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06.10.2016 · IWW-Abrufnummer 189067

Oberlandesgericht Saarbrücken: Urteil vom 10.02.2016 – 5 U 75/14

Redaktioneller Leitsatz:

1. Die Klausel der AKB, nach der ein Versicherungsnehmer den Unfallort nicht verlassen darf, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, verkörpert aus der Sicht eines durchschnittlichen verständigen Versicherungsnehmers keine über die strafrechtlichen Pflichten nach § 142 StGB hinausgehenden Obliegenheiten.

2. Der Versicherer, der sich auf Leistungsfreiheit wegen unerlaubten Entfernens beruft, muss beweisen, dass der Versicherungsnehmer keine hinreichende Zeit an der Unfallstelle verblieben ist, und dass er den Geschädigten nicht rechtzeitig unterrichtet hat.

3. Irrtümer des Versicherungsnehmers über den Geschädigten können ihn entlasten.

4. Nicht jedes unerlaubte Entfernen vom Unfallort ist arglistig.


In dem Rechtsstreit

F.S.,H. 18, 66424 H.

Kläger und Berufungskläger,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte , E.

...straße 47, 66474 H.

g e g e n

H.C. Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand Dr. W.W., B. 1, 96442 C.,

Beklagte und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte , S. 26, 66111 S.

wegen Ansprüchen aus Kraftfahrtversicherungsvertrag

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts

auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2016

unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Müller und des Richters am Oberlandesgericht Reichel

für R e c h t erkannt

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3.11.2014 - 14 O 86/14 - wie folgt abgeändert.

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.900 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, dem Kläger wegen des Schadenereignisses vom 7.1.2014 auf der BAB 8 bei der Anschlussstelle Limbach in der Kraftfahrzeug-Haftpflicht (KH) Versicherungsschutz zu versagen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.400 € festgesetzt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Kraftfahrtversicherung.

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Kraftfahrtversicherung (Vers.schein-Nr.:,Bl. 8 d.A.) für sein Fahrzeug Seat, amtliches Kennzeichen 888, bestehend aus einer Kfz-Haftpflichtversicherung und einer Vollkaskoversicherung.

Unter Buchst. E. der dem Vertrag zu Grunde gelegten Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) - Stand 1.1.2014 - (im Folgenden: AKB 2014, Bl. 11 d.A.) sind Pflichten des Versicherungsnehmers im Schadensfall und die Folgen ihrer Verletzung geregelt:

"E.1 Bei allen Versicherungsarten

Pflicht zur Anzeige des Schadenereignisses

E.1.1 Sie sind verpflichtet, uns jedes Schadenereignis, das zu einer Leistung durch uns führen kann, innerhalb einer Woche in Textform ... anzuzeigen. ...

E.1.2 Ermittelt die Polizei, die Staatsanwaltschaft oder eine andere Behörde im Zusammenhang mit dem Schadenereignis, sind Sie verpflichtet, uns dies unverzüglich anzuzeigen, auch wenn Sie uns das Schadenereignis bereits gemeldet haben.

Aufklärungspflicht

E.1.3 Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadens dienen kann. Dies bedeutet insbesondere, dass Sie unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses und des Schadenumfangs wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen und den Unfallort nicht verlassen dürfen, ohne die erforderlichen Feststellungen (z.B. zum Alkohol- oder Drogenkonsum des Unfallfahrers) zu ermöglichen.

Sie müssen unsere Weisungen befolgen, soweit Ihnen dies zumutbar ist.

[...]

E.7 Welche Folgen hat eine Verletzung dieser Pflichten?

Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung

E.7.1 Verletzen Sie vorsätzlich eine Ihrer in E.1 bis E.6 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. Verletzen Sie Ihre Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Weisen Sie nach, dass Sie die Pflicht nicht grob fahrlässig verletzt haben, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.

E.6.2 Abweichend von E.7.1 sind wir zur Leistung verpflichtet, soweit Sie nachweisen, dass die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang unserer Leistungspflicht ursächlich war. Dies gilt nicht, wenn Sie die Pflicht arglistig verletzen.

[...]"

Der Kläger verlangt eine Vollkaskoentschädigung in Höhe von 4.900 € wegen eines Unfallschadens vom 17.1.2014. Er verlangt außerdem die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, ihm wegen dieses Schadenereignisses den Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung zu versagen.

Am 17.1.2014 befuhr der Kläger gegen 3 Uhr nachts die BAB 8, als er zwischen den Anschlussstellen Limbach und Einöd gegen die Leitplanke fuhr. Ursache und Hergang des Unfallereignisses sind zwischen den Parteien streitig. Ausweislich der beigezogenen Ermittlungsakten (Az.: 34001260 des Landesverwaltungsamts Saarland, Zentrale Bußgeldbehörde) informierte ein Zeuge gegen 4.05 Uhr über Notruf die Polizei, die den PKW des Klägers ungesichert auf dem rechten Fahrstreifen stehend vorfand. Nach den Feststellungen des Polizeibeamten war die Beleuchtung des Fahrzeugs eingeschaltet, der Zündschlüssel steckte, der Motor lief und der Wagenheber war angebracht. Das Fahrzeug wies über die gesamte rechte Fahrzeugseite Beschädigungen auf, die Mittelschutzplanke war eingeknickt. Der Kläger befand sich weder an der Unfallstelle, noch konnte er von den Polizeibeamten um 4.30 Uhr und um 8.45 Uhr unter seiner Wohnanschrift angetroffen werden.

