regelungen in der Provisionsvereinbarung eine Provision erhalten solle, tatsächlich aber eine Sonderzahlung für die Erreichung eines bestimmten Ziels gewährt werde. Darüber hinaus benachteilige es den Beklagten unangemessen, wenn der gesamte Provisionsanspruch verloren gehe, wenn er den Deckungsbeitrag auch nur um einen Euro verfehle. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich um einen wesentlichen Teil seines Einkommens handele, welcher die Größenordnung von 25 % bei weitem überschreite. Zudem müsse er nicht die Provision für vermittelte Verträge zurückzahlen, nur weil er nicht genug Verträge vermittelt habe. Eine Rückzahlungsverpflichtung ergebe sich schließlich auch nicht aus der Vereinbarung im Besprechungsprotokoll vom 17. August 2015. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Seite 9 - 13 des Urteils, Bl. 125 - 129 d. A.) verwiesen.



Das Urteil wurde der Klägerin am 7. März 2017 zugestellt. Hiergegen richtet sich ihre am 23. März 2017 eingelegte und mit dem am 21. April 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.



Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht von der Unwirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung ausgegangen sei. Die §§ 307 ff. BGB fänden hierauf gemäß § 307 Abs. 3 BGB keine Anwendung, weil die Regelung nicht von Rechtsvorschriften abweiche. Denn auch ohne sie wäre der Beklagte aufgrund der Vorschussregelung zur Rückzahlung von nicht ins Verdienen gebrachten Provisionsvorschüssen verpflichtet. Sie sei weder unklar noch unverständlich, weshalb auch keine unangemessene Benachteiligung des Beklagten vorliege. Im Übrigen sei die Regelung in § 1 Provisionsvereinbarung wirksam. Auch die Verwendung des Begriffs "Provision" mache die Klausel nicht unklar oder unverständlich, nur weil neben den üblichen Voraussetzungen einer Provision ein weiterer Bedingungseintritt in Form eines Deckungsbeitrages gefordert werde. § 6 Arbeitsvertrag verweise insgesamt und nicht nur der Höhe nach auf die Provisionsvereinbarung. Die Formulierung "erwirtschaftete Provision" in den Provisionsabrechnungen stelle nur auf den Monat ab, daraus könne aber nicht gefolgert werden, dass der Betrag unter allen Umständen behalten werden dürfe. Die Ansicht des Arbeitsgerichts, es werde ohne erkennbaren sachlichen Grund ein Anspruch nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip gewährt, könne nicht überzeugen. Das Gericht lasse unberücksichtigt, dass der Beklagte lediglich einen Teil des vereinbarten Ziels als Deckungsbeitrag erwirtschaften müsse, um die Provision behalten zu dürfen. Im Übrigen übersehe das Arbeitsgericht, dass der Beklagte ein Grundgehalt erhalten habe. Dieses verbleibe ihm in jedem Fall. Der Gedanke der maximal zumutbaren Einkommensschwankungen von 25 % könne nicht auf Provisionsvorschusszahlungen bzw. erfolgsabhängige Boni- und Sonderzahlungen übertragen werden.



Die Klägerin hat ursprünglich ihre erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang mit der Berufung weiterverfolgt. Im Termin vom 12. September 2017 vor dem Berufungsgericht hat sie die Berufung teilweise zurückgenommen, soweit sie die Rückzahlung des Bruttovorschussbetrages gefordert hat.



Die Klägerin beantragt nunmehr,

unter Rücknahme der Berufung im Übrigen, das am 9. November 2016 verkündete und am 7. März 2017 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund (10 Ca 870/16) abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.614,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 1. März 2016 zu zahlen.



Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Zur Begründung seines Antrages verweist er auf die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen in der Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts. Insbesondere stelle er auf den vom Arbeitsgericht herausgestellten Aspekt ab, dass die Art und Weise der Bestimmung des Deckungsbeitrages für den Verlust des Provisionsanspruchs unangemessen und benachteiligend für den Beklagten sei. Es sei unangemessen, nicht zumindest eine Staffelung des Provisionsverdienstes bezüglich des erreichten Deckungsbeitrages vorzusehen.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien zur Sach- und Rechtslage wird auf den von ihnen in Bezug genommenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Sitzungen des Arbeitsgerichts vom 17. Juni 2016 und 9. November 2016 sowie des Landesarbeitsgerichts vom 12. September 2017 verwiesen.



