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20.10.2017 · IWW-Abrufnummer 197287

Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Beschluss vom 22.08.2017 – 14 TaBV 25/17

Erhöht ein Arbeitgeber einen Monat nach einer Gehaltserhöhung für alle Mitarbeiter noch einmal für einige Mitarbeiter das regelmäßige Entgelt aus Gründen, die mit der Leistung dieser Mitarbeiter in Zusammenhang stehen, kann dies dazu führen, dass die Maßnahme mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist.


Tenor:
1. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.2.2017 (4 BV 19/16) teilweise abgeändert.


Es wird festgestellt, dass die Erhöhung des Arbeitsentgelts für


a) Frau J. C.


b) Frau F. T.


c) Frau C. N.


d) Frau K. L.


e) Frau C. N.


f) Frau C. T.


g) Frau S. B.


h) Herr T. C.


i) Frau F. L.


j) Frau L. L.


k) Frau B.-D. L.


zum 01.08.2015 dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt.


2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.



Gründe



I.



Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren noch um ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.



Die Arbeitgeberin betreibt an mehreren Standorten jeweils an Flughäfen Reise- und Servicebüros und beschäftigt insgesamt 131 Mitarbeiter. Der Antragsteller ist der für alle Standorte gebildete Betriebsrat.



Bis zum Jahr 1998 fanden die Tarifverträge des Touristikgewerbes im Betrieb der Arbeitgeberin Anwendung. Die Arbeitgeberin trat damals aus dem Arbeitgeberverband aus und ist seither nicht mehr tarifgebunden.



Mit Wirkung zum 01.07.2015 gewährte die Arbeitgeberin allen Mitarbeitern eine Erhöhung des Arbeitsentgeltes in Höhe von 1,5 %.



Darüber hinaus führte die Arbeitgeberin folgende zusätzliche Gehaltserhöhungen mit Wirkung zum 01.08.2015 durch, die gegenüber dem Betriebsrat später wie folgt mitgeteilt und begründet wurden:



1.Gehaltserhöhung für Frau J. C./Vollzeitmitarbeiterin am Flughafen U. (AP TXL)



Gehaltserhöhung um 20,00 € brutto monatlich



Begründung: Es handelte sich hier um eine langjährige Mitarbeiterin, welche selbst den Wunsch nach einer etwas weitergehenden Gehaltserhöhung äußerte. Frau C. unterstützt die Stationsleitung bei den Monatsabrechnungen, und vertritt diese in deren Abwesenheit, was als Begründung dafür diente, eine zusätzliche Erhöhung um 20,00 € zu gewähren.



2.F. T., Teilzeit 0,6, Standort C. U. (AP TXL)



Gehaltserhöhung um 11,00 € brutto monatlich



Begründung: Es handelt sich hier um eine langjährige Mitarbeiterin, welche gegenüber Herrn I. den Wunsch nach einer etwas höheren Gehaltserhöhung äußerte. Aufgrund des langjährig bestehenden Arbeitsverhältnisses wurde hier dem Wunsch der Mitarbeiterin im genannten Umfang entsprochen.



3.C. N., Vollzeitmitarbeiterin, Standort Flughafen G. (AP FRA)



Gehaltserhöhung um 43,00 € brutto monatlich.



Die Gehaltserhöhung erfolgte auf besonderen Wunsch der Stationsleitung Flughafen G., Frau C., wegen sehr guter Leistungen der Frau N. und deren Ankündigung, ggf. das Unternehmen zu verlassen, falls keine Gehaltsanpassung erfolgen würde.



4.K. L., Vollzeitmitarbeiterin, Standort Flughafen G. (AP FRA)



Gehaltserhöhung um 33,00 € brutto monatlich



Die Begründung: Die Gehaltserhöhung erfolgte auf besonderen Wunsch der Stationsleitung G., Frau C., wegen sehr guter Leistungen und besonderer Flexibilität in der Vergangenheit, da Frau L. immer einsatzbereit war, wenn Kollegen ausfielen und Frau L. mit besonders auffälliger Flexibilität einsprang und Dienste übernahm.



5.Frau C. N., Vollzeit, Station Flughafen L. (AP CGN)



Gehaltserhöhung um 40,00 € brutto monatlich



Die Gehaltserhöhung erfolgte aufgrund überdurchschnittlicher Einsatzbereitschaft als Teamleitung der Station L. im Wesentlichen für die erfolgreiche Einführung der TRAVELIX Reiseleiter Hotline am Standort, für welche Frau N. verantwortlich war.



6.Frau C. T., Teilzeit, Station L. (AP CGN)



Gehaltserhöhung um 32,00 € brutto monatlich



Die Gehaltserhöhung erfolgte auf besonderen Wunsch der Teamleitung des Standortes L., Frau N., wegen sehr guter Leistungen der Frau T. und der Ankündigung von Frau T., ggf. das Unternehmen zu verlassen, falls keine Gehaltsanpassung erfolgen würde. Zwischenzeitlich hat Frau T. dennoch das Unternehmen zum 30.11.2016 verlassen.



7.Frau S. B., Teilzeitmitarbeiterin 0,5, Standort L. (AP CGN)



Gehaltserhöhung um 22,00 € brutto monatlich



Die Gehaltserhöhung erfolgte auf besonderen Wunsch der Teamleitung, wegen sehr guter Leistungen der Frau B. und insbesondere aufgrund der besonders guten spanischen Sprachkenntnisse und deren erfolgreichen Einsatz bei der Reiseleiterhotline TRAVELIX.



