02.04.2015 · IWW-Abrufnummer 175980
Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 19.02.2015 – 16 Sa 1207/14
Bei einem am 01.07. eines Jahres begründeten Arbeitsverhältnis, das am 31.12. fortbesteht, entsteht kein Vollurlaubsanspruch nach §§ 3 , 4 BUrlG .
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 16.07.2014 - 3 Ca 453/14 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer weiteren Urlaubsabgeltung.
Der Kläger war vom 01.07.2013 bis zum 02.01.2014 als Diensthundeführer BW-Bereich bei der Beklagten in der 6-Tage-Woche beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der schriftliche Arbeitsvertrag vom 13.06.2013 (Bl. 20 - 27 d.A.). Im Arbeitsvertrag ist auszugsweise folgendes geregelt:
Der Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 08.12.2005 (im Folgenden: MTV) enthält bezüglich des Urlaubs u.a. folgende Bestimmungen:
Das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt des Klägers betrug 2.447,67 €.
Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses nahm der Kläger keinen Urlaub. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte die Beklagte an den Kläger eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.170,39 € brutto für 13 Urlaubstage.
Mit seiner vorliegenden am 14.03.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger mit der Begründung, dass für das Jahr 2013 der volle Urlaubsanspruch entstanden sei, die Abgeltung weiterer 13 Urlaubstage in Höhe von 1.170,39 r€ brutto nebst Zinsen.
Durch Urteil vom 16.07.2014, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.170,39 r€ brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit am 21.03.2014 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Ausgangspunkt für die dem Kläger zustehenden Urlaubsansprüche sei § 5 Ziffer 2 MTV, wonach der Urlaub 26 Werktage betrage. Eine Zwölftelung finde gemäß § 5 Ziffer 4 MTV i.V.m. § 5 Abs. 1 a BUrlG nicht statt. Zwar bestimme § 5 Ziffer 4 MTV, dass neu eintretende Arbeitnehmer nur so viel Zwölftel des ihnen zustehenden Jahresurlaubs erhielten, wie sie volle Monate im laufenden Kalenderjahr beschäftigt gewesen seien. Die Zwölftelung erfolge ausdrücklich jedoch nur in den Grenzen des § 5 BUrlG. Gemäß § 5 Abs. 1 a BUrlG i.V.m. § 4 BUrlG sei jedoch keine Zwölftelung des Jahresurlaubsanspruchs vorzunehmen. Der volle Jahresurlaub sei erworben, wenn die Wartezeit in einem Kalenderjahr erfüllt werde. Beginne das Arbeitsverhältnis mit dem 01.07. eines Jahres um 0.00 Uhr und bestehe es am 31.12. des Jahres um 24.00 Uhr fort, so sei dies der Fall. Die gleichzeitige Beendigung des Kalenderjahres vermöge die Entstehung des vollen Urlaubsjahres nicht auszuschließen. § 5 Abs. 1 a BUrlG spreche von der Nichterfüllung der Wartezeit. Dies stehe einer Interpretation entgegen, dass der volle Jahresurlaubsanspruch erst in der Sekunde nach Ablauf des sechsmonatigen Bestehens des Arbeitsverhältnisses entstehe.
Gegen dieses ihr am 07.08.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.08.2014 Berufung eingelegt und diese am 07.11.2014 begründet. Die Beklagte beruft sich darauf, dass gemäß § 4 BUrlG der volle Urlaubsanspruch erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben werde. Dieser Wortlaut sei im Kontext mit der Beendigung des Urlaubsjahres zu betrachten, das Arbeitsverhältnis müsse deswegen nicht nur nach Ablauf der Wartefrist weiter bestehen, sondern auch im Berechnungszeitraum. Im Übrigen sei auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 5 Abs. 1 lit. c. BUrlG der Zeitpunkt des Endes eines Tages rechtlich noch zu diesem Tag und damit zu der Frist zu rechnen, in die der Tag falle. Ein Arbeitnehmer habe die Wartezeit nicht mit Ablauf von sechs Monaten, sondern erst nach Ablauf von sechs Monaten erfüllt.
Die Beklagte beantragt,
Der Kläger beantragt,
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Wartezeit betrage sechs Monate. Dementsprechend müsse der volle Urlaubsanspruch auch bei einem Bestehen des Arbeitsverhältnisses von sechs Monaten entstehen.
Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Abgeltung weiteren Urlaubs für das Jahr 2013.
Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 5 des auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findenden Manteltarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen. Dieser bestimmt unter § 5 Ziffer 4 MTV, dass neu eintretende und/oder ausscheidende Arbeitnehmer so viel Zwölftel des ihnen zustehenden Jahresurlaubs erhalten, wie sie volle Monate im laufenden Kalenderjahr beschäftigt waren. Die Beklagte hat den sich unter Berücksichtigung dieser tariflichen Bestimmung ergebenden anteiligen Urlaub des Klägers mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 02.01.2014 abgegolten.
Allerdings sind die Tarifvertragsparteien gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht berechtigt, den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch zu kürzen. Dem trägt § 5 Ziffer 4 MTV Rechnung, indem dort geregelt ist, dass die Zwölftelung nur in den Grenzen des § 5 BUrlG erfolgt.