Entscheidungsgründe



Die zulässige Berufung der Klägerin ist im nach der Rücknahme noch aufrechterhaltenen Umfang auch begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, den erhaltenen Provisionsvorschuss in Höhe von 10.614,54 Euro an die Klägerin zurückzuzahlen.



1. Der Beklagte hat in der Zeit von Februar 2015 bis Juli 2015 aufgrund der Provisionsvereinbarung Vorschusszahlungen in Höhe von insgesamt 10.614,54 Euro netto ausweislich der Nachberechnungen für die einzelnen Monate erhalten. Die dafür erforderliche Voraussetzung, über die Vermittlung der Geschäfte (§ 4 Abs. 1 Provisionsvereinbarung) hinaus einen Deckungsbeitrag in Höhe von 60 % des vereinbarten Ziels für das Jahr 2015 zu erreichen (§ 1 Abs. 1 und 3 Provisionsvereinbarung) hat er bezogen auf den bis zu seinem Ausscheiden zu erreichenden Betrag von 127.500,00 Euro (60 % von 212.500,00 Euro [300.000,00 : 12 * 8,5]), nicht erfüllt. Ein Provisionsanspruch für die von ihm im Jahr 2015 vermittelten Geschäfte zusätzlich zu dem Grundgehalt steht ihm danach nicht zu.



2. Die in § 7 Abs. 4 Provisionsvereinbarung enthaltene Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung der erhaltenen Vorschüsse ist wirksam.



Es ist anerkannt, dass derjenige, der Geld als Vorschuss nimmt, sich auch verpflichtet, den Vorschuss dem Vorschussgeber zurückzuzahlen, wenn und soweit die bevorschusste Forderung nicht entsteht (vgl. BAG 10. März 1960 - 5 AZR 426/58 - I. der Gründe; 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 21; LAG Hamm, 3. März 2009 - 14 Sa 361/08 - Rn. 57). Eine wirksame Rückzahlungsverpflichtung besteht selbst ohne entsprechende ausdrückliche Vereinbarung schon allein aufgrund der Vorschussgewährung (vgl. BAG, 25. Oktober 1967 - 3 AZR 453/66 - III. 2 der Gründe).



Die Vereinbarung einer Rückzahlungspflicht für erhaltene Vorschüsse durch eine Allgemeine Geschäftsbedingung in einem Formulararbeitsvertrag unterliegt gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB keiner Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, § 308, § 309 BGB, weil es sich um eine deklaratorische, von Rechtsvorschriften nicht abweichende Bestimmung handelt (vgl. LAG Hamm 3. März 2009 - 14 Sa 361/08 - Rn. 55 ff.). Sie gibt eine teilweise z. B. in § 87a Abs. 2 HGB gesetzlich geregelte, im Übrigen in der Rechtsprechung selbst ohne ausdrückliche Vereinbarung anerkannte vertragliche Verpflichtung im Falle der Vorschussgewährung wieder. Unwirksamkeitsgründe nach § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB in Verbindung mit einem Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind, was die Rückzahlungsvereinbarung als solche betrifft, im vorliegenden Fall ebenso wenig ersichtlich wie ein Verstoß gegen das Verbot überraschender oder mehrdeutiger Klauseln gemäß § 305c Abs. 1 und 2 BGB.



3. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ergibt sich eine Unwirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung nicht aus einer intransparenten Regelung der Voraussetzungen eines Provisionsanspruches des Beklagten oder einer ihn unangemessen benachteiligenden Regelung dieser Voraussetzungen.



a) Die Parteien haben in § 1 Provisionsvereinbarung eine Provision vereinbart. Die Provision ist eine Erfolgsvergütung. Sie ist eine zumeist in Prozenten ausgedrückte Beteiligung am Wert solcher Geschäfte, die durch den Provisionsberechtigten zustande kommen (Vermittlungsprovision) oder die mit Kunden eines bestimmten Bezirks oder einem vorbehaltenen Kundenstamm abgeschlossen werden (Bezirksprovision). Entlohnt wird der durch die Tätigkeit des Arbeitnehmers bedingte geschäftliche Erfolg. Maßgeblich ist die Vergütungsregelung, nicht ihre Bezeichnung (Schaub/Vogelsang, Arbeitsrechts-Handbuch, 17. Auflage, 2017, § 75 Rn. 1).



aa) Nach § 4 Abs. 1 Provisionsvereinbarung sind provisionspflichtige Geschäfte solche, die der Beklagte während seines Arbeitsverhältnisses vermittelt. Für diese erhält er die in § 2 Provisionsvereinbarung vorgesehenen Provisionssätze in Höhe von 18 % bzw. 25 % des Deckungsbeitrages I "im Sinne des § 5" (richtig: § 6) Provisionsvereinbarung, wobei sich der Provisionssatz erhöht. Im Übrigen setzt ein Provisionsanspruch neben der Vermittlung von Geschäften zusätzlich nach § 1 Abs. 1 Provisionsvereinbarung voraus, dass der Beklagten "mindestens 60 v. H. des vereinbarten Ziels und auf seine Vermittlungstätigkeit, im Sinne des § 4 dieser Vereinbarung, zurückzuführenden Deckungsbeitrag I gemäß der Definition nach § 6 dieser Vereinbarung" erreicht. Ungeachtet der sprachlichen Mängel dieser Regelung, die nicht nur in dem von der Klägerin angeführten fehlenden Wort "erwirtschaftet" besteht, gehen beide Parteien in ihrem Verständnis dieser Klausel übereinstimmend davon aus, dass der Beklagte von dem als Ziel für das Jahr 2015 vereinbarten Deckungsbeitrag I einen Teil von 60 % erreichen muss, um einen Anspruch auf Provision für dieses Jahr zu haben. Wenn aber im konkreten Einzelfall die Beteiligten übereinstimmend eine Erklärung in demselben Sinn verstanden haben, geht dieser übereinstimmende Wille nicht nur der Auslegung einer Individualvereinbarung, sondern auch von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor (vgl. BAG 13. Dezember 2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 17; 15. September 2009 - 3 AZR 173/08 - Rn. 27; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 37) und zwar auch zugunsten des Verwenders (vgl. BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 25).



bb) Zwar soll in dem Fall, dass der Arbeitgeber eine bestimmte Zielvorgabe trifft, ab deren Erreichung erst Provisionen ausgezahlt werden, der Sache nach eine Zielvereinbarung vorliegen (vgl. Horcher, B 2007, 2065). Allein der Umstand, dass die Zahlung einer erfolgsabhängigen Vergütung neben der Vermittlung von Geschäften auch noch ein bestimmtes wirtschaftliches Ergebnis aus diesen Geschäften voraussetzt, das wiederum jährlich als Ziel vereinbart wird, ändert jedoch nichts am Provisionscharakter der variablen Vergütung. Es verbleibt bei einer - für die Provision charakteristischen - Beteiligung am Wert der vermittelten Geschäfte.



cc) Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung, wie im Fall eines unterjährigen Ausscheidens des Beklagten sich der für eine Provisionszahlung zu erreichende Deckungsbeitrag I errechnet. Beide Seiten gehen jedoch, wie sich auch aus der Vereinbarung vom 17. August 2015 ergibt, übereinstimmend von der seitens der Klägerin vorgenommenen pro-rata-temporis-Berechnung aus, so dass insoweit keine Bedenken gegen diese Vereinbarung bestehen.



