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07.08.2017 · IWW-Abrufnummer 195697

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 01.02.2017 – 5 Sa 195/15


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 06.03.2015 (Az.: 7 Ca 351/14) teilweise abgeändert:

I. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 1.050,21 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.08.2016 zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 6/7 und das beklagte Land 1/7.

IV. Die Revision wird für die Klägerin betreffend die teilweise Abweisung des Urlaubsabgeltungsanspruchs zugelassen.

Im Übrigen wird die Revision weder für die Klägerin noch für das beklagte Land zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten zum einen über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und über die sich hieraus ergebenden Folgen für den Beginn der Freistellungsphase in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Zum anderen steht zwischen den Parteien die Abgeltung von Resturlaubsansprüchen aus dem Jahr 2012 im Streit.



Die am ... geborene Klägerin ist seit dem 19.03.1992 Mitarbeiterin des Landesamtes für Verbraucherschutz des beklagten Landes. Sie war zuletzt als Fach-MTA für Mikrobiologie in ... tätig. Das Vierteljahresgehalt der Klägerin betrug im Jahr 2011 ... Euro brutto.



Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund vertraglicher Bezugnahme die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes der Länder Anwendung.



Mit Änderungsvertrag vom 23.11.2012 wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 01.05.2013 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell fortgeführt (Arbeitsphase vom 01.05.2013 bis zum 30.04.2015; Freistellungsphase vom 01.05.2015 bis 30.04.2017).



In dem Zeitraum vom 10.07.2013 bis einschließlich 27.09.2013 (einen Freitag) war die Klägerin arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der behandelnde Arzt diagnostizierte ... und stellte wegen dieser Erkrankung zwei Folgebescheinigungen vom 05.08.2013 und vom 19.08.2013 aus (Bl. 31 d. A.). Für die Zeit vom 20.08.2013 bis 27.09.2013 wurde die Klägerin wegen einer ... krankgeschrieben (wegen des Inhalts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 19.08.2012, 02.09.2012 und vom 23.09.2013 wird auf Blatt 32 der Akte Bezug genommen).



Das beklagte Land teilte der Klägerin mit Schreiben vom 29.08.2013 mit, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch am 21.08.2013 ende und die Zahlung eingestellt werde. Die Krankenkasse der Klägerin teilte dem beklagten Land auf dessen Nachfrage mit Schreiben vom 30.09.2013 mit, dass die Arbeitsunfähigkeit ab 20.08.2013 aufgrund einer neuen Diagnose ausgestellt worden sei und als Erstbescheinigung anzuerkennen sei.



Von ihren 30 Urlaubstagen im Jahr 2012 nahm die Klägerin im Jahr 2012 11 Urlaubstage in Anspruch. Der Resturlaub wurde auf das Kalenderjahr 2013 übertragen. Von den verbleibenden 19 Urlaubstagen für 2012 hat die Klägerin im Jahr 2013 8 Urlaubstage genommen (zuletzt am Montag, den 30.09.2013).



Mit Schreiben vom 02.10. und vom 25.10.2013 teilte das beklagte Land der Klägerin mit, dass ihr noch übriger Urlaubsanspruch von 11 Tagen aus dem Jahr 2012 mit Ablauf des 30.09.2013 verfallene und infolge der Erkrankung vom 21.08.2013 bis 27.09.2013 der Entgeltfortzahlungszeitraum mit 38 Tagen überschritten worden sei und sich deshalb die Arbeitsphase Blockmodell um 19 Tage verlängere.



Mit ihrer am 13.02.2014 beim Arbeitsgericht Halle eingegangenen Klage begehrte die Klägerin von dem beklagten Land Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 20.08.2013 bis 27.09.2013 und wandte sich gegen die Verschiebung der Freistellungsphase in ihrem Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Des Weiteren begehrte die Klägerin Abgeltung von 11 Urlaubstagen für das Jahr 2012.



Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Arbeitsunfähigkeit vom 10.07.2013 bis zum 20.08.2013 und die ab dem 20.08.2013 festgestellte Arbeitsunfähigkeit hätten auf unterschiedlichen Erkrankungen beruht. Die erste Erkrankung sei ausgeheilt gewesen. Demnach verlagere sich auch nicht die Arbeits- bzw. die Freistellungsphase in ihrem Altersteilzeitarbeitsverhältnis.



Der Anspruch auf Gewährung der 11 Urlaubstage aus 2012 sei nicht mit dem 30.09.2013 verfallen. Dies habe auch die zuständige Mitarbeiterin bei dem Landesamt ihr mitgeteilt.



Die Klägerin hat beantragt,



1. festzustellen, dass der Klägerin für das Jahr 2012 noch ein Erholungsurlaub in Höhe von 11 Tagen zusteht,



2. das beklagte Land zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum 20.08.2013 bis 29.09.2013 Entgeltfortzahlung für 24 Tage in Höhe von 2.330,58 € brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen seit dem 06.11.2013 zu zahlen,



3. festzustellen, dass mit den Erkrankungen der Klägerin vom 10.07.2013 bis 19.08.2013 und 20.08.2013 bis 29.09.2013 keine Überschreitung des Entgeltfortzahlungszeitraumes gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz eingetreten ist.



Das beklagte Land hat beantragt,



die Klage abzuweisen.



Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei vom 10,07.2013 bis zum 27.09.2013 durchgängig arbeitsunfähig krank gewesen. Es lege ein einheitlicher Verhinderungsfall vor. Demnach hätte sich auch die Arbeitsphase im Blockmodell des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses mit der Klägerin verlängert.



Der Resturlaub aus dem Jahr 2012 sei spätestens mit dem 30.09.2013 erloschen.



Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, dass sie ab dem 20.08.2013 nicht mehr wegen ... arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, sondern wegen sonstiger Formen der..., durch Vernehmung des der Klägerin behandelnden Arztes als Zeugen.



Wegen des Inhaltes der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 06.03.2015 Bezug genommen (Bl. 67 bis 70 d. A.).



Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 06.03.2015 die Klage vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Resturlaub der Klägerin aus dem Jahr 2012 von 11 Urlaubstagen sei am 30.09.2013 erloschen. Sie sei nicht durchweg durch Arbeitsunfähigkeit daran gehindert gewesen, den Resturlaub von 11 Urlaubstagen in der Zeit vom 01.01.2013 bis 30.09.2013 in Anspruch zu nehmen.



Der Entgeltfortzahlungsanspruch ab dem 20.08.2013 bestünde nicht, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststünde, dass die Klägerin vor Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 19.08.2013 nicht arbeitsfähig war. Die Ersterkrankung sei noch nicht ausgeheilt gewesen. Da der Klägerin demnach in der Zeit vom 20.08.2013 bis 27.09.2013 keine Entgeltzahlung zustehe, verlängere sich nach den einschlägigen tariflichen Vorschriften die Arbeitsphase im Blockmodell.



Gegen das der Klägerin am 13.05.2015 zugestellte Urteil wendet sich die am 12.06.2015 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingegangene und am 09.07.2015 begründete Berufung der Klägerin.



Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, ein sog. einheitlicher Versicherungsfall läge nicht vor. Es sei eine reine Spekulation des Arbeitsgerichtes, dass sich beide Krankheiten überschritten hätten. Das von dem behandelnden Arzt am 19.08.2013 angedachte "Hamburger Modell" setze nicht voraus, dass der Arbeitnehmer auch arbeitsunfähig ist.



Der Resturlaubsanspruch aus dem Jahr 2012 sei nicht am 30.09.2013 verfallen. Der Klägerin sei von einer Mitarbeiterin des Landesamtes des beklagten Landes in Dessau auf ausdrückliche Nachfrage zugesichert worden, dass sie ihren Urlaub 2012 bis zum 31.03.2014 zu nehmen habe, falls sie krank sei. Im Übrigen stünde auch Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG dem Verfall des Urlaubs aus dem Jahr 2012 zum 30.09.2013 entgegen.



Die Klägerin beantragt,



das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 06.03.2015 - 7 Ca 351/14 - abzuändern.



