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02.03.2017 · IWW-Abrufnummer 192247

Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 08.09.2016 – 11 Sa 705/15

Sinn und Zweck des § 17 KSchG verlangen es nicht, dass Zeitarbeitnehmer bei der Bestimmung der Betriebsgröße berücksichtigt werden.


Tenor:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 11.06.2015 - 1 Ca 3390/14 abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 21.11.2014 - zugegangen am 24.11.2014 - nicht aufgelöst worden ist.


2. Die Kosten des Rechtsstreites haben die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4 zu tragen.


3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung.



Die am 05.02.1958 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 07.08.2000 als kaufmännische Angestellte gegen eine Vergütung in Höhe von zuletzt ca. 1.450,00 € brutto bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Zuletzt war sie als Sekretärin für das Büro des Betriebsrates in Teilzeit mit 50 % tätig.



Die Beklagte betreibt sogenannte bergmännische Berufskollegs, die als Berufsschulen des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet fungieren, aber auch von externen Berufsschülern besucht werden. Im Jahr 2001 ging sie durch Abspaltung aus der DMT Gesellschaft für Lehre und Bildung mbH hervor. Bis zum Jahr 2010 firmierte sie als RAG Bildung Berufskolleg GmbH.



Es werden die Berufskollegs West (Duisburg, Moers, Kamp-Lintfort), Ost (Bergkamen) und Mitte (Recklinghausen) sowie das Berufskolleg Fachschule für Technik (Bergkamen) betrieben. Die Berufsschulen bieten als Ersatzschulen berufsvorbereitende Maßnahmen an.



Durch Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 25.06.2010 hat die U. NORD AG von der RAG-Beteiligungs-GmbH, der RAG AG und der DMT e.V. das Berufskolleg erworben. Vor dem Kontext des Auslaufens des deutschen Steinkohlebergbaus im Jahre 2018 hat zu diesem Zeitpunkt nach den Angaben der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 13.02.2015 festgestanden, dass die Anzahl der Bergbauberufsschüler fortlaufend geringer und schließlich vollständig abnehmen werde. Daher ist in den Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 25.06.2010 die Entscheidung und die sich daraus ergebende Verpflichtung der Beklagten zur Schließung des Berufskollegs aufgenommen worden. Danach werden die Berufskollegs Ost und West zum 31.07.2015, das Berufskolleg Mitte sowie die Fachschule für Technik zum 31.07.2018 geschlossen.



Unter dem 03.11.2014 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Hinsichtlich der Schließungsentscheidung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13.02.2015 einen schriftlich niedergelegten Beschluss ihrer Geschäftsleitung vom 05.11.2014 vorgelegt.



Die Beklagte hörte den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 06.11.2014 und ergänzend mündlich am 11.11.2014 zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin an. Mit Schreiben vom 12.11.2014 widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung mit der Begründung, die Klägerin sei mit anderen Sekretariatsmitarbeitern nicht vergleichbar, sie habe in dem Büro des Betriebsrates eine Vertrauensstellung inne, eine andere Besetzung führe zu einer Interessenkollision.



Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 21.11.2014, das der Klägerin am 24.11.2014 zugegangen ist, zum 31.07.2015.



Mit am 09.12.2014 bei dem Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz macht die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung geltend. Sie hat gemeint, dass die Kündigung rechtsunwirksam sei, da ihr Arbeitsplatz im Sekretariat des Betriebsrates nicht weggefallen sei.



Da die Stelle im Sekretariat des Betriebsrates eine Teilzeitstelle ist, sei es sinnvoll, diese weiterhin mit einer Teilzeitkraft zu besetzen. Alle Verwaltungsangestellten der verschiedenen Berufskollegs seien Vollzeitbeschäftigte. Eine Splittung der Beschäftigung würde eine Interessenkollision mit sich bringen, denn während die Assistentin des Betriebsrats disziplinarisch dem Betriebsratsvorsitzenden unterstellt sei, seien die Verwaltungskräfte des Berufskollegs dem zuständigen Schulleiter unterstellt.



Unter Berücksichtigung von zusätzlich zu erwartender Betriebsratstätigkeit der Betriebsratsmitglieder sowie der Ersatzmitglieder C. und Q. sei mit deren erhöhter Abwesenheit in den Sekretariaten zu rechnen. Die Abwesenheit von vier Verwaltungskräften ließe einen zusätzlichen Stellenmehrbedarf von 0,3 Stellen entstehen.



Die soziale Auswahl sei fehlerhaft von der Beklagten getroffen worden. Insoweit hat die Klägerin gemeint, dass sie allenfalls mit der Assistentin der Geschäftsführung K. vergleichbar sei, denn sie seien in ihren jeweiligen Bereichen beide besondere Vertrauenspersonen.



Die Unwirksamkeit der Kündigung ergebe sich auch daraus, dass die Beklagte gegenüber der Bundesagentur für Arbeit keine Massenentlassungsanzeige abgegeben hat. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung seien bei der Beklagten 118 Mitarbeiter beschäftigt gewesen. Bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl sei das laufende Schuljahr zugrunde zu legen. Die Beklagte habe mindestens 13 Kündigungen in dem gemäß § 17 Abs. 1 KSchG entscheidenden Zeitraum ausgesprochen. Neben den auch von der Beklagten vorgetragenen zwölf Kündigungen sei Herrn X. L. mit am 22.12.2014 zugegangenen Schreiben vom 19.12.2014 gekündigt worden. Insoweit hat die Klägerin behauptet, dass der Betriebsrat wegen der Kündigung des Herrn L. noch am 19.12.2014 auf Bitten des Arbeitgebers eine Sondersitzung einberufen habe, weil die Kündigung wegen der anstehenden Feiertage noch am selben Tag an den Arbeitnehmer L. geschickt habe werden sollen.



Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 21.11.2014 - zugegangen am 24.11.2014 - nicht aufgelöst worden ist, 2. die Beklagte zu verurteilen, sie im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als kaufmännische Angestellte weiter zu beschäftigen.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Sie hat behauptet, dass der Arbeitsplatz der Klägerin zwar durch die Schulschließungen nicht entfalle, jedoch habe ihre Stelle im Sekretariat des Betriebsrats mit einem sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmer besetzt werden müssen.



Bislang seien im Sekretariatsbereich 9 Stellen vorhanden gewesen. Aufgrund der Schließungen der Berufskollegs Ost und West zum 31.07.2015 entfielen zu diesem Zeitpunkt zwei Schulsekretariate mit insgesamt fünf Arbeitsplätzen. Es würden drei Vollzeitstellen als allgemeine Schulsekretariate, ein Sekretariat für Sonderaufgaben im Kontext der anstehenden Schließungen im Umfang von 50 % einer Vollzeitkraft sowie das Sekretariat des Betriebsrates mit 50 % einer Vollzeitkraft verbleiben.



Die drei Stellen der Schulsekretariate seien mit den Betriebsratsmitgliedern G.-M. und C. sowie dem Ersatzmitglied mit nachwirkenden Kündigungsschutz D. zu besetzen gewesen. Ebenfalls mit nachwirkendem Kündigungsschutz als ehemaliges Betriebsratsmitglied habe dem Arbeitnehmer Q. das Sekretariat für Sonderaufgaben zugewiesen werden müssen. Das Sekretariat des Betriebsrates sei Herrn O. zu übertragen gewesen, da dessen als Ersatzmitglied des Betriebsrates erworbener Sonderkündigungsschutz zu berücksichtigen gewesen sei. Andere Stellen hätten für eine Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht zur Verfügung gestanden.



Die Beklagte hat gemeint, dass die Sozialauswahl von ihr ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die Klägerin sei mit den anderen in den Sekretariaten tätigen Mitarbeitern vergleichbar. Die Sekretariatsarbeit für den Betriebsrat unterscheide sich nicht von den Sekretariatsarbeiten, die in ihrem Betrieb anfallen. Da die neben der Klägerin im Bereich Sekretariat tätigen Arbeitnehmerinnen G.-M. und C. Betriebsratsmitglieder sind, die Arbeitnehmer D. und O. tätig gewordene Ersatzmitglieder des Betriebsrats sind sowie der Arbeitnehmer Q. ehemaliges Betriebsratsmitglied ist, sei die Klägerin aufgrund des besonderen Kündigungsschutzes der zuvor Genannten am wenigsten sozial schutzwürdig gewesen. Diese Arbeitnehmer seien aufgrund Sonderkündigungsschutzes auf den verbleibenden Arbeitsplätzen zu beschäftigten.



Eine soziale Vergleichbarkeit der Klägerin mit der Assistentin der Geschäftsführung K. bestehe nicht, denn deren Aufgaben bestünden nicht nur aus rein administrativen Sekretariatsarbeiten. Die Aufgaben als Assistentin der Geschäftsleitung seien vielfältiger und anspruchsvoller.



Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass es einer Massenentlassungsanzeige nicht bedurft habe. Es seien zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs regelmäßig 131 Mitarbeiter beschäftigt gewesen. Es wird insoweit auf die Auflistung der Mitarbeiterzahlen auf den Seiten 3 und 4 des Schriftsatzes der Beklagten vom 24.04.2015 verwiesen. Für die Berechnung der Beschäftigtenzahl gemäß § 17 Abs. 1 KSchG sei nicht allein auf das laufende Schuljahr abzustellen gewesen. Soweit dem Wirtschaftsausschuss für den Monat November 2014 eine Beschäftigtenzahl von 118 Mitarbeitern mit einer Liste vorgelegt worden ist, sei in dieser die Arbeitnehmerzahl nach anderen Kriterien ermittelt worden. So seien einzelne Arbeitnehmer vergessen worden. Vier Beschäftigte, die im Rahmen einer konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung bei ihr dauerhaft tätig gewesen seien, seien nicht berücksichtigt worden.



Es seien lediglich zwölf Kündigungen im maßgeblichen Zeitraum ausgesprochen worden. Insbesondere sei Herrn L. die Kündigung vom 19.12.2014 nicht vor dem 30.12.2014 zugegangen. Ihr Personalreferent L. habe die Kündigung erst am 29.12.2014 in den hausinternen Versendungsservice gegeben. Die Frage des Zeitpunktes der Betriebsratsanhörung sei für die Frage des Zugangs der Kündigung irrelevant.



Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:



Die Kündigung der Klägerin sei gemäß § 1 Abs. 2 KSchG wegen dringender betrieblicher Erfordernisse gerechtfertigt. Es sei zwar nicht der konkret von der Klägerin wahrgenommene Arbeitsplatz beim Betriebsrat entfallen. Jedoch sei aufgrund der anstehenden Schließung von zwei Berufskollegs zum 31.07.2015 ein Überhang an Arbeitskräften im Sekretariat entstanden, der dazu führe, dass das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung der Klägerin mittelbar nicht mehr bestehe. Es sei von der durch die Beklagte vorgetragenen Personalsituation auszugehen, die zur Folge habe, dass wegen des Wegfalls der Schulsekretariate der Berufskollegs West und Ost insgesamt fünf Arbeitsplätze entfallen und damit nur noch drei Vollzeitarbeitsplätze bestehen bleiben sollen und mit 50 % das Sekretariat des Betriebsrates besetzt sein soll und ein weiteres Sekretariat mit ebenfalls 50 % für durch die Schließung entstehende Sonderaufgaben eingerichtet werden soll. Die von der Beklagten getroffene unternehmerische Entscheidung könne nicht als willkürlich angesehen werden, denn trotz des Wegfalls von fünf Arbeitsplätzen und damit dem Verbleib von vier Arbeitsplätzen in dem Sekretariatsbereich werden von der Beklagten fünf Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen für die Sekretariatsarbeiten vorgesehen.