Mit an die Polizeiinspektion H. gerichtetem Schreiben vom 22.1.2014 (Bl. 32 EA) meldete der Landesbetrieb für Straßenbau den am 17.1.2014 "im Zuge der Straßenunterhaltung" festgestellten Schaden an der Mittelschutzplanke, bezifferte diesen auf ca. 350 € und stellte - falls der Schädiger unbekannt ist - Strafanzeige gegen "UNBEKANNT".

Das gegen den Kläger wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort eingeleitete Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken mit Verfügung vom 3.2.2014 - 68 Js 129/14 - gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein (Bl. 36 d.EA.).

Mit Schreiben vom 25.3.2014 entzog die Beklagte dem Kläger für die Haftpflichtversicherung den Versicherungsschutz bis zu einem Betrag von 2.500 € und verweigerte Zahlungen aus der Kaskoversicherung mit der Begründung, der Kläger habe sich unerlaubt von der Unfallstelle entfernt und damit vorsätzlich seine Aufklärungspflicht verletzt. Das von der Beklagten zuvor eingeholte Gutachten der DEKRA vom 6.2.2014 hatte einen Wiederbeschaffungswert von 5.800 € und einen Restwert von 600 € ergeben.

Der Kläger hat behauptet, in der Unfallnacht einem Tier, vermutlich einem Reh, ausgewichen und bei dem Ausweichmanöver in die Leitplanken geraten zu sein. Nach dem Unfall habe er vergeblich versucht, den ADAC Abschleppdienst zu erreichen. Nachdem in einem Zeitraum von mehr als einer halben Stunde kein "potentieller Helfer" an der Unfallstelle vorbei gekommen sei, habe er einen Freund angerufen, der ihn abgeholt habe. Den Schaden an der Leitplanke habe er am nächsten Morgen um 8:00 Uhr bei dem Straßenbauamt gemeldet. Eine Unfallflucht könne ihm deshalb nicht vorgeworfen werden.

Der Kläger hat beantragt,

1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.900 € nebst fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit, sowie vorgerichtliche entstandene Anwaltskosten in Höhe von 729,23 € zu zahlen;

2) festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, dem Kläger wegen des Schadenereignisses vom 7.1.2014 auf der BAB 8 bei der Anschlussstelle Limbach in der Kraftfahrzeug-Haftpflicht (KH) Versicherungsschutz zu versagen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat dem Kläger nicht nur eine vorsätzliche Unfallflucht, sondern auch ein arglistiges Vorgehen vorgeworfen. Nach der in den Bedingungen geregelten Aufklärungspflicht sei er verpflichtet gewesen, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadensfalles dienlich sein kann. Hierzu habe auch das Verbleiben an der Unfallstelle gehört, bis Feststellungen zu seiner Person und seiner Unfallbeteiligung getroffen worden sind. Um entsprechende Feststellungen - insbesondere auch zu seiner Fahrtüchtigkeit - zu vermeiden, habe der Kläger stattdessen weder unmittelbar nach dem Unfall die Polizei verständigt, noch sich von der Unfallstelle nachhause begeben.

Der Kläger hat das Bestehen einer zeitlich nicht begrenzten Wartepflicht in Zweifel gezogen. Bei "nächtlichen" Sachschäden genüge grundsätzlich eine Meldung am nächsten Morgen. Eine Meldung bei der Polizei sei grundsätzlich erst dann erforderlich, wenn der Geschädigte nicht mehr innerhalb der gebotenen Zeit informiert werden könne. Für die - rechtzeitige - Meldung hat der Kläger die Einholung einer Auskunft des zuständigen Bauamtes beantragt.

Mit dem am 3.11.2014 verkündeten Urteil (Bl. 70 d.A.)hat das Landgericht Saarbrücken die Klage nach persönlicher Anhörung des Klägers (Bl. 65 d.A.) abgewiesen, weil die Beklagte wegen vorsätzlicher Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten leistungsfrei sei. Selbst wenn man auf der Grundlage der Angaben des Klägers von dem Ablauf einer angemessenen Wartefrist ausgehen wolle, habe dieser zumindest vorsätzlich den Tatbestand des § 142 Abs. 2 StGB verwirklicht. Es fehle schon an schlüssigem Vorbringen dazu, dass der Kläger seiner nachträglichen Feststellungspflicht in geeigneter Weise nachgekommen wäre. Dessen ungeachtet könne dem Kläger nicht geglaubt werden, dass es das behauptete Telefonat um 8:00 Uhr morgens überhaupt gegeben habe. Vielmehr ließen sowohl der Ablauf der Ereignisse als auch das Ergebnis der persönlichen Anhörung des Klägers nur den Schluss zu, dass sich dieser durch sein Verhalten nach dem Unfall jeglicher - im Interesse des Geschädigten wie im übrigen auch der Beklagten liegenden - Feststellungen zu seiner Person bewusst und gezielt entzogen habe. So habe der Kläger nicht nachvollziehbar erklären können, aus welchen Gründen er einen Anruf bei der Polizei unterlassen, das Fahrzeug mit laufendem Motor zurückgelassen und sich auch im Laufe des nächsten Morgens nicht um den Verbleib des Fahrzeugs gekümmert hat. Hinzu komme, dass das Beschädigungsbild typischerweise auf einen Fahrfehler des Klägers hindeute. Mit Blick auf diese Ungereimtheiten hat das Landgericht die Überzeugung gewonnen, dass sich der Kläger nach dem Unfall bewusst und zielgerichtet verborgen gehalten habe, um der Polizei und anderen feststellungsbereiten Personen zu entgehen und damit etwaige Feststellungen zum Unfall, insbesondere zu seiner Fahrtüchtigkeit, zu vereiteln. Das Verhalten des Klägers erfülle nicht nur den Tatbestand der Unfallflucht, sondern begründe auch eine eigenständige Verletzung der in den Bedingungen vorgesehenen Aufklärungspflicht. Den Kausalitätsgegenbeweis gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG hat das Landgericht als nicht geführt angesehen. Davon abgesehen, dass nicht mit Gewissheit feststehe, dass die Beklagte bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Aufklärungsobliegenheit nicht weitergehende Erkenntnisse über den Umfang ihrer Eintrittspflicht gewonnen hätte, sei dem Kläger die Berufung auf den Kausalitätsgegenbeweis hier schon gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG versagt, weil er die Aufklärungspflicht nicht nur vorsätzlich, sondern arglistig verletzt habe.

Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.

Der Kläger hat Berufung eingelegt. Das Landgericht habe die Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers überdehnt. Diese könne nicht weiter gehen als der strafrechtliche Tatbestand der Unfallflucht. Eine Pflicht, sich der Polizei zu stellen, bestehe nicht. Das Landgericht habe ferner verkannt, dass den Versicherer die volle Beweislast für die Verletzung einer Obliegenheit treffe. Dessen ungeachtet habe es nicht davon ausgehen dürfen, der Kläger habe den Schaden nicht gemeldet, ohne den von diesem angebotenen Beweis zu erheben. Da es mithin schon an einer Obliegenheitsverletzung fehle, komme es auf die vorliegend ohnehin fehlende Kausalität nicht mehr an.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 3.11.2014

1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.900 € nebst fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit, sowie vorgerichtliche entstandene Anwaltskosten in Höhe von 729,23 € zu zahlen;

2) festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, dem Kläger wegen des Schadenereignisses vom 7.1.2014 auf der BAB 8 bei der Anschlussstelle Limbach in der Kraftfahrzeug-Haftpflicht (KH) Versicherungsschutz zu versagen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

B.

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aufgrund der zwischen den Parteien abgeschlossenen Fahrzeugvollversicherung einen Anspruch auf Zahlung der - auf der Grundlage eines von der Beklagten eingeholten Gutachtens bezifferten und von dieser auch der Höhe nach nicht bestrittenen - Entschädigung (Buchst. A.2 AKB 201). Auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens hat die Berufung des Klägers Erfolg.

I.

Dass der Versicherungsfall im Sinne des Buchst. A.2.3 AKB 2014 eingetreten ist, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Die Beklagte ist nicht gemäß § 28 Abs. 2 VVG, Buchst. E.7.1 AKB 2014 leistungsfrei. Sie hat nicht bewiesen, dass der Kläger durch das Verlassen des Unfallorts seine Aufklärungsobliegenheiten - vorsätzlich oder grob fahrlässig - verletzt hat. Soweit eine Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen nachträglichen Ermöglichung von Feststellungen im Raum steht, hat der Kläger jedenfalls den Kausalitätsgegenbeweis gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG geführt.

1.

Nach Buchst. E.1.3 AKB 2014 ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann; insbesondere darf er den Unfallort nicht verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen (vor allem zum Fahrer des Fahrzeugs, zum Unfallhergang oder zum Alkohol- oder Drogenkonsum des Fahrers) zu ermöglichen.

a)

Zu den früheren Fassungen der AKB war anerkannt, dass die vertragliche Obliegenheit, "alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestands und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann", auch die in § 142 StGB strafrechtlich sanktionierten Rechtspflichten umfasste (BGH, Urt. v. 1.12.1999 - IV ZR 71/99 - VersR 2000, 222; Senat, Urt. v. 28.1.2009 - 5 U 424/08 - VersR 2009, 1355 [OLG Saarbrücken 28.01.2009 - 5 U 424/08-53]). Die Vorschrift des § 142 StGB sanktioniert das Verhalten eines Unfallbeteiligten, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen (§ 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Gemäß § 142 Abs. 2 StGB wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich zwar nach Ablauf einer angemessenen Wartezeit (§ 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB) oder berechtigt oder entschuldigt (§ 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB) vom Unfallort entfernt, die Feststellungen jedoch nicht unverzüglich nachträglich durch ein den Anforderungen des § 142 Abs. 3 StGB genügendes Verhalten ermöglicht hat.

Die Strafvorschrift entfaltet einen Schutzreflex für das Aufklärungsinteresse des Kraftfahrzeugversicherers, weil das Ergebnis polizeilicher Ermittlungen mittelbar auch diesem zugutekommt (BGH, Urt. v. 15.4.1987 - IVa ZR 28/86 - VersR 1987, 657). Dass mit der Verletzung der in § 142 Abs. 1 und 2 StGB geregelten Pflichten der Leistungsanspruch gegen den Versicherer gefährdet sein kann, muss sich dem Versicherungsnehmer schon deshalb aufdrängen, weil er um dessen Interesse an der vollständigen Aufklärung des Unfallhergangs und der Unfallursachen weiß und sich bewusst ist, dass er es mit dem Verlassen des Unfallorts nachhaltig beeinträchtigt. Die Obliegenheit besteht auch bei eindeutiger Haftungslage (BGH, Urt. v. 1.12.1999 - IV ZR 71/99 - VersR 2000, 222). Denn in der Kaskoversicherung geht es stets auch darum, zu prüfen, ob der Versicherer (teilweise) gemäß § 81 VVG leistungsfrei ist, weil eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit den Unfall verursacht hat (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.2012 - IV ZR 97/11 - VersR 2013, 175; BGH, Urt. v. 1.12.1999 - IV ZR 71/99 - VersR 2000, 222; Senat, Urt. v. 28.1.2009 - 5 U 424/08 - VersR 2009, 1355 [OLG Saarbrücken 28.01.2009 - 5 U 424/08-53]; OLG Celle, Schaden-Praxis 2010, 118; OLG Oldenburg, VersR 1996, 746; siehe auch Kreuter-Lange in Halm/Kreuter/Schwab, AKB, 2010, Rdn. 2008).

