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28.06.2016 · IWW-Abrufnummer 186861

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 27.04.2016 – 3 Sa 115/15

Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für eine von ihm behauptete vorsätzliche Schadensverursachung durch einen Arbeitnehmer.


Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 27.03.2015 - 3 Ca 1337/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche.



Der beklagte Arbeitnehmer war in der Zeit vom 08.08.2012 bis zum 07.09.2012 als Informatikkaufmann gegen ein Bruttoarbeitsentgelt von 1.800,00 € bei der klagenden Arbeitgeberin beschäftigt.



Unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nachdem der Beklagte die Räumlichkeiten der Klägerin verlassen hatte, stellte diese fest, dass sich im Datensystem ein Virus befand, der die gesamte Computeranlage lahm legte. Der Virus war so eingerichtet, dass die Festplatten in der Computeranlage der Klägerin kontinuierlich vollgeschrieben wurden, was zur Folge hatte, dass der Schreib-Lese-Kopf über die Platte hinaus bewegt wurde. Dadurch wurden sämtliche vier Serverfestplatten der Computeranlage irreparabel beschädigt. Die Kosten der Reparatur durch eine Spezialfirma beliefen sich auf insgesamt 15.474,76 € inklusive Mehrwertsteuer. Mit Schreiben vom 21.01.2013 machte die Klägerin den Beklagten für den entstandenen Schaden verantwortlich und forderte diesen zur Zahlung des Schadenbetrages auf. Eine Reaktion des Beklagten auf dieses Aufforderungsschreiben erfolgte nicht. Daraufhin verrechnete die Klägerin mit den geltend gemachten Reparaturkosten den restlichen Gehaltsanspruch des Beklagten in Höhe von 237,83 €. Außerdem stellte die Klägerin gegen den Beklagten am 12.11.2012 bei der Staatsanwaltschaft Hagen Strafanzeige. Das Verfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO mit Bescheid vom 24.09.2013 (Blatt 98 d. A.) eingestellt.



Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27.03.2015 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass auch unter ausschließlicher Zugrundelegung des Vortrages der Klägerin eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung bzw. eine vorsätzliche und rechtswidrige schädigende Handlung des Beklagten zu Lasten der Klägerin nicht positiv festgestellt werden könne.



Gegen diese am 23.04.2015 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 26.05.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung der Klägerin nebst - nach entsprechender gerichtlicher Fristverlängerung - am 23.07.2015 eingegangener Berufungsbegründung.



Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe den Schaden vorsätzlich verursacht. Der Beklagte habe unmittelbar vor dem endgültigen Verlassen der Firma im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den übrigen Mitarbeiterinnen mitgeteilt, er habe auf dem firmeneigenen Server einen Virus hinterlassen. Falls dieser Virus nicht von ihm in regelmäßigen Abständen mit einem Code versehen werde, mache er sich selbstständig, d. h. er werde aktiviert und richte in der Firma großen Schaden an. Wörtlich habe der Beklagte mitgeteilt, in diesem Fall "legt der Virus die Firma lahm". Unmittelbar nach dem Verlassen der Räumlichkeiten der Klägerin durch den Beklagten habe die Klägerin dann feststellen müssen, dass sich im Datensystem tatsächlich ein Virus befunden habe, der die gesamte Computeranlage lahm gelegt und zu dem erheblichen Reparaturaufwand geführt habe. Zeitlich nachfolgend habe der Beklagte vorsätzlich erneut eine mit einem Virus verseuchte E-Mail an die Klägerin gesandt, wobei die Funktionsweise dem Virus entsprochen habe, den der Beklagte vor seinem Ausscheiden auf dem Computer installiert habe. Diese E-Mail sei - unstreitig - nicht geöffnet worden, da das Virenprogramm der Computeranlage eine entsprechende Warnmeldung abgegeben habe. Der entsprechende Virus sei - insoweit ebenfalls unstreitig - isoliert und unter Quarantäne gestellt worden.



Die Klägerin beantragt,



das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 27.03.2015 - 3 Ca 1337/13 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 15.236,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 25.01.2013 zu zahlen.



Der Beklagte beantragt,



die Berufung zurückzuweisen.



Der Beklagte trägt vor, er habe keinen Virus im System der Klägerin installiert. Auch habe er gegenüber den benannten Zeugen nicht erklärt, dass er mit einem Virus die Firma lahm legen wolle. Zudem einen sei die Kündigung für ihn völlig überraschend gewesen. Er sei danach auch nicht mehr im Betrieb der Klägerin gewesen.



Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die zulässige Berufung ist nicht begründet.



Der Klägerin stehen gegen den Beklagten vertragliche oder deliktische Schadensersatzansprüche in der geltend gemachten Höhe nicht zur Seite (I.). Sie hat deshalb als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (II.). Revisionszulassungsgründe sind nicht gegeben (III.).



I.



Bereits unter Berücksichtigung des Vortrages der Klägerin selbst vermag die Kammer weder einen vertraglichen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 249 BGB, noch einen deliktischen Anspruch aus § 823 BGB als erwiesen anzusehen. Nach dem Vortrag der Klägerin lässt sich weder eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung noch eine deliktische Schadenshandlung des Beklagten mit der notwendigen Sicherheit feststellen.



1.



Soweit die Klägerin zur Begründung des geltend gemachten Schadensersatzanspruches ausführt, der Beklagte habe nach endgültigem Verlassen des Arbeitsplatzes im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine virenbehaftete Mail an die Klägerin übersandt, so reicht dieser Vortrag zur schlüssigen Darlegung der Klageforderung nicht aus. Diesbezüglich wird in der erstinstanzlichen Entscheidung zutreffend folgendes ausgeführt:



"Zudem kann der Virus, welchen die Klägerin gefunden hat, nicht auf die versendete Mail des Beklagten zurückgeführt werden. Sofern die Klägerin vorträgt, der Anhang der Mail habe eine virenbelastete Datei enthalten - und hierbei handele es sich um den Trojaner, welcher auch zu den Schäden im System der Klägerin geführt habe - vermag die Kammer diesen Vortrag nicht nachzuvollziehen. Die Klägerin trägt selbst vor, dass die Mail nicht geöffnet worden sei, da das Virenprogramm in der Computeranlage der Klägerin eine entsprechende Warnmeldung abgegeben habe. Das Öffnen des Anhangs ist jedoch erforderlich, damit sich der Trojaner installiert. Insoweit kann die Kammer nicht nachvollziehen, inwieweit eine ungeöffnete Mail mit virenverseuchten Anhang den Schaden verursacht haben kann."



Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht an. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin diesbezüglich zudem vorträgt, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten übersandte Mail sei von einem Fachmann repariert und unter Quarantäne gestellt worden. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Reparatur der Computeranlage ausweislich der durch die Klägerin mit der Klageschrift abgereichten Rechnung (Blatt 15 d. A.) im September 2012 durchgeführt worden ist. Ausweislich der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 28.10.2013 abgereichten Quarantänemeldung (Blatt 60 d. A.) datiert die Warnmeldung bezüglich der durch den Beklagten übersandten virenverseuchten Mail vom 07.10.2013. Im Ergebnis sind mithin bereits nach dem Vortrag der Klägerin keine belastbaren Anhaltspunkte für eine Schadensherbeiführung durch die von dem Beklagten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses übersandten und virenbehafteten Mail ersichtlich.



2.