Es liege auch in der Entscheidungsfreiheit der Beklagten, ob das Sekretariat des Betriebsrats mit einer Teilzeit- oder einer Vollzeitkraft besetzt wird. Interessenkollisionen seien nicht zu befürchten, denn die Stelle in dem Sekretariat der Beklagten wird mit einem tätig gewordenen Ersatzmitglied des Betriebsrats besetzt. Das Personalkonzept der Beklagten führe nicht wegen zu befürchtender erhöhter Abwesenheitszeiten der Betriebsratsmitglieder im Sekretariat zu überobligatorischer Mehrarbeit, denn die Arbeitnehmer sind bereits vor der Umsetzung als Betriebsratsmitglieder tätig gewesen. Die Durchführbarkeit des Personalkonzepts werde zusätzlich dadurch abgesichert, dass eine Arbeitskraft mehr eingesetzt wird, als bislang in den verbliebenen Sekretariaten tätig waren.



Die soziale Auswahl sei von der Beklagten richtig getroffen worden. Die Klägerin sei mit den anderen Beschäftigten im Sekretariat vergleichbar. Dem stehe § 1 ihres Arbeitsvertrages, nach dem sie als kaufmännische Angestellte für das Betriebsratsbüro angestellt ist, nicht entgegen, da sie gemäß § 6 ihres Arbeitsvertrages innerhalb des Unternehmens auf einen anderen, ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsplatz versetzt werden könne. Da alle von der Beklagten in den Sekretariaten weiterbeschäftigten fünf Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen Sonderkündigungsschutz besitzen, weil es sich um Betriebsratsmitglieder, ehemalige Betriebsratsmitglieder bzw. um tätig gewordene Ersatzmitglieder handelt, würden diese unter Berücksichtigung von § 15 KSchG aus der sozialen Auswahl ausscheiden.



Die Assistentin der Geschäftsführung K. habe gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG aus der sozialen Auswahl herausgenommen werden können, denn es habe auf Seiten des Arbeitgebers ein berechtigtes betriebliches Interesse daran bestanden, den Arbeitsplatz der Assistentin der Geschäftsführung weiterhin mit der Arbeitnehmerin K. zu besetzen, weil es sich hier um einen Arbeitsplatz handele, der mit einer besonderen Vertrauensstellung und Loyalität der Geschäftsführung gegenüber verbunden sei und die verbleibenden Arbeitnehmer demgegenüber sämtlich dem Betriebsrat angehören bzw. angehört haben.



Die Kündigung verstoße auch nicht wegen einer unterlassenen Anzeige gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG, denn bei der Beklagten seien nicht 10 % der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer entlassen worden.



Dies gelte auch, wenn 13 Kündigungen von der Beklagten ausgesprochen worden sein sollten. Die insoweit darlegungspflichtige Klägerin habe eine regelmäßige Beschäftigtenzahl bei der Beklagten von unter 131 nicht nachgewiesen. Sie habe nicht substantiiert dargelegt, dass bei der Beklagten regelmäßig nur 118 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Sie habe lediglich zu der Beschäftigtenzahl bei der Beklagten im November 2014 Stellung genommen. Auf die Beschäftigtenzahl in diesem Monat komme es aber nicht an. Die Beklagte habe demgegenüber unter Aufführung der Gesamtzahl der beschäftigten Arbeitnehmer im Zeitraum von November 2013 bis November 2014 dargelegt, dass durchschnittlich 131 Arbeitnehmer beschäftigt wurden. Die Bezugnahme auf ein Jahr führe zumindest dazu, dass saisonale Schwankungen unberücksichtigt bleiben, weil sowohl Spitzen als auch Einbrüche, die mit Jahreszeiten - oder im vorliegenden Fall mit Ferienzeiten - zusammenhängen können, ausgeglichen werden. Die Klägerin sei diesem Vortrag nicht substantiiert entgegen getreten.



Gegen das ihr am 29.06.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 08.07.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 26.08.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz im Wesentlichen wie folgt begründet:



Die Klägerin meint, dass die Beklagte nicht schlüssig zu dem betriebsbedingten Kündigungsgrund vorgetragen habe. Nur durch die Schließung des Berufskollegs Ost und West würden nicht zwangsläufig fünf Arbeitsplätze in dem Sekretariatsbereich entfallen. Auch werde nicht ersichtlich, in welchem Umfang Sonderaufgaben tatsächlich anfallen würden. Auch die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Eine Vergleichbarkeit mit den anderen kaufmännischen Mitarbeitern sei nicht gegeben. Diese folge nicht aus dem in ihrem Arbeitsvertrag befindlichen § 6. Auch wenn sie selbst an anderer Stelle in dem Betrieb versetzt werden könne, bedeute dies nicht, dass auch die nunmehr mit ihr verglichenen Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer arbeitsvertraglich zur Tätigkeit in dem Betriebsratsbüro verpflichtet seien. Sie sei nur mit der Assistentin der Geschäftsleitung K. vergleichbar. Diese könne nicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG aus der Sozialauswahl herausgenommen werden, denn auch sie selbst habe bei dem Betriebsrat eine Vertrauensstellung ausgeübt. Ob dieses Vertrauen gegenüber dem Betriebsrat oder der Geschäftsführung erbracht werde, spiele für die Sozialauswahl keine Rolle.



