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21.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120476

Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 10.01.2012 – I-4 U 145/11


Oberlandesgericht Hamm

I-4 U 145/11

Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 13. Juli 2011 verkündete Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe
I.
Die Antragstellerin betreibt u.a. über die Internetplattform X unter dem Mitgliedsnamen "X2" einen gewerblichen Versandhandel mit Schmuck und Uhren. Die Antragsgegnerin bietet ebenfalls Schmuck im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit über die Internetplattform X, und zwar unter dem Mitgliedsnamen "Y" an. Bis einschließlich Mai 2010 übten der Geschäftsführer der Antragstellerin und die Antragsgegnerin ihre gewerbliche Tätigkeit gemeinsam aus.
Am 31.01.2011 gab der von der Antragstellerin hiermit beauftragte E um 17:42 Uhr im Rahmen eines sog. Testkaufs das Höchstgebot für einen von der Antragsgegnerin auf der Auktionsplattform X angebotenen Ring ab. Die Auktion endete (endgültig) am 02.02.2011 um 19.20 Uhr. Zeitgleich erhielt der Käufer E per E-Mail eine "Widerrufs- oder Rückgabebelehrung (Anlage Ast3 zur Antragsschrift vom 31.03.2011/Bl. 30ff. d.A.), die eine Widerrufsfrist von 14 Tagen vorsieht.
Auf Antrag der Antragstellerin vom 07.04.2011 hat das Landgericht Dortmund im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde, Verbrauchern im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen Schmuck im Fernabsatz anzubieten und/oder zu verkaufen, a) und dabei im Rahmen der Informationen zum fernabsatzrechtlichen Widerrufsrecht über die Länge der Frist zum Widerruf von 14 Tagen zu informieren, wenn der Verbraucher die Informationen zum fernabsatzrechtlichen Widerrufsrecht in Textform erst 49 Stunden nach Abschluss des Kaufvertrages erhält und/oder b) ohne die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Textform mitzuteilen, wie geschehen in Verbindung mit der Abwicklung der Transaktion zu der X-Artikelnummer #########.
Hiergegen hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich ihrer Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass es der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wird, Verbrauchern im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen, Schmuck im Fernabsatz zu verkaufen, ohne die allgemeinen Geschäftsbedingungen in Textform mitzuteilen, wie geschehen in Verbindung mit der vorgenannten Transaktion auf der Internetplattform X. Den weitergehenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat es zurückgewiesen.
Es hat sein Urteil unter anderem wie folgt begründet:
Die einstweilige Verfügung sei nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufrechtzuerhalten, im Übrigen aufzuheben und dementsprechend auch der weitergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen gewesen.
Das Verbotsbegehren der Antragstellerin sei zulässig. Es sei insbesondere nicht deshalb gemäß § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich, weil zwischen den Parteien vor verschiedenen Gerichten zahlreiche Rechtsstreitigkeiten anhängig seien. Ob die Geltendmachung einer Vertragsstrafe von 500.000,00 € gerechtfertigt sei, obliege der Entscheidung des zuständigen Gerichts. Die Anrufung des Landgerichts Dortmund stelle keine missbräuchliche Gerichtsstandswahl dar.
Die Entscheidung über den Unterlassungsanspruch sei dringlich. Das nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Eilbedürfnis werde gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Anhaltspunkte, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht ersichtlich. Die Antragstellerin habe den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung per Fax am 31.03.2011 und damit innerhalb eines Monats nach der glaubhaft gemachten Kenntniserlangung am 02.03.2011 gestellt. Auch insoweit komme es auf die konkrete X-Auktion an.
Hinsichtlich des weitergehenden Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stehe der Antragstellerin kein Verfügungsanspruch zu.