Unter der früheren Bedingungslage stellte das bloße Verlassen der Unfallstelle dabei allerdings nur dann eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung und in der Kfz-Haftpflichtversicherung dar, wenn dadurch der objektive und subjektive Tatbestand des § 142 StGB erfüllt wurde (BGH, Urt. v. 1.12.1999 - IV ZR 71/99 - VersR 2000, 222).

b)

Dass die für den Vertrag der Parteien geltenden AKB die allgemeine, durch § 142 Abs. 1 und 2 StGB geprägte Aufklärungsobliegenheit nunmehr selbst ausdrücklich durch eine eigenständige Aufklärungsobliegenheit konkretisieren, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, rückt das - bislang nur reflexhaft über § 142 StGB geschützte - eigene Aufklärungsinteresse des Versicherers in den Mittelpunkt und macht den früher erforderlichen Rückgriff auf das Strafgesetzbuch an sich entbehrlich (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, E.1 AKB 2008 Rdn. 21).

Ob und inwieweit das versicherungsvertragliche Verbot der "Unfallflucht" mit einer Verschärfung der an das Verhalten des Versicherungsnehmer zu stellenden Anforderungen verbunden ist (so wohl OLG Stuttgart, ZfS 2015, 96; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, E.1 AKB 2008 Rdn. 21), ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Eine generelle Erweiterung der Aufklärungsobliegenheiten kann der versicherungsvertraglichen Regelung auch im Wege der Auslegung nicht entnommen werden. Sie stünde auch mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Einklang.

aa)

Die in den Bedingungen formulierte Obliegenheit, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen (z.B. zum Alkohol- oder Drogenkonsum des Unfallfahrers) zu ermöglichen, geht ihrem Wortlaut nach über die strafrechtlich sanktionierten Pflichten - weit - hinaus. Sie macht außerdem deutlich, dass Feststellungen - anders als in § 142 StGB - nicht nur zu Gunsten anderer "Unfallbeteiligter" und "Geschädigter", sondern zur Feststellung des Versicherungsfalls und der Leistungspflicht des Versicherers und dabei insbesondere auch hinsichtlich der Fahrtüchtigkeit des Versicherungsnehmers zu ermöglichen sind (vgl. Rixecker, Anm. zu OLG Naumburg, Urt. v. 21.6.2012 - 4 U 85/11 - ZfS 2012, 697).

Allerdings bleibt unklar, was genau von einem Versicherungsnehmer nach einem Unfallgeschehen erwartet wird. Von ihm kann sicher nicht verlangt werden, dass er grundsätzlich zeitlich unbegrenzt bis zum Eintreffen feststellungsbereiter Personen an jedweder Unfallstelle ausharren muss. Dass er entgegen dem allgemeinen Rechtsbewusstsein verpflichtet sein könnte, die Polizei herbeizurufen, wenn nach den konkreten Umständen zu erwarten ist, dass sich anderenfalls die Möglichkeiten der Feststellung für die Leistungspflicht des Versicherers relevanter Umstände - insbesondere zu dem ausdrücklich genannten Alkohol- oder Drogenkonsum - verschlechtern, wird - soweit ersichtlich - auch von denjenigen nicht angenommen, die einen Rückgriff auf die strafrechtlich sanktionierten Pflichten nach der neuen Bedingungslage ausschließen wollen (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, E.1 AKB 2008 Rdn. 21; unklar OLG Stuttgart, ZfS 2015, 96, das eine Obliegenheitsverletzung allerdings deshalb bejaht hat, weil der Versicherungsnehmer den Unfallort nach weniger als 15 Minuten ohne Information der Polizei oder des Versicherers verlassen hat). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnismöglichkeiten es bei der Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen ankommt, wird die in den Bedingungen formulierte Forderung, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, auf den ihm bekannten Straftatbestand der "Unfallflucht" gemäß § 142 StGB beziehen (vgl. Senat, Urt. v. 12.6.2013 - 5 U 13/13; Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl. 2010, AKB Buchst. E, Rdn. 124: die Formulierung ist erkennbar an § 142 StGB angelehnt und nimmt auf diese Bezug; a.A. OLG Stuttgart, ZfS 2015, 96; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, E.1 AKB 2008 Rdn. 21). Er darf deshalb weiterhin davon ausgehen, dass er seiner Aufklärungsobliegenheit grundsätzlich dann gerecht wird, wenn er die strafrechtlich sanktionierten und allgemein bekannten Handlungspflichten erfüllt. Jedenfalls wären wesentliche Erweiterungen der an sein Verhalten nach einem Unfall zu stellenden Anforderungen für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer so ungewöhnlich, dass dies in den Versicherungsbedingungen - wie dies etwa in denjenigen der Beklagten für einen anderen Versicherungsfall in Buchst. E.3.2 "Anzeige bei der Polizei" der Fall ist - unmissverständlich zum Ausdruck kommen müsste (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.1975 - IV ZR 5/74 - VersR 1976, 84 zu einem Gleichlauf zwischen straf- und versicherungsrechtlichen Vorstellungen des Versicherungsnehmers über das nach einem Unfall gebotene Verhalten; Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl. 2010, AKB Buchst. E, Rdn. 124). Danach begründet die Klausel des Buchst. E.1.3 Satz 2, 2. Halbsatz AKB 2014 zwar eine eigenständige versicherungsvertragliche Obliegenheit im Sinne des § 28 VVG. Ihr Inhalt und ihre Grenzen stimmen aber mit den gesetzlichen des § 142 Abs. 1und 2 StGB überein (vgl. Rixecker, ZfS 2015, 99).

