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05.07.2017 · IWW-Abrufnummer 194913

Amtsgericht Köln: Beschluss vom 07.04.2017 – 71 IK 175/15

1. Stützt ein Gläubiger seine Forderungsanmeldung auf verschiedene Anspruchsgrundlagen – hier auf eine vertragliche und auf eine deliktische-, so sind die Anmeldevoraussetzungen in Ansehung beider Anspruchsgrundlagen zu erfüllen.

2. Erfüllt eine Forderungsanmeldung hinsichtlich einer der reklamierten Anspruchsgrundlagen (hier: Deliktseigenschaft beruhend auf Beförderungserschleichung gemäß § 265a StGB ) nicht einmal die Mindestanforderungen, die an eine Forderungsanmeldung zu stellen sind, so ist die nicht ordnungsgemäße Anmeldung vom Insolvenzgericht insoweit zurückzuweisen. Die Forderung ist dann ohne das Deliktsattribut in die Tabelle aufzunehmen.


Amtsgericht Köln

71 IK 175/15

Tenor:

...wird die Erinnerung vom 22.11.2016 gegen Ablehnung der Aufnahme der Deliktseigenschaft bezüglich der Insolvenzforderungen Rang 0 lfd. Nr. 3 - 6 in die Insolvenztabelle durch Entscheidung der Rechtspflegerin vom 31.10.2016 zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

1

Gründe:

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I.

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Mit Schreiben vom 12.08.2015 hat die Gläubigerin, ein Verkehrsunternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs, beim Insolvenzverwalter insgesamt vier Forderungen als Deliktsforderungen zur Insolvenztabelle angemeldet. In der Forderungsanmeldung war vermerkt: "Fahren ohne gültigen Fahrausweis, gemäß § 302 Nr. 1 InsO ausgenommen". Die beigefügten Vollstreckungsbescheide und die beigefügte Forderungsaufstellung enthielten jeweils nur die Bezeichnung des Forderungsgrundes "erhöhtes Beförderungsentgelt" für nähere bezeichnete Fahrten ohne gültigen Fahrausweis unter Angabe eines Datums. Weiterhin beigefügt waren als "EB-Mitteilung" bezeichnete Protokolle. Diese enthielten neben den Personalien des Schuldners Angaben zu den Umständen und zu dem Ergebnis der durchgeführten Fahrkartenkontrolle. Die in den Formularen enthaltenen Vordruckfelder "Strafantrag" und "Strafantragsgrund" waren jeweils nicht ausgefüllt. Erst unter Hinzunahme der Tarifbestimmungen der Gläubigerin wurde deutlich, warum jeweils ein erhöhtes Beförderungsentgelt angefallen war. Auch zu der Frage, ob der Schuldner vorsätzlich gehandelt hat, waren in der Forderungsanmeldung keine Angaben vorhanden.

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Das Amtsgericht – Rechtspflegerin – hat mit Beschluss vom 31.10.2016 die Aufnahme der Deliktseigenschaft bezüglich der Insolvenzforderungen Rang 0 lfd. Nr. 3 - 6 in die Insolvenztabelle abgelehnt, soweit die Anmeldung des Attributs der vorsätzlich unerlaubten Handlung im Sinne des § 302 Nr. 1 InsO erfolgt ist. Soweit der Forderung ein vertraglicher Anspruch zugrunde liegt, ist die Eintragung erfolgt und die Forderung zur Insolvenztabelle festgestellt worden.

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Zur Begründung führt die Rechtspflegerin aus, die Gläubigerin habe es entgegen § 174 Abs. 2 InsO unterlassen, die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich nach ihrer Einschätzung ergebe, dass der Forderung eine vorsätzlich unerlaubte Handlung zugrunde liege. Die alleinige Angabe einer Norm (§ 265a StGB) genüge nicht. Auch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheides genüge zum Nachweis der begangenen unerlaubten Handlung nicht.