Die Widerrufsbelehrung mit einer Widerrufsfrist von 14 Tagen sei gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 und S. 2 BGB nicht zu beanstanden. Die Übersendung der Widerrufsbelehrung in Textform am 02.02.2011 sei unverzüglich nach Vertragsschluss erfolgt. Die Entscheidung des BGH NJW 2002, 363 stehe dem nicht entgegen. Die Erklärung des Bietenden stehe unter der aufschiebenden Bedingung des Auktionsendes, da andernfalls mit jedem Höchstgebot ein neuer Vertrag zustände käme, der dann wiederum auflösend bedingt durch ein weiteres Höchstgebot sei.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit ihrer Berufung wie folgt:
Das Urteil des Landgerichts werde zur Überprüfung gestellt, soweit es für die Antragstellerin nachteilig sei.
Die Antragsgegnerin habe die ihr nach § 312c Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 246 EGBGB obliegenden wesentlichen fernabsatzrechtlichen Informationspflichten nicht erfüllt, da sie bei der Abwicklung der streitgegenständlichen Online-Auktion mit der Art.-Nr. ######### nur unzureichend über das fernabsatzrechtliche Widerrufsrecht (Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB) informiert habe.
Die Angabe der Antragsgegnerin zur Länge der Widerrufsfrist von 14 Tagen in der von ihr verwendeten Widerrufsbelehrung entspreche nicht der derzeitigen Gesetzeslage. Eine Verkürzung der Widerrufsfrist von einem Monat auf 14 Tage setze gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB voraus, dass die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher spätestens bei oder bei Fernabsatzverträgen unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform zugehe. Von einer unverzüglichen Zusendung könne ausweislich der Gesetzesbegründung nur ausgegangen werden, wenn die Belehrung spätestens am Tag nach dem Vertragsschluss übersandt werde. Dem sei die Antragsgegnerin nicht nachgekommen.
Denn bei Verträgen auf der Online-Handelsplattform X komme der Vertrag dadurch zustande, dass der Verkäufer durch die Freischaltung der Artikelbeschreibung ein verbindliches Angebot unter Bestimmung einer Frist nach § 148 BGB abgebe, das der Käufer bei einer Online-Auktion durch die Abgabe des Gebotes annehme. Hieraus folge in Übereinstimmung mit der einschlägigen BGH-Rechtsprechung, dass der Vertrag mit der Abgabe des Gebotes durch den Käufer zustande komme. Die vertragliche Bindung beruhe demzufolge nicht auf dem Ablauf der Auktionsfrist, sondern auf den innerhalb der Laufzeit abgegebenen Willenserklärungen der Parteien. Die verbindliche Annahmeerklärung des Käufers erlösche gemäß § 158 Abs. 2 BGB nur dann, wenn ein Dritter während der Angebotsdauer ein höheres Angebot abgebe. Dies ergebe sich auch aus § 10 Ziffer 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Online-Handelsplattform X (Anlage ASt4 zur Antragsschrift vom 31.03.2011/Bl. 37ff. d.A.).
Bei der Online-Auktion der Antragsgegnerin mit der Art.-Nr. ######### auf der Internet-Plattform X sei das Höchstgebot des Bieters - und damit dessen verbindliche Willenserklärung – bereits am 31.01.2011 um 17:42 Uhr abgegeben worden. Die Belehrung des Käufers sei jedoch erst am 02.02.2011 um 19:20 Uhr und damit mehr als 49h nach Vertragsschluss erfolgt.
Damit habe es keine unverzügliche Belehrung des Käufers seitens des Verkäufers i.S.d. § 355 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB gegeben. Denn auch die Möglichkeit zur Speicherung der Belehrung auf der X-Website (Anlage ASt3 zur Antragsschrift vom 31.03.2011/Bl.30 d.A.) entspreche nicht den Anforderungen der vorgenannten Bestimmung. Demzufolge habe eine Widerrufsfrist von einem Monat gegolten (§ 355 Abs. 2 S. 3 BGB). Die Antragsgegnerin habe damit unzureichend über die Länge der Widerrufsfrist belehrt.
Aufgrund dessen läge ein wettbewerbsrechtlich erhebliches Verhalten der Antragsgegnerin vor. Denn sie verstoße gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB sowie §§ 3, 5, 5a UWG.
Der gerügte Verstoß stelle - auch nach der Rechtsprechung des BGH – eine spürbare Beeinträchtigung i.S.d. § 3 UWG dar. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass nach Art. 7 Abs. 5 RL 2009/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) die im Gemeinschaftsrecht festgelegten Informationsanforderungen – und um diese handele es sich vorliegend - in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung oder Marketing, auf die in der Liste des Anhangs II verwiesen werde, als wesentlich gelten.
Die Antragstellerin beantragt deshalb,
die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Dortmund (Urt. v. 13.07.2011 – 20 O 19/11) aufzuheben und der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00 – Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu untersagen,
Verbrauchern im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen Schmuck im Fernabsatz anzubieten und/oder zu verkaufen und dabei im Rahmen der Informationen zum fernabsatzrechtlichen Widerrufsrecht über die Länge der Frist zum Widerruf von 14 Tagen zu informieren, wenn der Verbraucher die Informationen zum fernabsatzrechtlichen Widerrufsrecht in Textform erst 49 Stunden nach Abschluss des Kaufvertrages erhält,
wie insgesamt geschehen in Verbindung mit der Abwicklung der Transaktion zu der X-Artikelnummer #########.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt:
Dem Landgericht sei darin zu folgen, dass die Widerrufsbelehrung unverzüglich nach Vertragsschluss übersandt worden sei. Zutreffend habe es darauf hingewiesen, dass kein Auktionsteilnehmer eine sofortige Widerrufsbelehrung erwarte, solange nicht feststehe, dass er letztlich der Höchstbietende sei. Etwas anderes sei lebensfremd.
Die Auffassung, der Vertragsschluss werde bereits durch Abgabe des Höchstgebotes herbeigeführt, auch wenn die Auktion noch weiter laufe, erscheine konstruiert und entspreche nicht dem geltenden Recht. Eine Art Rückwirkung, wenn keine weiteren Angebote bis zum Auktionsende abgegeben würden, kenne das Gesetz nicht.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist unbegründet.
Denn der Verfügungsantrag ist zulässig, jedoch unbegründet..
1. Die Antragstellerin ist antragsbefugt i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.
2. Der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben. Der Antragstellerin kommt die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG zugute, welche die Antragsgegnerin nicht widerlegt hat.
Die Antragstellerin hat nicht etwa zu erkennen gegeben, dass es "ihr nicht eilig ist".
Davon könnte vorliegend allenfalls dann ausgegangen werden, wenn die Antragstellerin längere Zeit zugewartet hätte, obwohl sie den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kannte oder grobfahrlässig nicht kannte. Hierfür genügt grundsätzlich die Kenntnis der Tatsachen, die den Wettbewerbsverstoß begründen; es sei denn, dass die Wettbewerbswidrigkeit erst auf Grund weiterer tatsächlicher Nachforschungen erkennbar ist (Köhler/Bornkamm, 29. Aufl., § 12 UWG, Rn. 3.16 m.w.N.).
Letzteres ist jedoch hier der Fall. Die vermeintliche Wettbewerbswidrigkeit ergab sich erst aufgrund des Testkaufes. Denn die beanstandete Widerrufsbelehrung genügte nur dann nicht den gesetzlichen Vorgaben, wenn sie dem Käufer nicht i.S.d. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilt wurde. Vom Ablauf dieses Testkaufes erlangte die Antragstellerin jedoch erst am 02.03.2011 Kenntnis.
3. Dem Begehren der Antragstellerin steht nicht der Vorwurf, die Geltendmachung des Unterlassungsanspruches sei missbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG, entgegen.
Die von der Antragsgegnerin angeführten Umstände lassen aus den zutreffenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung, auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, einen dahingehenden Schluss nicht zu.
4. Allerdings fehlt es am erforderlichen Verfügungsanspruch der Antragstellerin.
Ihr steht der in der Berufungsinstanz (noch) geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 355 Abs. 2 BGB, Art. 246 § 1 Nr. 10 EGBGB, respektive §§ 5, 5a UWG nicht zu.
Die Parteien sind zwar zweifellos Mitbewerber i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.
Die von der Antragstellerin monierte Widerrufsbelehrung der Antragsgegnerin zu 1) stellt auch eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.
Jedoch ist diese Handlung weder unlauter i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 355 Abs. 2 BGB, Art. 246 § 1 Nr. 10 EGBGB noch i.S.d. § 5 UWG oder § 5a UWG.
Denn die angegebene Widerrufsfrist von 14 Tagen entsprach unter den gegebenen Umständen den Vorgaben von § 355 Abs. 2 BGB, Art. 246 § 1 Nr. 10 EGBGB.
a) Der nach § 355 Abs. 2 BGB maßgebliche Vertragsschluss erfolgte bei dem in Rede stehenden Kauf am 31.01.2011 um 17.42 Uhr mit der Abgabe des Höchstgebotes.
Denn bei Verträgen der genannten Art auf der Online-Handelsplattform X kommt der Vertrag (schon) dadurch zustande, dass der Verkäufer durch die Freischaltung der Artikelbeschreibung ein verbindliches Angebot unter Bestimmung einer Frist nach § 148 BGB abgibt, das der Käufer bei einer solchen Online-Auktion durch die Abgabe des Gebotes annimmt. Hieraus folgt, dass der Vertrag (bereits) mit der Abgabe des Gebotes durch den Käufer zustande kommt. Die vertragliche Bindung beruht damit nicht auf dem Ablauf der Auktionsfrist, sondern auf den innerhalb der Laufzeit abgegebenen Willenserklärungen der Parteien. Die verbindliche Annahmeerklärung des Käufers erlischt gemäß § 158 Abs. 2 BGB nur dann, wenn ein Dritter während der Angebotsdauer ein höheres Angebot abgibt, was sich auch aus § 10 Ziffer 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Online-Handelsplattform X ergibt (BGH, Urt. v. 03.11.2004 - VIII ZR 375/03, NJW 2005, 53).
b) Ob dem Käufer bereits zu diesem Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der über die Angebotsseite auf der Internetplattform X einsehbaren Widerrufsbelehrung eine den Anforderungen des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB entsprechende Widerrufsbelehrung in Textform vorlag, kann dahinstehen. Allerdings ist zweifelhaft, ob hiermit den Vorgaben des § 126b BGB genügt würde (offen gelassen in BGH, Urt. v. 16.07.2009 - III ZR 299/08, NJW 2009, 3227; ansonsten str.: dagegen u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 15.03.2007 - 4 W 1/07, ZIP 2007, 824, Palandt-Ellenberger, 71. Aufl., § 126b BGB, Rn. 3, Palandt/Grüneberg, § 355 BGB, Rn. 20 m.w.N.; a.A. u.a. MünchKomm-Einsele, 6. Aufl., § 126b BGB, Rn. 9 m.w.N).
c) Die Antragsgegnerin kann sich jedenfalls auf § 355 Abs. 2 S. 2 BGB stützen.
Denn die Antragsgegnerin hat dem Käufer am 02.02.2011 um 19:20 Uhr über die Auktionsplattform X mittels einer automatisierten Benachrichtigung eine solche Widerrufsbelehrung per E-Mail, mithin in Textform (vgl. Rechtsausschuss BT-Drs 14/7052, S. 195; jurisPK-Wildemann, 5. Aufl., § 360 BGB, Rn. 6; Palandt-Grüneberg, 71. Aufl., § 355 BGB, Rn. 18) – zukommen lassen.
Diese Übermittlung unmittelbar im Anschluss an das Auktionsende geschah i.S.d. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB unverzüglich nach Vertragsschluss, auch wenn der Vertrag mit dem Höchstgebot bereits am 31.01.2011 um 17:42 Uhr zustande gekommen war.