bb)

Das steht - anders als das OLG Stuttgart (ZfS 2015, 96) offenbar meint - auch mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang, der unter Geltung einer - bis auf das Fehlen der Bezugnahme auf einen Alkohol- oder Drogenkonsum des Unfallfahrers - identischen Klausel in den AKB angenommen hat, dass der Versicherungsnehmer, der nach einem Unfallgeschehen um 1.00 Uhr morgens auf einer Landstraße das Abschleppen seines Fahrzeugs durch den ADAC veranlasst hatte, sich "mangels feststellungsbereiter Personen in der Nacht nach Ablauf der Wartefrist vom Unfallort entfernen durfte" (Urt. v. 21.11.2012 - IV ZR 97/11 - VersR 2013, 175). Eine Auslegung der Klausel, die ein Entfernen nach Ablauf einer Wartezeit oder jedenfalls vor einer rechtzeitigen Feststellung einer möglichen Alkoholisierung verböte, wäre hiermit unvereinbar (vgl. Rixecker, ZfS 2015, 99).

2.

Auf dieser Grundlage lässt sich eine Obliegenheitsverletzung im Streitfall nicht ohne weiteres damit begründen, dass der Kläger sich - unberechtigt und unentschuldigt - von der Unfallstelle entfernt hätte, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.

a)

Zu den erforderlichen Feststellungen gehören - wie bei § 142 StGB - solche zu der Person, dem Fahrzeug und der Art seiner Beteiligung. Wie die versicherungsvertragliche Obliegenheit über die Erwähnung des Alkohol- und Drogenkonsums nunmehr ausdrücklich klarstellt, zählt zu den Feststellungen, die der Versicherungsnehmer als Unfallbeteiligter dulden muss, auch der körperliche Zustand, dabei insbesondere eine etwaige Trunkenheit (vgl. hierzu Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, 28. Aufl. 2010, § 142 Rdn. 23). Schon deshalb vermag der Umstand, dass die Haftungslage im Streitfall eindeutig ist, die Verwirklichung des Tatbestands des § 142 Abs. 1 StGB und damit die bedingungswidrige Obliegenheitsverletzung nicht von vornherein infrage zu stellen(vgl. zum Aspekt der eindeutigen Haftungslage BGH, Urt. v. 1.12.1999 - IV ZR 71/99 - VersR 2000, 222).

b)

Im Streitfall kann ferner dahinstehen, ob die Obliegenheitsverletzung nach Buchst. E.1.3 Satz 2 Halbs. 2 AKB 2014 ebenso wie § 142 StGB voraussetzt, dass bei dem Unfall ein nicht völlig belangloser fremder Sach- oder Körperschaden eingetreten sein muss (so Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl. 2010, AKB Buchst. E, Rdn. 128), oder ob die Klausel - insoweit die frühere Bedingungslage verschärfend - ein Verweilen an der Unfallstelle auch dann verlangt, wenn kein oder nur ein geringer Schaden entstanden ist (in diesem Sinne Kreuter-Lange in Halm/Kreuter/Schwab, AKB, 2010, Rdn. 2008). Denn ein Schaden von etwa 350 € ist nicht lediglich ein Bagatellschaden (vgl. Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl. 2010, AKB Buchst. E, Rdn. 128 m.w.N.).

c)

Es kann allerdings nicht festgestellt werden, dass der Kläger die Unfallstelle verlassen hätte, ohne hinreichend lange gewartet zu haben, um die vorbeschriebenen Feststellungen zu ermöglichen (§ 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Unstreitig war der Kläger jedenfalls um 4.30 Uhr beim Eintreffen der von einem Zeugen informierten Polizei nicht mehr an der Unfallstelle anzutreffen.