1. Das beklagte Land wird verurteilt, der Klägerin 11 Tage Urlaubsabgeltung für 2012 in Höhe von 1.650,36 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz auf den sich ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen,



2. das beklagte Land zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum 20.08.2013 bis 29.09.2013 Entgeltfortzahlung von 24 Tagen in Höhe von 2.330,58 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen seit dem 06.11.2013 zu zahlen,



3. festzustellen, dass die Festlegung der Arbeitsphase und der Freistellungsphase im Änderungsvertrag vom 23.11.2012 unverändert blieb.



Das beklagte Land beantragt,



die Berufung zurückzuweisen.



Das beklagte Land verteidigt das angegriffene Urteil. Die Klägerin hätte vor ihrer Erkrankung den Resturlaub 2012 nehmen können bzw. nehmen müssen. Das Arbeitsgericht habe auch beanstandungsfrei entschieden, dass die Klägerin vom 10.07.2013 bis 29.09.2013 durchgängig erkrankt war.



Wegen den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.



Entscheidungsgründe



Die zulässige Berufung der Klägerin ist zum Teil begründet.



Die Klägerin hat im Wege des Schadensersatzanspruches Anspruch auf "Abgeltung" von sieben Urlaubstagen aus dem Jahr 2012. Im Übrigen (Entgeltfortzahlung ab dem 20.08.2013, Urlaubsabgeltung für vier Urlaubstage tariflichen Mehrurlaubs und Verlängerung der Arbeitsphase) ist die Berufung der Klägerin unbegründet.



I.



Die statthafte (§§ 8, 64 Abs. 1 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG; §§ 519 Abs. 2, 520 ZPO).



II.



Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 20.08.2013 bis 27.09.2013 abgewiesen. Wegen den Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin ergibt sich auch die notwendige Verlängerung der Arbeitsphase im Blockmodell gemäß § 8 Abs. 2 TV-ATZ-LSA.



1.



Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 20.08.2013 bis zum 27.09.2013 aus § 22 Abs. 1 Satz TV-L.



Auch für § 22 Abs. 1 Satz 1 TV-L gelten die vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz.



Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Versicherungsfalles ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz auf die Dauer von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt, wenn während des Bestehens der Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die Sechswochenfrist nur einmal in Anspruch nehmen. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, indem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden. Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des Versicherungsfalles ist die Entscheidung des Arztes, der die Arbeitsunfähigkeit - unabhängig von der individuellen Arbeitszeit des betreffenden Arbeitnehmers - im Zweifel bis zum Ende eines Kalendertages bescheinigen wird (BAG 25.05.2016 - 5 AZR 318/15, juris, Rz. 13).



Die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz trägt - nach allgemeinen Grundsätzen - der Arbeitnehmer. Ebenso wie er für die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit als solcher beweispflichtig ist, trifft ihn auch für deren Beginn und Ende die objektive Beweislast (BAG 25.05.2016 - 5 AZR 318/15, juris, Rz. 20).



Die Klägerin konnte nicht den Beweis erbringen, dass die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in der die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führte. Nach der Zeugenaussage des der Klägerin behandelnden Arztes steht gerade nicht fest, dass die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung im Zeitpunkt der weiteren Erkrankung beendet war. Nach der Aussage des Zeugen habe "der Ansatz bestanden, die Klägerin wieder auf Arbeit zu schicken, aber im Rahmen eines Hamburger Modells. Es gab auch noch mehrere Varianten". Dieser Aussage ist nicht zu entnehmen, dass die erste Erkrankung tatsächlich am 19.08.2013 ausgeheilt war.



2.



Der zulässige Feststellungsantrag (Antrag zu 3.) ist unbegründet.



Nach § 8 Abs. 2 TV-ATZ-LSA hat sich die Arbeitsphase um die Hälfte des dem Entgeltfortzahlungszeitraums übersteigenden Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit verlängert und die Freistellungsphase entsprechend verkürzt.



III.