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Soweit der Schuldner als Fahrgast die Tarifbestimmungen bei der Benutzung des öffentlichen Verkehrsmittels anerkannt habe, möge dies den Zahlungsanspruch begründen, dies gelte jedoch nicht gleichermaßen für den Schuldgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.06.2015 (IX ZR 199/14) könne der Insolvenzschuldner den Schuldgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam anerkennen. Die Tarifbestimmungen des Beförderungsunternehmens seien insoweit Allgemeinen Geschäftsbedingungen gleich zu stellen.

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Es sei bisher nicht schlüssig vorgetragen, aus welchen Tatsachen sich die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung herleiten lasse. Den eingereichten Anmeldeunterlagen sei nicht zu entnehmen, warum es sich bei der Forderung um eine sogenannte Deliktsforderung handeln soll. Die Aufnahme des Forderungsgrundes einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in die Insolvenztabelle sei daher abzulehnen.

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Gegen diese Entscheidung hat die Gläubigerin mit Schreiben vom 22.11.2016 Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG eingelegt und begehrt die Eintragung der Deliktseigenschaft in die Insolvenztabelle.

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Zur Begründung führt sie aus, der Schuldner sei mehrfach bei Fahrausweiskontrollen ohne gültige Fahrtberechtigung angetroffen worden. Dabei dürfe nicht unerwähnt bleiben, dass er hierbei die gültige Fahrtberechtigung nicht vergessen habe, nein, er habe über keinerlei gültige Fahrtberechtigung verfügt. Dies bedeute, dass der Schuldner die Dienste der Gläubigerin mehrfach in Anspruch genommen habe, ohne hierfür das entsprechende Entgelt zu entrichten. Somit sei der Gläubigerin als Verkehrsunternehmen wirtschaftlicher Schaden entstanden und der Schuldner sei bewusst und mehrfach eine unerlaubte Handlung eingegangen. Jeder Fahrgast erkenne mit Betreten der Linien der Gläubigerin deren Allgemeine Beförderungsbedingungen an. Diese Beförderungsbedingungen besagten, dass die Nutzung der Linien nur mit einer gültigen Fahrtberechtigung erlaubt sei. Demzufolge sei der Tatbestand der unerlaubten Handlung gegeben und sei dieser als Deliktforderung in die Insolvenztabelle aufzunehmen.

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Mit Verfügung vom 20.11.2016 hat das Amtsgericht – Insolvenzrichter - darauf hingewiesen, dass die Gläubigerin ausweislich der Forderungsanmeldung offensichtlich ein erhöhtes Beförderungsentgelt in vier Fällen geltend mache. Die Einschätzung der Rechtspflegerin, dass es sich um einen vertraglichen Anspruch und nicht um einen deliktischen handele, erscheine unter Berücksichtigung der bislang ergangenen Rechtsprechung zutreffend. Dass das Erschleichen von Leistungen strafbar nach § 265a StGB sei, stehe außer Frage. Entscheidend für die Deliktsanmeldung sei aber, dass sich ein deliktischer Anspruch insb. aus § 823 Abs. 2 BGB i.A. einem Schutzgesetz oder aus § 826 BGB ergeben könne. Dies sei bislang nicht - insbesondere nicht in Höhe des geltend gemachten Anspruchs von 4x40 EUR für erhöhtes Beförderungsentgelt - ersichtlich (vgl. AG Regensburg, Urt. v. 03.03.2014, Az. 10 C 1949/13, VuR 2015, 314 mit zust. Anm. Ackermann). Sei aber ein deliktischer Anspruch bereits nicht ansatzweise erkennbar, sei die Zurückweisung zurecht erfolgt.

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Auf diesen Hinweis erfolgte keine Reaktion der Gläubigerin. Hingegen hat der Insolvenzverwalter mit Schriftsatz vom 05.12.2016 Stellung genommen. Er hat der Einschätzung des Gerichts gemäß Schreiben vom 30.11.2016 zugestimmt und erklärt, dass auch seiner Sicht die Ablehnung der Aufnahme der Deliktseigenschaft durch die Rechtspflegerin zu Recht erfolgt sei. Die Ausführungen des Gerichts zur Differenzierung zwischen den verschiedenen Anspruchsgrundlagen (§ 823 Abs. 2 BGB bzw. vertraglicher Anspruch) entsprächen der Entscheidung des BGH vom 03.03.2016 (IX ZB 33/14). Die Möglichkeit der Feststellung, dass eine grundsätzlich nicht deliktische Forderung im konkreten Fall aus Delikt stammen würde, sei danach generell nicht gegeben. Die deliktische Herkunft sei nur hinsichtlich eines (gegebenenfalls als weitere Anspruchsgrundlage neben die ursprüngliche Forderung tretenden) Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 2 und § 846 möglich. Einen Schadensersatzanspruch habe der Gläubiger im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht, da ausweislich der eingereichten Forderungsaufstellungen jeweils nur ein Anspruch auf Bezahlung eines erhöhten Beförderungsentgeltes für eine Fahrt ohne gültigen Fahrausweis angemeldet worden sei. Der Anspruch auf Bezahlung eines erhöhten Beförderungsentgeltes basiere auf § 57 Abs. 1 Nr. 5 PBefG i.V.m. § 9 BefBedV und sei vertraglicher Natur (vergleiche § 305a Nr. 1 BGB). Die Geltendmachung der Herkunft einer vertraglichen Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung sei nach der genannten Rechtsprechung in sich unschlüssig.

12

II.

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Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.

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Die Ablehnung der Aufnahme der Deliktseigenschaft in die Insolvenztabelle durch die Rechtspflegerin ist zu Recht erfolgt.

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Es ist anerkannt, dass eine Forderung, der unterschiedliche Streitgegenstände zugrunde liegen, im Insolvenzverfahren unterschiedliche Wege einschlagen kann. Dies gilt insbesondere auch für Ansprüche, die sich etwa auf gesetzliche und deliktische oder aber auch auf vertragliche und deliktische Grundlagen stützen. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Hemmung der Verjährung betreffend einen gesetzlichen Anspruch nicht zwingend auch die Verjährungshemmung des deliktischen Anspruchs zur Folge haben muss (BGH, Beschl. v. 3.3.2016 - IX ZB 33/14, ZInsO 2016, 918 ff.).

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Nichts anderes gilt für die Forderungsanmeldung. Stützt ein Gläubiger seine Forderungsanmeldung auf verschiedene Anspruchsgrundlagen – hier auf eine vertragliche und auf eine deliktische-, so sind die Anmeldevoraussetzungen in Ansehung beider Anspruchsgrundlagen zu erfüllen. Erfüllt eine Forderungsanmeldung hinsichtlich einer der reklamierten Anspruchsgrundlagen aber nicht einmal die Mindestanforderungen, die an eine Forderungsanmeldung zu stellen sind, so ist, jedenfalls wenn wie vorliegend der Insolvenzverwalter vor der Protokollierung (und sei es auf Nachfrage) erklärt, dass auch aus seiner Sicht eine ordnungsgemäße Anmeldung der Deliktseigenschaft nicht erfolgt sei, die nicht ordnungsgemäße Anmeldung vom Insolvenzgericht zurückzuweisen. Im Rahmen der Protokollierung ist das Gericht jedenfalls in Stundungsverfahren und in Ansehung der Deliktseigenschaft gehalten, die formellen Mindestanforderungen an die Anmeldung der Deliktseigenschaft zu prüfen, bevor es beurkundend tätig wird (vgl. zur Beurkundungstätigkeit: Sinz, in: Uhlenbruck/Vallender, InsO, 14. Auflage 2015, § 178 Rn. 2; Schumacher, in MünchKomm-InsO, 3. Auflage 2013, § 178 Rn. 47). Dies gilt nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung der besonderen Fürsorgepflicht des Insolvenzgerichts gemäß § 4a Abs. 2 InsO (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 5.12.2002 - IX ZA 20/02, NZI 2003, 270 BGH, Beschl. v. 18.9.2003 - IX ZB 44/03, NZI 2004, 39). Wollte man ein solches Prüfungsrecht generell verneinen, wäre bereits aus diesem Grunde, entgegen der klaren Intention des § 4a Abs. 2 InsO, in Falle der Anmeldung einer Deliktsforderung dem Schuldner auf Antrag ein Anwalt beizuordnen, um ggf. bereits gegen die nicht hinreichende Anmeldung vorgehen zu können. Denn die Feinheiten der Unterscheidung zwischen verschiedenen Streitgegenständen und der Begründung eines deliktischen Anspruchs neben einem vertraglichen kann ein juristisch nicht vorgebildeter Schuldner nicht ohne weiteres erkennen, weshalb die Gefahr groß ist, dass trotz ersichtlich nicht bestehender Deliktseigenschaft ein Schuldner der entsprechenden Anmeldung nicht widerspricht. Gerade in Fällen der Anspruchshäufung bei Pluralität von Streitgegenständen würde das isolierte Widerspruchsrecht des Schuldners gegen die Deliktseigenschaft faktisch leer laufen. Eine materiell-rechtliche Prüfung, die dem Insolvenzgericht nicht obliegt (vgl. Schumacher, a.a.O.), ist damit nicht verbunden. Vielmehr ist die eigentliche Forderungsprüfung kraft Gesetzes dem Insolvenzverwalter, den anderen Gläubigern und dem Schuldner vorbehalten (vgl. § 178 Abs. 1 InsO).