Unverzüglich im vorgenannten Sinne heißt nämlich gleichermaßen wie im Rahmen des § 121 Abs. 1 BGB "ohne schuldhaftes Zögern". Das bedeutet, dass der Unternehmer die erste ihm zumutbare Möglichkeit ergreifen muss, um dem Verbraucher die Informationen in Textform zuzusenden (BT-Drs 16/11 643 S. 103). Dies kann bei Internetauktionen auf der Verkaufsplattform X jedoch erst unmittelbar im Anschluss an den erfolgreichen Abschluss der Auktion, mithin dem Ende der vom Anbieter bestimmten Laufzeit der Fall sein (vgl. auch jurisPK-Wildemann, 5. Aufl., § 355 BGB, Rn. 21 mw.N.). Denn da die Nutzer der Plattform unter anonymisierten Mitgliedsnamen auftreten, wird dem Unternehmer die Identität seines Vertragspartners bekanntermaßen erst zu diesem Zeitpunkt bekannt gegeben (BT-Drs 16/11 643 S. 103).
Hinzu kommt, dass einem ersten Höchstgebot bis zum endgültigen Ablauf der Auktion prinzipiell eine Vielzahl weiterer Höchstgebote einiger weniger oder auch vieler weiterer sich ggf. sogar wiederholt überbietender Verbraucher folgen kann. In Anbetracht dessen wird man dem Unternehmer schon unter Zumutbarkeitserwägungen zubilligen müssen, bis zum Auktionsende zu warten, um sodann im unmittelbaren Anschluss (allein) den letztendlichen Käufer über dessen Widerrufsrecht zu belehren. Die - im Rahmen der Feststellung der Unverzüglichkeit angemessen zu berücksichtigenden (vgl. u.a. BeckOK-Wendtland, Stand: 01.11.2011, § 121 BGB Rn. 7; MünchKomm-Armbrüster, 6. Aufl., § 121 BGB Rn.7) - berechtigten Belange der Beteiligten gebieten insoweit nichts anderes. Denn der Verbraucher wird hierdurch nicht länger als unvermeidlich über sein Widerrufsrecht im Unklaren gelassen. Bis zum endgültigen Auktionsende muss er nämlich jederzeit damit rechnen, überboten zu werden. Damit kann er noch nicht einmal sicher sein, dass der durch sein Höchstgebot (zunächst) zustande gekommene Vertrag überhaupt bis dahin fortbestehen wird. Bevor er aber insoweit keine Gewissheit hat, muss er sich keine Gedanken darüber machen, ob er an diesem Geschäft letztendlich festhalten will. Hierfür besteht bis dahin keine Notwendigkeit. Damit bedarf er (noch) nicht der ihm mit § 355 BGB eingeräumten nachträglichen Bedenkzeit – und damit auch (noch) keiner Widerrufsbelehrung.
Eine solche Auslegung im Rahmen des Gesetzeswortlautes widerspricht – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – nicht dem Willen des Gesetzgebers, auch wenn es in den BT-Drs 16/11 643 S. 103 heißt: "Der Unternehmer verzögert die Erfüllung seiner Belehrungspflicht in der Regel schuldhaft, wenn er nicht spätestens am Tag nach dem Vertragsschluss die Widerrufsbelehrung in Textform auf den Weg bringt ...". Denn der zum 01.06.2010 geänderte § 355 Abs. 2 BGB sollte gerade auch der Gleichstellung von Internetauktion und Online-Shop im Hinblick auf die Regelfrist von 14 Tagen dienen, und zwar ausdrücklich mit Rücksicht darauf, dass es sich bei Angeboten über eine Internetauktionsplattform bereits um rechtlich verbindliche Angebote handelt (BT-Drs 16/11 643 S. 103). Dieses Ansinnen würde konterkariert, wenn dem Unternehmer etwas faktisch Unmögliches abverlangt würde. Der Unternehmer mag "in der Regel" schuldhaft handeln, wenn er nicht spätestens am Tage nach dem Vertragsschluss die Widerrufsbelehrung übermittelt. Ausnahmsweise kann sein Unterlassen jedoch nicht zu beanstanden sein, wenn ihm ein Handeln faktisch nicht möglich oder unzumutbar ist.
III.
Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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