8.Frau T. C., Teilzeit, 0,6, Standort L. (AP CGN)



Gehaltserhöhung um 44,00 € brutto



Die Gehaltserhöhung erfolgte auf besonderen Wunsch der Teamleitung, wegen sehr guter Leistungen und insbesondere der besonders guten französischen Sprachkenntnisse und dem erfolgreichen Einsatz bei der Reiseleiterhotline TRAVELIX.



9.Frau F. L., Vollzeitmitarbeiterin, Standort Q. (AP PAD)



Gehaltserhöhung um 50,00 € brutto monatlich



Die Gehaltserhöhung erfolgte aufgrund überdurchschnittlicher Einsatzbereitschaft als Leitung der Station Q. und da Frau L. im Wesentlichen für die erfolgreiche Kostenentwicklung am Standort Q. verantwortlich gesehen wird.



10.Frau L. L., Teilzeit, 0,36, Standort T. (AP STR)



Gehaltserhöhung um 41,00 € brutto monatlich



Die Gehaltserhöhung erfolgte auf besonderen Wunsch der Stationsleiterin T., Frau X., wegen sehr guter Leistungen und besonderer Flexibilität der Frau L. L., da diese immer besonders einsatzbereit war, wenn Kollegen kurzfristig ausgefallen sind.



11.Frau B.-D. L., Vollzeit, Standort T. (AP STR)



Gehaltserhöhung um 74,00 g€ brutto monatlich



Die Gehaltserhöhung erfolgte wegen sehr guter Leistungen im Verkauf (beste Verkäuferin am Standort) und dem Verweis, das Unternehmen zu verlassen, falls keine Gehaltsanpassung erfolgen würde.



Diese zusätzlichen Gehaltserhöhungen führte die Arbeitgeberin ohne vorherige Informationen des Betriebsrates durch.



Mit seinem am 22.01.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat u.a. geltend gemacht, es bestehe hinsichtlich der Gehaltserhöhung für die genannten elf Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht.



Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, mit der Erhöhung der Gehälter der genannten Mitarbeiter ohne seine Beteiligung habe die Arbeitgeberin sein sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ergebendes Mitbestimmungsrecht verletzt. Die Arbeitgeberin ändere mit den für einzelne Beschäftigte in unterschiedlicher Höhe vorgenommen Gehaltserhöhungen die Vergütungsstruktur in ihrem Betrieb. Die zeitliche Zusammenfassung der außerplanmäßigen Entgelterhöhungen und die zeitliche Nähe zur regulären Erhöhung sprächen gegen individuelle Verhandlungen über eine Erhöhung der Vergütung. Bei den von der Arbeitgeberin benannten Kriterien für die Erhöhung der Vergütung handele es sich um solche, die durch die Leistung einzelner Mitarbeiter geprägt seien. Dies sei der Anknüpfungspunkt für das Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Vergütungsstruktur nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.



Nach Änderung seiner Anträge hat der Betriebsrat beantragt,



Die Arbeitgeberin hat beantragt,



Sie hat die Auffassung vertreten, ein kollektiver Tatbestand sei nicht gegeben. Vielmehr lägen in allen genannten Fällen Einzelfallentscheidungen den unterschiedlichen Gehaltserhöhungen zugrunde. Alle Stationsleiter würden unterjährig bei der Geschäftsführung Anfragen zu Gehaltserhöhungen für einzelne Mitarbeiter abgeben. Auch sei der Geschäftsführer der Arbeitgeberin an einzelnen Stationen mehrmals im Jahr vor Ort. Auch hier werde er vereinzelt persönlich von Mitarbeitern zum Thema Gehaltserhöhung angesprochen. Diese Anfragen würden nicht zu bestimmten Terminen oder festen Zeitpunkten stattfinden, seien nicht gesteuert, sondern rein spontaner Natur. Jede dieser einzelnen Anfragen werde gesondert durch die Geschäftsführung geprüft. Hierbei seien mögliche Kriterien zur Prüfung unter anderem: Die wirtschaftliche Situation des Unternehmens im Zeitpunkt der Anfrage, die Kosten- und Ertragssituation der einzelnen betroffenen Stationen, an welcher der anfragende Arbeitnehmer beschäftigt ist, das Gehaltsgefüge jeder Station, welche konkret durch die Anfrage betroffen ist, die individuelle Leistung der Mitarbeiter und regionale Arbeitsmarktbedingungen. Dies bedeute, dass nicht jede Empfehlung des jeweiligen Stationsleiters automatisch umgesetzt oder jeder Anfrage bzw. jeder Bitte um Gehaltserhöhung entsprochen werde. Vielmehr werde in jedem Fall eine Einzelfallentscheidung durchgeführt, die auf allen oder einzelnen oder mehreren der oben genannten Kriterien beruhen könne, dies allerdings in jedem Einzelfall auch mit unterschiedlicher Gewichtung und damit einhergehend auch mit unterschiedlichem Ergebnis. Da ohnehin die allgemeine alljährliche Gehaltsanpassung in Höhe von 1,5 % für alle Mitarbeiter erfolgt sei, habe der Geschäftsführer der Arbeitgeberin auch die individuellen Gehaltserhöhungen einen Monat später umgesetzt. Die Ansprachen der einzelnen Mitarbeiter hierzu seien zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgt und auch die Entscheidungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten durch den Geschäftsführer getroffen worden. Man habe aber im unmittelbaren Nachgang zur generellen Gehaltserhöhung die weiteren außerordentlichen individuellen Gehaltserhöhungen umsetzen wollen. Es handele sich vor diesem Hintergrund um individuelle Lohnvereinbarungen, für die kein Mitbestimmungsrecht bestehe.