Die Dauer einer angemessenen Wartezeit bestimmt sich nach dem im Einzelfall Erforderlichen und Zumutbaren (vgl. Senat, Urt. v. 12.6.2013 - 5 U 13/13; Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl. 2010, AKB Buchst. E, Rdn. 136 m.w.N.). So wurde bei einem nächtlichen Unfall in einem Gewerbegebiet eine Wartezeit von 30 Minuten als ausreichend angesehen (vgl. OLG Hamm, VersR 2004, 104 [OLG Hamm 09.04.2003 - 20 U 212/02]), ebenso bei einem Unfall auf einer wenig frequentierten Straße (vgl. OLG Karlsruhe, r+s 2002, 187). Die Beweislast trägt der Versicherer. Da er allerdings das Geschehen nach dem Unfall naturgemäß nicht aus eigener Anschauung kennt, muss der Versicherungsnehmer- im Sinne einer sekundären Darlegungslast - die Umstände, welche für die Beurteilung einer angemessenen Wartedauer relevant sind, plausibel darstellen (vgl. Senat, Urt. v. 12.6.2013 - 5 U 13/13; OLG Brandenburg, r+s 2007, 97). Dem ist der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung durch das Landgericht nachgekommen. Dort hat er geschildert, sich zunächst an der Unfallstelle umgesehen und dann vergeblich versucht zu haben, den ADAC zu erreichen. Dann habe er einen Freund, den Zeugen E., angerufen, der ihn gegen 3.45 - 3.50 Uhr an der Unfallstelle abgeholt habe. Ausgehend von dem - in erster Instanz unstreitigen - Unfallzeitpunkt um 3.00 Uhr hat der Kläger damit die Einhaltung einer den Umständen nach angemessenen Wartezeit von mindestens 45 Minuten plausibel dargelegt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das auf der Grundlage der Circa-Angaben des Klägers in seiner nunmehr mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 8.5.2015 vorgelegten Schadensanzeige vom 27.1.2014 nicht anders zu bewerten. Selbst bei einem Unfallzeitpunkt um ca. 3.20 Uhr ergibt sich bis zu der behaupteten Abholung gegen 3.45 Uhr - 3.50 Uhr eine den Umständen ebenfalls noch angemessene Wartezeit von ca. 30 Minuten.

Die Beklagte hat diese Schilderung des Klägers in erster Instanz schlicht bestritten, in zweiter Instanz aber auf den Hinweis des Senats zur Beweislast mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 8.5.2015 den Zeugen E. benannt. Dieser hat jedoch bei seiner Vernehmung durch den Senat im Rahmen einer insgesamt schlüssigen Schilderung des Geschehens die Version des Klägers, insbesondere den Ablauf einer Wartezeit von ca. 30 Minuten, bestätigt. Da er bei dem nächtlichen Anruf des Klägers zwischen 3.00 und 4.00 Uhr im Bett gelegen habe, habe er sich zunächst anziehen müssen und sei dann durch die Stadt Homburg hindurch und in Richtung St. Ingbert bis zu der vom Kläger geschilderten Unfallstelle zwischen Limbach und Einöd gefahren. Er schätze daher, dass er bis dorthin mindestens 20 Minuten gebraucht habe, eher mehr. Hinzu kommt ein kurzer Aufenthalt an der Unfallstelle, bei welchem der Zeuge angibt, sich die Lage angeschaut und festgestellt zu haben, dass man das vorn rechts auf einen Wagenheber aufgestellte Fahrzeug des Klägers nicht wegschieben könne.

Tatsächlich lässt gerade die auch durch die Polizeibeamten festgestellte Auffindesituation des Fahrzeugs, dem ausweislich der Ermittlungsakten ein Wagenheber unterbaut war (Bl. 4, 12 der EA), vermuten, dass der Kläger die Unfallstelle nicht sofort überstürzt verlassen, sondern sich dort jedenfalls eine gewisse Zeit aufgehalten hat.

Dass dem Kläger ein früheres Verlassen der Unfallstelle - vor Ablauf einer angemessenen Wartezeit - nicht nachzuweisen ist, geht zu Lasten der beweispflichtigen Beklagten.

3.

Ist mithin nicht festzustellen, dass der Kläger die Unfallstelle unberechtigt verlassen hat, steht ein Fall des § 142 Abs. 2 StGB im Raum, der das Verhalten eines Unfallbeteiligten sanktioniert, der sich zwar nach Ablauf einer angemessenen Wartezeit (§ 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB) bzw. berechtigt oder entschuldigt (§ 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB) vom Unfallort entfernt, die Feststellungen jedoch nicht unverzüglich nachträglich durch ein den Anforderungen des § 142 Abs. 3 StGB genügendes Verhalten ermöglicht.

a)

Das Aufklärungsinteresse des Versicherers wird grundsätzlich auch durch die Verletzung der Pflicht zur "unverzüglichen" nachträglichen Ermöglichung von Feststellungen beeinträchtigt, selbst wenn die Aufklärung nicht mehr in allen Fällen und in jeder Hinsicht mit derselben Zuverlässigkeit erfolgen kann wie bei einem am Unfallort verbliebenen und dort angetroffenen Unfallbeteiligten. Denn auch die unverzügliche nachträgliche Ermöglichung von Feststellungen kann unter Umständen noch eine Aufklärung der Fahrtüchtigkeit des Fahrers ermöglichen (BGH, Urt. v. 21.11.2012 - IV ZR 97/11 - VersR 2013, 175). Auch insoweit kann nach den oben dargelegten Grundsätzen allerdings nicht mehr von einem Versicherungsnehmer verlangt werden, als die Einhaltung der in § 142 Abs. 2 StGB sanktionierten Handlungspflichten. Allerdings folgt aus deren Verletzung umgekehrt - anders als in den Fällen des § 142 Abs. 1 StGB - nicht immer automatisch eine Verletzung der versicherungsvertraglichen Aufklärungsobliegenheit. So verletzt der Versicherungsnehmer, der seinen Versicherer zu einem Zeitpunkt informiert, zu dem er durch Mitteilung an den Geschädigten eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 StGB noch hätte abwenden können, allein durch die unterlassene Erfüllung der Pflicht nach § 142 Abs. 2 StGB keine Aufklärungsobliegenheit (BGH, a.a.O.).

b)