Die Klägerin hat Anspruch aus §§ 280, 283, 249, 251 Abs. 1 BGB auf Zahlung für nicht genommene 7 Tage Mindesturlaub aus dem Jahr 2012 in Höhe von 1.050,21 Euro brutto:



Hingegen besteht kein Anspruch der Klägerin auf Zahlung für 4 Tage tariflichen Mehrurlaub aus §§ 280, 283, 249, 251 Abs. 1 BGB:



1.



Der Mindesturlaub von 7 Urlaubstagen ist nicht mit Ablauf des 30.09.2012 verfallen. Wegen des Eintritts der Freistellungsphase kann der Urlaub nicht mehr genommen werden. Wegen der endgültigen Erfüllungsverweigerung des beklagten Landes mit dem Schreiben vom 02.10.2013 wandelte sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch und besteht in Höhe einer Urlaubsabgeltung für 7 Urlaubstage.



1.1.



Von den verbleibenden 11 Urlaubstagen aus dem Jahr 2012 sind 7 Urlaubstage der Mindesturlaub und 4 Urlaubstage der tarifliche Mehrurlaub. Dies ergibt sich unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 07.08.2012 - 9 AZR 760/10, juris, Rz. 11, 17; BAG 17.11.2015 - 9 AZR 275/14, juris, Rz. 17).



Die Klägerin hat im Jahr 2012 30 Urlaubstage, § 26 Abs. 1 Satz 2 TV-L. § 26 TV-L differenziert dabei nicht zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem übergesetzlichen Mehrurlaub.



Von diesen 30 Urlaubstagen hat die Klägerin im Jahr 2012 11 Urlaubstage und im Jahr 2013 8 Urlaubstage genommen. Der Arbeitgeber erfüllt mit der Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung ohne ausdrückliche oder konkludente Tilgungsbestimmung beide Ansprüche teilweise. Das heißt, von den 19 genommenen Urlaubstagen wurden 12,6 Tage Mindesturlaub und 6,33 Tage tariflichen Mehrurlaub erfüllt. Daher entfallen auf die verbleibenden 11 Urlaubstage 7,4 Mindesturlaubstage und 3,67 tarifliche Mehrurlaubstage; gerundet 7 Mindesturlaubstage und 4 tarifliche Mehrurlaubstage.



1.2.



Der Mindesturlaub ist nicht erloschen. Er hätte bis zum 31.03.2014 genommen werden können.



Im Hinblick auf die besondere Bedeutung des Urlaubsanspruches und dessen Verankerung in die Grundrechtscharta (Artikel 31 Abs. 2 EUGR Charta) kann nach Auffassung des EuGH eine nationale Bestimmung, bei der ein Übertragungszeitraum festgelegt wird, nicht das Erlöschen des Anspruchs des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub vorsehen, wenn der Arbeitnehmer - wie im Falle der Arbeitsunfähigkeit - nicht tatsächlich die Möglichkeit hatte, diesen Anspruch auszuüben (EuGH 20.01.2009, "Schulz-Hoff", NzA 2009, 135). Allerdings hat der EuGH einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten nicht beanstandet (EuGH 22.11.2011 "KHS", NzA 2011, 1333).



Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des EuGH zum Anlass genommen, die Befristungsregelung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG unionsrechtskonform so auszulegen, dass der gesetzliche Anspruch mit Ablauf eines Zeitraumes von 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seinen Arbeitsleistungen gehindert war.



Die unionsrechtlichen Vorgaben betreffen hingegen ausschließlich den gesetzlichen Urlaubsanspruch von 4 Wochen. Die Tarifvertragsparteien können Urlaubsansprüche, die darüber hinausgehen, frei regeln und eine kürzere Befristung des tariflichen Mehrurlaubes vorsehen (BAG 05.08.2014 - 9 AZR 77/13, BAG 12.11.2013, NZA 2014, 383 [BAG 12.11.2013 - 9 AZR 551/12] ; zusammenfassend Schaub/Linck ArbR-HB, § 104, Rz. 6, 7, 88 m. w. N).