Mit Beschluss vom 10.02.2017 hat das Arbeitsgericht dem hinsichtlich des Antrags zu 2) gestellten Hilfsantrag stattgegeben und die Anträge im Übrigen zurückgewiesen. Es hat seine Entscheidung hinsichtlich der Abweisung des Antrags zu 1) dahingehend begründet, dass die streitgegenständlichen Gehaltserhöhungen jeweils aufgrund der individuellen Situation der einzelnen Arbeitnehmer erfolgt seien. Es handele sich lediglich um Regelungen, die die besondere Situation der jeweiligen Arbeitnehmer berücksichtigen würden. Ein innerer Zusammenhang zu ähnlichen Regelungen für andere Arbeitnehmer bestehe nicht. Das von der Arbeitgeberin bemühte Kriterium der Leistung der einzelnen Arbeitnehmer führe nicht dazu, dass eine kollektive Maßnahme vorliege.



Gegen den ihm am 14.03.2017 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 12.04.2017 Beschwerde eingelegt und diese am 11.05.2017 begründet. Hierbei hat sich der Betriebsrat darauf beschränkt, den Antrag zu 1) zu verfolgen.



Der Betriebsrat trägt zweitinstanzlich vor, das Arbeitsgericht habe zwar die Voraussetzungen des Mitbestimmungsrechts richtig dargestellt. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verlange für die Annahme eines kollektiven Tatbestandes keine "generellen Kriterien". Schon die Entscheidung nach Leistungsgesichtspunkten setze einen Vergleich der festgestellten Leistung mit einer irgendwie definierten Mindestleistung voraus. Bei sämtlichen Arbeitnehmern handele es sich um Kriterien, die sich auf die Leistungen im Arbeitsverhältnis bezögen. Es sei nicht erforderlich, dass die Arbeitgeberin nach allgemeinen Regeln vorgehe, solche könnten vielmehr auch das Ergebnis eines Mitbestimmungsverfahrens sein.



Der Betriebsrat beantragt zuletzt,



Die Arbeitgeberin beantragt,



Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Es habe sich hier um Entscheidungen zugunsten von Gehaltserhöhungen gehandelt, die auf die Initiative der einzelnen Arbeitnehmer zurückgingen, die jeweils für sich eine individuelle Leistung ausgehandelt hätten. Die Gehaltserhöhungen seien nicht kollektiv-rechtlich motiviert, sondern seien allein auf individuelle Gehaltsverhandlungen zurückzuführen. Für jeden einzelnen Arbeitnehmer hätten solche individuellen Gründe bestanden. Die Umsetzung zu einem einheitlichen Datum vermittle nicht für sich genommen den kollektiven Bezug.



Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.



II.



Die Beschwerde hatte Erfolg. Der zuletzt vom Betriebsrat verfolgte Antrag ist zulässig und begründet.



1. Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig. Sie ist an sich statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG) und ist vom Betriebsrat in der vorgeschriebenen Form und Frist begründet worden (§ 87 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 1 S. 1 u. 2 ArbGG).



2. Der im Rahmen der Beschwerde allein noch zu beurteilende Antrag des Betriebsrats ist in der zuletzt gestellten Fassung zulässig.



a) Beteiligte des vorliegenden Verfahrens sind die Arbeitgeberin und der antragstellende Betriebsrat. Die von der Maßnahme der Arbeitgeberin unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer sind keine Beteiligte, da ihnen in diesem Beschlussverfahren nicht unmittelbar eine eigene Rechtsposition zukommt (vgl. zur Notwendigkeit der betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition BAG, Beschl. v. 24.02.2016 - 7 ABR 20/14, AP Nr. 34 zu § 38 BetrVG 1972). Die einzelnen Arbeitnehmer sind aber - unabhängig davon, ob sie eine Gehaltserhöhung erhalten haben oder gerade nicht - in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung nicht betroffen (vgl. BAG, Beschl. v. 27.05.2015 - 7 ABR 24/13 - [...]).



b) Der Antrag ist - zumindest in der zuletzt gestellten Fassung - hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Insoweit ist die Antragsänderung zulässig und insbesondere sachdienlich im Sinne von § 87 Abs. 2 S. 3 Hs. 2 i.V.m. § 81 Abs. 3 S. 2 ArbGG. Im Einzelnen:



Im Beschlussverfahren muss ein Antrag ebenso bestimmt sein wie im Urteilsverfahren. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist auf das Beschlussverfahren und die in ihm gestellten Anträge entsprechend anwendbar (vgl. ausführlich BAG, Beschl. v. 03.05.2006 - 1 ABR 63/04, AP Nr. 61 zu § 81 ArbGG 1979; ferner BAG, Beschl. v. 10.06.1986 - 1 ABR 61/84, AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Der Verfahrensgegenstand muss so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage zwischen den Beteiligten mit Rechtskraftwirkung entschieden werden kann (BAG, Beschl. v. 21.02.2017 - 1 ABR 12/15, AP Nr. 150 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG, Beschl. v. 03.05.2006 - 1 ABR 63/04, AP Nr. 61 zu § 81 ArbGG 1979; BAG, Beschl. v. 03.06.2003 - 1 ABR 19/02, AP Nr. 1 zu § 89 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 24.01.2001 - 7 ABR 2/00, AP Nr. 50 zu § 81 ArbGG 1979; BAG, Beschl. v. 17.06.1997 - 1 ABR 10/97 - [...]).



Bei einem Streit über bestehende Mitbestimmungsrechte muss der Betriebsrat diejenigen Maßnahmen des Arbeitgebers und denjenigen betrieblichen Vorgang, für die bzw. für den er ein Mitbestimmungsrecht beansprucht, so genau bezeichnen, dass mit der Entscheidung über den Antrag feststeht, für welche Maßnahmen oder Vorgänge das Mitbestimmungsrecht bejaht oder verneint worden ist (BAG, Beschl. v. 18.10.1988 - 1 ABR 26/87, AP Nr. 56 zu § 99 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 14.09.1984 - 1 ABR 23/82, AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung).