Mit der Berufungsbegründung verfolgt die Klägerin weiterhin die Auffassung, dass die Beklagte gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG eine Massenentlassungsanzeige gegenüber der Bundesagentur für Arbeit zu erstatten gehabt habe. Insoweit vertieft sie ihren Vortrag zu der Behauptung, dass nicht nur 12, sondern 13 Kündigungen in dem Zeitraum des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ausgesprochen worden seien, da die Kündigung des Arbeitnehmers L. diesem bereits am 22.12.2014 zugegangen sei.



Weiterhin vertritt sie die Auffassung, dass auch bei lediglich zwölf von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG auszusprechen gewesen sei. Für die Beurteilung der Beschäftigtenzahl sei nicht der Zeitraum vom 24.11.2013 bis 24.11.2014 maßgebend, sondern das laufende Schuljahr und somit die Zahlen ab September 2014. Hier sei von regelmäßig weniger als 120 Beschäftigten bei der Beklagten auszugehen. Die von der Beklagten für die Monate September 2014 bis einschließlich November 2014 als Anlagen B 1 bis 3 vorgelegten Listen mit jeweils 122, 124 und 125 Mitarbeitern seien nicht zutreffend. Frau S. X. könne wegen der von ihr bereits im August 2014 erklärten Kündigung nicht mitgezählt werden. Herr K. C. sei ebenfalls wegen seiner ab 01.06.2014 bestehenden Rente zu streichen. Die Arbeitnehmer I.-H. N. und B. I. seien nicht mitzuzählen, da sie in der passiven Phase der Altersteilzeit seien. Des Weiteren könnten die Leiharbeitnehmerinnen B. F.-X., J. L. und N. G. und der Leiharbeitnehmer B. I. keine Berücksichtigung finden. Richtigerweise sei in den Monaten September, Oktober und November 2014 von 115, 117 und 118 Arbeitnehmern auszugehen. Die Klägerin nimmt insoweit auf die von ihr mit Schriftsatz vom 26.02.2016 vorgelegte Mitarbeiterliste Bezug.



Die Entscheidungen des 1. und 2. Senates des Bundesarbeitsgerichts vom 18.10.2011 - 1 AZR 335/10 und vom 24.01.2013 - 2 AZR 140/12 könnten nicht dafür herangezogen werden, dass auch Leiharbeitnehmer im Rahmen der regelmäßigen Beschäftigtenzahl des § 17 Abs. 1 KSchG mitzuzählen seien. In beiden Entscheidungen seien zwar die Leiharbeitnehmer zur Ermittlung der maßgebenden Unternehmensgröße bei § 111 Satz 1 BetrVG und der Betriebsgröße bei § 23 Abs. 1 KSchG einbezogen worden. Maßgebend für die Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer sei jedoch der Schutzzweck der Norm. Dieser verlange bei der Ermittlung der Betriebsgröße gemäß § 17 Abs. 1 KSchG jedoch nicht die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern, denn dies würde hier dazu führen, dass durch die Mehrbeschäftigung von Leiharbeitnehmern die Prozentzahlen des § 17 Abs. 1 KSchG nicht mehr erreicht werden, obwohl die Leiharbeitnehmer nicht von den Entleihern gekündigt werden können und damit die Anzahl der Kündigungen nicht erhöht wird.



Die Klägerin beantragt unter Zurücknahme des Antrages zu 2 aus dem Schriftsatz vom 26.08.2015

das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 11.06.2015 - 1 Ca 3390/14 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 21.11.2014 - zugegangen am 24.11.2014 - nicht aufgelöst worden ist.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und trägt im Hinblick auf die Berufungsbegründung ergänzend im Wesentlichen wie folgt vor:



Die Beklagte meint, dass hinsichtlich des betriebsbedingten Kündigungsgrundes genügend dargelegt sei, dass sich das von ihr unterrichtete Schülervolumen in etwa halbiert habe und dass deswegen auch weniger Verwaltungsaufgaben anfallen würden. Der von ihr getroffenen Sozialauswahl könne eine Vergleichbarkeit der Klägerin mit der Assistentin der Geschäftsleitung K. nicht entgegengehalten werden, denn diese sei aufgrund ihrer Sozialdaten deutlich schutzwürdiger als die Klägerin. Nachdem von ihr angewendeten Punkteschema habe die Klägerin 84 Punkte und Frau K. 104 Punkte.



Eine Massenentlassungsanzeige sei gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG nicht erforderlich gewesen. Es sei lediglich von zwölf Kündigungen auszugehen. Die Beklagte nimmt hier auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug. Hinsichtlich der von ihr behaupteten Mitarbeiterzahlen legt die Beklagte mit Schriftsatz vom 13.01.2016 die Anlagen B1 - 3 vor, welche die von ihr mit Schriftsatz vom 24.04.2015 behaupteten Beschäftigtenzahlen bestätigen würden.



Entgegen der Ansicht der Klägerin sei Frau S. X. mitzuzählen, da sie im September 2014 aufgrund der Kündigung vom 28.08.2014 zum 30.09.2014 noch ihre Mitarbeiterin gewesen ist. Auch der Arbeitnehmer K. C. sei zu berücksichtigen gewesen, denn die ihm gewährte Erwerbsminderungsrente auf Zeit habe sein Arbeitsverhältnis nicht beendet. Für ihn sei auch kein Ersatzmitarbeiter eingestellt worden. Auch die Mitarbeiter I.-H. N. und B. I. seien mitzuzählen, denn in der Freistellungsphase der Altersteilzeit bestehe das Arbeitsverhältnis fort.



Bei der Ermittlung der Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG seien die Leiharbeitnehmer einzubeziehen. Die von der Klägerin vertretene Differenzierung bei der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern hinsichtlich der Betriebsgröße beachte nicht, dass Arbeitnehmerschutzrechte auch zugunsten von Leiharbeitnehmern zu berücksichtigen seien. Der Sinn und Zweck des § 17 KSchG bestehe darin, Massenentlassungen zu verhindern und der Arbeitsverwaltung die Möglichkeit zu geben, sich auf bevorstehende Entlassungen größeren Umfangs einzustellen. Maßgebend seien damit arbeitsmarktpolitische Zwecke und nicht in erster Linie der Schutz von Arbeitnehmern.



Auch der Entlassungsbegriff des § 17 Abs. 1 KSchG spreche für die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern. Entlassung sei jede Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, die von dem Arbeitnehmer nicht gewollt ist und ohne seine Zustimmung erfolgt. Da aber Entlassungen im Entleiherbetrieb ohne Weiteres auch eine Kündigung im Verleiherbetrieb nach sich ziehen können, werde es dem Gesetzeszweck auch gerecht, wenn die Arbeitsverwaltung über eine bevorstehende Entlassung von einer Vielzahl von Leiharbeitnehmern unterrichtet wird, um sich auf den sich daraus ggf. mittelbar ergebenden Beratungsbedarf vorbereiten zu können.



Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhaltes sowie des widerstreitenden Sachvortrages und der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



I.Die Berufung der Klägerin ist zulässig.



Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft im Sinne des § 64 Abs. 1, 2 ArbGG.



II.In der Sache hatte die Berufung Erfolg, denn die Kündigung vom 21.11.2014 wird das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beenden, da es an der gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG erforderlichen Massenentlassungsanzeige fehlt. Die Beklagte hat regelmäßig nicht mehr als 120 Arbeitnehmer gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG beschäftigt und unstreitig mindestens zwölf Kündigungen ausgesprochen. Es ist damit 10 % der Arbeitnehmer der Beklagten gekündigt worden.



Hat der Arbeitgeber eine nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Anzeige nicht erstattet, führt dies gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG in Verbindung mit § 134 BGB zur Unwirksamkeit der Beendigungskündigung. Die Regelung des § 17 Abs. 1 KSchG stellt ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB dar. Sie verwehrt es dem Arbeitgeber, Kündigungen auszusprechen, bevor er seine Anzeigepflicht erfüllt hat. Handelt er diesen Vorgaben zuwider, führt das zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. BAG vom 20.02.2014 - 2 AZR 346/12 in NZA 2014, 1069; BAG vom 21.03.2013 - 2 AZR 60/12 in NZA 2013, 966; BAG vom 22.11.2012 - 2 AZR 371/11 in NZA 2013, 845).



Die Beklagte hat nach ihren eigenen Angaben auf Seite 6 unten ihres Schriftsatzes vom 18.03.2015 ab dem 24.11.2014 in dem 30-Tages-Zeitraum des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG einschließlich der Kündigung der Klägerin bis zum 26.11.2014 zwölf Kündigungen ausgesprochen. Dies wäre nur dann nicht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG anzeigepflichtig gewesen, wenn die Beklagte mehr als 120 Arbeitnehmer beschäftigt. In diesem Fall wären zwölf Kündigungen ohne Massenentlassungsanzeige gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG möglich gewesen, denn 10 % von 121 Arbeitnehmern entspricht 13 Kündigungen, da prozentuale Ergebnisse immer aufzurunden sind (vgl. KR - Weigand § 17 KSchG Rdnr. 79).



1. Die Beklagte beschäftigt nicht mehr als 120 eigene Arbeitnehmer ohne die Leiharbeitnehmer.



a) Die Beurteilung der regelmäßigen, relevanten Beschäftigtenzahl ist für den Entlassungszeitpunkt vorzunehmen. Entlassungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung (vgl. BAG vom 13.07.2006 - 6 AZR 198/06 in NZA 2007, 25; BAG vom 06.07.2006 - 2 AZR 520/05 in NZA 2007, 266; BAG vom 23.03.2006 - 2 AZR 343/05 in NZA 2006, 971).



Die Feststellung der Betriebsgröße zum Entlassungszeitpunkt bedeutet aber nicht, dass lediglich darauf abgestellt werden könnte, wie viele Arbeitnehmer im Entlassungszeitpunkt in dem Betrieb mehr oder weniger zufällig beschäftigt sind. Entscheidend ist vielmehr, wie viele Arbeitnehmer in der Regel dem Betrieb angehören. Die in § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG maßgebliche Fragestellung ist diejenige nach den normalerweise und regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern. Es kommt darauf an, welche Personalstärke für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend ist, das heißt, welche Personalstärke der Betrieb bei seiner regelmäßigen Tätigkeit aufweist. Diese Feststellung hat zu erfolgen mit Hilfe eines Rückblicks auf die bisherige Beschäftigtenzahl und einer Einschätzung der künftigen Entwicklung (vgl. BAG vom 24.02.2005 - 2 AZR 207/04 in NZA 2005, 766; BAG vom 22.03.2001 - 8 AZR 565/00 in NZA 2002, 1349; BAG vom 13.04.2000 - 2 AZR 215/99 in NZA 2001, 144). Anhaltspunkte für die normale, regelmäßige Betriebsgröße können die Personalplanung und ein Stellenplan für den Betrieb sein (vgl. APS/Moll § 17 KSchG Rdnr. 20; KR - Weigand § 17 KSchG Rdnr. 44).



Ob ein Vergleichszeitraum von zwölf Monaten in der Vergangenheit sinnvoll sein kann, lässt sich kaum allgemein sagen, weil sich die normale, regelmäßige Arbeitnehmerzahl auf Grund von Entwicklungen und Maßnahmen ergeben kann, die kürzer als zwölf Monate zurückliegen (APS/Moll § 17 KSchG Rdnr. 20).



b) Nach den vorstehenden Kriterien waren bei der Beklagten im Zeitpunkt des am 24.11.2014 erfolgten Zugangs der Kündigung regelmäßig 120 eigene Arbeitnehmer beschäftigt.