b) Soweit das Arbeitsgericht annimmt, es benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen, dass ein Provisionsanspruch entfalle und Provisionsvorschüsse in erheblichem Umfang zurückzuzahlen seien, wenn er das vereinbarte Ziel auch nur um einen Euro verpasst, ist eine solche inhaltliche Kontrolle und Bewertung der von den Parteien vereinbarten Vergütungsregelung unzulässig. Eine Inhaltskontrolle findet diesbezüglich nicht statt. Die Bedingungen, welche die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach Art, Umfang und/oder Güte erfüllen muss, damit er eine (weitere) Vergütung erhält, stellen eine Entgeltregelung bzw. Preisabrede dar, welche aber gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kein Gegenstand der Inhaltskontrolle sind (vgl. BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR 33/11 - Rn. 58; 27. Juli 2005 - 7 AZR 486/04 - B. II. 1. e) aa) der Gründe; 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - II. 3. a) der Gründe; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 34, 36, 39). Sie unterliegt der freien Vereinbarung der Parteien.



Das gilt im vorliegenden Fall insbesondere auch für die Bestimmung eines mindestens zu erreichenden Deckungsbeitrages. Er umschreibt Umfang und Güte, welche die Arbeitsleistung des Beklagten erreichen muss, damit er sich einen Anspruch auf Provision verdient. Es kommt nicht darauf an, ob eine Staffelung des Provisionsverdienstes bezüglich des Deckungsbeitrages angemessener wäre. Den Arbeitsgerichten steht es nicht zu, den angemessenen Preis für die Vergütung einer Arbeitsleistung zu bestimmen (vgl. ErfK/Preis, a. a. O., Rn. 36).



3. Eine Vergütungsvereinbarung, welche die Verpflichtung zur Rückzahlung von Provisionsvorschüssen vorsieht, verstößt nicht gegen die guten Sitten, es sei denn, durch die Vorschusszahlungen wird eine unzulässige Bindung des Arbeitnehmers herbeigeführt oder die Provisionsabrede ist so getroffen, dass der Arbeitnehmer die geforderten Umsätze überhaupt nicht erbringen kann (vgl. BAG, 20. Juni 1989 - 3 AZR 504/87 - II. 3. b) der Gründe).



a) Der Beklagte hat zwar erstinstanzlich pauschal behauptet, dass Geschäfte in einer Größenordnung, wie sie § 1 Abs. 3 Provisionsvereinbarung vorsieht, angeblich nicht erreichbar gewesen wären. Er hat jedoch insbesondere nicht dem Vortrag der Klägerin widersprochen, dass das vereinbarte Ziel seiner eigenen vor dessen Vereinbarung erstellten Prognose entsprochen habe und auch der Vereinbarung vom 17. August 2015 eine solche Prognose des Beklagten über erreichbare Umsätze und Deckungsbeiträge zugrunde lag. Vor diesem Hintergrund scheidet die Annahme einer sittenwidrigen Vergütungsvereinbarung, welche ihrerseits wiederum einen Anspruch auf Rückzahlung von Vorschüssen ausschließen könnte, aus.



b) Ebenso wenig ist für eine unzulässige Bindung des Beklagten etwas ersichtlich. Die Vereinbarung beschränkt sich auf das Kalenderjahr, für welche sie getroffen wurde.



4. Der Beklagte hat unstreitig den für eine Provisionszahlung erforderlichen Deckungsbeitrag in Höhe von 60 % des vereinbarten Ziels, bezogen auf den Zeitpunkt seines Ausscheidens am 15. September 2015 nicht erreicht. In Höhe des rechnerisch unstreitigen Nettovorschussbetrages von 10.614,54 Euro st der geltend gemachte Anspruch daher begründet.



Die Zinsentscheidung folgt aus § 284, 286, 288, 247 BGB.



5. Die vorgenommene Kostenquotelung entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen beider Parteien unter Berücksichtigung der in der Berufungsinstanz erfolgten Berufungsrücknahme.



6. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Vorschriften§ 247 BGB, § 307 BGB, §§ 307 ff. BGB, § 307 Abs. 3 BGB, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, § 307 Abs. 1, 2, § 308, § 309 BGB, § 87a Abs. 2 HGB, § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 305c Abs. 1, 2 BGB, § 284, 286, 288, 247 BGB

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr