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28.06.2016 · IWW-Abrufnummer 186811

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 22.01.2016 – 2 Sa 114/15

1. Der Widerspruch, mit dem der Arbeitgeber nach § 15 Absatz 5 TzBfG die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei Weiterarbeit des Arbeitnehmers verhindern kann, ist eine Willenserklärung ( BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - AP Nr. 12 zu § 57a HRG), die aber nicht dem Schriftformerfordernis unterliegt. Er kann daher auch konkludent erfolgen.

2. Das Widerspruchsrecht kann nicht auf Vorrat ohne Bezug zu einem bestimmten Beendigungsdatum erklärt werden, weil dadurch die zwingende Wirkung von § 15 Absatz 5 TzBfG , die sich aus § 22 TzBfG ergibt, umgangen würde ( BAG 22. Juli 2014 - 9 AZR 1066/12 - BAGE 148, 349 = AP Nr. 30 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = DB 2014, 2837 [BAG 22.07.2014 - 9 AZR 1066/12] ).

3. Zum konkludenten Abschluss eines neuen (unbefristeten) Arbeitsvertrages durch die weitere Entgegennahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber.


Tenor:

1. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes Rostock vom 21. April 2015 (2 Ca 375/14) wird

a) festgestellt, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht;

b) das beklagte Land verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien hatten im Vorprozess im Rahmen einer Befristungskontrollklage um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gestritten. Sie streiten nunmehr um die Frage, ob durch die rechtsgeschäftlich befristete Weiterbeschäftigung, die zeitweilig während des Laufs des Vorprozesses vereinbart wurde, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien entstanden ist.



Die 1958 geborene Klägerin stand vom 15. Dezember 2010 bis zum 31. März 2013 in einem befristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land. Sie war der Universität A-Stadt zugeordnet und war dort an der Juristischen Fakultät als Sekretärin in Vollzeit beschäftigt. Das monatliche Bruttoarbeitsentgelt hatte zuletzt rund 2.300,00 Euro brutto monatlich betragen.



Im Vorprozess hatte die Klägerin die Befristung auf den 31. März 2013 mit einer Befristungskontrollklage, die sie mit einem Weiterbeschäftigungsantrag verbunden hatte, angegriffen. Das Arbeitsgericht Rostock hatte der Klage mit Urteil vom 23. Juli 2013 (1 Ca 149/13) entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage unter Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung abgewiesen (LAG Mecklenburg-Vorpommern 12. Februar 2014 - 2 Sa 173/13). Diese Entscheidung ist rechtskräftig.



Zwei Monate nach Ablauf des vereinbarten Enddatums 31. März 2013 haben die Parteien unter dem 16. Mai 2013 erneut einen befristeten Arbeitsvertrag für eine Vollzeitbeschäftigung an der Juristischen Fakultät der Universität für die Zeit vom 1. Juni bis zum 30. September 2013 geschlossen (Kopie als Anlage K 1 überreicht, hier Blatt 5 f). Dort heißt es auszugsweise wörtlich:



"... Befristungsgrund: Prozessbeschäftigung (dieser Vertag wird unter dem Vorbehalt geschlossen, dass er nur gelten soll, wenn nicht bereits aufgrund des vorangegangenen befristeten Arbeitsvertrages ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.)"



Äußerer Anlass der Wiederaufnahme der Zusammenarbeit war ein Personalbedarf für eine Sekretärin an der Juristischen Fakultät (Lehrstuhl Prof. Dr. H.). Die Stelle war zuvor - allerdings als Halbtagsstelle - seit Anfang 2013 auch ausgeschrieben gewesen (Anlage K 2, hier Blatt 7).



Mit Mail vom 9. September 2013 hat sich die Klägerin, die wenige Wochen zuvor im Vorprozess vor dem Arbeitsgericht obsiegt hatte, an die Sachbearbeiterin Personalservice der Universität A-Stadt, mit der Frage gewendet, "um weiter zu planen, möchte ich gerne eine Auskunft, wie es mit mir nach dem 30.09.2013 weiter geht?" (Anlage K 5, hier Blatt 22). Daraufhin teilte die Sachbearbeiterin Personalservice mit, "sie werden vorerst weiter in der JUF eingesetzt" (ebenfalls Anlage K 5, hier Blatt 22).



