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29.01.2014 · IWW-Abrufnummer 140261

Landgericht Bonn: Urteil vom 17.10.2013 – 14 O 44/13

Schadensabwicklung für den Versicherer als erlaubnisfreie Rechtsdienstleistung


Landgericht Bonn

14 O 44/13

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin begehrt die Unterlassung von solchen Rechtsdienstleistungen, wie sie sich in dem im Antrag wiedergegeben Schreiben der Beklagten an Herrn (Rechtsanwalt) T vom 16.11.2011 widerspiegeln. Die Beklagte ist ein seit 1918 bestehendes Unternehmen, das als Versicherungsmakler nicht nur Verträge an Versicherungsgesellschaften vermittelt, sondern auch schadensbearbeitend im Auftrag für die Versicherungsgesellschaften tätig ist. Im konkreten Fall vermittelte die Beklagte den dem Schadensfall zugrunde liegenden Versicherungsvertrag zwischen dem Versicherungsnehmer, einem Textilreinigungsunternehmen, und dem Haftpflichtversicherer aus der Q-Versicherungsgruppe. Der Versicherungsnehmer wurde von dem Kunden (Rechtsanwalt T) in Anspruch genommen. Die Beklagte schrieb an ihn als die von dem zuständigen Versicherer der Q-Versicherungsgruppe „mit der Bearbeitung o.g. Schadens“ Beauftragte.

Die Klägerin ist der Auffassung,

dem Schreiben liege eine rechtliche Prüfung zugrunde, diese rechtliche Prüfung stehe nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Haupttätigkeit, nämlich dem Abschluss des Versicherungsvertrages zwischen dem Versicherungsnehmer und der Q-Versicherung, die Regulierung von Schadensersatzansprüchen habe mit dem Kerngeschäft, dem Maklergeschäft, nichts zu tun, sondern sei eine eigenständige Tätigkeit und damit eine Fremdbesorgung.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, schadensregulierend so tätig zu werden, wie sich das aus ihrem nachfolgend eingeblendetem Schreiben vom 16.11.2011 ergibt:

W ASSEKURANZ -VERSICHERUNGSMAKLER AG
###-########
Herr I KG
T C2 ##
Jweg ## B #### C
#-##### C
C3, den 16. November 2011
S
Fon ####/## ## ###
Fax 0####/## ## ##
h .S@W.de

Schadennummer: ####-$##-##### (bei Schriftwechsel bitte angeben)Schaden: T, I KGReklamationsgegenstand: Hemd

Sehr geehrter Herr T,

der zuständige Versicherer, die Q, hat uns mit der Bearbeitung o.g. Schadens beauftragt. Nach den gesetzlichen Bestimmungen haftet o. g. S2 bis zum Zeitwert der vernichteten bzw. beschädigten Objekte, d.h. es wird unter Berücksichtigung des Alters und des Gebrauchs Ersatz geleistet.

Die seinerzeitige Anschaffungsrechnung konnte von Ihnen zum Nachweis der Schadenhöhe nicht mehr vorgelegt werden. Diesbezüglich weisen wir darauf hin, dass Sie als Anspruchsteller zum Nachweis der Schadenhöhe verpflichtet sind.

Wir haben deshalb diesem Umstand Rechnung getragen und von dem angegebenen Anschaffungspreis einen Pauschalabzug neu für alt vorgenommen.

Die Auszahlung der ermittelten Zeitwertpauschale in Höhe von 59,50 € wird veranlasst.

Gegen Vorlage der Anschaffungsrechnung (nicht Wiederbeschaffungsrechnung) werden wir die Schadenhöhe gerne erneut prüfen und ggf. korrigieren.

Bei dem ermittelten Zeitwertentschädigungsbetrag sind wir bereits davon ausgegangen, dass es sich dabei um den Zeitwert einer tragbaren und somit gereinigten Textilie handelt. Indessen war die Ihrerseits reklamierte Textilie reinigungsbedürftig. Insofern sind die Reinigungskosten bereits im Zeitwertentschädigungsbetrag enthalten (Vgl. AG Lüdenscheid, AZ: 8 C 158/94 vom 03.11.1994; AG Hannover, AZ.: 519 C 8299/05 vom 12.01.2006).

Ein Anspruch auf Rückerstattung der Reinigungskosten steht dem Reinigungskunden auch deshalb nicht zu, weil er durch seinen Schadenersatzanspruch nach den §§ 280 Abs. 1,3, 631, 634 BGB gerade so gestellt werden soll, wie er bei ordnungsgemäßer Reinigung gestanden hätte. In diesem Fall hätte er jedoch auch den vereinbarten Reinigungspreis entrichten müssen. Ein Schaden für vergleichbare Aufwendungen kann jedoch nach § 284 BGB nicht neben dem Schadenersatz verlangt werden, der für die nicht ordnungsgemäß erbrachte Leistung zu entrichten ist (Vgl. Amtsgericht Bonn, AZ: 14 C 487/08 vom 07.01.2010).

Kostenpauschalen und dergleichen (Abholversuche, Telefonate) sind im Zusammenhang mit Reinigungsreklamationen nicht ersatzpflichtig (vgl. AG Bad Schwalbach, AZ -3 C 795/00-; AG Kostanz, AZ 4 C 394/07).

Mit freundlichen Grüßen

und der Beklagten anzudrohen, dass gegen sie bei jedem schuldhaften Verstoß gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,-- verhängt werden kann.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte sieht in dem Inhalt des Schreibens vom 16.11.2011 keine rechtlich erforderliche Prüfung im Einzelfall, damit den Tatbestand des § 2 Abs. 1 RDG nicht für erfüllt an – dazu u.a. die Ausführungen auf Seiten 2 ff. der Klageerwiderung (Bl. ## ff.d.A.); sie hält auch die Erlaubnisfreiheit nach § 5 Abs. 1 RDG für gegeben – dazu unter anderem die Ausführungen ab Seite 7 der Klageerwiderung (Bl. ## ff. d.A.).

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunde verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, 3; 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 1, 3 RDG. Die Beklagte durfte die von der Klägerin beanstandete Dienstleistung erbringen, diese war aufgrund des § 5 Abs. 1 RDG erlaubt.

Gemäß § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Dabei ist Rechtsdienstleistung gemäß § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Das vorliegende Schreiben stellt die Besorgung einer konkreten Rechtsangelegenheit dar, denn es bezieht sich auf den Individualanspruch des Kunden des Versicherungsnehmers (Rechtsanwalt T) gegen den Versicherungsnehmer (das Textilreinigungsunternehmen) wegen einer Schlechtleistung und die daraus resultierende Höhe des (Schadensersatz- und Aufwendungsersatz-) Anspruchs. Dem lag ein spezifischer juristischer Subsumtionsvorgang (vgl. dazu: BT-Drucksache 16/3655, S. 35, vgl. auch BT-Drucksache 16/6634, S.51: Abgrenzung von bloßer Rechtsanwendung zu juristischer Rechtsprüfung) zugrunde, als dessen Resultat die Beklagte die bevorstehende „Auszahlung der ermittelte Zeitwertpauschale in Höhe von 59,50 €“ ankündigte. Sie hat dabei (möglicherweise falsch, vgl. BGH vom 04.07.2013, VII ZR 249/12) unter § 249 BGB subsumiert, indem sie den Geschädigten über dessen Ansprüche in der Höhe „nach den gesetzlichen Bestimmungen“, also gemäß §§ 280, 249 BGB, auch zur Beweislast, ebenso belehrte wie zu Ansprüchen „auf Rückerstattung der Reinigungskosten“ „nach den §§ 280 Abs. 1, 3, 631, 634 BGB“ im Zusammenhang mit § 284 BGB. In diesem Zusammenhang hat sie auch Gerichtsurteile zitiert.

Diese Rechtsdienstleistung ist jedoch gemäß § 5 Abs. 1 RDG erlaubnisfrei. Gemäß § 5 Abs. 1 RDG sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und dem sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit - unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind - zu beurteilen. Gemäß § 59 Abs. 3 VVG ist Versicherungsmakler im Sinne des VVG, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Der Versicherungsmakler benötigt gemäß § 34 d GewO der Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer, wobei die Erlaubnis die Befugnis umfasst, Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich zu beraten. Eine Vertretung von Versicherungsnehmern – gleich ob Verbraucher oder nicht – bei der Geltendmachung von Ansprüchen im Schadensfall kommt im Rahmen von § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG in Betracht, soweit diese Tätigkeit als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers gehört (BT-Drucksache 16 / 1935, S.18). Für den Bereich der Schadensregulierung werden die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 RDG weitgehend bejaht (vergleiche Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage 2010, Randnote 34 zu § 34 d GewO; Randnote 64 zu § 59 VVG). Darum geht es hier allerdings nicht.