Diesen Voraussetzungen genügt der zuletzt gestellte Antrag, jedenfalls nachdem der Betriebsrat das Datum, zu dem die Gehaltserhöhungen erfolgten, in den Antrag aufgenommen hat. Der Betriebsrat begehrt danach die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts hinsichtlich eines konkreten Sachverhaltes, nämlich hinsichtlich der zum 01.08.2015 erfolgten Gehaltserhöhung für elf namentlich bezeichnete Arbeitnehmer. Damit ist hinreichend umschrieben, welcher Sachverhalt vom Gericht beurteilt werden soll (vgl. auch BAG, Beschl. v. 27.10.1992 - 1 ABR 17/92, AP Nr. 61 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Die entsprechende Klarstellung des Antrags ist zumindest wegen Sachdienlichkeit (§ 87 Abs. 2 S. 3 Hs. 2 i.V.m. § 81 Abs. 3 S. 2 ArbGG) zulässig.



c) Das auch im Beschlussverfahren gem. § 256 ZPO erforderliche (st. Rspr.; vgl. nur BAG, Beschl. v. 27.05.2015 - 7 ABR 24/13 - [...]; BAG, Beschl. v. 20.01.2015 - 1 ABR 1/14, AP Nr. 106 zu § 77 BetrVG 1972) Feststellungsinteresse besteht.



Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht (vorab) feststellen lassen kann (BAG, Beschl. v. 20.01.2015 - 1 ABR 1/14, AP Nr. 106 zu § 77 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 19.09.2006 - 1 ABR 58/05, AP Nr. 29 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung). Das betriebsverfassungsrechtliche Rechtsverhältnis zwischen den Betriebspartnern kann Gegenstand eines Feststellungsbegehrens im Sinne des § 256 ZPO sein (BAG, Beschl. v. 28.03.2017 - 1 ABR 40/15 - [...]; BAG, Beschl. v. 25.09.2012 - 1 ABR 45/11, AP Nr. 5 zu § 58 BetrVG 1972). Dabei muss sich ein Feststellungsantrag nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis als Ganzes beziehen, sondern kann sich auch auf Teilrechtsverhältnisse, etwa auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen beschränken. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können jedoch nicht zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden (BAG, Beschl. v. 28.03.2017 - 1 ABR 40/15 - [...]; BAG, Beschl. v. 03.05.2006 - 1 ABR 63/04, AP Nr. 61 zu § 81 ArbGG 1979).



Nach diesen Grundsätzen kann ein Streit der Betriebspartner darüber, ob der Betriebsrat in einer bestimmten Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht hat, mit einem Feststellungsantrag zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse des Betriebsrats entfällt nicht deshalb, weil der Arbeitgeber die Maßnahme, für die der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht reklamiert, bereits durchgeführt hat (BAG, Beschl. v. 27.10.1992 - 1 ABR 17/92, AP Nr. 61 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG, Beschl. v. 26.03.1991 - 1 ABR 43/90, AP Nr. 32 zu § 75 BPersVG). Dies hat das Bundesarbeitsgericht für eine teilweise Anrechnung entschieden und zur Begründung ausgeführt, dass es sich schließlich nicht um einen abgeschlossenen, sondern um einen fortwirkenden Vorgang handele. Die geänderten Gehälter würden monatlich gezahlt, sodass die Frage, ob ein Mitbestimmungsrecht und dementsprechend ein mitbestimmungswidriger Zustand bestehe, nach wie vor von unmittelbarer Bedeutung ist (BAG, Beschl. v. 27.10.1992 - 1 ABR 17/92, AP Nr. 61 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG, Beschl. v. 26.03.1991 - 1 ABR 43/90, AP Nr. 32 zu § 75 BPersVG).



Diese Situation ist auch hier gegeben, da die erhöhten Gehälter nach wie vor gezahlt werden. Folglich besteht für den Antrag auch ein Feststellungsinteresse (vgl. auch BAG, Beschl. v. 18.10.1994 - 1 ABR 17/94, AP Nr. 70 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Ein lediglich vergangenheitsbezogener Antrag liegt damit gerade nicht vor (vgl. BAG, Beschl. v. 20.01.2015 - 1 ABR 1/14, AP Nr. 106 zu § 77 BetrVG 1972). Das Feststellungsinteresse besteht selbst im Fall der Arbeitnehmerin T., die inzwischen das Unternehmen verlassen hat, fort. Denn es geht vorrangig nicht um bestimmte Arbeitnehmer, sondern darum, dass der Betriebsrat festgestellt wissen möchte, dass eine bestimmte Entscheidung des Arbeitgebers seinem Mitbestimmungsrecht unterlag. Dieses Interesse besteht auch nach Ausscheiden eines von der Entscheidung betroffenen Arbeitnehmers fort, da sich vergleichbare Fragen auch in Zukunft stellen können (vgl. BAG, Beschl. v. 24.02.2016 - 7 ABR 20/14, AP Nr. 34 zu § 38 BetrVG 1972).



Nach alledem ist der mit der Beschwerde verfolgte Antrag zulässig.



3. Der Antrag des Betriebsrats ist auch begründet.



Der Betriebsrat hat hinsichtlich der Gehaltserhöhung der im Antrag genannten Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.



a) Unstreitig ist das Mitbestimmungsrecht nach dieser Vorschrift nicht bereits wegen § 87 Abs. 1 Hs. 1 BetrVG ausgeschlossen. Eine tarifliche Regelung in diesem Sinne besteht nicht, da die Arbeitgeberin nicht (mehr) tarifgebunden ist (BAG, Beschl. v. 18.10.2010 - 1 ABR 25/10, AP Nr. 141 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Damit ist der Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eröffnet.



b) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung (BAG, Beschl. v. 21.02.2017 - 1 ABR 12/15, AP Nr. 150 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung), mitzubestimmen.



aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betrifft die betriebliche Lohngestaltung die Festlegung abstrakter Kriterien zur Bemessung der Leistung des Arbeitgebers, die dieser zur Abgeltung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers oder sonst mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis insgesamt erbringt.