Die Klägerin wurde dann allerdings zum 30. September 2013 vom beklagten Land (Landesbesoldungsamt) routinemäßig sozialversicherungsrechtlich abgemeldet, wovon die Klägerin durch ein Anschreiben ihrer Krankenkasse vom 21. September 2013 (Kopie als Anlage K 4 überreicht, hier Blatt 21) in Kenntnis gesetzt wurde. Darauf wandte sich die Klägerin mit E-Mail vom 25. September 2013 nunmehr an den Dezernenten Personal und Personalentwicklung der Universität A-Stadt. Die Mail mit dem Betreff "Abmeldung zum 30.09.2013" hat unter Weglassung der Ein- und Ausgangsfloskeln folgenden Text (Kopie als Anlage B 1 überreicht, hier Blatt 15):



"... ich erhielt gestern Post von meiner Krankenkasse mit Datum 21.09.2013, dass ich zum 01.10.2013 abgemeldet bin. Wie Sie wissen, gibt es ja ein Urteil vom 23.07.2013, dass ich weiter an der Universität beschäftigt werden muss. Wurde die Information an das Landesbesoldungsamt nicht weiter gegeben?



Ich bitte um schriftliche Bestätigung, dass ich weiter an der Uni beschäftigt bin, das meine Sozialabgaben abgeführt werden und eine Information an die zuständigen Stellen."



Eine Antwort hat die Klägerin auf ihre Anfrage nicht erhalten. Allerdings wurde sie tatsächlich auch über den 30. September 2013 hinaus in ihrer zuletzt bekleideten Stellung als Sekretärin in der Juristischen Fakultät (Lehrstuhl Prof. Dr. H.) weiter beschäftigt.



Das Arbeitsverhältnis wurde sodann störungsfrei bis etwa Mitte Februar 2014 fortgeführt. So wurde der Klägerin der volle Jahresurlaub für das Jahr 2013 gewährt. Mit der Entgeltabrechnung November 2013 ist der Klägerin auch die volle Jahressonderzahlung geleistet worden. Am 15. Januar 2014 wurde die Klägerin mit der Hälfte ihre Stelle sogar auf einen anderen Dienstposten umgesetzt. In diesem Zusammenhang erhielt die Klägerin vom Personaldezernenten unter dem 15. Januar 2014 die Mitteilung, dass sie im Rahmen des Direktionsrechtes ab dem 16. Januar 2014 für Zeit der Krankschreibung der Stelleninhaberin im Umfang von 20 Wochenstunden der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät zugeordnet werde. Die restliche Arbeitszeit von 20 Wochenstunden verbleibe sie in der juristischen Fakultät (Kopie als Anlage K 9 überreicht, hier Blatt 27). Wörtlich heißt es dort am Ende "mit dieser Zuordnung sind keine arbeitsvertraglichen Änderungen verbunden".



Nachdem dann allerdings im Vorprozess das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 12. Februar 2014 (2 Sa 173/13) die Klage abgewiesen hatte, wurde die Klägerin am 13. Februar 2014 aufgefordert, ihren Arbeitsplatz umgehend zu räumen. Dem ist die Klägerin nachgekommen. Das auf die weitere Beschäftigung gerichtete außergerichtliche Schreiben der Prozessbevollmächtigen der Klägerin vom 6. März 2014 konnte das beklagte Land nicht umstimmen.



Mit der beim Arbeitsgericht am 13. März 2014 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass zwischen den Parteien aufgrund der weiteren Beschäftigung nach Ablauf des 30. September 2013 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden ist, sowie die Verurteilung des beklagten Landes zur weiteren Beschäftigung der Klägerin.



Das beklagte Land hatte sich schon erstinstanzlich auf den Rechtsstandpunkt gestellt, die klägerische Mail vom 30. September 2013 wegen der sozialversicherungsrechtlichen Abmeldung (Anlage B 1, hier Blatt 15) sei als Androhung der Zwangsvollstreckung zu bewerten, der man sich durch die weitere Beschäftigung ab dem 1. Oktober 2013 zur Abwendung der Zwangsvollstreckung und damit ohne rechtsgeschäftliche Basis gebeugt habe.



Das Arbeitsgericht Rostock hat die Klage mit Urteil vom 21. April 2015 (2 Ca 375/14) als unbegründet abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat aus der zeitlichen Abfolge der Ereignisse im September 2013 den Schluss gezogen, dass der Klägerin klar gewesen sein müsste, dass die weitere Zusammenarbeit auf rechtsgeschäftlicher Basis mit Erreichen des Befristungsdatums am 30. September 2013 enden sollte. Das gehe klar aus der sozialversicherungsrechtlichen Abmeldung der Klägerin hervor. Die Klägerin hätte daher die weitere Beschäftigung ab dem 1. Oktober ohne die Schaffung einer erneuten rechtsgeschäftlichen Grundlage nur als eine Beschäftigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung begreifen können. - Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.



Mit der rechtzeitig eingelegten und fristgerecht begründeten Berufung, die auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, verfolgt die Klägerin ihr Begehren unverändert weiter.



Das arbeitsgerichtliche Urteil könne vor dem Gesetz keinen Bestand haben. Durch die weitere Beschäftigung über den 30. September 2013 hinaus sei zwischen den Parteien nach § 15 Absatz 5 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Zu Unrecht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass diese weitere Beschäftigung lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt sei. Für eine solche Annahme fehle es schon an der Schriftform, zumindest jedoch an einer entsprechenden Unterrichtung der Klägerin.



Im Übrigen sei es abwegig, die klägerische Mail vom 25. September 2013 (hier Blatt 15) als Androhung der Zwangsvollstreckung zu werten. Die Klägerin sei wegen der (wiederholten) sozialversicherungsrechtlichen Abmeldung in Sorge gewesen und habe nur diesen Punkt klären wollen. Die Klägerin habe die Ursache der sich abzeichnenden Schwierigkeiten allein in einem Kommunikationsproblem zwischen der Universität und dem Landesbesoldungsamt gesehen, was in dem Text der Mail auch mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht werde. Die Mail habe daher nur dazu gedient, dieses Kommunikationsproblem zu beheben. Da die Klägerin - unstreitig - tatsächlich danach wieder sozialversicherungsrechtlich angemeldet wurde, habe das beklagte Land ihre Mail wohl auch in diesem Sinne verstanden.



Für die Fortsetzung der Zusammenarbeit auf rechtsgeschäftlicher Grundlage spreche letztlich auch, dass ihr der volle Jahresurlaub für das Jahr 2013 gewährt worden sei und ihr die volle Jahressonderzahlung im November 2013 gezahlt worden sei. Der erst im Rechtsstreit eingenommene Standpunkt, dass die weitere Beschäftigung lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung vorgenommen worden sei, stehe auch nicht in Einklang mit der Teil-Umsetzung ab dem 16. Januar 2014, denn in der Umsetzungsverfügung vom 15. Januar 2014 heiße es sinngemäß, diese erfolge ohne arbeitsvertragliche Änderung (Anlage K 9, hier Blatt 27).



Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils



1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht;



2. das beklagte Land zu verurteilen, der Klägerin über die 13.02.2014 hinaus zu unveränderten Bedingungen als Sekretärin weiter zu beschäftigen.



Das beklagte Land beantragt,



die Berufung zurückzuweisen.



Das beklagte Land verteidigt die angegriffene Entscheidung. Zutreffend habe das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung angenommen, die weitere Beschäftigung nach dem 30. September 2013 sei zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt. Das beklagte Land habe mit der Abmeldung der Klägerin zum 30. September 2013 klar zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin nicht weiter beschäftigt werde. Zutreffend habe das Arbeitsgericht auf die zeitliche Abfolge der Ereignisse im September 2013 abgestellt. Aus der zeitlich jüngeren sozialversicherungsrechtlichen Abmeldung hätte die Klägerin schließen müssen, dass die auf Ebene der Sachbearbeiterin erteilt Auskunft vom 9. September 2013 (Anlage K 5, hier Blatt 22), sie werde "vorerst weiter an der JUF eingesetzt" inzwischen überholt sei.



Erst nachdem die Klägerin mit E-Mail vom 25. September 2013 (Anlage B 1, hier Blatt 15) gegenüber dem Dezernatsleiter Personal und Personalentwicklung mitgeteilt habe, dass es "ja ein Urteil vom 23.07.2013" gibt, "dass ich weiter an der Universität beschäftigt werden muss", habe das beklagte Land die Klägerin zur Abwendung der Zwangsvollstreckung weiter beschäftigt.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die Berufung ist begründet.



Der klägerische Feststellungsantrag ist begründet. In seiner Hauptbegründung nimmt das Gericht an, zwischen den Parteien sei durch die weitere Beschäftigung der Klägerin über den 30. September 2013 hinaus nach § 15 Absatz 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Hilfsweise ist festzustellen, dass durch die weitere Beschäftigung der Klägerin nach dem 30. September 2015 konkludent ein neues unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden ist.



I.



Der klägerische Feststellungsantrag ist begründet. Zwischen den Parteien besteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, das durch die weitere Beschäftigung der Klägerin über den 30. September 2013 hinaus nach § 15 Absatz 5 TzBfG entstanden ist.



1.



Nach § 15 Absatz 5 TzBfG gilt ein befristetes Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, sofern es nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen wurde, mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird und dieser nicht unverzüglich widerspricht.



Das ist hier der Fall. Das auf den 30. September 2013 befristete Arbeitsverhältnis der Parteien ist über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt worden. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erfolgt mit Wissen des beklagten Landes.



Das beklagte Land hat der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nicht unverzüglich widersprochen. Der Arbeitgeber kann die Rechtsfolgen des § 15 Absatz 5 TzBfG ausschließen, in dem er der Fortsetzung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers unverzüglich widerspricht. Der Widerspruch ist eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung im Sinne der §§ 116 ff BGB (BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - AP Nr. 12 zu § 57a HRG).



Eine derartige Erklärung ist nicht erkennbar. Ausdrücklich hat das beklagten Land einen Widerspruch nicht erklärt. Da für den Widerspruch der Schriftformzwang nicht gilt, kann er allerdings auch konkludent erklärt werden. Es ist aber auch kein Ereignis erkennbar, aus dem man auf einen konkludenten Widerspruch durch das beklagte Land schließen kann.



a)



Anknüpfungspunkt für eine konkludente Erklärung des Widerspruchs im Sinne von § 15 Absatz 5 TzBfG könnte vorliegend die sozialversicherungsrechtliche Abmeldung der Klägerin durch das beklagte Land sein. In diesem Sinne ist es anerkannt, dass die Aushändigung der Arbeitspapiere an den Arbeitnehmer als konkludente Ausübung des Widerspruchsrechts gewertet werden kann (vgl. nur ErfK/Müller-Glöge § 15 TzBfG Randnummer 12). Eine direkte Übertragung dieser Bewertung auf den Fall der sozialversicherungsrechtlichen Abmeldung des Arbeitnehmers ist allerdings nicht möglich, da eine Willenserklärung eine empfangsbedürftige Erklärung ist, die willentlich gegenüber dem Erklärungsempfänger verlautbart wird. Daran fehlt es hier. Die Klägerin hat von dem Ereignis der sozialversicherungsrechtlichen Abmeldung nur indirekt dadurch Kenntnis erlangt hat, dass sich ihre Krankenkasse in der Folge fürsorglich an sie zur Anbahnung einer weiteren Krankenversicherung auf neuer Basis gewandt hatte.



Selbst wenn man dieses Bedenken bei Seite schiebt, kann aus der sozialversicherungsrechtlichen Abmeldung der Klägerin durch das beklagte Land vorliegend nicht eindeutig auf einen Widerspruch gegen die weitere Beschäftigung im Sinne von § 15 Absatz 5 TzBfG geschlossen werden, denn das beklagte Land hat die Klägerin nahtlos wieder sozialversicherungsrechtlich angemeldet, so dass aus der Sicht der Klägerin ihre Intervention an der Spitze der Personalverwaltung mit der Mail vom 25. September 2013 sogar erfolgreich war; sie konnte berechtigt von einer Zustimmung zur weiteren Beschäftigung ausgehen. Die erneute sozialversicherungsrechtliche Anmeldung der Klägerin zum 1. Oktober 2013 könnte zwar auch aufgrund einer bloß faktischen Weiterbeschäftigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt sein. Ob das der Fall war, kann hier aber offenbleiben, denn entscheidend ist, dass aufgrund des Folgeverhaltens des beklagten Landes aus dem Ereignis der sozialversicherungsrechtlichen Abmeldung keine eindeutigen Schlüsse auf den Willen zum Widerspruch im Sinne von § 15 Absatz 5 TzBfG gezogen werden können.



b)



Gelegentlich wird angenommen, dass man auch in dem Klagabweisungsantrag in dem Rechtsstreit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einen Widerspruch gegen die weitere Beschäftigung über den Tag der Befristung hinaus erblicken könne.



Auch auf diese Weise lässt sich vorliegend allerdings nicht auf einen Widerspruch des beklagten Landes gegen die weitere Beschäftigung der Klägerin über den 30. September 2013 hinaus schließen. Eine solche Folgerung könnte man aus dem Klagabweisungsantrag des beklagten Landes in dem Vorprozess der Parteien lediglich bezüglich der seinerzeit streitigen Befristung ziehen. Diese gedankliche Konstruktion hätte in der Praxis auch nur dann eine Bedeutung, wenn die Befristungskontrollklage schon einige Zeit vor Erreichen des Befristungsdatums erhoben wird. Hier mag es schlüssig sein, aus dem Klageabweisungsantrag auf einen Widerspruch gegen die weitere Beschäftigung über das im Vorprozess streitige Beendigungsdatum hinaus zu schließen.



Anerkanntermaßen kann das Widerspruchsrecht aber nicht sozusagen auf Vorrat ohne Bezug zu einem bestimmten Beendigungsdatum erklärt werden, weil dadurch die zwingende Wirkung von § 15 Absatz 5 TzBfG, die sich aus § 22 TzBfG ergibt, umgangen würde (BAG 22. Juli 2014 - 9 AZR 1066/12 - BAGE 148, 349 = AP Nr. 30 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = DB 2014, 2837 [BAG 22.07.2014 - 9 AZR 1066/12] ).



Da im vorliegenden Falle die Klageerwiderung im Vorprozess bereits längere Zeit vor Erreichen des Beendigungsdatums aus dem hier streitigen weiteren befristeten Arbeitsverhältnis erfolgt ist, und da sich die Klageerwiderung nur auf das Beendigungsdatum aus dem Vorprozess und nicht auf das hier streitige Beendigungsdatum bezogen haben kann, scheidet die Klageerwiderung im Vorprozess als Anknüpfungspunkt für einen konkludenten Widerspruch im Sinne von § 15 Absatz 5 TzBfG vorliegend aus.



II.



Aber selbst für den Fall, dass man doch davon ausgehen müsste, dass sich das beklagte Land durch einen konkludent erklärten Widerspruch erfolgreich gegen den Eintritt der Rechtsfolgen aus § 15 Absatz 5 TzBfG geschützt hat, ist der klägerische Feststellungsantrag begründet, denn auch in diesem Falle wäre zwischen Parteien durch die kommentarlose Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. September 2013 hinaus aus dem ehemals befristeten (zweiten) Arbeitsverhältnis ein unbefristetes entstanden.



Denn in der kommentarlosen Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses über das vereinbarte Vertragsende hinaus wird man im Regelfall einen konkludenten rechtsgeschäftlichen Vertragsschluss gerichtet auf eine unbefristete Beschäftigung erblicken müssen. So wie Arbeitsverhältnisse nach den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen allein schon durch die Aufnahme der Tätigkeit und die beiderseitige Erfüllung der arbeitsvertragstypischen Pflichten entstehen können, können selbstverständlich auch nur befristet eingegangene Arbeitsverhältnisse konkludent durch die gemeinsame Fortsetzung der Zusammenarbeit über das vereinbarte Befristungsende hinaus in unbefristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden.



Das ist hier der Fall. Dem beklagten Land ist der Nachweis nicht gelungen, dass die weitere Zusammenarbeit ab dem 1. Oktober 2013 entweder gänzlich ohne rechtsgeschäftliche Basis erfolgt ist oder aber auf rechtsgeschäftlicher Basis jedoch eingeschränkt auf die Zeit der Dauer des Vorprozesses. Damit haben die Parteien ihr auf den 30. September 2013 befristetes (zweites) Arbeitsverhältnis unbefristet fortgesetzt.



1.



Das Berufungsgericht sieht sich nicht in der Lage festzustellen, dass die weitere Beschäftigung der Klägerin ab Oktober 2013 ohne rechtsgeschäftliche Basis lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt ist.



Das beklagte Land hat sein Verhalten gegenüber der Klägerin bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab Oktober 2013 nicht ausdrücklich erläutert, so dass sich der Wille zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ohne rechtsgeschäftliche Grundlage und allein zur Abwendung der Zwangsvollstreckung nur aus den Umständen ergeben könnte. Die Umstände, unter denen das Arbeitsverhältnis fortgesetzt wurde, lassen einen solchen Schluss allerdings nicht mit der gebotenen Sicherheit zu.



a)



Es ist zwar anerkannt, dass eine weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers nach einem obsiegenden Urteil in einer Bestandsschutzstreitigkeit eine Beschäftigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung darstellt, wenn der Arbeitnehmer zuvor eine solche angedroht hatte. Ein solcher Fall liegt hier allerdings nicht vor, da die Klägerin keine Zwangsvollstreckung angedroht hatte. Anknüpfungspunkt könnte insoweit allein die Mail der Klägerin vom 25. September 2013 (Anlage B 1, hier Blatt 15) sein. Mit dieser Mail hat die Klägerin allerdings nicht die Zwangsvollstreckung aus dem obsiegenden erstinstanzlichen Urteil vom 23. Juli 2013 im Vorprozess angedroht. Das ergibt sich aus dem Text der Mail unter Hinzuziehung weiterer Umstände.



Anlass der Mail war lediglich die sozialversicherungsrechtliche Abmeldung der Klägerin, die in Widerspruch zu der Auskunft stand, die ihr wenige Tage zuvor von der Sachbearbeiterin in der Personalverwaltung erteilt wurde, dass sie nach dem 30. September 2013 "vorerst weiter in der JUF eingesetzt" werde (Anlage K 5, hier Blatt 22). Nach Einschätzung der Klägerin lag insoweit nur ein Kommunikationsproblem zwischen dem Landesbesoldungsamt und der Universität vor, um dessen Behebung sie den Leiter der Personalabteilung gebeten hat.



Ihren Anspruch auf eine weitere Beschäftigung über den 30. September 2013 begründet die Klägerin in ihrer Mail zwar mit dem obsiegenden Urteil erster Instanz im Vorprozess, es erscheint jedoch ausgeschlossen, dass die Klägerin mit dem Hinweis auf dieses Urteil eine Vollstreckung androhen wollte. Dass war auch für das beklagte Land ohne weiteres erkennbar. Denn die Klägerin war auch im Vorprozess anwaltlich vertreten und es wäre recht ungewöhnlich, wenn in einer solchen Situation die Klägerin selbst ohne Einschaltung ihrer Anwälte versuchen wollte, ihre Rechte aus dem zu ihren Gunsten ergangenen Urteil im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Es kann auch ausgeschlossen werden, dass das beklagte Land diese Mail als Vollstreckungsandrohung gewertet hat. Denn auch das beklagte Land hatte sich im Vorprozess bereits erstinstanzlich durch ihre Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Wenn denn tatsächlich in dieser Situation, in der beide Parteien vor Gericht anwaltlich vertreten waren, von Partei zu Partei ohne die Anwälte eine Zwangsvollstreckung angedroht worden sein sollte, wäre es naheliegend gewesen, den Vorgang der eigenen Prozessbevollmächtigung zur weiteren Bearbeitung und zur Vorbereitung einer angemessenen Reaktion vorzulegen. Da dies nicht geschehen ist, muss das Gericht davon ausgehen, dass das beklagte Land die Mail vom 25. September 2013 tatsächlich selbst nicht als eine Form der Androhung der Zwangsvollstreckung gewertet hat. Diese Sicht auf die Dinge wird durch die (Teil-)Umsetzungsverfügung des beklagten Landes vom 16. Januar 2014 bestätigt. Denn dort spricht das beklagte Land selbst von den arbeitsvertraglichen Grundlagen, die durch die Umsetzung unberührt bleiben sollen (Anlage K 9, hier Blatt 27).