Der Kläger besitzt jedoch keinen Anspruch auf den gesetzlichen Vollurlaub. Dieser beträgt nach § 3 Abs. 1 BUrlG 24 Werktage. Der volle Urlaubsanspruch wird jedoch gemäß § 4 BUrlG erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben.
Die Erfüllung der Wartezeit ist Anspruchsvoraussetzung für den Anspruch auf den vollen gesetzlichen Urlaub. Im vorliegenden Fall hat der Kläger am 31.12.2013 die Wartezeit erfüllt. Für deren Berechnung gelten die §§ 187, 188 BGB. Hiervon ist auch das Arbeitsgericht ausgegangen. Auf die zutreffende Begründung des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen.
Auch wenn damit die Wartezeit im Kalenderjahr 2013 erfüllt war, so ist ein Vollurlaubsanspruch nicht entstanden. Zugleich mit der Erfüllung der Wartezeit ist auch das Urlaubsjahr abgelaufen (§ 188 BGB). Der Urlaubsanspruch ist nach dem Bundesurlaubsgesetz auf das Urlaubsjahr befristet. Er erlischt entweder mit dem Jahresende oder dem Ende des Übertragungszeitraums des folgenden Kalenderjahres. Nach der gesetzlichen Regelung in § 1 und § 7 Abs. 3 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub (§ 1 BUrlG). Er ist jeweils zeitlich auf das Kalenderjahr, in dem er entstanden ist, beschränkt. In Übereinstimmung damit ist in § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG klargestellt, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Damit steht zugleich fest, dass der Urlaubsanspruch nur im Kalenderjahr besteht, eine Erfüllung des Anspruchs außerhalb des Kalenderjahres ausgeschlossen ist. Nur bei Vorliegen weiterer in § 7 Abs.3 Satz 2 BUrlG genannter Merkmale ist der Urlaub auf weitere drei Monate befristet. Mit dem Fristende entfällt zugleich der Anspruch auf Urlaub.
Nach § 1 BUrlG hat der Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Dem entspricht § 5 Ziffer 1 MTV. Die tarifliche Bestimmung stellt für den Urlaubsanspruch ebenfalls auf das Kalenderjahr ab. Dieses ist damit das Urlaubsjahr. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 BUrlG entsteht der Vollurlaubsanspruch jedoch erst nach Ablauf der Wartezeit. Er konnte damit in dem maßgeblichen Urlaubsjahr 2013 nicht mehr entstehen. Dass das Arbeitsverhältnis über den 31.12.2013 hinaus bis zum 02.01.2014 fortbestanden hat, ist unter diesen Gesichtspunkten ohne Bedeutung (Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl., § 4 Rdnr. 19; ErfK-Gallner, 15. Aufl. BurlG § 5 Rdnr. 9; Friese, Urlaubsrecht, Rdnr. 53; Schaub-Linck Arbeitsrechtshandbuch, 2. Aufl., § 104 Rdnr. 70, 71). Soweit unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.01.1967 (5 AZR 395/66 - AP Nr. 1 zu § 4 BUrlG) die Ansicht vertreten wird, dass ein Urlaubsanspruch in voller Höhe auch schon dann entsteht, wenn ein Arbeitnehmer gleichzeitig mit dem Ende der Wartezeit ausscheidet (Neumann/Fenski, BUrlG. 10. Aufl., § 5 Rdnr. 6), so ist dem nicht zu folgen. Zunächst sei darauf hingewiesen, dass das Bundesarbeitsgericht in der in Frage stehenden Entscheidung lediglich über einen Teilurlaubsanspruch zu befinden hatte. Unabhängig hiervon entsteht nach der gesetzlichen Regelung der volle gesetzliche Mindesturlaub erstmalig "nach" dem Ablauf der Wartezeit von sechs Monaten (so auch Düwell, Münchener Handbuch Arbeitsrecht, 3. Aufl. § 78 Rdnr 22). Im Übrigen hat sich die Rechtsprechung zum Urlaubsrecht seit der Entscheidung vom 26.01.1967 entscheidend weiter entwickelt. Dies gilt insbesondere für die Bedeutung der Befristung des Urlaubsanspruchs und den Verfall nicht genommenen Urlaubs nach Ablauf der Befristung.
Dem Kläger steht damit lediglich ein Teilurlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 a BUrlG zu. Mit Beginn des Arbeitsverhältnisses am 01.07.2013 stand von vornherein fest, dass der Kläger die Voraussetzungen für einen Vollurlaubsanspruch, ein mehr als sechsmonatiges Bestehen des Arbeitsverhältnisses, im Jahre 2013 nicht mehr erfüllen konnte. § 5 Abs. 1 a BUrlG begründet ebenso wie § 5 Abs. 1 b BUrlG einen Teilurlaubsanspruch, für den es ohne diese gesetzliche Regelung keine Anspruchsgrundlage gäbe, da während der Wartezeit weder eine Anwartschaft auf den Vollurlaub noch sukzessive für jeden vollen Monat der Dauer des Arbeitsverhältnisses ein Teilurlaubsanspruch entsteht. Eine Ausnahme zu § 4 BUrlG regelt demgegenüber § 5 Abs. 1 c BUrlG. Grundsätzlich bestände nach § 4 BUrlG nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub. Dies gilt jedoch nicht für den Fall, dass ein Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. In diesem Fall kommt es zu einer Kürzung des gesetzlichen Anspruchs.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 ArbGG.