(1) Entlohnungsgrundsätze bestimmen das System, nach dem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Der Mitbestimmung unterliegt die Einführung von Entlohnungsgrundsätzen und deren Änderung durch den Arbeitgeber. Dabei kommt es für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze erfolgt ist, ob etwa auf der Basis bindender Tarifverträge, einer Betriebsvereinbarung, einzelvertraglicher Absprachen oder einer vom Arbeitgeber einseitig praktizierten Vergütungsordnung. Maßgeblich ist nicht der Geltungsgrund der Entgeltleistung, sondern das Vorliegen eines kollektiven Tatbestands (BAG, Beschl. v. 14.01.2014 - 1 ABR 57/12, AP Nr. 145 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG, Urt. v. 17.05.2011 - 1 AZR 797/09, AP Nr. 138 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Entlohnungsgrundsätze im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sind danach die abstrakt-generellen Grundsätze zur Lohnfindung. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Entlohnungsgrundsätze sind damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergibt (BAG, Beschl. v. 21.02.2017 - 1 ABR 12/15, AP Nr. 150 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Zu ihnen zählen neben der Grundentscheidung für eine Vergütung nach Zeit oder nach Leistung die daraus folgenden Entscheidungen über die Ausgestaltung des jeweiligen Systems.



Zwar postuliert das Bundesarbeitsgericht, das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erstrecke sich nicht auf die arbeitsvertraglich vereinbarten Entgelte der Arbeitnehmer (BAG, Beschl. v. 14.01.2014 - 1 ABR 57/12, AP Nr. 145 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung) und die vereinbarte Entgelthöhe. Doch ist damit lediglich gemeint, dass die Ausübung des Mitbestimmungsrechts den Arbeitgeber nicht dazu zwingen kann, einem bestimmten Arbeitnehmer Entgelt in einer bestimmten Höhe zu zahlen (vgl. BAG, Urt. v. 20.08.1991 - 1 AZR 326/90, AP Nr. 50 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Schließlich ist anerkannt, dass ein Mitbestimmungsrecht bei der Verteilung eines vom Arbeitgeber generell oder für bestimmte Zwecke oder Arbeitnehmergruppen (vgl. z.B. BAG, Beschl. v. 13.2.1990 - 1 ABR 13/89, AP Nr. 45 zu § 118 BetrVG 1972) zur Verfügung gestellten "Dotierungsrahmens" besteht (BAG, Beschl. v. 21.02.2017 - 1 ABR 12/15, AP Nr. 150 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG GS, Beschl. v. 3.12.1991 - GS 1/90, AP Nr. 52 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der "innerbetrieblichen Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit" dient (BAG, Urt. v. 15.04.2008 - 1 AZR 65/07, AP Nr.133 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Dabei betont das Bundesarbeitsgericht allerdings, dass Gegenstand des Mitbestimmungsrechts wiederum nicht die konkrete, absolute Höhe des Arbeitsentgelts sei. Vielmehr gehe es um die "Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen, also die abstrakt-generellen Grundsätze der Entgeltfindung (BAG, Urt. v. 15.04.2008 - 1 AZR 65/07, AP Nr.133 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BVerwG, Beschl. v. 09.12.1998 - VI P 6/97, AP Nr. 3 zu § 74 LPVG Hessen; BAG, Urt. v. 02.03.2004 - 1 AZR 271/03, AP Nr. 31 zu § 3 TVG). Mitbestimmungspflichtig ist in diesem Rahmen auch die Änderung bestehender Grundsätze durch den Arbeitgeber (BAG, Beschl. v. 21.02.2017 - 1 ABR 12/15, AP Nr. 150 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG, Urt. v. 15.04.2008 - 1 AZR 65/07, AP Nr.133 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).



Ein aus diesen Überlegungen an sich bestehendes Mitbestimmungsrecht kann auch nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass der Arbeitgeber mit bestimmten Arbeitnehmern individuelle Vereinbarungen schließt (BAG, Urt. v. 20.08.1991 - 1 AZR 326/90, AP Nr. 50 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG, Beschl. v. 30.01.1990 - 1 ABR 2/89, AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972). Vielmehr gilt: Gerade dann, wenn in einem Betrieb die Entgelterhöhungen an Arbeitnehmer ohne abstrakt-generelle Regelung allein aufgrund individueller Absprachen gezahlt würden, fehlt es an jeglichen Grundsätzen für die Lohnfindung, sodass gerade hier die Angemessenheit des innerbetrieblichen Lohngefüges nicht gesichert ist und folglich das Mitbestimmungsrecht hier entgegenzuwirken geeignet ist (BAG, Beschl. v. 18.10.1994 - 1 AZR 17/94, AP Nr. 70 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG, Urt. v. 20.08.1991 - 1 AZR 326/90, AP Nr. 50 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG, Beschl. v. 30.01.1990 - 1 ABR 2/89, AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972). Die Mitbestimmung in diesem Bereich soll den Arbeitnehmer aber gerade vor einer nur einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten oder willkürlichen Lohngestaltung schützen (BAG, Beschl. v. 18.10.1994 - 1 AZR 17/94, AP Nr. 70 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG, Urt. v. 20.08.1991 - 1 AZR 326/90, AP Nr. 50 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).



(2) Ob nach diesen Grundsätzen ein "kollektiver Tatbestand" vorliegt, kann nicht schematisch beurteilt werden. Vielmehr kommt es auf verschiedene Indizien an.



Die Rechtsprechung richtet sich nicht primär oder gar allein danach, wie viele Arbeitnehmer von der Maßnahme betroffen sind (BAG, Beschl. v. 03.12.1991 - GS 2/90, AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG, Beschl. v. 18.11.1980 - 1 ABR 87/78, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit), auch wenn die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer weiterhin ein Indiz ist (BAG, Beschl. v. 03.12.1991 - GS 2/90, AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Roloff, RdA 2014, 228 [233]). So hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass bei 384 Arbeitnehmern, von denen 13 keine Zulage erhielten, ein Mitbestimmungsrecht bestehe (BAG, Urt. v. 22.09.1992 - 1 AZR 460/90, AP Nr. 60 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Gleiches hat das Bundesarbeitsgericht in einem Fall angenommen, in dem der Arbeitgeber elf von 130 Arbeitnehmern von einer Entgelterhöhung ausgenommen hatte (BAG, Urt. v. 20.8.1991 - 1 AZR 326/90, AP Nr. 50 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Im Fall der Gewährung von Zulagen in bestimmter Höhe für 38 von 237 Arbeitnehmern wurde ebenfalls ein kollektiver Tatbestand angenommen (BAG, Beschl. v. 18.10.1994 - 1 AZR 17/94, AP Nr. 70 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).



Dass es nicht darauf ankommen kann, ob die Überlegungen des Arbeitgebers durch individualvertragliche Abreden umgesetzt werden, wurde bereits dargelegt (oben, (1); vgl. BAG, Urt. v. 20.08.1991 - 1 AZR 326/90, AP Nr. 50 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG, Beschl. v. 21.08.1990 - 1 ABR 72/89, NZA 1991, 434; BAG, Beschl. v. 30.1.1990 - 1 ABR 2/89, AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972).



Ein kollektiver Tatbestand wird von der Rechtsprechung regelmäßig bejaht, wenn den zu betrachtenden Entgeltvereinbarungen eine Differenzierung nach Leistungsgesichtspunkten zugrunde liegt (BAG, Beschl. v. 21.02.2017 - 1 ABR 12/15, AP Nr. 150 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG, Beschl. v. 14.06.1994 - 1 ABR 63/93, AP Nr. 69 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG, Beschl. v. 27.10.1992 - 1 ABR 17/92, AP Nr. 61 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).



Soweit der Arbeitgeber für die mit Arbeitnehmern getroffenen Entgeltvereinbarungen "arbeitsmarktpolitische Gründe" aufführt, handelt es sich hierbei nicht zwangsläufig um einen kollektiven Tatbestand. Allerdings kann sich auch aus dieser Begründung eine tatsächlich vorgenommene Differenzierung nach Leistungsgesichtspunkten ergeben (BAG, Beschl. v. 14.06.1994 - 1 ABR 63/93, AP Nr. 69 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).



Das Bundesarbeitsgericht führt zur Entscheidung des Arbeitgebers, eine Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen anzurechnen, weiter aus: "Ein kollektiver Bezug ist auch gegeben, soweit der Arbeitgeber die Anrechnung mit der absehbaren Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. der geringen Betriebszugehörigkeit begründet. Dem liegt offensichtlich die Überlegung zugrunde, bei der Bemessung der Höhe der Zulagen die Dauer der Betriebszugehörigkeit bzw. der Noch-Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Damit stellt der Arbeitgeber aber einen allgemeinen Entlohnungsgrundsatz auf, der nicht von individuellen Besonderheiten einzelner Personen abhängt, sondern kollektiv geprägt ist." (BAG, Beschl. v. 27.10.1992 - 1 ABR 17/92, AP Nr. 61 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Umgekehrt ist daraus zu schließen, dass eine längere Betriebszugehörigkeit durchaus ein verallgemeinerungsfähiges Kriterium ist und daher einen kollektiven Tatbestand begründet (vgl. Roloff, RdA 2014, 228 [234]). Das Bundesarbeitsgericht nennt darüber hinaus: "Ausbildung, Erfahrung, Alter, Einstellungsbedarf, Wirtschaftssituation" (BAG, Beschl. v. 18.10.1994 - 1 AZR 17/94, AP Nr. 70 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).



Ein kollektiver Bezug kann dagegen fehlen, wenn ein einzelner Arbeitnehmer - bei der Einstellung oder auch während des Arbeitsverhältnisses - initiativ wird und etwa mit dem Hinweis, andernfalls werde er das Arbeitsverhältnis nicht eingehen oder beenden, gerade alleine für sich eine individuelle Leistung aushandelt (BAG, Beschl. v. 10.10.2006 - 1 ABR 68/05, AP Nr. 68 zu § 80 BetrVG 1972).



bb) Nach diesen Maßstäben ist hier davon auszugehen, dass dem Betriebsrat bei der Entgelterhöhung der im Antrag genannten elf Arbeitnehmer bzw. bei der Nichtberücksichtigung der übrigen 120 Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht zukam. Die Arbeitgeberin hat durch die zusätzlichen Entgelterhöhungen die Entlohnungsgrundsätze geändert, indem sie bestimmten Arbeitnehmern nach Leistungskriterien eine Entgelterhöhung hat zuteilwerden lassen. Die Arbeitgeberin hat folglich eine Art Leistungszulage im Betrieb eingeführt. Dies ergibt sich sowohl aus den von der Arbeitgeberin genannten allgemeinen Kriterien als auch der hinsichtlich jeden einzelnen Arbeitnehmers genannten Begründung.