Zwar waren bei der Beklagten im November 2014 nach der von ihr vorgelegten Anlage B3 ohne die vier Leiharbeitnehmer 121 Arbeitnehmer beschäftigt. Maßgebend für die Beurteilung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl ist jedoch nicht allein der Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung. Dies führt dazu, dass auch die vorhergehenden Monate September und Oktober 2014 zusätzlich zu berücksichtigen waren. Hier waren ohne die drei Leiharbeitnehmer im September 2014 119 und im Oktober 2014 ohne die vier Leiharbeitnehmer 120 Arbeitnehmer tätig. Zwar hat die Beklagte für den Monat September 2014 gemäß ihrer Auflistung auf Seite 3 ihres Schriftsatzes vom 24.04.2015 für den Monat September 2014 eine Arbeitnehmerzahl von 123 einschließlich der Leiharbeitnehmer angegeben. Diese Zahl wird durch die dann später mit Schriftsatz vom 12.01.2016 vorgelegte Anlage B1 jedoch nicht bestätigt, denn auf dieser werden nur 122 namentlich benannte Personen aufgeführt. Hierauf war die Beklagte mit Auflagenbeschluss vom 24.02.2016 hingewiesen worden. Ohne die drei Leiharbeitnehmer im September 2014 verblieben damit 119 Beschäftigte. Insgesamt ergibt sich für die Monate September 2014 bis einschließlich November 2014 ohne die Leiharbeitnehmer eine Mitarbeiteranzahl von durchschnittlich 120. Da die Beklagte unstreitig mindestens zwölf Kündigungen in dem Zeitraum von 30 Tagen ab dem 24.11.2014 ausgesprochen hatte, waren gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KSchG 10 % der Arbeitnehmer gekündigt worden.



Die von der Beklagten auf Seite 3 ihres Schriftsatzes vom 24.04.2015 vorgetragene Beschäftigtenzahlen für die vorherigen Monate ab dem 24.11.2013 konnten bei der Berechnung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl keine Berücksichtigung finden, denn es war - wie die Berufungskammer den Parteien mit gerichtlichem Hinweis vom 08.01.2016 mitgeteilt hatte - auf das neue Schuljahr 2014/2015 und dessen Verlauf und damit auf die Monate September 2014 bis einschließlich November 2014 abzustellen.



Die vorherigen Monate mit ihren höheren Beschäftigtenzahlen konnten für die Personalstärke der Beklagten nicht mehr im Allgemeinen kennzeichnend sein. Die Beklagte hatte selbst auf Seite 2 unten ihres Schriftsatzes vom 13.02.2015 darauf hingewiesen, dass wegen des endgültigen Auslaufens des deutschen Steinkohlebergbaus im Jahre 2018 festgestanden hat, dass die Anzahl der Bergbauberufsschüler fortlaufend geringer und schließlich vollkommen abnehmen wird. Sinkende Schülerzahlen haben jedoch einen rückläufigen Beschäftigungsbedarf zur Folge. Da die Schülerzahl zu Beginn des neuen Schuljahres und damit ab September 2014 festgestanden hat und sich daraus dann auch der Beschäftigungsbedarf für den Arbeitgeber in der mit den Anlagen B1 - B3 genannten Höhe ergeben hat, konnten nur diese Zahlen für die Berechnung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG zugrunde gelegt werden, denn die Beklagte trägt selbst mit ihrem Schriftsatz vom 13.02.2015 dauerhaft rückläufige Schülerzahlen vor, die wegen des schließlich dann im Jahre 2018 auslaufenden Steinkohlenbergbaus nach ihrer eigenen Einschätzung auch nie wieder ansteigen werden. Dies hat zur Folge, dass auch nie wieder ein höherer Beschäftigungsbedarf, welcher die Monate September 2014 bis einschließlich November 2014 übersteigen könnte, in Zukunft entstehen wird.



2. Die regelmäßige Beschäftigtenzahl der Beklagten im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG überschreitet in den Monaten September bis einschließlich November 2014 nicht deswegen die Anzahl von 120 Mitarbeitern, weil im September 2014 drei Leiharbeitnehmer und in den Monaten Oktober und November 2014 jeweils vier Leiharbeitnehmer bei der Beklagten eingesetzt waren.



a) Zwar haben der 1. Senat, der 2. Senat und der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts bei verschiedenen Schwellenwerten entschieden, dass bei der Beschäftigtenzahl die von dem Arbeitgeber eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind. So hat der 2. Senat entschieden, dass bei der Bestimmung der Betriebsgröße im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer einzubeziehen sind, wenn ihr Einsatz auf einem in der Regel vorhandenen Personalbedarf beruht (vgl. BAG vom 24.01.2013 - 2 AZR 140/12 in NZA 2013, 726). Der 1. Senat hat entschieden, dass bei der Ermittlung der maßgeblichen Unternehmensgröße in § 111 Satz 1 BetrVG Leiharbeitnehmer, die länger als drei Monate im Unternehmen eingesetzt sind, mitzuzählen sind (vgl. BAG vom 18.10.2011 - 1 AZR 335/10 in NZA 2012, 221). Der 7. Senat hat entschieden, dass im Entleiherbetrieb regelmäßig beschäftigte Leiharbeitnehmer bei der Größe des Betriebsrates gemäß § 9 Satz 1 BetrVG grundsätzlich zu berücksichtigten sind (vgl. BAG vom 13.03.2013 - 7 ABR 69/11 in NZA 2013, 789) und dass auf Stammarbeitsplätzen eingesetzte wahlberechtigte Leiharbeitnehmer bei dem für das Wahlverfahren maßgeblichen Schwellenwert des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG mitzuzählen sind (vgl. BAG vom 04.11.2015 - 7 ABR 42/13 in NZA 2016, 559).