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Diesen Grundsätzen folgend hat die Rechtspflegerin die Eintragung in die Tabelle zurecht zurückgewiesen, da eine ordnungsgemäße Anmeldung der Deliktseigenschaft nicht erfolgt ist.

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Der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung muss in der Anmeldung so beschrieben werden, dass der aus ihm hergeleitete Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt ist und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten ihm vorgeworfen wird; einer schlüssigen Darlegung des (objektiven und subjektiven) Deliktstatbestands bedarf es nicht (BGH, Urt. v. 9.1.2014 – IX ZR 103/13, ZInsO 2014, 236). Wenn ein Anspruch – wie vorliegend – auf verschiedenen Streitgegenständen beruhen kann (vertraglicher und deliktischer Anspruch), die unterschiedliche Voraussetzungen haben, genügt es für die Anmeldung des deliktischen Anspruchs nicht, nur den vertraglichen näher zu beschreiben. Vielmehr ist dann im Rahmen der Forderungsanmeldung zu verlangen, dass jedenfalls erkennbar wird, weshalb sich aus Sicht der Gläubigerin aus dem Sachverhalt ein deliktischer Anspruch überhaupt ergeben kann.

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Dem ist die Gläubigerin nicht ansatzweise nachgekommen. Im Gegenteil stützt sie in ihrer Begründung ihre Forderung ausschließlich auf einen vertraglichen Anspruch, nämlich auf ein erhöhtes Beförderungsentgelt gemäß ihren Beförderungsbedingungen. Dass sich aus einem solchen Sachverhalt auch eine strafbare Handlung nach § 265a StGB ergeben kann, ist unzweifelhaft. Allerdings lässt ein solcher Vortrag nicht erkennen, wie sich hieraus ein deliktischer Anspruch, insbesondere in Höhe des geltend gemachten erhöhten Beförderungsentgelts, ergeben kann. Vielmehr dürfte ein solcher deliktischer Schadensersatzanspruch in aller Regel gerade nicht bestehen (vgl. dazu AG Regensburg, Urt. v. 3.3.2014, Az. 10 C 1949/13, VuR 2015, 314, wonach die Leistungserschleichung nicht zu einem messbaren Schaden im Sinne des § 249 BGB führt).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 11 Abs. 4 RPflG.

RechtsgebietInsolvenzVorschriften§ 174 Abs. 2 InsO; § 178 InsO; § 302 Nr. 1 InsO; § 265a StGB

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