Streng genommen ist der Vortrag des beklagten Landes auch noch insoweit unschlüssig, als nicht mitgeteilt worden ist, dass die Rückgängigmachung der sozialversicherungsrechtlichen Abmeldung der Klägerin erst nach dem Erhalt der klägerischen Mail vom 25. September 2013 erfolgt ist.



b)



Selbst wenn man im Rahmen einer Hilfsüberlegung anerkennen würde, dass sich die klägerische Mail vom 25. September 2013 als eine Androhung der Zwangsvollstreckung darstellt, kann die kommentarlose Weiterbeschäftigung der Klägerin ab Oktober 2013 nicht als Nachgeben vor dem aufgebauten Vollstreckungsdruck interpretiert werden. Die Klägerin hatte in der Mail eine Bestätigung seitens der Universität gefordert, dass sie auch weiter beschäftigt werde. Das beklagte Land muss sich vorhalten lassen, dass es unterlassen wurde, auf diese Bitte einzugehen und gegenüber der Klägerin klarzustellen, aus welchem Grund sie trotz des Erreichens des Befristungsdatums weiter beschäftigt wird.



Insoweit muss betont werden, dass die vereinbarte zeitweilige weitere Zusammenarbeit der Parteien vom 1. Juni bis 30. September 2013 nicht mit der häufig anzutreffenden Prozessbeschäftigung gleichgesetzt werden kann. Weder der Beginn noch die vereinbarte Beendigung dieser befristeten Einstellung haben einen Bezug zu dem Vorprozess.



Geht das Ansinnen zu einer Prozessbeschäftigung vom Arbeitgeber aus, etwa, weil er das Annahmeverzugsrisiko minimieren will, wird das streitige Rechtsverhältnis häufig über das vereinbarte Beendigungsdatum hinaus fortgesetzt. Wird das Ansinnen auf die weitere Beschäftigung vom Arbeitnehmer betrieben, geschieht dies im Regelfall nach einem obsiegenden Urteil und ist häufig verbunden mit dem Aufbau eines Vollstreckungsdrucks. Vorliegend trifft weder das eine noch das andere zu. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war zunächst nach dem vereinbarten Vertragsende (31. März 2013) unterbrochen und wurde dann 2 Monate später wieder aufgenommen. Die Wiederaufnahme der Beschäftigung der Klägerin mit dem 1. Juni 2013 steht allerdings nicht in einem zeitlichen Zusammenhang zu dem arbeitsgerichtlichen Urteil im Vorprozess, das erst am 23. Juli 2013 ergangen war.



Ähnliches ist bezüglich des Endes der zwischenzeitlich vereinbarten befristeten weiteren Zusammenarbeit festzustellen. Das vereinbarte Ende des befristeten Vertrages (30. September 2013) steht in keinerlei Zusammenhang zu dem Vorprozess der Parteien.



Damit erweist sich die Angabe des Befristungsgrundes "Prozessbeschäftigung" im Arbeitsvertrag der Parteien vom 16. Mai 2013 (Anlage K 1, hier Blatt 5f) als bloßer Hinweis auf ein Motiv, das beim Abschluss auf Seiten des beklagten Landes erheblich gewesen ist.