Sämtliche der aufgeführten Entscheidungen lassen sich auf die hier zu entscheidende Frage, ob Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG mitzurechnen sind, aber nicht übertragen (vgl. gegen die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der regelmäßigen Beschäftigtenzahl des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG: ErfK/Kiel § 17 KSchG Rdnr. 6; KR - Weigand § 17 KSchG Rdnr. 44; Dornbusch/Fischermeier/Löwisch - Leschnig § 17 KSchG Rdnr. 9; Bader/Bram - Suckow § 17 KSchG Rdnr. 26; Kittner/Däubler - Deinert § 17 KSchG Rdnr. 12; Haas in NZA 2013, 294; Haufe Praxiskommentar zum KSchG - Lembke/Oberwinter § 17 KSchG Rdnr. 60; Lembke/Ludwig in FA 2015, 350. Für eine Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der regelmäßigen Beschäftigtenzahl des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG demgegenüber: APS - Moll § 17 KSchG Rdnr. 18a; NK-GA/Boemke § 17 KSchG Rdnr. 29; Fuhlrott/Fabritius in NZA 2014, 122).



§ 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG spricht von "Arbeitnehmern". Dies lässt sowohl ein Verständnis zu, wonach es sich um "eigene" Arbeitnehmer des Betriebsinhabers handeln muss, als auch ein solches, demzufolge sämtliche Arbeitnehmer zählen, die in den Betrieb eingegliedert und dort in Weisungsabhängigkeit vom Betriebsinhaber tätig sind, unabhängig davon, ob sie zum Betriebsinhaber selbst in einem Arbeitsverhältnis stehen (vgl. BAG vom 24.01.2013 - 2 AZR 140/12 a.a.O.). Wäre das zuletzt genannte Verständnis zutreffend, wären "in der Regel beschäftigte" Leiharbeitnehmer mitzuzählen. Auch diese sind Arbeitnehmer, sind in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und dort diesem gegenüber weisungsgebunden tätig (vgl. BAG vom 24.01.2013 - 2 AZR 140/12 a.a.O.; BAG vom 18.10.2011 - 1 AZR 335/10 a.a.O.; BAG vom 28.06.2000 - 7 AZR 45/99 in BB 2001, 98).



Die Entscheidungen des 1., 2. und 7. Senates des Bundesarbeitsgerichts sind nicht allgemein übertragbar, da sie darauf beruhen, dass der Wortlaut der jeweiligen Schwellenwertregelung anhand des Sinnes und Zweckes des jeweiligen Schwellenwertes ausgelegt worden ist (vgl. BAG vom 04.11.2015 - 7 ABR 42/13 a.a.O. Rdnr. 29; BAG vom 13.03.2013 - 7 ABR 69/11 a.a.O. Rdnr. 21 und 29; BAG vom 24.01.2013 - 2 AZR 140/12 a.a.O. Rdnr. 20; BAG vom 18.10.2011 - 1 AZR 335/10 a.a.O. Rdnr. 17). Der Sinn der jeweiligen Schwellenwertregelungen, welche von dem 1., 2. und 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts in den oben genannten Entscheidungen geprüft worden sind, sprach dafür, dass Leiharbeitnehmer bei der regelmäßigen Beschäftigtenzahl mitzuzählen waren. Ein bestimmter vom Gesetzgeber innerhalb eines Gesetzeswerkes verwandter Begriff kann im jeweiligen Regelungszusammenhang aber unterschiedliche Bedeutung haben (vgl. BAG vom 04.11.2015 - 7 ABR 42/13 a.a.O. Rdnr. 29; BAG vom 24.01.2013 - 2 AZR 140/12 a.a.O. Rdnr. 14; BAG vom 18.10.2011 - 1 AZR 335/10 a.a.O. Rdnr. 19). Die Frage, ob Leiharbeitnehmer bei den Schwellenwerten zu berücksichtigen sind, lässt sich damit nicht allgemein, sondern nur bezogen auf den jeweiligen Schwellenwert und seines Regelungssinnes und Regelungszweckes entscheiden (vgl. BAG vom 04.11.2015 - 7 ABR 42/13 a.a.O. Rdnr. 30).



b) Der Sinn und Zweck des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG spricht nicht dafür, dass Leiharbeitnehmer bei der regelmäßigen Beschäftigtenzahl mitzuzählen sind.



aa) § 17 KSchG verfolgt in erster Linie arbeitsmarktpolitische Ziele. Die Bundesagentur für Arbeit soll in die Lage versetzt werden, Massenentlassungen zu verhindern oder sich rechtzeitig auf bevorstehende Entlassungen größeren Umfangs einzustellen. Ihr soll die Möglichkeit eröffnet werden, frühzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens zur Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarktes einzuleiten, indem sie für anderweitige Beschäftigungen oder für Umschulungen der zu Entlassenden sorgt (vgl. BAG vom 20.01.2016 - 6 AZR 601/14 in NZA 2016, 490; BAG vom 21.03.2013 - 2 AZR 60/12 in NZA 2013, 966; BAG vom 28.06.2012 - 6 AZR 780/10 in NZA 2012, 1029; BAG vom 18.01.2012 - 6 AZR 407/10 in NZA 2012, 817).



§ 17 KSchG bezweckt aber auch den individualrechtlichen Schutz des Arbeitnehmers vor dem Ausspruch einer Kündigung. Denn mit § 17 KSchG wird die Massenentlassungsrichtlinie 98/95/EG vom 20.07.1998 umgesetzt. Diese will aber unter anderem auch den individualrechtlichen Schutz der Arbeitnehmer im Falle von Entlassungen wahren (vgl. BAG vom 21.03.2013 - 2 AZR 60/12 in NZA 2013, 966; BAG vom 11.03.1999 - 2 AZR 461/98 in NZA 1999, 761; EuGH vom 12.10.2004 C-55/02 in NZA 2004, 1265; EuGH vom 17.12.1998 C-250/97 in Slg. 1998, 8737; APS/Moll § 17 KSchG Rdnr. 12; ErfK/Kiel § 17 KSchG Rdnr. 2).