Auch der Rechtsauffassung der Klägerin, es seien hinreichend Indizien vorhanden, die belegen könnten, dass der Beklagte vor dem endgültigen Verlassen des Arbeitsplatzes am 29.08.2012 den schadenherbeiführenden Virus bei der Klägerin installiert habe, vermag das erkennende Gericht nicht zu folgen. Selbst bei ausschließlicher Zugrundelegung des Vortrages der Klägerin lässt sich eine Schadensverursachung durch den Beklagten nicht mit der erforderlichen Sicherheit durch die Kammer feststellen. Die Klägerin beruft sich für ihren Vortrag, der Beklagte habe "den Virus vor seinem Ausscheiden direkt in die Computeranlage der Klägerin eingespeist" darauf, der Beklagte habe in einem Gespräch mit Mitarbeiterinnen der Klägerin kurz nach der Mittagspause am 28.08.2012 geäußert, für den Fall der Kündigung die Computeranlage der Klägerin mit einem Virus irreparabel schädigen zu wollen. Außerdem sei eben dieser installierte Virus inhaltsgleich mit dem aus der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten übersandten E-Mail. Derartige Umstände - die Richtigkeit des Vortrages der Klägerin unterstellt - mögen zwar nicht unerhebliche Zweifel in die Redlichkeit des Beklagten begründen. Jedoch reichen sie zur Überzeugung der Kammer für einen notwendig zweifelsfreien Nachweis der Schadensherbeiführung durch den Beklagten nicht aus. Weitergehende Erkenntnisse - insbesondere etwaige Untersuchungsergebnisse zur Herkunft und zur Art und Weise der Einschleusung des schädlichen Virus beispielsweise im Zusammenhang mit der Durchführung der Reparaturmaßnahmen - liegen dem erkennenden Gericht nicht vor und werden auch von der Klägerin nicht vorgetragen. Zutreffend wird in der erstinstanzlichen Entscheidung deshalb ausgeführt:



"Beweisthema wäre lediglich die Behauptung gewesen, der Beklagte habe geäußert, er werde einen Virus einschleusen. Dass der Beklagte tatsächlich einen Virus eingeschleust hat, lässt sich diesen Äußerungen nicht entnehmen. Da der Beklagte das Aufspielen eines solchen Virus bestritten hat, war die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass es tatsächlich der Beklagte war, der den Virus auf das System der Klägerin aufgespielt hat. Selbst wenn der Beklagte diese Äußerungen getätigt haben sollte, legt dies jedoch nicht den zwingenden Schluss nahe, dass er tatsächlich auch den Virus aufgespielt hat."



Auch die Ausführungen der Staatsanwaltschaft Hagen in dem Einstellungsbescheid vom 24.09.2013 (Blatt 98, 99 d. A.) weisen darauf hin, dass eine Schadensverursachung durch den Beklagten eben gerade nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden kann. So heißt es dort auszugsweise wie folgt:



"Die hier durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen in Form von Durchsuchungen und Auswertung verschiedener Hardware führte nicht zur Auffindung von Beweismitteln, die es erlauben würden, gegen den Beschuldigten den mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit erforderlichen Tatnachweis zu führen. Insbesondere konnte so auch nach Auswertung eines Notebooks und eines PC als Ergebnis festgehalten werden, dass die EDV des Beschuldigten selbst mit diversen Trojanern und anderer Schadstoffware belastet war. Die entsprechende Fachdienststelle der Polizei hat mir in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass auch eine unbeabsichtigte Verbreitung dieser offenbar von dem Beschuldigten unentdeckt auf seinem Computer aufgespielten Schadstoffware an andere PC möglich ist.



Weitere Ermittlungsansätze stehen nicht zur Verfügung, da in Ihrem Hause nach Angaben der damals zuständigen Mitarbeiter Aufzeichnungen zu Art und Wirkungsweise vorhandener Schadcodes nicht gefertigt worden sind. Die entsprechende Schadstoffware sei vollautomatisch gelöscht worden."



Nach alledem bleibt festzuhalten, dass unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes bereits nach dem eigenen Vortrag der Klägerin eine Schadensverursachung durch den Beklagten nicht mit der hinreichenden und notwendigen Sicherheit festgestellt werden kann. Dies geht zu Lasten der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin.



II.



Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.



III.



Revisionszulassungsgründe im Sinne von § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.

Vorschriften§ 170 Abs. 2 StPO, § 280 Abs. 1 BGB, § 249 BGB, § 823 BGB, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG

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