Der Klägerin war es wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 10.07.2013 bis zum 27.09.2013 nicht möglich, innerhalb des Übertragungszeitraumes die verbleibenden 7 gesetzlichen Urlaubstage zu nehmen. Nur ab Montag, den 30.09.2013, nahm sie einen Urlaubstag. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin nicht während des gesamten Bezugszeitraumes krankgeschrieben war. Maßgeblich ist, dass sie ab dem 10 07.2013 bis zum 30.09.2013 wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit nur noch einen Tag nehmen konnte (vgl. auch Schaub/Linck a. a. O. Rz. 87).



Mit der Erfüllungsverweigerung der Beklagten (Schreiben vom 02.10.2013) wandelte sich der Erfüllungsanspruch auf Gewährung des Urlaubs in einen Schadensersatzanspruch, der nach Eintritt in die Freistellungsphase in Geld zu ersetzen ist.



Die Berechnungsgrundlage für die "Urlaubsabgeltung" ist von der Klägerin zutreffend erstellt worden. Für einen Tag ergibt dies 150,03 Euro brutto.



Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.



2.



Es besteht hingegen kein Anspruch der Klägerin auf "Abgeltung" der 4 nicht genommenen tariflichen Mehrurlaubstage aus dem Jahr 2012 aus §§ 280, 283, 249, 251 Abs. 1 BGB.



2.1



Der tarifliche Mehrurlaub ist mit Ablauf des 30.09.2013 erloschen. Dem stehen unionsrechtliche Erwägungen nicht entgegen. Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG schützt einen bezahlten Mindestjahresurlaub von 4 Wochen.



2.2



Das beklagte Land war - jedenfalls für den übergesetzlichen Mehrurlaub - auch nicht verpflichtet, den Urlaubsanspruch der Klägerin von sich aus zu erfüllen.



a.



Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12.06.2014 - 21 Sa 221/14 - und die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München vom 06.05.2015 - 8 Sa 982/14 stehen dem nicht entgegen.



Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg begründet seine Entscheidung maßgeblich damit, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch dem Gesundheitsschutz des Beschäftigten dient und arbeitsschutzrechtlichen Charakter hat (LAG Berlin-Brandenburg 12.06.2014, juris, Rz. 39, 42). Das Landesarbeitsgericht München folgt den Erwägungen des Landesarbeitsgerichts Berlin (LAG München 06.05.2015 - 8 Sa 982/14, juris, Rz. 60).



Beide Entscheidungen beziehen sich auf den gesetzlichen Mindesturlaub und nicht - wie hierauf den tariflichen Mehrurlaub.



b.



Zudem hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit zutreffender Begründung eine Pflicht des Arbeitgebers zur Urlaubserteilung ohne Antrag des Arbeitnehmers verneint (LAG Schleswig-Holstein 09.02.2016 - 1 Sa 321/15, juris, Rz. 71).



Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein führt in seiner Entscheidung aus:



"b) Der Klägerin steht auch kein Anspruch gemäß den §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB zu, weil der Beklagte seine Pflicht zur Urlaubserteilung verletzt hat.



aa) Eine Rechtspflicht des Arbeitgebers, auch ohne entsprechenden Antrag des Arbeitnehmers im laufenden Kalenderjahr Urlaub zu erteilen nimmt das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einem Urteil vom 12.06.2014 - 21 Sa 221/14 - Juris sowie auch in anderen Entscheidungen an und begründet dies im Wesentlichen damit, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers diene und der Wortlaut des § 7 BUrlG der entsprechenden Auslegung nicht entgegenstehe.



bb) Das Bundesarbeitsgericht geht demgegenüber nicht von einer Pflicht des Arbeitgebers zur Urlaubsgewährung im laufenden Kalenderjahr aus. Vielmehr verfällt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Urlaub am Jahresende, nur unter den Voraussetzungen des Verzugs entsteht der oben dargestellte Ersatzurlaubsanspruch (BAG v. 14.05.2013 - 9 AZR 760/11 -).