(1) Dieses Ergebnis folgt zunächst aus den im Schreiben der Arbeitgeberin vom 12.11.2015 genannten Erwägungen. Hier hatte die Arbeitgeberin die Gründe für die Entgelterhöhung wie folgt benannt:



Da "besondere Empfehlungen der Stationsleitung" im schlimmsten Fall unter den Begriff der Willkür fallen und daher nach den oben genannten Kriterien recht zwanglos zu einem Mitbestimmungsrecht führen würden und es sich im besten Fall um das Ergebnis eines wohlüberlegten und nicht zu beanstandenden Abwägungsprozesses nach Leistungsgesichtspunkten handelt, kann dahinstehen, um was es sich bei diesen "besonderen Empfehlungen" tatsächlich handelt. Denn der Honorierung einer besonderen Leistung ist der Vergleich mit anderen Arbeitnehmern immanent, sodass auch in diesem Fall ein kollektiver Tatbestand gegeben ist.



Gleiches gilt evident für den zweiten angesprochenen Punkt, die "persönliche überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft". Hier liegt ein Vergleich mit anderen Arbeitnehmern auf der Hand, schließlich wurde denknotwendig eine "durchschnittliche Einsatzbereitschaft" vom Arbeitgeber zumindest gedanklich definiert. Insofern wurde auch hier eine Differenzierung nach Leistungsgesichtspunkten getroffen, sodass ein kollektiver Tatbestand gegeben ist.



Soweit es bei dem dritten Kriterium ("Arbeitgeberwechsel drohte, damit Förderung der Betriebstreue") um Förderung der Betriebstreue geht, ist dies eine Überlegung, die sich zwanglos aus Leistungsaspekte zurückführen lässt. Soweit es - ohne Berücksichtigung von Leistungsgesichtspunkten - um Honorierung von Betriebstreue oder einer bestimmten Dauer des Arbeitsverhältnisses geht, ergibt sich kein Unterschied. Auch diese Aspekte sind bei der Entgeltfindung ohne weiteres einer abstrakten Regelung zugänglich, sodass ein kollektiver Tatbestand vorliegt. Die "Drohung" mit einem Arbeitgeberwechsel wird erfahrungsgemäß von Arbeitgebern unterschiedlich aufgefasst. Sie kann, je nachdem, welcher Arbeitnehmer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Aussicht stellt, auch den Arbeitgeber zu entsprechenden Hoffnungen veranlassen. Auch in einem solchen Fall spielt im Zweifel weniger der Gedanke, dass eine Stelle überhaupt besetzt sein soll, eine Rolle. Beherrschend dürfe die Überlegung sein, dass es sich aus Arbeitgebersicht bei manchen Arbeitnehmern lohnt, um sie zu kämpfen, bei anderen nicht. Auch hier spielen also wiederum Überlegungen zur Differenzierung nach Leistungsgesichtspunkten eine entscheidende Rolle.



(2) Betrachtet man die für die einzelnen Arbeitnehmer gegebenen Begründungen der Entgelterhöhungen, ergibt sich das gleiche Bild:



Die Gehaltserhöhung für Frau J. C. hatte die Arbeitgeberin mit dem Hinweis, es handele sich um eine "langjährige Mitarbeiterin" begründet. Dies deutet auf das Kriterium "Erfahrung, Alter" (Roloff, RdA 2014, 228, [234]) hin, was letztlich ein Leistungskriterium darstellt, welches sich nur aus dem Vergleich mit anderen Arbeitnehmern ergibt. Darüber hinaus nimmt die Arbeitnehmerin C. nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin Zusatztätigkeiten wahr, was unter den Begriff der "betrieblichen Doppelbelastung" (Roloff, RdA 2014, 228 [234]) fällt und ebenfalls ein Leistungskriterium darstellt. Daher kann ein kollektiver Tatbestand hier nicht verneint werden. Vielmehr lässt sich die Überlegung, die Übernahme betrieblicher Zusatzaufgaben zu honorieren, durchaus verallgemeinern. Damit ist ein kollektiver Tatbestand gegeben, ohne dass zwangsläufig andere Arbeitnehmer von dieser Überlegung betroffen sein müssten.



Die Gehaltserhöhung für Frau F. T. ist mit dem "langjährig bestehenden Arbeitsverhältnis" begründet worden. Folglich wurden auch hier Leistungskriterien angewandt, sodass ein kollektiver Tatbestand von der Kammer bejaht worden ist.



Bei Frau C. N. waren nach der Begründung der Arbeitgeberin die "sehr guten Leistungen" der Arbeitnehmerin ausschlaggebend. Diese Bewertung ist nur möglich durch einen Leistungsvergleich mit anderen Arbeitnehmern, sodass auch hier ein kollektiver Tatbestand vorliegt. Bei der zusätzlichen Begründung, Frau N. habe angekündigt, andernfalls gegebenenfalls das Unternehmen zu verlassen, handelt es sich letztlich auch um ein Leistungskriterium: Aus Unternehmenssicht geht es normalerweise nicht um den bestimmten einzelnen Mitarbeiter ohne Bezug zu anderen Mitarbeitern. Vielmehr setzt die Bewertung, ob dies als "Drohung" empfunden wird, wiederum einen Leistungsvergleich mit anderen Arbeitnehmern voraus.



Die Frau K. L. von der Arbeitgeberin zugesprochenen Merkmale der "Einsatzbereitschaft" und "auffallenden Flexibilität" sind wiederum eindeutige Leistungskriterien, welche sich aus einem Vergleich mit anderen Mitarbeitern ergeben. Umgekehrt könnte die Honorierung der Bereitschaft, schnell für ausgefallene Arbeitnehmer einzuspringen, Gegenstand einer kollektiven Regelung sein, was auch vielfach in der Praxis der Fall ist.