Eine nachträgliche Mitteilung ist dann noch unverzüglich im Sinne des § 142 StGB - und genügt damit der Aufklärungsobliegenheit des Buchst. E.1.3 AKB 2014 - wenn sie noch den Zweck erfüllt, zugunsten des Geschädigten die zur Klärung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit erforderlichen Feststellungen treffen zu können. Das ist im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Ist die Haftungslage eindeutig, kann auch eine spätere Meldung noch unverzüglich im Sinne des § 142 Abs. 2 StGB sein. Das kann insbesondere dann angenommen werden, wenn - wie hier - nur ein Sachschaden an einem stehenden Objekt verursacht worden ist. Für eine dem Streitfall entsprechende Konstellation eines nächtlichen Unfalls mit eindeutiger Haftungslage kann die Unverzüglichkeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs je nach Sachverhalt noch zu bejahen sein, wenn der Unfallbeteiligte die Feststellungen bis zum frühen Vormittag des darauf folgenden Tages ermöglicht hat, wobei ihm innerhalb der Grenzen der Unverzüglichkeit ein Wahlrecht zwischen einer Information des Berechtigten oder der Polizei zusteht (§ 142 Abs. 3 StGB) (Urt. v. 21.11.2012 - IV ZR 97/11 - VersR 2013, 175; OLG München, DAR 2014, 469; OLG Karlsruhe, VersR 2002, 1021 [OLG Karlsruhe 07.02.2002 - 12 U 223/01]: keine Pflicht, nachträglich die Polizei vom Unfall zu informieren). Entgegen der Ansicht der Beklagten kann dabei die Kenntnis von einem über 24 Stunden besetzten Notdienst des Landesbetriebs für Straßenbau nicht erwartet werden.

c)

Eine solche unverzügliche Information des Berechtigten behauptet der Kläger, der sich darauf berufen hat, den Schaden an der Leitplanke am nächsten Morgen um 8.00 Uhr bei dem Straßenbauamt gemeldet zu haben. Dass das Landgericht insoweit bereits das Fehlen schlüssigen Vorbringen des - sekundär darlegungsbelasteten - Klägers beanstandet, überspannt die Anforderungen an die Darlegungslast.

Eine von dem Senat eingeholte amtliche Auskunft bei der Kreisstadt Homburg vom 21.7.2015 (Bl. 164 d.A.) hat ergeben, dass es den Anruf tatsächlich gab. Die vom Senat sodann als Zeugin vernommene Stadtinspektorin H., die bei der Kreisstadt Homburg für die Bearbeitung von Schäden an Straßeneinrichtungen in der Stadt und für deren Weiterleitung an das Bauamt zur Ermittlung der entstehenden Kosten zuständig ist, hat sich daran erinnern können, dass sie im fraglichen Zeitraum am frühen Morgen ein entsprechender Anruf erreicht hat. Als der Anrufer ihr einen Schaden an einer Leitplanke der Autobahn gemeldet habe, habe sie diesem allerdings sofort erklärt, dass sie für einen solchen Schaden nicht zuständig sei. Eine solche Schadensmeldung werde von ihrem Amt auch nicht an das zuständige Landesamt für Straßenbau weitergeleitet; eine Ausnahme gelte insoweit nur für Schadensmeldungen durch die Polizei. Sie glaube deshalb, dass sie dem Anrufer gesagt habe, er solle sich mit dem zuständigen Landesamt für Straßenbau in Verbindung setzen.

Im Streitfall kann offen bleiben, wie zu bewerten ist, dass der Kläger den Schaden nicht bei dem Geschädigten gemeldet hat und wie ein eventueller tatbestandlicher Irrtum über den Geschädigten - für die Annahme eines vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtums (§ 16 Abs. 1 StGB) spricht, dass der Kläger noch in seiner Schadenanzeige vom 27.1.2014 die Stadt Homburg als Geschädigten bezeichnet hat (Bl. 137 d.A.) - oder die irrige Annahme einer Weiterleitung an diesen zu bewerten wäre.

d)

Selbst bei Annahme einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung durch Verstoß gegen die nachträgliche Meldepflicht des § 142 Abs. 2 StGB würde einer Leistungsfreiheit der Beklagten nämlich jedenfalls die mangelnde Kausalität der Obliegenheitsverletzung für die Feststellung des Versicherungsfalls und die Feststellung oder den Umfang ihrer Leistungspflicht entgegenstehen.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann der Kausalitätsgegenbeweis des § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG, Buchst. D.3.2 AKB 2014 nicht schon von vornherein als ausgeschlossen angesehen werden, weil der Kläger arglistig gehandelt habe (§ 28 Abs. 3 Satz 2 VVG, Buchst. D.3.2 Satz 2 AKB 2014), also einen gegen die Interessen der Beklagten gerichteten Zweck verfolgt und dabei gewusst habe, dass sein Verhalten die Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH, Urt. v. 21.11.2012 - IV ZR 97/11 - VersR 2013, 175; Urt. v. 4.5.2009 - IV ZR 62/07 - VersR 2009, 968).

aa)

Insoweit fehlt es aber bereits an tragfähigen Feststellungen zur Arglist. Das Landgericht hat dies im Streitfall damit begründet, dass das gesamte Verhalten des Klägers nach dem Unfallereignis nur den Schluss zulasse, dass er sich jeglicher - im Interesse des Geschädigten und auch der Beklagten liegender - Feststellungen zu seiner Person bewusst und gezielt entzogen habe. Dabei hat das Landgericht sich allerdings auf nicht tragfähig festgestellte Verletzungen vermeintlicher Pflichten und einen ebenfalls nicht festgestellten Fahrfehler des Klägers gestützt. Der frühmorgendliche Anruf bei dem vermeintlich Geschädigten entzieht dem Vorwurf des bewussten und gezielten Entziehens - jedenfalls bezogen auf diesen allein maßgeblichen Zeitpunkt - die Grundlage.