Dieser Auffassung des Bundesarbeitsgerichts folgt auch das Berufungsgericht. Gerade aus Sicht des Gesundheitsschutzes hält es eine Lösung für vorzugswürdig, nach der der Arbeitnehmer zumindest gehalten ist, einen Urlaubsantrag zu stellen. Folgt man der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg, befördert das nämlich nach Einschätzung der Kammer das Anhäufen von Urlaubsansprüchen im bestehenden Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer wird von der Stellung rechtzeitiger Urlaubsanträge abgehalten, die er um Streitigkeiten wegen der Urlaubsgewährung zu vermeiden, nicht stellt. Unter Berücksichtigung der Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg erwüchse ihm hieraus kein Nachteil. Er kann das Stellen von Urlaubsanträgen einfach unterlassen mit dem Argument, er kann den Urlaub hinterher - spätestens nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses - immer noch nehmen. Dieses Herausschieben der Urlaubsgewährung dient aber gerade nicht dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers, der nur verwirklicht wird, wenn der Urlaub auch tatsächlich genommen wird. Selbstverständlich ist es nicht besser, wenn der Arbeitnehmer wegen des Verfalls am Jahresende gar keinen Urlaub erhält. Droht aber der Verfall seines Urlaubs, wird der Arbeitnehmer gezwungen, zumindest einen Urlaubsantrag zu stellen, um den Verzug des Arbeitgebers auszulösen. Das ist das Warnsignal auch für den Arbeitgeber, die Urlaubsgewährung zu Ermöglichen. Weiß der Arbeitnehmer, dass ihm ohne Urlaubsantrag der komplette Verlust seines Urlaubs droht, wird er ehe Maßnahmen zur tatsächlichen Urlaubsgewährung ergreifen.



Im Übrigen setzt nach § 7 Abs. 1 BUrlG die Gewährung des Urlaubs voraus, dass die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind. Das wiederum ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmer zuvor einen Urlaubsantrag gestellt hat."



Die Kammer folgt den Erwägungen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein.



c.



Es bestehen auch keine unionsrechtlichen Bedenken, dass der Arbeitgeber nach Deutschen Urlaubsrecht nicht verpflichtet ist, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des übergesetzlichen Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraumes festzulegen. Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments des Rates vom 04. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) bezieht sich auf den Mindesturlaub von 4 Wochen im Jahr und nicht auf den tariflichen Mehrurlaub.



Aus diesem Grund kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit auch nicht auf die Beantwortung des EuGH auf die Fragen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Vorlagebeschluss vom 13.12.2016 an.



Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 13.12.2016 in dem Revisionsverfahren 9 AZR 541/15 (a) (Revision gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München vom 06.05.2015), dem EuGH folgende Fragen vorgelegt:



"1. Steht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) einer nationalen Regelung wie der in § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) entgegen, die als Modalität für die Wahrnehmung des Anspruchs auf Erholungsurlaub vorsieht, dass der Arbeitnehmer unter Angabe seiner Wünsche bezüglich der zeitlichen Festlegung des Urlaubs diesen beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht, und die den Arbeitgeber damit nicht verpflichtet, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen?



2. Falls die Frage zu 1. bejaht wird:



Gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen bestand?"



Die Vorlage des Bundesarbeitsgerichts bezieht sich auf den Mindesturlaub von vier Wochen.



IV.



Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.



V.



Die Revision war für die Klägerin hinsichtlich der teilweisen Klageabweisung betreffend der vier übergesetzlichen Urlaubstage zuzulassen. Der Rechtsstreit hat diesbezüglich grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraumes auch für den übergesetzlichen Urlaub festzulegen, ist klärungsfähig und klärungsbedürftig.



Für die weiteren Streitgegenstände war hingegen die Revision weder für die Klägerin noch für das beklagte Land zuzulassen, da insofern die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

Vorschriften§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz, Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG, §§ 8, 64 Abs. 1 ArbGG, §§ 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519 Abs. 2, 520 ZPO, § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz, § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz, §§ 280, 283, 249, 251 Abs. 1 BGB, Grundrechtscharta (Artikel 31 Abs. 2, § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, §§ 291, 288 Abs. 1 BGB, §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB, § 7 BUrlG, § 7 Abs. 1 BUrlG, Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG, Richtlinie 2003/88/EG, Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG, § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), § 92 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG

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