Vielmehr hat die Beklagte mit ihrer angegriffenen Tätigkeit nicht (nur) Dienste für den Versicherungsnehmer geleistet, sondern auch für die Q-Versicherung. Zwischen dem Versicherungsmakler einerseits, der (auch) als treuhänderischer Sachverwalter für den Versicherungsnehmer tätig wird, und dem Versicherer andererseits, kommt ein eigener Kooperationsvertrag zustande, aus dem sich – insbesondere im Fall einer dauerhaften Betreuung der Interessen des Versicherungsnehmers durch den Makler – wechselseitige Zusammenarbeits- und Korrespondenzpflichten ableiten lassen, darunter auch der durch den Abschluss des Versicherungsvertrages und die Prämienzahlung des Versicherungsnehmers aufschiebend bedingte Courtageanspruch (vergleiche Prölss/Martin, a. a. O., Randnote 68 zu § 59 VVG). Die Hauptleistung des Versicherungsmaklers im Verhältnis zum Versicherer ist die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben, wie es auch das Landgericht Hamburg (BeckRS 2008, 25129) und das Oberlandesgericht Hamburg (Anlage K 9, Blatt ## d. A., Seite 15, unter d) aa)) annehmen. Zu den Verwaltungsaufgaben wiederum gehört die Schadensregulierung für den Versicherer im Rahmen des durch den Auftrag zur laufenden Betreuung begründeten Dauerschuldverhältnisses. Zur Schadensregulierung gehört auch die Abwehr von Ansprüchen, die den begründeten Anspruch gegen den Versicherungsnehmer unmittelbar – und gegen den Versicherer mittelbar: im Rahmen des Freistellungsanspruches des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer – übersteigen, d.h. auch die Abwehr von Ansprüchen, die über den Wiederbeschaffungswert (ggfs. unter Berücksichtigung des Abzugs neu für alt, vgl. BGH a.a.O.) für die abhanden gekommene Sache hinaus gehen. Mit der Argumentation wie in dem Schreiben vom 18.11.2011 sind für einen erfahrenen Schadenssachbearbeiter keine erheblichen Schwierigkeiten verbunden; dieses Schreiben könnte zu einem großen Teil sogar wie ein Formular für gleichgelagerte Fälle genutzt werden.

Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zur vertragstypischen Hauptleistung. Die Haupttätigkeit, nämlich die Dienstleistung der Beklagten für den Versicherer, war am 18.11.2011 nicht – wie die Klägerin meint - abgewickelt, da das insoweit bestehende Dauerschuldverhältnis und die aus ihm entspringenden Haupt- und Nebenpflichten fortbestehen (vergleiche auch: Chemnitz-Johnigk, Rechtsberatungsgesetz, 11. Auflage 2003, Randnote 557.1 zu Artikel 1 § 5 m.w.N; OLG Köln, BeckRS 2010, 04479; zur Regulierung durch Assekuradeure: Landgericht Hamburg a.a.O. m.w.N.). Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamburg (Anlage K #) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Anlage GRUR-RR 2010, 245, Blatt ## d. A.) stehen dem nicht entgegen: Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe betrifft die Tätigkeit für den Kunden, also für einen Versicherungsnehmer und geht u.a. dahin, dass ohne die diesem gegenüber zu erbringende Hauptleistung: Konzeption und Vermittlung privater Verträge zur Vorsorge die Prüfung der Sozialversicherungspflicht(-befreiung) keine Nebenleistung im Sinne von § 5 Abs.1 RDG darstellt, u.a. weil die selbständige Vertretung des Versicherungsnehmers gegenüber einem Sozialversicherungsträger nicht zum üblichen Berufs- oder Tätigkeitsbild eines Versicherungsmaklers gehört. Der Sachverhalt unterscheidet sich wesentlich von demjenigen, der hier zu beurteilen ist: am 18.11.2011 bestand ein Schuldverhältnisverhältnis, das die Betreuung des Versicherungsnehmers zum Gegenstand hatte – nämlich der Kooperations-Dienstvertrag zwischen der Beklagten und der Q – Versicherungsgruppe, so dass die Beklagte keine „selbständige Rechtsdienstleistung“ im Sinne des zitierten Urteils erbrachte.

In der Entscheidung des Oberlandgerichts Hamburg (Anlage K #, Seite 15, Blatt ##f d. A.) ging es ausdrücklich (siehe S. 15 Mitte die Differenzierung unter (aa) und (bb)) nicht um eine dem Versicherungsmakler gegenüber dem Versicherer obliegende Tätigkeit - die Würdigung einer Regressmaßnahme für den Versicherer wird ausdrücklich offengelassen (S.16) - sondern um die außergerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen für den Versicherungsnehmer im versicherungsfreien Bereich (a.a.O., Seite 15).

Diese Überlegungen sind im Termin erörtert worden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 Satz 1 ZPO.

Streitwert: 25.000,00 Euro.

RechtsgebieteUWG, RDG, GewO, WgVorschriftenUWG §§ 8; 3 ; 4 Nr. 11; RDG §§ 1; 2; 3; 5; GewO § 34 d; Wg § 59

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