Darüber hinaus hat § 17 KSchG auch einen betriebsverfassungsrechtlichen Schutzzweck, in dem er mit § 17 Abs. 2 KSchG und dem dort geregelten Konsultationsverfahren auch die Mitwirkung des Betriebsrates absichert (vgl. APS/Moll § 17 KSchG Rdnr. 11; ErfK/Kiel § 17 KSchG Rdnr. 4).



bb) Die unter aa) beschriebenen Schutzzwecke des § 17 KSchG führen dazu, dass unter den Arbeitnehmerbegriff des § 17 KSchG nur die eigenen Arbeitnehmer des Arbeitgebers und nicht die zusätzlich beschäftigten Leiharbeitnehmer fallen können.



Der arbeitsmarktpolitische Zweck, die Arbeitsverwaltung durch die Anzeige der beabsichtigten Entlassungen in die Lage zu versetzen, sich auf die zu treffenden Maßnahmen vorzubereiten, gebietet nicht die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern. Denn es ist nicht abzusehen, dass es bei einer Entlassungswelle im Entleiherbetrieb überhaupt zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Leiharbeitnehmers mit dem Verleiher kommt. Selbst wenn im Rahmen des Stellenabbaus bei dem Entleiher der Einsatz von Leiharbeitnehmern beendet wird, besteht der Arbeitsvertrag zum Verleiher fort und kann nicht ohne weiteres vom Verleiher betriebsbedingt gekündigt werden, da es gerade zu dem Betriebsrisiko des Verleihers gehört, für den Leiharbeitnehmer neue Einsatzmöglichkeiten zu finden (vgl. BAG vom 18.05.2006 - 2 AZR 412/05 in DB 2006, 1962). Der Leiharbeitnehmer gehört also nicht zu der von der Arbeitsverwaltung demnächst zu betreuenden Gruppe der zu entlassenden Arbeitnehmer.



Da der Arbeitsvertrag des Leiharbeitnehmers mit dem Verleiher nicht zwingend wegen der Entlassungen bei dem Entleiher beendet wird und bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auch nicht ohne weiteres beendet werden kann, erfordert auch der individualrechtliche Schutzzweck des § 17 Abs. 1 KSchG, den Schutz des einzelnen Arbeitnehmers bei Massenentlassungen zu verstärken, nicht die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern im Rahmen der Zahlenstaffel des § 17 Abs. 1 KSchG.



Auch der dritte betriebsverfassungsrechtliche Schutzzweck des § 17 KSchG, die Einbindung der Arbeitnehmervertreter im Falle weitreichender Personalmaßnahmen sicherzustellen, damit sie die Möglichkeiten der Vermeidung oder Abmilderung von Entlassungen mit dem Arbeitgeber erörtern können, führt zu keinem anderem Ergebnis. Die Entlassung im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie zielt gemäß Art. 1 Abs. 1 letzter Abs. RL 98/95 EG auf die Beendigung des Arbeitsvertrages des betroffenen Arbeitnehmers ab. Bei Entlassungen im Entleiherbetrieb kommt es aber selbst dann nicht zu einer Beendigung des Arbeitsvertrages des Leiharbeitnehmers, wenn der Personalabbau die Beendigung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern im Entleiherbetrieb zur Folge hat. Die Arbeitnehmervertreter im Entleiherbetrieb müssen daher im Hinblick auf die Leiharbeitnehmer nicht die Möglichkeiten der Vermeidung oder Abmilderung von Entlassungen mit dem Entleiher beraten. Dementsprechend ist der Entleiherbetriebsrat in wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht für die Aufstellung eines Sozialplans zugunsten der Leiharbeitnehmer zuständig.



Auch eine differenzierte Betrachtungsweise, wonach die Leiharbeitnehmer nur bei der Betriebsgröße des Entleiherbetriebes, nicht hingegen bei der Zahl der Entlassungen berücksichtigt werden, überzeugt nicht. Denn je größer der Betrieb ist, desto höher muss die Zahl der Entlassungen sein, damit die Pflichten des § 17 KSchG ausgelöst werden. Würde man Leiharbeitnehmer bei der Entleiherbetriebsgröße mitzählen, aber bei den Entlassungen nicht, würde das letztlich dem Schutzzweck des § 17 KSchG widersprechen.



III.Als unterliegende Partei hat die Beklagte gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 525, 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreites zu 3/4 zu tragen. Soweit die Klägerin in dem Kammertermin vom 08.09.2016 die Berufung wegen des Beschäftigungsantrages zurückgenommen hat, hat sie 1/4 der Kosten des Rechtsstreites gemäß § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG zu tragen.



IV.Die Revision an das Bundesarbeitsgericht war für die Beklagte gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG mit Blick auf die grundsätzliche Bedeutung der dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Frage, ob Leiharbeitnehmer bei der regelmäßigen Beschäftigtenzahl des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG mitzuzählen sind, zuzulassen.

Höwe
lmeyer
Franzen
Diederich

Vorschriften§ 17 Abs. 1 KSchG, § 1 Abs. 2 KSchG, § 15 KSchG, § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG, § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 111 Satz 1 BetrVG, § 23 Abs. 1 KSchG, § 17 KSchG, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, § 64 Abs. 1, 2 ArbGG, § 134 BGB, § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG, § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KSchG, § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG, § 9 Satz 1 BetrVG, § 9 Abs. 1, Abs. 2 MitbestG, § 17 Abs. 2 KSchG, Art. 1 Abs. 1 letzter Abs. RL 98/95 EG, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 525, 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG

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