Soweit die Beklagte sich in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 8.5.2015 darauf berufen hat, dass es dem Kläger beim Verlassen der Unfallstelle und dem "späteren Abtauchen" nicht nur darum gegangen sei, einen Entzug der Fahrerlaubnis wegen fehlender Fahrtüchtigkeit zu vermeiden, sondern auch darum, seinen Versicherungsschutz zu erhalten, verkennt sie, dass es für die Beurteilung des Handelns des Versicherungsnehmers allein auf den Zeitpunkt ankommt, in dem dieser die Obliegenheit verletzt, hier also die Zeit, zu der der Kläger seiner Pflicht aus § 142 Abs. 2 StGB noch hätte nachkommen können (BGH, Urt. v. 21.11.2012 - IV ZR 97/11 - VersR 2013, 175).

Entgegen der Ansicht der Beklagten hätte er zu diesem Zeitpunkt bei Meldung des Schadens gegenüber dem Berechtigten, also dem Landesbetrieb für Straßenbau, aber nicht - jedenfalls nicht nachweislich - mit der Feststellung einer eventuellen (Rest-) Alkoholisierung rechnen müssen. Jedenfalls bei klarer Haftungslage kann daher offen bleiben, ob bei einem unberechtigten Verlassen des Unfallorts in aller Regel angenommen werden kann, der Versicherungsnehmer habe hierdurch zumindest auch seinen Versicherungsschutz erhalten wollen.

bb)

Soweit es dem Kläger folglich zusteht, den Kausalitätsgegenbeweis zu führen, genügt hierfür im Streitfall schon die Feststellung, dass die Beachtung der aus § 142 Abs. 2 StGB folgenden Rechtspflichten durch den Kläger der Beklagten keine zusätzlichen Aufklärungsmöglichkeiten verschafft hätte (BGH, Urt. v. 21.11.2012 - IV ZR 97/11 - VersR 2013, 175). Die Beklagte hat nicht dargelegt, welche Maßnahmen sie bei Erfüllung der Obliegenheit getroffen und welchen Erfolg sie sich davon versprochen hätte (BGH, Urt. v. 4.4.2001 - IV ZR 63/00 - VersR 2001, 756). Dass eine Information des Geschädigten der Beklagten die Möglichkeit einer Feststellung eventueller alkoholbedingter Beeinträchtigungen der Fahrtauglichkeit des Klägers eröffnet hätte, liegt fern. So hat auch die bei der zuständigen Stelle für die Meldung von Schäden in der Stadt Homburg beschäftigte Zeugin H. die Frage des Senats, ob sie auf den Gedanken käme, im Falle einer Schadenmeldung die Aufforderung auszusprechen, zur Polizei zu gehen und sich eine Blutprobe entnehmen zu lassen, verneint.

4.

Damit steht zugleich fest, dass auch der Feststellungsantrag des Klägers, den das Landgericht zutreffend dahin ausgelegt hat, dass er sich lediglich auf die Versagung der Eintrittspflicht in Höhe eines Betrages von 2.500 € bezieht, begründet ist.

5.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Den Geschäftswert für das Berufungsverfahren setzt der Senat mit dem Landgericht auf insgesamt 7.400 € fest.

Die Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Prof. Dr. Rixecker
Dr. Müller
Reichel

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In dem Rechtsstreit

F.S.,H. 18,

Kläger und Berufungskläger,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

g e g e n

...,

Beklagte und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

wegen Ansprüchen aus Kraftfahrtversicherungsvertrag

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Müller und dem Richter am Oberlandesgericht Reichel im schriftlichen Verfahren

in dem bis zum 13.4.2016 Schriftsätze eingereicht werden konnten

für R e c h t erkannt
Tenor:

Das Urteil des Senats vom 10.2.2016 - 5 U 75/14 - wird im Tenor unter Ziff. I dahin ergänzt, dass die Beklagte dem Kläger vorgerichtlich entstandene Anwaltskosten in Höhe von 729,23 € zu erstatten hat.
Gründe

Der Senat hat mit Urteil vom 10.2.2016 - 5 U 75/14 -, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 15.2.2016, unter Abänderung des angefochtenen landgerichtlichen Urteils vom 3.11.2014 - 14 O 86/14 - dem Antrag auf Zahlung der geltend gemachten Versicherungsleistung stattgegeben, eine Entscheidung über den weitergehenden Antrag auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten aber versehentlich unterlassen.

Entsprechend war das Urteil auf den zulässigen, insbesondere fristgerecht gestellten Antrag des Klägers vom 16.2.2016, eingegangen am 18.2.2016, gemäß § 321 ZPO dahin zu ergänzen, dass die Beklagte dem Kläger die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 729,23 € zu zahlen hat. Dieser Anspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) begründet. Die Beklagte ist dem Anspruch weder - über die Einwände gegen den Hauptanspruch hinaus - dem Grunde noch der Höhe nach entgegen getreten.

Prof. Dr. Rixecker
Dr. Müller
Reichel


Vorschriften§ 142 Abs. 1 Nr. 2 BGB § 28 VVG § 323 ZPO

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