Wegen der fehlenden Verzahnung des während des Laufs des Vorprozesses geschlossenen weiteren Arbeitsverhältnisses mit dem Vorprozess, können aus der weiteren Zusammenarbeit der Parteien über den 30. September 2013 hinaus auch nicht die für das beklagte Land günstigen Folgerungen aus diesem Umstand gezogen werden.



Bei einer echten rechtsgeschäftlich begründeten Prozessbeschäftigung, die bereits vor Verkündung einer gerichtlichen Entscheidung zu Gunsten des Arbeitnehmers begonnen wurde, mag man die Fortsetzung der Zusammenarbeit nach Erreichen des vereinbarten Befristungsdatums als bloße Erfüllung der Pflichten aus einem zwischenzeitlich ergangenen Urteil interpretieren. Eine solche Schlussfolgerung ist hier jedoch nicht erlaubt. Denn die weitere Beschäftigung über den 30. September 2013 hinaus könnte auch darin begründet sein, dass die Erwartung der Universität, Prof. Dr. H. würde diese bis zum 31. März 2013 verlassen, nicht zutreffend war. Denn Prof. Dr. H. war auch weit über den 30. September 2013 hinaus noch an der Universität tätig. Nach dem Kenntnisstand des Gerichts ist er sogar heute noch als Lehrstuhlinhaber in A-Stadt tätig. Damit gibt es aber für die weitere Beschäftigung der Klägerin über den 30. September 2013 hinaus aus der Sicht der Klägerin zumindest zwei Anknüpfungspunkte, einmal das zu ihren Gunsten am 23. Juli 2013 ergangene erstinstanzliche Urteil im Vorprozess und zum anderen die veränderte Bedarfslage, die durch die weitere Tätigkeit des Professors an der Universität entstanden war. Das macht es unmöglich, aus dem bloßen Umstand der weiteren Beschäftigung der Klägerin auf eine bestimmte Willensrichtung der Universität, die diesem Verhalten zu Grunde liegt, zu schließen.



2.



Da die Gründe für weitere Beschäftigung der Klägerin ab Oktober 2013 dieser gegenüber nicht kommuniziert wurden, sieht sich das Gericht auch nicht in der Lage, Feststellungen zu einer Befristungsabrede in diesem konkludent entstandenen Arbeitsverhältnis zu treffen.



Es mag naheliegen, dass das beklagte Land die Klägerin nach Ablauf des 30. September 2013 nur bis zum Abschluss des Rechtsstreits aus dem Vorprozess weiter beschäftigen wollte. Da es jedoch unterschiedliche Varianten für die Ausgestaltung eines solchen rechtsgeschäftlichen Prozessarbeitsverhältnisses gibt (auflösend bedingte Fortsetzung des Ursprungsarbeitsverhältnisses oder zweckbefristete Begründung eines vom Ursprungsarbeitsverhältnis losgelösten Prozessarbeitsverhältnisses), kann das Gericht keine Feststellungen dazu treffen, welche Form der rechtsgeschäftlichen Beschränkung der weiteren Zusammenarbeit das beklagte Land mit der kommentarlosen Weiterbeschäftigung der Klägerin anbieten wollte.



III.



Da die Klägerin mit ihrem Feststellungsantrag obsiegt hat, ist auch der Weiterbeschäftigungsantrag begründet.



IV.



Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen, da die Klägerin obsiegt hat (§ 91 ZPO).



Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.



Die ehrenamtliche Richterin Frau Sielaff ist an der Unterschriftsleistung verhindert, da ihre Amtszeit als Richterin zum Jahresende 2015 geendet hat. In Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2015 hat die Kammer allerdings einen handschriftlichen Urteilstenor verfasst, der die Unterschrift aller drei an der Verhandlung beteiligten Richter trägt. Er befindet sich in der Gerichtsakte.

Vorschriften§ 15 Absatz 5 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), § 15 Absatz 5 TzBfG, §§ 116 ff BGB, § 22 TzBfG, § 91 ZPO, § 72 ArbGG

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