Die bei Frau C. N. angeführten Gründe ("überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft" und erfolgreiche Einführung eines Systems) sind eindeutig Leistungsgesichtspunkte.



Gleiches gilt für die bei Frau T. identifizierten "sehr guten Leistungen". Vor diesem Hintergrund ist auch die Ankündigung, das Unternehmen ggfls. zu verlassen, nur insoweit von Relevanz, als man eine unter anderen Mitarbeitern herausragende Mitarbeiterin gerne halten wollte.



Neben den "sehr guten Leistungen" und dem erfolgreichen Einsatz in einem bestimmten Projekt, was jeweils Leistungsgesichtspunkte sind, wurden bei Frau S. B. ihre Sprachkenntnisse berücksichtigt. Auch Sprachkenntnisse könnten ohne weiteres Gegenstand einer kollektiven Regelung sein. Zudem handelt es sich hierbei um Leistungsgesichtspunkte, da davon ausgegangen werden kann, dass nicht jegliche Sprachkenntnisse, sondern nur solche berücksichtigt wurden, die für die geschuldete Leistung der jeweiligen Arbeitnehmer von Bedeutung sein können. Insofern wurde die Entgelterhöhung hier nach Leistungsgesichtspunkten gewährt.



Die gleichen Argumente treffen auch auf Herrn T. C. zu.



Die für Frau F. L. angeführte "überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft" zeigt sehr deutlich, dass die Arbeitgeberin hier von der Vorstellung einer "durchschnittlichen Einsatzbereitschaft" ausgeht und daher einen Vergleich mit anderen Stationsleitungen durchgeführt hat.



Auch die für Frau L. L. angeführten Gesichtspunkte ("sehr gute Leistungen", "besondere Flexibilität") sind ohne weiteres verallgemeinerungsfähig und begründen daher einen kollektiven Tatbestand.



Gleiches gilt für Frau B.-D. L., da die Arbeitgeberin mit dem Kriterium "beste Verkäuferin am Standort" verbunden mit dem Hinweis, das Unternehmen sonst zu verlassen, wiederum Leistungsgesichtspunkte berücksichtigt hat.



(3) Eine andere Bewertung folgt auch nicht aus dem von der Arbeitgeberin geschilderten Verfahren. Die Arbeitgeberin hat geschildert, dass über sämtliche Anträge die Geschäftsführung im Einzelnen entscheiden würde und dass es schließlich nicht selbstverständlich sei, dass die bezüglich einzelner Arbeitnehmer geäußerten Wünsche erfolgreich seien. Diese Konzentration spricht gerade dafür, dass sich die Geschäftsführung einen Überblick verschafft und nach bestimmten Kriterien über die Gehaltserhöhung oder die Ablehnung der Gehaltserhöhung entscheidet. Insofern liegt es nahe, dass diejenigen Kriterien, die hinsichtlich der positiv beschiedenen Anfragen galten (siehe oben, (2)) auch für die möglicherweise abschlägig beschiedenen Anfragen galten. Dass die Entscheidungen nach Darstellung der Arbeitgeberin zu unterschiedlichen Zeiten getroffen worden seien, diese aber nur einheitlich umgesetzt worden seien, steht dem nicht grundsätzlich entgegen. Denn abgesehen davon, dass es dann letztlich auch darauf ankäme, wann sich die Arbeitgeberin gegenüber dem jeweiligen Arbeitnehmer arbeitsvertraglich gebunden hätte, die Gehaltserhöhung durchzuführen, spricht gerade die Konzentration auf einen Zeitpunkt für eine einheitliche Entscheidung. Denn jedenfalls solange den einzelnen Arbeitnehmern nicht konkret eine Entscheidung mitgeteilt wurde, kann die Arbeitgeberin stets eine neue Entscheidung nach den von ihr angewandten Kriterien treffen. Hierauf kam es allerdings nicht mehr entscheidend an, nachdem im Übrigen sämtliche Indizien dafür sprechen, hier jeweils einen kollektiven Tatbestand anzunehmen.



(4) Ebenfalls folgt eine andere Bewertung nicht daraus, dass die Arbeitgeberin vorgetragen hat, neben "reinen" Leistungskriterien auch die wirtschaftliche Situation des Unternehmens insgesamt, die Kosten- und Ertragssituation der einzelnen Station und deren Gehaltsgefüge sowie regionale Arbeitsmarktbedingungen im Einzelfall einzubeziehen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es nicht darum geht, der Arbeitgeberin vorzuschreiben, den von ihr definierten "Dotierungsrahmen" zu erweitern. Allerdings ist die Berücksichtigung der "Kosten- und Ertragssituation" der jeweiligen Station ein sehr verallgemeinerungsfähiges Kriterium, welches sich zwanglos wiederum auf die (kollektive) Leistung der Arbeitnehmer des jeweiligen Standortes zurückführen lässt. Und soweit es um das Gehaltsgefüge der jeweiligen Station geht, ist damit gerade der materielle Geltungsgrund des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats, nämlich die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit (BAG, Urt. v. 15.04.2008 - 1 AZR 65/07, AP Nr.133 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung), angesprochen.



Die Beschwerde des Betriebsrats hatte daher Erfolg.



4.Die Kammer hat die grundsätzliche Bedeutung der Sache angenommen und daher die Rechtsbeschwerde gem. § 92 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Dr. Clemens
Busseler
Krause

Vorschriften§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, § 87 Abs. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 u. 2 ArbGG, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 81 Abs. 3 S. 2 ArbGG, § 256 ZPO, § 87 Abs. 1 Hs. 1 BetrVG, § 87 BetrVG, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG

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